Krank sein: „Ich als Geschäftsführer doch nicht” + Geschäftsführer-Pflichtversicherung: Immer mehr Beanstandungen + ACHTUNG: Neues Urteil zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot + GF-Vertrag: Koppelung von Abberufung und Kündigung + GmbH-Recht: Leiter muss Beschlüsse offiziell „feststellen” + Steuer-Betrug: Neues Urteil zu Cum-Ex-Geschäften + Geschäftsführer privat: XING-Hinweis auf zukünftige Selbständigkeit + BISS …
Der Volkelt-Brief 11/2017 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg, 17. März 2017
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
„Krank sein? Kann ich mir nicht leisten“. So die häufige Antwort, wenn es um das gesundheitliche Empfinden von Führungskräften geht. Das betrifft auch viele Geschäftsführer. Die meisten bleiben im Dienst oder zumindest im Notdienst, nicht wenige starten in ihre wohlverdienten Urlaubstage erst einmal mit einer Erschöpfungs-Auszeit – der manchmal sogar den ganzen Urlaub andauert.
Fakt ist: Je höher der Beschäftigungsgrad um so höher der Krankenstand. Im Krisenjahr 2007 lag der Krankenstand pro Mitarbeiter bei 8 Tagen im Jahr. In der Folge – mit stetiger Verbesserung der wirtschaftlichen Lage – verlängerte sich die durchschnittliche Zahl der Krankheitstage auf 12 in 2016 (Statista, Krankenstand in der GKV 1991 – 2017). Soweit die Statistik. In der Realität sind in diesen Zahlen nur die Krankheitstage erfasst, bei denen einen Krankmeldung mit gelber Bescheinigung – also ab dem 3. Fehltag – vorlag. Kurzerkrankungen sind darin nicht enthalten. Für Sie und die meisten Kollegen heißt es bei einer aufkommenden Grippe nach wie vor: „Krank sein – geht nicht“.
LeseTIPP: Dr. Alfred Hirschhausen Glück kommt selten allein …
GF-Pflichtversicherung: Immer mehr Beanstandungen
Nach einigen Grundsatz-Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) aus 2015(2016 (z. B. Urteil vom 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R) und der damit verbundenen Neuausrichtung der Rechtslage zur Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern schauen die Prüfer der Deutschen Rentenversicherung (DRV) ganz genau hin. Im Fokus der Sozialprüfer stehen Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer, die aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse darlegen, dass die Gesellschafter ihnen de facto keine Weisungen erteilen. Z. B., weil den Gesellschafter Branchenkenntnisse fehlen oder diese keine unternehmerischen Qualifikationen haben. Solche Konstellationen werden jetzt nachträglich mit Verweis auf die neue Rechtsprechung beanstandet und per Bescheid als sozialversicherungspflichtig eingestuft.
Beachten Sie dazu: Gutachten – Status des Geschäftsführers in der Pflichtversicherung
Arbeitshilfe: Feststellungsbogen der DRV zum sozialversicherungspflichtigen Status des GmbH-Geschäftsführers
ACHTUNG: Neues Urteil zum Wettbewerbsverbot
Als Geschäftsführer ist es Ihnen verboten, Geschäfte im Gegenstand der GmbH auf eigene Rechnung zu machen. In den meisten Anstellungsverträgen der Kollegen gibt es zusätzlich eine Vereinbarung über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot – also für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Amt des Geschäftsführers. In der Praxis kommt es über einzelne Klauseln immer wieder zu Streitigkeiten. Wir berichten an dieser Stelle regelmäßig zum Thema (vgl. Nr. 7/2017).
Jetzt gibt es dazu ein interessantes und Richtung weisendes Urteil des OLG Hamm, das für alle Geschäftsführer wichtig ist, die sich nach ihrer Zeit als Geschäftsführer anschließend an einem Unternehmen der Branche beteiligen wollen. Etwa indem Sie mit einer im Zusammenhang mit der Beendigung des Anstellungsvertrages ausgezahlten Abfindung als Gesellschafter bei der Konkurrenz einsteigen wollen (OLG Hamm, Urteil vom 8.8.2016, 8 U 23/16). Hier die wichtigsten Ausführungen aus dem Urteil:
- Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist nur dann wirksam vereinbart, „wenn es in zeitlicher, örtlicher und gegenständlicher Hinsicht auf das notwendige Maß beschränkt ist“ (vgl. auch BGH, Urteil vom 4.3.2002, II ZR 77/00). Wichtig: Das Wettbewerbsverbot muss sich darauf beschränken, was zum Schutz des Unternehmens tatsächlich notwendig ist. Beispiel: Es darf sich z. B. nicht auf potenziell zukünftige Wettbewerber beziehen oder in entfernter Zukunft geplante neue Märkte umfassen. Die Grenzen müssen immer anhand konkreter geschäftlicher Aktivitäten und Notwendigkeiten begründet und plausibel gemacht werden können.
