Neue Geschäftsmodelle: „Da hätten wir auch drauf kommen können …” + BGH aktuell: Überprüfen Sie jetzt Ihre Ressort-Vereinbarung + Digitales: So schreiben sich die neuen Erfolgsgeschichten (VIII) + GF-Aufgabe „Motivation“: Feedback statt zwischen Tür und Angel + Vor Gericht: Geschäftsführer hat Anspruch auf Verdienstausfall + Geschäftsführer-Firmenwagen: Musterfeststellungsklage wird am 30.9. verhandelt + Praktikanten: Kein Anspruch auf Mindestlohn bei Unterbrechung
BISS … die Wirtschaft-Satire
Der Volkelt-Brief 22/2019 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg, 31. Mai 2019
Sehr Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
kennen Sie GetyourGuide? Dabei handelt es sich um ein sog. Einhorn (Unicorn) – das ist ein StartUp-Unternehmen, das mit einem Börsenwert von rund 1 Mrd. Dollar gehandelt wird. Vergleichbar mit solchen Größen wie Uber, Zalando, HelloFresh usw. Also um ein Unternehmen, das zu den Global-Playern gehört und das verspricht, ihren Anlegern dauerhaften Reichtum zu verschaffen.
Wie – kennen Sie immer noch nicht? Das Unternehmen firmiert in Berlin, hat derzeit 500 Mitarbeiter und entwickelt eine Plattform, auf der Jedermann eine Urlaubsreise, ein Stadt-Event, eine Führung oder auch nur ein Ticket für welche Veranstaltung auch immer erwerben kann. Eine Mischung aus Online-Reisebüro, Stadt-Event-Anbieter und Ticketservice. International und buchbar mit allen Bezahlsystemen. Der Gründer – Johannes Reck (34) – war zunächst mit einer deutschlandweiten Putz-Service-Vermittlungs-Plattform gescheitert. Aber: Der junge Mann hat gute Beziehungen zu den Kapitalmärkten und zu weltweiten Investoren – zuletzt aus Japan und Fernost. Jetzt gelang es ihm, von seinen Kapitalgebern 480 Mio. EUR für GetYourGuide einzusammeln. „Da hätten wir auch drauf kommen können .…”. Gute Beziehungen und eine clevere Performance vorausgesetzt. Wir bleiben dran und berichten, ob das Geschäftsmodell hält, was es (er) verspricht.
BGH aktuell: Überprüfen Sie jetzt Ihre Ressort-Vereinbarung
In größeren GmbHs mit mehreren Geschäftsführern gibt es in der Regel eine eingeübte Aufteilung der Ressorts. Es gibt Geschäftsverteilungspläne, ausführliche Stellenbeschreibungen für jeden einzelnen Geschäftsführer und eine Geschäftsordnung, die die Zusammenarbeit zwischen den Geschäftsführern bis ins Detail regelt. ie gegenseitigen Informationspflichten sind klar definiert und regelmäßiger Gegenstand der Geschäftsführungs-Sitzungen. Anders in vielen kleineren GmbHs: Hier passiert die Arbeitsteilung zwischen den Geschäftsführern gelegentlich auf Zuruf. Hierzu gibt es ein wichtiges neues Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), das Sie zur Kenntnis nehmen müssen (vgl. dazu zuletzt in Nr. 10/2019 zur sog. „Weltruf-Entscheidung”). Das Urteil wurde in den letzten Monaten ausführlich in Fachkreisen diskutiert. Unterdessen ist absehbar, welche Folgerungen Geschäftsführungen mit nicht vollständig ausformulierter Arbeitsteilung daraus ziehen müssen. Der BGH entschied zwar: „Eine diesen Anforderungen genügende Aufgabenzuweisung bedarf nicht zwingend einer schriftlichen Dokumentation” (BGH, Urteil v. 6.11.2018, II ZR 11/17).
Aus dem Urteil ergibt sich aber auch, dass ein Entlastungsbeweis, der den einzelnen Geschäftsführer von der Gesamthaftung befreit, ohne eine solche schriftliche Aufzeichnung in der Praxis nicht geführt werden kann (so z. B. Dr. Martin Schockenhoff in GmbH-Rundschau 2019, S. 514 ff.).
