Nur so zum Spaß haben wir unserem Steuerberater mal eine etwas kniffelige Frage vorgelegt: „3 Gastronomen haben sich einen Tag lang zusammengesetzt, um mal zu überlegen, wie man im Ort nachhaltige Gastronomie nach vorne bringen kann – sprich, um gemeinsame Vermarktungsstrategien für Bio-Produkte zu entwickeln. In der Mittagspause langte es – weil Gastronomen latent wenig Zeit und Geld haben – gerade einmal für eine Currywurst bei Fred um die Ecke (6,30 EUR + 9,46 EUR für Getränke + 1,50 für einen Expresso). Der weigert sich, einen Bewirtungsbeleg auszustellen. Frage: Kann der einladende Wirt die Ausgaben (7 % MWSt) auch ohne Beleg als Kosten der Bewirtung für Geschäftsfreunde absetzen?“ So weit der relativ einfache Vorgang.
Der Steuerberater wollte die Anfrage „bombensicher“ beantworten und schickte besagtes Anliegen per sog. Verbindlicher Anfrage an das Finanzamt (Kosten 50 EUR + 0,58 EUR Porto). Dort wurde man gleich stutzig und stellte einen Sachbearbeiter ab, um den Vorgang im Case-Management abzuarbeiten. Zunächst leitete er den Vorgang an alle beteiligten Behörden weiter. Zum einen an die Landeskartell-Behörden, da hier dem Verdacht „einer gemeinsam verabredeten Vertriebs- und Preisstrategie“ nachgegangen werden muss. Eine weitere Meldung erging an die Landesbehörden für Verbraucherschutz wegen einer Präventiv-Prüfung, ob die beteiligten Betriebe überhaupt berechtigt sind, Bio-Produkte „in Verkehr zu bringen“ (Verstoß gegen Artikel 28 Abs.1 der EG-Verordnung Nr. 834/2007 in Verbindung § 6 Abs. 2 des Gesetzes zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union auf dem Gebiet des ökologischen Landbaus in Verbindung mit § 13 des gleichen Gesetzes, Bußgeldandrohung bis 20.000 EUR). Denn ohne Zertifizierung (Minimum 600 EUR) dürfen keine Bio-Lebensmittel in den Verkehr gebracht und natürlich nicht angepriesen werden. Selbst die Vorlage einer Rechnung direkt vom zertifizierten Bio-Verkäufer, die zum Vorsteuerabzug berechtigt, hilft hier nicht weiter. Schließlich ist zu prüfen, ob der Würstchenverkäufer berechtigt war, seine Ware mit 7 % Mehrwertsteuer für den Verkauf von Lebensmitteln zu vergünstigen (eventuell Verzehr vor Ort). Außerdem ist zu prüfen, ob der Ansatz von Bewirtungskosten ohne Beleg den Tatbestand der vorsätzlichen Steuerhinterziehung erfüllt. So weit der Ausgangspunkt.
Also ganz so einfach wie zunächst angenommen ist der Sachverhalt wohl doch nicht zu lösen. Dem Sachbearbeiter im Landeskartellamt war der Fall relativ schnell klar. Jetzt ging er drum, eine Kopie der Verbindlichen Anfrage an das Finanzamt zur Beweissicherung zu kopieren, die Anschriften der 3 beteiligten Gastwirte zu ermitteln und zu prüfen, ob einer der Beteiligten als Kronzeuge taugt. Dann geht es nur noch darum, die Höhe der Kartellstrafe zu beziffern (1/10 des Jahresumsatzes) und den entsprechenden Bescheid zu verschicken.
In der Projektgruppe „Öko-Kontrolle“ in der Landesbehörde für Verbraucherschutz war man sich schnell einig darüber, dass hier zunächst die Unterbehörde verständigt werden muss, die für die Kontrolle der Zertifizierungen für die Inverkehrbringung von Lebensmitteln aus biologischer Erzeugung eingeschaltet werden muss, bevor man selbst tätig werden kann. Konkret: Der WKD vor Ort wurde dazu ausgefordert, mal an der Kneipe vorbei zu gehen und zu gucken, ob das Zertifizierungs-Zertifikat ordnungsgemäß ausgehängt ist. Zugleich wurde die Rechnungsstelle befragt, ob die Überweisung für die Zertifizierung bereits eingegangen ist. Das dauert und solange muss der Vorgang warten. Mit dem Ergebnis, dass auf das Angebot an Lebensmitteln aus biologischem Anbau (z. B. vom schwäbisch-hallischen Schwein oder Gutedel aus biologisch angebauten Trauben) weder in der Speisekarte noch im Internet-Auftritt und auch nicht auf der Schiefertafel mit den täglichen Empfehlungen vermerkt werden darf.
Ungeklärt bleibt der Sachverhalt, ob die Bedienungen auf Nachfrage eines Gastes „ob es sich um Lebensmittel aus biologischem Anbau handelt“ wahrheitsgemäß antworten dürfen, verlegen auf den Kneipenboden gucken müssen oder ob sie den gesamten Sachverhalt in der oben dargestellten epischer Breite erzählen dürfen (müssen), ohne gegen Öko-Lebensmittelsrechtliche Vorschriften (siehe oben) oder sonstige Bestimmungen aus dem Arbeitsvertrag zu verstoßen (Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen, Tätigkeit außerhalb der vertraglichen Leistungserbringungspflicht). Auf unsere Nachfrage bestätigt das zuständige Regierungspräsidium folgenden Formulierungsvorschlag für Service-Kräfte: „Ich bin nicht befugt, dazu Auskunft zu erteilen”. Wir empfehlen: Dabei unbedingt ernst bleiben und bitte keinen ironischen Gesichtsausdruck auflegen (am besten üben Sie das mit Ihren Service-Kräften ein!). Schließlich könnte es sich bei dem neugierigen Gast um einen getarnten Presse-Fuzzi handeln, der eine Reportage über Missbrauchsfälle mit dem Bio-Siegel macht oder um einen Agenten vom Wirtschaftskontrolldienst, der für jedes Bußgeld eine dicke Prämie erhält.
Last not least: Ohne Beleg gibt es keinen Abzug der Bewirtungskosten (§ 4 Abs. 5 Einkommensteuergesetz). Insofern ist der Fall klar.