- Ist dem Geschäftsführer ein Tätigwerden „gleich aus welchem Grund, in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise“ untersagt, dann ist das zu weitgehend. Es besteht kein schutzwürdiges Interesse, dass der Geschäftsführer nicht für ein Wettbewerbsunternehmen in einer Weise tätig wird, das keinen Bezug zu dem Tätigkeitsbereich des Geschäftsführers, seiner dort relevanten Fachkompetenz oder zu ihren Kunden aufweist. Wichtig: Ist er z. B. als Geschäftsführer Vertrieb eingestellt, kann er danach durchaus als Geschäftsführer Finanzen bei einem Wettbewerber tätig werden.
- Ist es dem Geschäftsführer untersagt, für ein Unternehmen tätig zu werden, das „mit einem Wettbewerbsunternehmen“ verbunden ist, dann ist diese Beschränkung unangemessen. Das Unternehmen ist nicht von vorneherein von einer illegitimen Ausnutzung der Kenntnisse, die der Geschäftsführer bei ihr erworben hat, bedroht, wenn er bei einem nicht im Wettbewerb zu ihr stehenden Unternehmen tätig wird, das einem Konzern angehört, zu dem auch ein im Wettbewerb mit der Klägerin stehendes Unternehmen gehört. Das Wettbewerbsverbot darf sich nicht auf alle Aktivitäten eines Konzern-Unternehmens beziehen – zumindest ein Branchenbezug ersichtlich sein.
- NEU UND WICHTIG: Zu weitgehend ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, wenn dem Geschäftsführer untersagt ist, ein im Wettbewerb zur Klägerin stehendes Unternehmen „zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen“. Denn damit wird selbst eine rein kapitalistische Beteiligung an einem Wettbewerbsunternehmen erfasst, die ohne die Möglichkeit und Absicht einer unternehmerischen Einflussnahme eingegangen werden soll.
Arbeitshilfe: Muster Geschäftsführer Anstellungsvertrag
GF-Vertrag: Koppelung von Abberufung und Kündigung
Nach einem Urteil des OLG Karlsruhe, führt die Abberufung des (Fremd-) Geschäftsführers nur dann zur Beendigung des Anstellungsvertrages, wenn dabei die Mindestkündigungsfristen gemäß § 622 BGB berücksichtigt werden. Eine automatische, sofortige Beendigung des Anstellungsverhältnisses mit Zugang des Abberufungsbeschlusses ist nicht möglich (OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.10.2016, 8 U 122/15).
GmbH-Recht: Leiter muss Beschlüsse offiziell „feststellen”
Formal korrekt ist ein Beschluss der Gesellschafter, wenn er durch einen Versammlungsleiter festgestellt wird. Dieser wird in der Regel zu Beginn der GmbH-Gesellschafterversammlung von den Gesellschaftern mit einfacher Mehrheit bestellt. Wird der Beschluss nicht formell ordnungsgemäß durch einen Versammlungsleiter festgestellt, liegt darin bereits ein Anfechtungsgrund (OLG Brandenburg, Urteil vom 5.1.2017, 6 U 21/14).
Steuer-Betrug: Neues Urteil zu Cum-Ex-Geschäften
Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat jetzt entschieden, dass der Leerkäufer von Dividendenpapieren, die 1990 im Rahmen von Cum-Ex-Geschäften gehandelt wurden, hat mangels wirtschaftlichen Eigentums an den Papieren keinen Anspruch auf Anrechnung von Körperschaft- und Kapitalertragsteuer (FG Düsseldorf, Urteil vom 12.12.2016, 6 K 1544/11 K AO).
Geschäftsführer privat: XING-Hinweis auf Selbständigkeit
Geschäftsführer, die nach dem Ausscheiden aus der GmbH als Freiberufler tätig werden, dürfen in XING auf diese Tätigkeit verweisen, wenn sie kurz vor der Beendigung des Angestelltenverhältnisses stehen (LAG Köln, Urteil vom 7.2.2017, 12 Sa 745/16).
Lothar Volkelt
Herausgeber + Chefredakteur Geschäftsführer-Fachinformationsdienst