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Volkelt-Brief 39/2014

The­men heu­te: Com­pli­ance - Geschäfts­füh­rer brau­chen immer mehr juris­ti­sches Beur­tei­lungs­ver­mö­gen „Part­ner des Mit­tel­stan­des“: Vor­sicht vor den Tele­kom-Ange­bo­ten + Selbst­an­zei­ge: Neue Steu­er-Risi­ken für anschluss-geprüf­te Unter­neh­men + OLG Naum­burg: Bei Vet­tern­wirt­schaft haf­tet der Geschäfts­füh­rer + GmbH-Gewinn­aus­schüt­tung: Unbe­dingt recht­zei­ti­gen Antrag beim FA stel­len + Ach­tung: Sozi­al­ver­si­che­rung straft Geschäfts­füh­rung „im Team” ab + Geschäfts­füh­rer-Krank­heit: Frei­stel­lung bes­ser als Ende der Tätig­keit + BISS

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Nr. 39/2014

Frei­burg 26.9.2014

Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,

10 der 50 größ­ten US-Fir­men wer­den von Juris­ten geführt. Trend: wei­ter stei­gend (vgl. Nr. 38/2010). Ähn­lich die Ten­denz in Deutsch­land. Auch hier sind es grö­ße­re Unter­neh­men, die Juris­ten in den obe­ren Eta­gen ein­stel­len. Etwas anders sieht es im Mit­tel­stand aus. Die meis­ten Geschäfts­füh­rer stam­men aus prak­ti­schen Beru­fen (Inge­nieu­re, Betriebs­wir­te, Infor­ma­ti­ker, Mar­ke­ting-Exper­ten usw.). Aber auch hier gilt: Geschäfts­füh­rungs-Ent­schei­dun­gen müs­sen immer stär­ker juris­tisch fun­diert sein.

Fakt ist: Das Haf­tungs-Risi­ko für Geschäfts­füh­rer steigt. Wir berich­ten an die­ser Stel­le regel­mä­ßig – so z. B. zum Fall Thys­sen (Nr. 19/2014), zu Gaf­fel (Nr. 3/2014) oder Deut­sche Bank (Nr. 10/2014). Es sind nicht nur Steu­er- oder Sozi­al­ver­si­che­rungs­an­sprü­che oder Feh­ler im Insol­venz­ver­fah­ren, die für den Geschäfts­füh­rer zum Risi­ko wer­den. Immer öfter sind es die Gesell­schaf­ter selbst, die ihre Geschäfts­füh­rer für ver­meint­li­che Ver­mö­gens­schä­den in die Haf­tung nehmen.

Recht­lich kom­pli­zier­te Ent­schei­dungs-Sach­ver­hal­te müs­sen grund­sätz­lich vor­her juris­tisch geprüft wer­den (Zukäu­fe, Fusio­nen, Bau­vor­ha­ben, Kün­di­gun­gen, Geneh­mi­gun­gen usw.). Immer belieb­ter ist fol­gen­des Modell: Sol­len alle juris­ti­sche Rah­men­be­din­gun­gen grund­sätz­lich über­ar­bei­tet wer­den (z. B. ein­mal im Jahr die AGB, alle Ver­trags­mus­ter, Betriebs­ver­ein­ba­rung, Geschäfts­ord­nung usw.) wird für eine befris­te­te Zeit (3 Mona­te) ein Rechts­an­walt als Jus­ti­ti­ar ein­ge­stellt. Das ist in der Regel deut­lich güns­ti­ger als die Ein­schal­tung einer exter­nen Kanzlei.

Partner des Mittelstandes“: Vorsicht vor den Telekom-Angeboten

Seit Wochen wirbt die Tele­kom als Part­ner des Mit­tel­stan­des. Nicht unum­strit­ten wie zahl­rei­che Pra­xis­be­rich­te von betrof­fe­nen Unter­neh­men zei­gen. Auch unser IT-Exper­te Ste­fan Schwab gibt sich zurück­hal­tend bei Beur­tei­lung der Offen­si­ve der Tele­kom. O‑Ton: „Der Umstieg auf den ange­bo­te­nen IP-Stan­dard birgt enor­me Risi­ken. Ent­schei­dend ist die Netz­ka­pa­zi­tät und die ist in vie­len Fäl­len gar nicht vor­han­den“. Fakt ist: In Deutsch­land sind weni­ger als 3 % der Anschlüs­se mit der wett­bewerbsfähigen Glas­fa­ser-Tech­no­lo­gie aus­ge­stat­tet (OECD-Durch­schnitt: 17 %, Süd­ko­rea 67 %).

