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Volkelt-Brief 45/2016

Volkelt-FB-01Büro­kra­tie: Bera­tungs­kos­ten stei­gen und stei­gen – was tun? + Kar­tell­recht: Unter­neh­men pro­fi­tie­ren von der Wurst­lü­cke + Ende der Preis­bin­dung: Mehr Fan­ta­sie für die Kal­ku­la­ti­on + Per­so­nal­pla­nung: Neue Vor­schrif­ten für Leih­ar­beit zum 1.4.2017 + Fremd-Geschäfts­füh­rer: Zeit­wert­kon­to statt Pen­si­ons­zu­sa­ge + Stra­te­gie: Betrieb­li­che Alters­ver­sor­gung wird kom­plett umge­baut + Steu­er: Inkon­gru­en­te Gewinn­aus­schüt­tung ist ver­bind­lich + GmbH-Steu­ern: Grün­dungs­kos­ten genau auf­lis­ten + BISS

 

 

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Frei­burg 4. Novem­ber 2016

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

als Geschäfts­füh­rer haben Sie ein Dilem­ma: Der Gesetz­ge­ber erwar­tet von Ihnen, dass Sie sich immer dann qua­li­fi­zier­te exter­ne Bera­tung ein­ho­len, wenn Sie oder ihre haus­in­ter­nen Kapa­zi­tä­ten nicht in der Lage sind, sach­ge­mä­ße Lösun­gen und Ent­schei­dun­gen zu tref­fen (OLG Olden­burg, Urteil vom 22.6.2006, 1 U 34/03). So weit so gut. Auf der ande­ren Sei­te sorgt der Gesetz­ge­ber selbst dafür, dass Sie immer mehr fach­kun­di­gen Rat brau­chen. Stich­wor­te: Gefähr­dungs­haf­tung, Treue­pflich­ten, Orga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den, Für­sor­ge­ver­pflich­tun­gen gegen­über den Mit­ar­bei­tern – um nur ein paar weni­ge Begrif­fe her­aus­zu­grei­fen. Für die meis­ten Geschäfts­füh­rer sind das böh­mi­sche Dör­fer und wer hat im Geschäfts­all­tag schon Zeit, sich damit zu auseinanderzusetzen.

Die Zah­len spre­chen für sich. Die Bera­ter­märk­te boo­men und haben Wachs­tums­ra­ten wie kaum eine ande­re Bran­che. Die vier gro­ßen WP-Gesell­schaf­ten ver­die­nen unter­des­sen mit „Unter­neh­mens­be­ra­tung“ fast genau­so viel wie mit dem Kern­ge­schäft. Der Umsatz dar­aus stieg in den letz­ten 5 Jah­ren um sat­te 64% – das ent­spricht einer jähr­li­chen Wachs­tums­ra­te von über 10%.  In deren Deutsch­land­ge­schäft war der Anstieg sogar noch stär­ker: Von 2005 bis 2015 ver­dop­pel­te sich das Bera­tungs­vo­lu­men von 14 auf 30 Mrd. US-Dollar.

Was für die Gro­ßen gilt, stimmt aber auch für die Klei­nen. Vie­le, auch sehr klei­ne Unter­neh­men müs­sen mit einem immer grö­ßer wer­den­den Bud­get exter­ne Bera­tungs-Dienst­leis­tun­gen zukau­fen. Ob Steu­ern, Finan­zen, Rechts­be­ra­tung, IT, Ener­gie oder Inter­net-Mar­ke­ting: Ohne exter­ne Spe­zia­lis­ten geht nichts mehr. Da hilft nur pro­ba­tes Geschäfts­ge­ba­ren wie der Erfah­rungs­aus­tausch mit den Kol­le­gen, Preis­ver­glei­che und Feil­schen. Fest­prei­se müs­sen nicht sein.

Kartellrecht: Unternehmen profitieren von der Wurstlücke

Über­ra­schen­de Wen­dung im Fall Tön­nies gegen das Bun­des­kar­tell­amt: Unter­des­sen haben die Kar­tell­be­hör­den das Ver­fah­ren gegen die Unter­neh­men der Tön­nies-Grup­pe ein­ge­stellt (vgl. Nr. 27/2015). Immer­hin ging es hier um Buß­gel­der um ins­ge­samt 128 Mio. EUR. Hin­ter­grund: Wäh­rend des Kar­tell­ver­fah­rens hat­te die Tön­nies-Grup­pe die Akti­vi­tä­ten der beschul­dig­ten Toch­ter­ge­sell­schaf­ten Bök­lun­der Plum­ro­se GmbH und der Köne­cke Fleisch­wa­ren­fa­brik auf ande­re Gesell­schaf­ten inner­halb der Unter­neh­mens­grup­pe über­tra­gen und die bei­den Fir­men gelöscht.

