Wichtig für alle Gesellschafter-Geschäftsführer, die in einer Schweizer Kapitalgesellschaft (GmbH/AG) angestellt sind und in Deutschland wohnen: Das Finanzamt wollte den Wertzuwachs seiner Kapitalbeteiligung mit dem Umzug in die Schweiz sofort versteuern (Begründung: sog. Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG i.V.m. § 17 EStG). Dazu das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg: So geht es nicht. Der Wertzuwachs kann erst besteuert werden, wenn er realisiert wird – sprich: Wenn der Wertzuwachs tatsächlich bei einem Verkauf erzielt wird (Quelle: FG Baden-Württemberg, Urteil v. 31.8.2020, 2 K 835/19).
Für die Praxis: Hier waren die Finanzbehörden wieder einmal übereifrig. Eine solche steuerliche Behandlung verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Überbrückungshilfen für kleinere Unternehmen verlängert – und betrifft die Monate September bis Dezember 2020. Die Antragstellung läuft über den Steuerberater – bis spätestens zum 31.12.2020.
ACHTUNG:Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die bisher vom BAG und dem Bundesgerichtshof vertretene Rechtsauffassung zur arbeitsrechtlichen Stellung des GmbH-Geschäftsführers ohne Beteiligung an der GmbH/UG (Fremd-Geschäftsführer) aufgegeben. Folge: Die bisher „arbeitnehmerfreundliche” Rechtsprechung für Fremd-Geschäftsführer wird so keinen Bestand mehr haben …
Die neue Rechtslage:Eine Geschäftsführer-Kollegin ohne eigene Beteiligung an der GmbH klagte gegen ihre Kündigung und wollte die Frist (hier: 6 Wochen zum Quartalsende gemäß § 621 Nr. 4 BGB) überprüfen lassen. Dabei berief sie sich darauf, dass für sie als Fremd-Geschäftsführerin die Kündigungsfrist aus § 622 BGB (Kündigungsfrist für Arbeitsverhältnisse) gelte und entsprechend anzuwenden ist. Dazu heißt es wörtlich im Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in letzter Instanz: „Mit der ab Oktober 1993 geltenden Neufassung des § 622 BGB hat der Gesetzgeber die Anbindung der Kündigungsfristenregelung an Arbeitsverhältnisse betont. Es ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass er die Kündigungsfristenregelung für (Fremd-)Geschäftsführer dort verortet sehen wollte”. Das Gericht hält die Kündigungsfrist nach § 621 BGB auch für den Fremd-Geschäftsführer für allgemeinverbindlich, zulässig und damit wirksam (BAG, Urteil v. 11.6.2020, 2 AZR 374/19).
Für die Praxis: Das Urteil bzw. die hier vertretene Rechtsauffassung bedeuten eine klare Kehrtwende in der Beurteilung der rechtlichen Stellung des Fremd-Geschäftsführers. Bisher war die Rechtsprechung – BAG und Bundesgerichtshof (BGH) – davon ausgegangen, dass der GmbH-Geschäftsführer ohne eigene Beteiligung an der GmbH – je nach Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse – Arbeitnehmerrechte in Anspruch nehmen kann. Das betrifft die Kündigungsfrist, aber auch andere Arbeitnehmerrechte wie Kündigungsschutz im allgemeinen, Abfindungsanspruch, Urlaubsanspruch usw. In der Praxis müssen Fremd-Geschäftsführer in Zukunft davon ausgehen, dass diese neue Rechtslage konsequent von den Arbeitsgerichten angewandt wird. Ausweg: Sie vereinbaren eine verbindliche Kündigungsfrist im Anstellungsvertrag (z. B. üblich: 6 Monate zum Jahresende).
Eine nachträgliche Änderung des GmbH-Geschäftsführer-Anstellungsvertrages ist nur mit einem Beschluss der Gesellschafter möglich.