Für die Praxis bedeutet das: Nur wenn Sie alle Vertragswerke der GmbH (Gesellschaftsvertrag, Anstellungsvertrag, Geschäftsordnung) richtig aufeinander abgestimmt sind, ist sicher, dass der Geschäftsführer nur für seine Aufgaben zur Verantwortung gezogen werden kann:
- Voraussetzung 1: Die Aufgabenverteilung zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern bzw. den Geschäftsführern untereinander ist vertraglich klar geregelt ist. Dazu gehört: Auflistung eines Kataloges zustimmungsbedürftiger Geschäfte im Gesellschaftsvertrag, Definition der Ressorts im Anstellungsvertrag der Geschäftsführer (Stellenbeschreibung).
- Voraussetzung 2: Es ist festzulegen, wie sich die Geschäftsführer untereinander informieren bzw. abstimmen müssen. Die genauen Modalitäten sind im Rahmen einer Geschäftsordnung zu vereinbaren (Sitzungsleitung, Abstimmungsmodalitäten, Protokollführung usw.).
- Voraussetzung 3: Die Geschäftsführer bilden innerhalb der Organisation GmbH ein Team: Das Führungsteam. Das bedeutet: Zu einer effektiven Zusammenarbeit kommt es nur, wenn die Grundsätze für Teamarbeit konsequent angewandt werden
Beispiel: Korrekte Verankerung der Ressortaufteilung im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag
” § … Aufgaben des Geschäftsführers Finanzen / Rechnungswesen / Controlling
Der Geschäftsführer leitet das Ressort Finanzen/ Rechnungswesen/Controlling. Dabei übernimmt er alle Tätigkeiten, die ihm in seiner Gesamtverantwortung für die Geschäfte des Arbeitgebers übertragen sind, alle Tätigkeiten die ihm aufgrund der Stellenbeschreibung zugewiesen sind und darüber hinaus alle Tätigkeiten, die sich zusätzlich aus seiner Verantwortung für alle kaufmännischen Belange des Arbeitgebers ergeben, die nicht ausdrücklich Bestandteil der Stellenbeschreibung sind. Die Stellenbeschreibung ist dem Geschäftsführer bekannt, ausgehändigt und ist Bestandteil dieses Anstellungsvertrages”.
Digitales: So schreiben sich die neuen Erfolgsgeschichten (VIII)
Der Markt für Bring- und Lieferdienste befindet sich in ständiger Bewegung. Zuletzt hatte der holländische Anbieter Takeaway das Deutschlandgeschäft des britischen Konzerns Delivery Hero (Lieferheld, pizza.de und Foodora) für 930 Mio. EUR übernommen. Unterdessen plant der auf Deutschland fokussierte Bringdienst Deliveroo mit 575 Mio. EUR einen Neustart, nachdem das Geschäft zuletzt schwächelte. Der Deal: Der Bringdienst will die Dienste der Bundesregierung in Anspruch nehmen und mit einem neuen Vergütungsmodell punkten.
Und das geht so: Um bei den (Mindest-) Löhnen und Sozialabgaben zu sparen, soll das Bundesarbeitsministerium ein neues Vergütungssystem für ihre selbständigen Fahrer genehmigen, um sog. Scheinselbstständigkeiten zu verhindern. Danach übernimmt Deliveroo für ihre freiberuflich tätigen Mitarbeiter die Kosten für die Risikoabsicherung (Stichwort: Verpflichtende Altersvorsorge für Solo-Selbstständige) und Weiterbildung, ohne dass das Folgen für das Beschäftigungsverhältnis hat. Die Mitarbeiter bleiben selbstständig und werden nicht zu Angestellten des Unternehmens. Vorteil: Während die Konkurrenz für ihre Mini- und Übergangsbereichs-Jobber Sozialabgaben zahlen muss, kann Deliveroo weiterhin billiger anbieten und den Kostenvorteil an die Kunden weitergeben. Ob die Rechnung wie geplant aufgeht, steht allerdings noch in den Sternen. Wir halten Sie auf dem Laufenden – ob zur Nachahmung geeignet.