Vie­le Mit­tel­ständ­ler, die seit Jah­ren mit der Tele­kom auf ISDN set­zen (muss­ten), stel­len jetzt fest, dass man ihnen damals einen inter­na­tio­nal nicht wett­be­werbs­fä­hi­gen Stan­dard ver­kauft hat. Jetzt müs­sen sie fest­stel­len, dass es kei­ne Inno­va­tio­nen mehr gibt und selbst not­wen­di­ge Ersatz­tei­le von der Tele­kom nicht mehr gelie­fert wer­den. So gese­hen ist eine Kom­mu­ni­ka­ti­ons-Sys­te­m­um­stel­lung für mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men, die bis heu­te auf die Tele­kom gesetzt haben, not­wen­dig und wich­tig. Wor­auf müs­sen Sie als Ent­schei­der bei einer Sys­tem-Umstel­­lung jetzt achten?

Wich­tig ist, dass Inter­net und Tele­fon-Kom­mu­ni­ka­ti­on unab­hän­gig blei­ben. War­ten Sie erst ein­mal ein paar Mona­te ab, bevor Sie auf den jetzt ange­bo­te­nen IP-Stan­dard umrüs­ten. Gibt es Pro­ble­me, läuft dann näm­lich nichts mehr. Laut Tele­kom kön­nen Stö­run­gen im IP-Sys­tem „mal kur­ze Zeit bis meh­re­re Stun­den dau­ern“. Stö­rungs­mel­dun­gen und Beschwer­den haben in der Regel kei­nen Effekt. Deutsch­land­weit gibt es der­zeit wöchent­lich geschätz­te 3 Mil­lio­nen Stör­fäl­le. Für Geschäfts­kun­den gilt: Ent­steht durch die Stö­rung ein Scha­den, kann Scha­den­er­satz gel­tend gemacht wer­den. Danach muss ein kon­kre­ter Scha­den der Höhe nach belegt wer­den. Doku­men­tie­ren Sie die Aus­fall­zei­ten, die betrof­fe­nen Sach­ver­hal­te und die bezif­fer­ba­re Höhe des Scha­dens. Mit der Durch­set­zung des Anspruchs soll­ten Sie einen Anwalt beauf­tra­gen. Selbst­ge­strick­te Scha­dens­an­sprü­che kön­nen leicht abge­blockt oder auf der lan­gen Bank landen.

Selbstanzeige: Steuer-Risiken für anschluss-geprüfte Unternehmen

Auch wenn Sie kein Schwarz­geld-Kon­to oder sons­ti­ge Zins­ein­nah­men (z. B. aus Gesell­schaf­ter-Dar­le­hen) nicht ange­ge­ben haben, müs­sen Sie als Geschäfts­füh­rer das lau­fen­de Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren zur steu­er­li­chen Selbst­an­zei­ge genau im Auge behal­ten: Kon­kret: Im aktu­el­len Geset­zes­text gibt eine (umstrit­te­ne) For­mu­lie­rung, nach der die Nach­er­klä­rung von Steu­ern oder die Kor­rek­tur einer bereits abge­ge­be­nen Steu­er-Erklä­rung auch für Unter­neh­men deut­lich ver­schlech­tert wird.

Kon­kret heißt es im vor­lie­gen­den Geset­zes­text zur Frist­set­zung: „Eine (straf­be­frei­en­de) Selbst­an­zei­ge ist aus­ge­schlos­sen, sobald ein Amts­trä­ger im Unter­neh­men erschie­nen ist und sich aus­ge­wie­sen hat“. Schwie­rig ist das für Unter­neh­men, die anschluss-geprüft wer­den und bei denen sich die Steu­er­prü­fung stän­dig im Hau­se auf­hält (vgl. Betriebs­grö­ßen­merk­ma­le zum 1.1.2013 z. B. Han­dels­be­trie­be: Umsatz > 7,3 Mio. EUR, steu­er­li­cher Gewinn > 280.000 EUR). Für alle die­se Unter­neh­men ent­fällt damit u. U. die fol­gen­freie Kor­rek­tur­mög­lich­keit einer bereits ein­ge­reich­ten Steu­er­erklä­rung. Even­tu­ell wer­den dann Straf­zin­sen in Höhe von min­des­tens 10 %  der nicht/falsch erklär­ten Beträ­ge fäl­lig (15 % bei Beträ­gen bis 1 Mio. EUR und 20 % bei mehr als 1 Mio. EUR).