Die Große Koalition hat jetzt gesetzeswirksam in Sachen Insolvenzrecht beschlossen, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht – auch für GmbH-Geschäftsführer – bis zum 31.12.2020 zu verlängern. Das gilt nur für den Insolvenzanlass bilanzielle Überschuldung – also den Fall, dass das Vermögen der GmbH die Schulden nicht mehr deckt.
Damit steigen die Chancen für überschuldete GmbH auf Sanierung – Sie gewinnen Zeit um entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Z. B. Beschaffung von neuem EK, aus einer Kapitalerhöhung oder aus zusätzlichen Einlagen.
Wissen
Die GmbH ist überschuldet, wenn das Vermögen der GmbH die Schulden nicht mehr deckt. Das gilt selbst dann, wenn Ihre wirtschaftlichen Analysen ergeben, dass die GmbH fortbestehen könnte. Ist Ihre GmbH rein rechnerisch überschuldet, müssen Sie deshalb innerhalb von drei Wichen ab Feststellung der Überschuldung Insolvenzantrag stellen.
Eine Überschuldung kann bereits durch einfache bilanzielle Maßnahmen beseitigt werden. Haben Sie z. B. Gesellschafter-Darlehen in Ihre GmbH eingebracht (Fremdkapital), dann können Sie durch Verzicht auf das Darlehen (Rangrücktritt) eine Bilanzverkürzung erreichen, so dass die Überschuldung beseitigt ist.
Nach der InsO nehmen auch nachrangige Verbindlichkeiten am Insolvenzverfahren teil (§ 39 Abs. 2 InsO). Folge für die Praxis: Umstritten ist, welche Auswirkungen dies tatsächlich für Gesellschafter-Darlehen mit Rangrücktrittsvereinbarung hat. Als Vorsichtsmaßnahme wird empfohlen, in Zweifelsfällen einen Forderungsverzicht, ggf. mit Besserungsoption, zu vereinbaren. Das kann allerdings steuerlich nachteilige Folgen haben.
Eine Überschuldung kann grundsätzlich nur durch die Zuführung von Eigenkapital beseitigt werden. Das kann geschehen durch
eine Kapitalerhöhung (Umwandlung von Gewinnrücklagen oder Gesellschafter-Darlehen in EK) und/oder
Zuzahlungen der bisherigen Gesellschafter in das Eigenkapital nach § 272 Abs. Nr. 4 HGB.
Sofern die Gesellschafter eigenkapitalersetzende Leistungen in die GmbH eingebracht haben (Gesellschafterdarlehen), ist eine Kapitalerhöhung nicht zu empfehlen, weil die Unterbilanz nur in Höhe des Agios beseitigt wird. In Frage kommt aber ein Kapitalschnitt, d. h. eine vereinfachte Kapitalherabsetzung in Verbindung mit einer Kapitalerhöhung.
Wirksames Mittel zur Beseitigung einer Überschuldung ist der Rangrücktritt oder der Forderungsverzicht mit Besserungsschein. In beiden Fällen entfällt die Passivierung. Beide wirken jedoch unterschiedlich in Hinsicht auf ihre Stellung als Sicherheit. Die rechtlichen und steuerrechtlichen Folgen entsprechender Maßnahmen sind unbedingt mit dem Steuerberater/Justitiar abzuklären.
TIPP: Da die Feststellung der Überschuldung in der Praxis nicht ganz einfach ist, sollten Sie – sofern Sie eigene Anhaltspunkte sehen – sofort den Steuerberater einschalten und diesen ggf. mit der Aufstellung einer Zwischenbilanz (Überschuldungsstatus) beauftragen. Stellen Sie den Insolvenzantrag erst, wenn sich bei Vorlage des Überschuldungsstatus (= Fristbeginn) zweifelsfrei eine Überschuldung ergibt.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat gegenüber SPIEGEL und der BILD-Zeitung angekündigt, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für GmbH/UG-Geschäftsführer zu verlängern – bis zum 31.3.2021. ACHTUNG: Das wird nur für GmbH/UG, die überschuldet sind, gelten. Zahlungsunfähige Unternehmen (Fachjargon: Zombies) müssen am 30.9. unverzüglich bzw. bei ernsthaftem Sanierungsversuch spätestens zum 22.10. (Ende der 3‑Wochenfrist) Insolvenz anmelden.
