15. Juni 2015. Der Vollzugsbeamte schließt die Tür hinter uns, überholt uns den Gang entlang und öffnet die nächste Stahltür. „Der Wecker war auch schon hier“. Stadelheim hat Tradition. Kollege Wildmoser vom Lokalrivalen 60 saß hier wegen Steuerhinterziehung. Die Tschäpe wegen Beihilfe. Ihr Chef wegen Landfriedensbruch. Alles schon eine Weile her. Als Wurstverkäufer gehört Uli zu den privilegierten Insassen. Er residiert in der legendären Zelle 70 und wir haben die Ehre, eine Einladung zur ersten Inhouse-Pressekonferenz erhalten zu haben. Schließlich sind wir ihm als steuerkritischer Informationsdienst schon aufgefallen lange bevor die erste Steuer-CD in Umlauf gebracht wurde. Es gibt Semmeln mit Hack, frische Radies und Bauernwürste, die die Mit-Häftlinge in der Metzgerwerkstatt im Nebentrakt unter seiner Aufsicht frisch gekesselt und verwurstet haben. Uli trägt das blaue Hemd leicht geöffnet und wenn wir nicht wüssten, dass man im Knast kein Gold tragen darf, hätten wir schwören können, es ist ein Goldkettchen, das da über dem Brusthaar glänzt. Er berichtet vom täglichen Kicken im Hof. Wie er den Kollegen immer wieder und immer wieder vormachen muss, wie er die Pille beim Elfmeterschießen gegen die Tschechen in den tiefblauen Nachthimmel von Belgrad jagte. Noch Jahre später im serbischen Bürgerkrieg konnte man zwischen dem Funkeln und Zischen des Granatfeuers den Schweif des verirrten Balles erkennen, während die Jungs unten auf dem Gefängnis-Sportplatz sich Abend für Abend einen Spaß draus machen, die Bälle über die Mauer bis zum Krematorium des Perlacher Friedhofs zu dreschen. Das war´s dann. Noch sind es 82 Tage bis zum ersten Freigang. „Jetz isses halt so. Bis dahin muss ich kleinere Würstchen backen“.