Bis­lang gibt die Steu­er befrei­en­de Selbst­an­zei­ge auch Unter­neh­men die Mög­lich­keit, bei strit­ti­gen Sach­ver­hal­ten, die mit dem Finanz­amt erst lang­wie­rig geklärt wer­den müs­sen, straf­frei und ohne zusätz­li­che Straf­zin­sen her­aus zu kom­men (Bei­spie­le: inner­be­trieb­li­che Ver­rech­nungs­prei­se, Behand­lung von Lizenz­ge­büh­ren, Bewer­tung von Maschi­nen im Leis­tungs­tausch usw.) Die typi­schen Pro­ble­me in der Pra­xis sind bekannt. In Zukunft kann das Finanz­amt danach für feh­ler­haft ein­ge­reich­te Sach­ver­hal­te Straf­zin­sen berech­nen. Das Bun­des­ka­bi­nett hat zum Geset­zes­vor­schlag die­se Woche Stel­lung (24.9.2014) genom­men und damit das Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren eröff­net. Laut BMF kön­nen Unter­neh­men eine sog. Teil­selbst­an­zei­ge nut­zen. Inwie­weit das so gehand­habt wird, bleibt aber u. E. noch offen. Zumal der BGH grund­sätz­li­che Beden­ken gegen eine Teil­selbst­an­zei­ge hat (vgl. BGH, Urteil vom 20.5.2010, 1 StR 577/09).

OLG Naumburg: Bei Vetternwirtschaft haftet der Geschäftsführer

Auch wenn Sie als Geschäfts­füh­rer einer GmbH vom Ver­bot des Selbst­kon­tra­hie­rens befreit sind und es kei­nen sog. Kata­log zustim­mungs­pflich­ti­ger Geschäf­te gibt, dür­fen Sie nicht ein­fach Geschäf­te mit sich und der GmbH abschlie­ßen. Gibt es wei­te­re Gesell­schaf­ter in der GmbH, müs­sen Sie dazu die Zustim­mung der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung ein­ho­len. Ohne Zustim­mung über­schrei­ten Sie Ihre Kom­pe­ten­zen und machen sich schadensersatz­pflichtig. So der ein­deu­ti­ge Tenor eines jetzt ver­öf­fent­lich­ten OLG-Urteils (OLG Naum­burg, Urteil vom 23.1.2014, 2 U 57/13).

Bei­spiel: Der Geschäfts­füh­rer ver­gibt einen Pro­jekt-Auf­trag der GmbH, für die er als Geschäfts­füh­rer tätig ist, an eine Fir­ma, deren ein­zi­ger Gesell­schaf­ter und Geschäfts­füh­rer er wie­der­um selbst ist. Dazu das Gericht: „Rechts­geschäfte die­ser Art lie­gen in der Kom­pe­tenz der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung“. Und zwar selbst dann, wenn der Geschäfts­füh­rer sonst kei­ne zusätz­li­chen gesell­schafts­recht­li­chen Beschrän­kun­gen unter­liegt. Das gilt auch dann, wenn der Geschäfts­füh­rer sich über den Abschluss des Geschäf­tes z. B. mit dem Mehr­heits-Gesel­l­­schaf­ter vor­ab ver­stän­digt hat. Ohne ent­spre­chen­den Gesell­schaf­ter­be­schluss ist der Geschäfts­ab­schluss anfechtbar.

Im kon­kre­ten Fall hat­te der Geschäfts­füh­rer den Mehr­heits-Gesell­schaf­ter über einen sol­chen Geschäfts­ab­schluss (hier: Umwand­lung eines Hotels in eine Well­ness-Ein­rich­tung) mit sich selbst bzw. sei­ner eige­nen Zweit­fir­ma erst gar nicht infor­miert. Einen Tag vor der dar­auf­hin beschlos­se­nen Abbe­ru­fung des Geschäfts­füh­rers wies der trotz­dem noch eine ent­spre­chen­de Abschlags­zah­lung über das ver­ein­bar­te Pro­jekt-Hono­rar an sei­ne eige­ne Fir­ma an. Die muss er zurück­zah­len. Selbst wenn das Geschäft zwi­schen den GmbHs wirk­sam abge­schlos­sen sein soll­te, ergibt sich die Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung aus der Über­tre­tung der inter­nen Kompetenzverteilung.

GmbH-Gewinnausschüttung: Unbedingt rechtzeitigen Antrag stellen

GmbH-Gesell­schaf­ter (Betei­li­gung min­des­tens 25 %) kön­nen ihre Gewinn­an­tei­le wahl­wei­se per Abgel­tungs­steu­er oder nach dem Teil­ein­künf­te­ver­fah­ren ver­steu­ern. Das rech­net sich, wenn der per­sön­li­che ESt-Satz nied­rig liegt, also z. B. für betei­lig­te Ehe­gat­ten oder Kin­der mit gerin­gem eige­nem Ein­kom­men bei eige­ner Steuerveranlagung.