Aus CDU-Kreisen (Wirtschaftsministerium) wird eine Befristung bis zum Jahresende präferiert. Allerdings: Hier dürfte das Justizministerium die besseren Karten haben und die Verlängerung der Frist bis zum 31.3. durchsetzen.
Für die Praxis: Für den Geschäftsführer in der Krise ist das Risiko und Chance zugleich. Hier gilt es abzuwägen. Misslingt eine Sanierung steigen die Verluste – auch mit dem Risiko, dass Sie als Geschäftsführer*in ggf. privat dafür in die Haftung genommen werden. Die Gläubiger werden das sehr genau prüfen und ggf. durchsetzen, wenn es einen juristischen Ansatz dafür gibt. Wer es schafft, Eigenkapital zu beschaffen, hat dafür mehr Zeit und kann u. U. einen Neustart besser hinlegen – eventuell mit Überarbeitung des Geschäftsmodells. Keine einfache Situation.
GmbH-Geschäftsführer ohne eigene Beteiligung an der GmbH sind in der Regel sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer. Sie zahlen Pflichtbeiträge in die Sozialkasse und haben dafür Anspruch auf deren Leistungen (Rente, Arbeitslosengeld usw.). Für den Gesellschafter-Geschäftsführer ist der Rechtsanspruch auf diese Leistungen schwieriger durchzusetzen. Nach einem Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts hat auch der Gesellschafter-Geschäftsführer z. B. Anspruch auf Insolvenzgeld und andere Sozialleistungen. Voraussetzung: Er hat weder die Mehrheit der Geschäftsanteile (> 50 %), hat keine Sperrminorität und unterliegt regelmäßig der Kontrolle der Gesellschafter (Grundsatzurteil: BSG mit Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R).
Wichtig ist die richtige Ausgestaltung der Verträge. Der Gesellschaftsvertrag muss klare Beschlussmehrheiten festlegen. Am besten ist es, wenn für alle Beschlüsse die einfache Mehrheit vorgeschrieben ist (mit Ausnahme der Beschlüsse, für die das Gesetz eine ¾‑Mehrheit oder Einstimmigkeit vorschreibt). Vorteilhaft ist es, einen ausführlichen Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte aufzulisten – das sind die Geschäfte, die der Geschäftsführer nur mit ausdrücklicher Zustimmung durch die Gesellschafter tätigen darf. Außerdem sollte im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag eine klare Arbeitszeitregelung vereinbart sein. Wenn Sie das eingehalten ist, besteht ein Rechtsanspruch auf Insolvenzgeld. Unter den oben genannten Voraussetzungen kann sogar ein Rechtsanspruch auf Kurzarbeitergeld für den Geschäftsführer durchgesetzt werden (so z. B.: Sozialgericht Kassel mit Urteil v. 23.3.2006, S 11 AL 1435/03, Quelle: DERBETRIEB 2006, S. 1567).
Für die Praxis: Im verhandelten Urteilsfall ging es um einen Druckvorlagenhersteller für Werbe- und Informationsmaterialien. Im Geschäft waren insgesamt 6 Personen angestellt tätig, davon 4 als Gesellschafter-Geschäftsführer mit jeweils einer 25 %-Beteiligung an der GmbH. Dazu das Gericht: Die Voraussetzungen zur Beanspruchung von Kurzarbeitergeld sind in diesem Fall als erfüllt anzusehen. Verweisen Sie bei der Antragstellung auf das oben zitierte Urteil. Das Urteil datiert aus 2006. Die Rechtslage in dieser Sache ist u. E. aber weiter so gültig. Probieren!