GF-Aufgabe „Motivation“: Feedback statt zwischen Tür und Angel
Eigentlich will der Mitarbeiter nur das Feedback des Chefs einholen. Der fand den Vorschlag für zur Neukundengewinnung aber gar nicht gut. „Das läuft so nicht!“. Solche Aussagen des Chefs mögen sachlich gerechtfertigt sein – im Feedback-Gespräch bringt das aber nichts. Wird der Chef später auf seine kritischen Äußerungen angesprochen, wird schnell klar: Er hat die Gesprächssituation völlig falsch eingeschätzt und „zwischen Tür und Angel“ seine Meinung dazu gesagt. Ihm ist dabei oft gar nicht bewusst, dass der Mitarbeiter eine kritische Auseinandersetzung sucht. Dass das aber nur funktioniert, wenn der Chef bestimmte Techniken nutzt.
Die Folgen: Es kommt zu Missverständnissen, man redet aneinander vorbei. Der Mitarbeiter wird verunsichert und demotiviert. Bei zukünftigen Aufgabenstellungen wird er sich zurückhalten und sich vorher absichern. Er wird sich weniger zutrauen, eigene, vielleicht neue kreative Ideen in betriebliche Projekte einzubringen. Das Feedback ‑Gespräch sollte nach bestimmten Regeln laufen, wenn es beim Mitarbeiter ankommen oder Einstellungs- oder Verhaltensänderungen erreichen soll. Effektives Feedback lässt sich erlernen. Dazu sollte es in Gesprächssituationen mit verschieden Gesprächsteilnehmern eingeübt werden. Wer unsicher über seine Gesprächsführung ist, kann sich beraten lassen bzw. seine Fähigkeiten im Kommunikationstraining verbessern.
Vor Gericht: Geschäftsführer hat Anspruch auf Verdienstausfall
Erscheint der Geschäftsführer einer GmbH in einer rechtlichen Auseinandersetzung vor Gericht, dann er seinen Verdienstausfall geltend machen. Ein Verdienstausfall gehört zu den „Zeit veranlassten” Kosten, die laut Zivilprozessordnung (ZPO) den Verfahrensbeteiligten zu ersetzen sind (OLG Brandenburg, Urteil v. 16.4.2019, 6 W 158/18).
Geschäftsführer-Firmenwagen: Musterfeststellungsklage wird am 30.9. verhandelt
GmbHs bzw. Geschäftsführer-Kollegen, die sich in Sachen Dieselgate an der Musterfeststellungsklage gegen VW beteiligt haben, müssen sich noch bis zum 30.9.2019 gedulden. Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hat diesen Termin für die erste mündliche Verhandlung jetzt festgelegt. Registrierte Kläger können noch bis zu diesem Termin entscheiden, ob sie weiterhin bei der Musterklage gegen VW dabei sein wollen oder nicht. Für weiterhin am Verfahren Beteiligte wird das anschließende Urteil automatisch gelten. Betroffene können sich noch bis zum Tag der mündlichen Verhandlung zum Verfahren anmelden und zwar unter > https://www.musterfeststellungsklagen.de .
Praktikanten: Kein Anspruch auf Mindestlohn bei Unterbrechung
Praktikanten haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn sie das Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten und es eine Dauer von drei 3 Monaten nicht übersteigt. Das Praktikum kann aus Gründen in der Person des Praktikanten/der Praktikantin rechtlich oder tatsächlich unterbrochen und um die Dauer der Unterbrechungszeit verlängert werden, wenn zwischen den einzelnen Abschnitten ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und die Höchstdauer von drei Monaten insgesamt nicht überschritten wird (BAG, Urteil v. 30.1.2019, 5 AZR 556/17).
Einen guten Start in ein erholsames Wochenende wünscht
Ihr
L. Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur Volkelt-Brief