Vor­aus­set­zung: Der Antrag auf Nut­zung des Teil­ein­künf­te­ver­fah­rens muss spä­tes­tens mit Abga­be der Steu­er­erklä­rung gestellt wer­den. Wer zu spät kommt, muss den höhe­ren Steu­er­satz der Abgel­tungs­steu­er (25 %) zah­len (FG Müns­ter, Urteil vom 21.8.2014, 7 K 4608/11E).

Das Gericht hat zwar Revi­si­on zum Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) zuge­las­sen. Sie soll­ten aber davon aus­ge­hen, dass sich an der Rechts­la­ge nichts mehr ändern wird. Las­sen Sie also vor­ab vom Steu­er­be­ra­ter berech­nen, wel­ches Besteue­rungs­ver­fah­ren für Sie das güns­ti­ge­re ist (Abgel­tungs­steu­er oder Teil­ein­künf­te­ver­fah­ren). Ach­ten Sie dar­auf, dass mit der Steu­er­erklä­rung (Anla­ge KAP) der Antrag auf Besteue­rung nach dem Teil­ein­künf­te­ver­fah­ren ange­kreuzt ist (Zei­le 27 = „1“ ein­tra­gen). Wich­tig ist das für GmbH-Gesell­schaf­ter, die min­des­tens zu 25 % an einer GmbH betei­ligt sind.

Achtung: Sozialversicherung straft Geschäftsführung „im Team” ab

Die Spit­zen­ver­bän­de der Sozi­al­ver­si­che­rung haben sich dar­auf ver­stän­digt, dass allei­ne die ver­trag­li­che Verein­barung (Gesell­schafts­ver­trag) und die sich dar­aus erge­ben­de Rechts­macht des Gesel­l­­schaf­ter-Geschäfts­füh­rers ent­schei­dend für die Mit­glied­schaft in der Pflicht­ver­si­che­rung ist. Der beherr­schen­de Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer (Betei­li­gung > 50%) ist damit auch dann nicht Pflicht­mit­glied, wenn er im All­tags­ge­schäft alle Ent­schei­dun­gen mit sei­nen Mit-Gesel­l­­schaf­­tern abspricht (Anla­ge 3 zum Rund­schrei­ben zur Sta­tus­fest­stel­lung vom 9.4.2014).

In dem amt­li­chen Fra­ge­bo­gen zur Beur­tei­lung der sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Stel­lung des GmbH-Geschäfts­füh­rers müs­sen auch Fra­gen zur inter­nen Arbeits­tei­lung und zur Ent­schei­dungs­fin­dung in der GmbH beant­wor­tet wer­den. Bis­her konn­te ankreu­zen „an der fal­schen Stel­le“ dazu füh­ren, dass der Geschäfts­füh­rer als sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tig ein­ge­stuft wur­de (z. B. Fra­ge 2.6.: „Wird das Wei­sungs­recht tat­säch­lich so aus­ge­übt?“). Das ist jetzt so ein­fach nicht mehr mög­lich: Ent­schei­dend sind die tat­säch­lich ver­ein­bar­ten recht­li­chen Ver­hält­nis­se in der GmbH und nicht die Arbeits­ab­spra­chen zwi­schen meh­re­ren Geschäfts­füh­rern und Gesell­schaf­tern. Team-Ori­en­tie­rung auf GF-Ebe­ne kann danach nicht mehr mit der Pflicht­ver­si­che­rung abge­straft werden.

Geschäftsführer-Krankheit: Freistellung besser als Ende der Tätigkeit

Been­det der beherr­schen­de Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer sei­ne Tätig­keit vor Ablauf des ver­ein­bar­ten Pen­si­ons­al­ters und hat er den 10-Jah­res Erdie­nenszeit­raum nicht erreicht, darf das Finanz­amt die für die Ver­sor­gungs­zu­sa­ge gebil­de­te Rück­stel­lung nach­träg­lich als ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tung ver­steu­ern (BFH, Urteil vom 25.6.2014, I R 76/13).

Nichts zu machen. Mit die­sem Risi­ko müs­sen Sie als Geschäfts­füh­rer leben. Zu prü­fen ist, ob der Geschäfts­füh­rer bei Ver­hin­de­rung (Krank­heit) zunächst nur frei­ge­stellt wird.

 

Volkelt Lothar Volkelt

Dipl. Volks­wirt, Chef­re­dak­teur + Herausgeber

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