Achtung:Hierzu gibt es ein erstes aktuelles Urteil vom Sozialgericht (SG) Speyer. Das Gericht stellt dazu fest: „Der Geschäftsführer einer UG (hier: Reisebüro) hat grundsätzlich Anspruch auf Kurzarbeitergeld”. Wörtlich aus der Begründung: „Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der UG-Geschäftsführer nicht in einem die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis stand”. Dementsprechend gilt das für alle UG- und GmbH-Geschäftsführer*innen, für die Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt wurden/werden. Quelle: Sozialgericht Speyer, Urteil v. 31.7.2020, S 1 AL 134/20, noch nicht rechtskräftig. U. E. ist davon auszugehen, dass die Bundesagentur gegen die damit erlassene Einstweilige Anordnung zur Zahlung des KUG an den Geschäftsführer Rechtsmittel einlegen wird. Wir halten Sie auf dem Laufenden. Dennoch: Damit besteht eine weitere Möglichkeit, in den nächsten Monaten Kosten einzusparen und Zuschüsse mitzunehmen.
KI und Literatur. Geht das? Und wie! Mit ein wenig Phantasie sollte es gelingen, aus der Auseinandersetzung Mensch-Maschine spannende Geschichten zu schreiben. Mit ganz viel Phantasie hat Marc-Uwe Kling daraus einen spannenden Zukunftsroman gemacht, in dem nicht nur die Menschen, sondern auch die Androiden um ihre Existenzberechtigung kämpfen müssen.
Allerdings ist anders als geplant aus dem Equality-Land – der Vision von Gleichheit, Wohlstand für alle und Demokratie – nur ein QualityLand geworden. Man misst und vergleicht sich, man will besser sein und nach oben kommen. Der Autor schreibt seine Geschichte mit einer Mischung aus Witz, Ironie, Lästern, Sex und nachhaltiger Kulturkritik.
Peter A., Überbleibsel aus der alten Welt, betreibt offiziell eine Schrottpresse. Doch statt ausgemusterte Roboter einzustampfen, hat er in einer ausgedienten Lagerhalle ein museales Alten- und Pflegeheim für seine Klientel eingerichtet. Seine Protagonisten – allesamt sprachbegabt – spaßen über die Vergangenheit, lästern über ihre Altersmacken und bescheißen sich beim Schachspielen, während Peter am Perfektionswahn seiner PartnerApp scheitern muss, weil „nobody is perfect”. Nicht besser geht es dem Androiden John of Us, der den Wahlkampf für die Regierungspartei gewinnen soll – aus Ermangelung menschlicher Kandidaten und dabei wirklich keine gute Figur macht und keine Tollpatschigkeit auslässt.
Besonders phantastisch, wenn der Autor die sich jetzt abzeichnenden Folgen von KI mit praktischem Leben füllt: Selbstfahrende Autos, die den Fahrgast vollplappern, Drohnen, die Waren bringen, von denen der Kunde nur ahnt, dass er sie sich wünscht, der Chip in der Augenlinse, der jeden Gegenüber identifiziert, und all die intelligenten Wesen – ob Mensch oder Maschine – , die ununterbrochen durcheinander reden, alle rhetorischen Stilmittel beherrschen und ausleben. Es entstehen flapsige Dialoge, witzige Gedanken und flüchtige Visionen. Und es bleibt immer Roman: Die menschlichen und androiden Protagonisten arrangieren sich – mit mehr oder weniger tauglichen und untauglichen Mitteln – mit ihrer Umwelt, die immer mehr von Ihnen abverlangt.
Für digitale Leser ein Muss. Für allen Analogen, die neugierig geblieben sind und Lust auf eine KI-Schreibe haben, eine Herausforderung. Eine großartige Sommerlektüre. Wichtig: Lesen Sie die helle Edition. Die dunkle ist düsterer. Zum Bestellen Cover anklicken >
Jetzt ist es amtlich: Geschäftsführer*innen einer überschuldeten GmbH/UG dürfen in die Verlängerung – bis zum 31.12.2020, eventuell sogar noch länger. Damit bleibt etwas mehr Zeit .… *DASVOLLSTÄNDIGEWOCHEN-BRIEFINGGIBTESJEDENFREITAGUNDNURFÜRMITGLIEDERDIREKTAUFSMARTPHONE + TABLET + PC *
Die Themen im Wochen-Briefing 37/2020:
Verlängerung: Überschuldung bis 31.12.2020 beseitigen
GmbH/Krise: Besonderheiten bei einer Amtsniederlegung
Geschäftsführer-Perspektive: Papier oder Realität
Praktisch: Das neue Kurzarbeitergeld (KUG)
Digitales: Geschäfte in der Nachbarschaft
GmbH/Krise: Insolvenzverwalter ohne Branchenkenntnisse
Nachfrist: Höchste Zeit für den Jahresabschluss 2019
Industrie-Versicherer: Zahlt nicht für Spekulationsgeschäfte
Geschäftsführer-privat (I): Zustellung eines Bußgeldbescheids an den GmbH-Geschäftsführer
Geschäftsführer-privat (II): Fahruntüchtigkeit auf dem E‑Scooter
Ab dem 30.9.2020 – also in rund 10 Wochen – gilt für alle Kollegen/Innen wieder die 3‑Wochen-Insolvenzantragspflicht (vgl. zuletzt Nr. 22/2020). Im Klartext: GmbH/UG, die überschuldet sind, müssen spätestens dann Insolvenz anmelden. Viele kleinere und mittelgroße Unternehmen konnten zwar mit einem Überbrückungskredit Zahlungsunfähigkeit abwenden. Der Kredit steht aber als Fremdkapital in der Bilanz und erhöht somit das Überschuldungs-Potenzial. In der Folge prognostizieren die meisten Experten und jetzt auch das Statistische Bundesamt schon jetzt für den Herbst (stark) steigende Insolvenzen.
Es gibt Kollegen/Innen, die sich ganz bewusst darauf eingelassen haben, einen Kredit mitzunehmen, um damit das eigene Gehalt und den eigenen Lebensunterhalt wenigstens für ein paar Monate zu sichern. Auch und gerade mit der Aussicht, anschließend Insolvenz anzumelden. Wie viele Kollegen/Innen das sind, darüber kann man nur spekulieren. Aus Gesprächen mit Kollegen/Innen weiß ich allerdings, dass diese Option nicht nur Einzelfall ist, sondern für nicht wenige Kollegen/Innen realistische Option gegen eine existenzielle Notsituation war und ist. ACHTUNG: Pflichtversicherte Geschäftsführer, die in der Insolvenz mit Insolvenzgeld und anschließend mit einem Bezug von ALG1 auf der Grundlage des zuletzt bezogenen Gehalts rechnen, sind aber gut beraten, sich darauf nicht zu verlassen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) wird die Anspruchsberechtigung genauestens prüfen.
Für die Praxis: Das gilt auch dann, wenn (beherrschende) Gesellschafter/Geschäftsführer in der Zwischenzeit ihre Beteiligung verringert haben (z. B. Übertragung auf Kinder), um dann als „Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer” BA-Leistungen beanspruchen zu können – das wird u. E. kaum gelingen.
Derzeit staunt die interessiert (Wirtschafts-) Öffentlichkeit über das jähe Ende des börsennotierten Finanzdienstleisters Wirecard. Zugegeben: Ein weltweites Firmengeflecht, das sich nur unter Vorbehalt mit den wirtschaftlichen Aktivitäten eines mittelständischen Unternehmens vergleichen lässt. Aus Sicht der Geschäftsführung ist die Rolle des Wirtschaftsprüfers (hier: E & Y) von Interesse. Große GmbH müssen den Jahresabschluss ohnehin regelmäßig prüfen lassen. Mittelgroße GmbH lassen den Jahresabschluss zusätzlich und freiwillig prüfen, etwa um Investoren zu gewinnen. Fakt ist, dass die Unternehmen für die Prüfung zusätzlich tief in die Tasche greifen müssen. Für eine mittelgroße GmbH sind das ca. 8.000 bis 10.000 EUR – in 10 Jahren entspricht das einem 6‑stelligen Betrag, der erst einmal verdient sein muss.
Beratungs- und Prüfungsfehler können aber auch in der kleineren GmbH Folgen habe, die für den Gesellschafter-Geschäftsführer private Konsequenzen haben. Zum Beispiel, wenn es um eine nicht erkannte, fehlerhafte Kapitalerhöhung geht. Das betrifft gerade jetzt viele GmbH/UG, die zum Stichtag 30.9. überschuldet sind und die die Unterbilanz mit einer Kapitalerhöhung ausgleichen wollen, um ein drohendes Insolvenzverfahren zu vermeiden (vgl. zuletzt Nr. 30/2020 – Beitrag: Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers). In der Regel weisen Steuerberater und Bank auf dieses Risiko hin. Achtung: Mit einer einfachen Umbuchung geht es allerdings nicht. Damit verlagern Sie Ihr persönliches Risiko lediglich in die Zukunft.
Beispiel: Sie buchen ausstehendes Geld, dass Sie privat in die GmbH gesteckt haben (Gesellschafterdarlehen) als Kapitalerhöhung. Der für die Kapitalerhöhung notwendige Gesellschafterbeschluss wird anschließend protokolliert. Schon sieht die Bilanz etwas besser aus. Allerdings nur bis zur nächsten Krise: Die Kapitalerhöhung gilt nur dann als „erbracht“, wenn das Geld tatsächlich eingezahlt wurde. Das prüft spätestens der Insolvenzverwalter. Wurde lediglich umgebucht, müssen Sie den Erhöhungsbetrag nochmals zahlen. Und zwar aus Ihrer privaten Schatulle. Konkret für den Darlehensfall gilt: „Wird die Vorleistung (hier: das Darlehen) 18 Monate vor dem Kapitalerhöhungsbeschluss erbracht, ist die Einzahlung nicht erfolgt“ (AmtsG Frankfurt/Oder, Urteil v. 24.4.2013, HRB 9724 FF).
Noch weiter geht der BGH: „Schon bei Erbringung der Vorleistung müssen die Vorbereitungen der Kapitalerhöhung erkennbar sein“ (BGH, Urteil v. 26.6.2006, IIZR 43/05).
Für die Praxis: Verlassen Sie sich nicht darauf, dass die fehlerhafte Kapitalerhöhung nicht erkannt wird. Spätesten dann, wenn über die GmbH ein Insolvenzverfahren eröffnet und ein externer Insolvenzverwalter eingesetzt wird, wird die Kapitalerhöhung nachträglich geprüft. In der Praxis wird ein solcher Fehler in der Kapitalerhöhung vom Insolvenzverwalter bis zur Verjährungsfrist (das sind 10 Jahre) nachgefordert. Zusätzlich sind Verzugszinsen fällig. Der Zins liegt bei 5 Prozentpunkten über dem Basiszins (§ 20 GmbH-Gesetz). Dass das nicht nur Papierforderungen sind, sondern Beträge, die vom Insolvenzverwalter auch per Vollstreckung durchgesetzt werden, zeigen die dazu anhängigen gerichtlichen Verfahren in der Sache. Das kann sogar ziemlich teuer werden. Beispielsrechnung: Nach 10 Jahren müssen Sie für eine ausstehende Einlage über 10.000 € einen Betrag von ca. 20.000 € aus dem Privatvermögen nachzahlen. Besser: Gibt es ein Gesellschafter-Darlehen, dann lassen Sie sich das von der GmbH auszahlen (Überweisungsbeleg) und zahlen den Betrag anschließend auf ein Haben-Konto der GmbH ein – mit dem Vermerk: „Einzahlung Stammeinlage“.