Fol­ge: Die Buß­geld-Beschei­de des Kar­tell­amts konn­ten nicht mehr zuge­stellt wer­den. Die immer­hin drei­stel­li­ge Mil­lio­nen­for­de­rung des Bun­des­kar­tell­am­tes konn­te nicht durch­ge­setzt wer­den. Mit die­ser sog. „Wurst­lü­cke“ nutzt die Tön­nies-Grup­pe eine Lücke im Kar­tell­ge­setz. Danach kön­nen For­de­run­gen nicht inner­halb eines Unter­neh­mens­ver­bun­des oder eines Kon­zern durch­ge­setzt wer­den. Es haf­tet aus­schließ­lich das Unternehmen/die Toch­tergesellschaft, die wegen Kar­tell­ver­ge­hen mit Stra­fe bzw. Buß­geld belangt wor­den ist. Das sieht auch der Chef des Bun­des­kar­tell­amts, Andre­as Mundt, so: „Wir kön­nen unse­re Ansprü­che bis­lang nicht durch­set­zen“.

Wie lan­ge die­se sog. Wurst­lü­cke – also der Umbau inner­halb der Unter­neh­mens­grup­pe zur Ver­mei­dung von Kar­tell­stra­fen – noch genutzt wer­den kann, ist aller­dings unklar. Unter­des­sen wird im Bun­des­ka­bi­nett die Kar­tell­rechts­no­vel­le erar­bei­tet. Der Ent­wurf der neu­en Wett­be­werbs­re­geln soll noch im Herbst auf den Weg gebracht wer­den. Ziel: Die Stra­fen kön­nen danach auch im Kon­zern durch­ge­reicht wer­den – etwa an die Mut­ter­ge­sell­schaft oder sogar auf alle Kon­zern­un­ter­neh­men über­wälzt wer­den. Gegen lau­fen­de Ver­fah­ren kann das bis dahin noch ein wir­kungs­vol­les Instru­ment sein.

Ende der Preisbindung: Mehr Fantasie für die Kalkulation

Nach dem Aus für die Preis­bin­dung für ver­schrei­bungs­pflich­ti­ge Medi­ka­men­te kommt jetzt Fan­ta­sie in die Con­trol­ling-Abtei­lun­gen vie­ler Unter­neh­men (EuGH, Urteil vom 19.10.2016, C‑148/15). Vor allem in den Bran­chen, in denen man sich seit Jah­ren oder bereits seit Jahr­zehn­ten auf „fes­te“ Prei­se ein­ge­stellt hat (Buch­han­del, Taxi­ge­wer­be, aber auch: Frei­be­ruf­ler-Hono­ra­re usw.). Beim Tan­ken hat sich unter­des­sen das Dyna­mic Pri­cing (dyna­mi­sches Preis­ma­nage­ment) flächen­deckend und spür­bar für alle Ver­brau­cher durch­ge­setzt. Man hat sich dar­an gewöhnt und stellt sein Tank­ver­hal­ten ent­spre­chend dar­auf ein. Eini­ge Inter­net Anbie­ter und ‑Shops prak­ti­zie­ren bereits seit eini­gen Jah­ren unter­schied­li­che Prei­se je nach Bestel­ler, Bestell­vor­gang oder Bestell­zeit (Tag, Nacht, Feri­en usw.). Ten­denz: Im Inter­net ist Dyna­mic Pri­cing in allen Bran­chen auf dem Vor­marsch. Im Ein­zel­han­del darf wei­ter vor Ort gefeilscht werden.

Fakt ist: Es gibt kei­ne Preis­ver­ord­nung oder sons­ti­ge gesetz­li­che Vor­schrift, die dyna­mi­sche Prei­se unter­sagt. Aller­dings gibt die Preis­aus­zeich­nungs­ver­ord­nung die Rich­tung vor. Außer­dem müs­sen laut BGH die Prei­se in den Such­ma­schi­nen stets aktu­ell sein (I ZR 123/08). Prei­se müs­sen klar und ein­deu­tig aus­ge­zeich­net sein. Das betrifft die Anga­be zur Mehr­wert­steu­er, Ver­sand­kos­ten usw.. Dar­auf Rabat­te, Skon­ti und Nach­läs­se zu gewäh­ren ist in allen Bran­chen mög­lich (und üblich), auch für Dienst­leis­tun­gen oder hand­werk­li­che Ange­bo­te. Gegen­über den Inter­net-Anbie­­tern gibt es aber einen ent­schei­den­den Nach­teil: Hier kann man den aus­ge­zeich­ne­ten Preis jeder­zeit auch nach oben ändern, z. B. wenn man weiß, dass der poten­zi­el­le Käu­fer eine hohe Kauf­be­reit­schaft hat. Das ist bei einer Aus­leg­wa­re nicht oder nur mit sehr hohem Auf­wand mög­lich. Eini­ge der gro­ßen Ein­zel­händ­ler tes­ten dazu zwar varia­ble Preis­aus­zeich­nungs-Sys­te­me. Aller­dings wer­den die­se längst noch nicht flä­chen­de­ckend ein­ge­setzt auch nicht unter opti­mier­ten Bedin­gun­gen getes­tet. Eine stünd­li­che oder gar minüt­li­che Ände­rung der Prei­se wird u. E. auch hier (noch) nicht prak­ti­ziert, aber es wird viel expe­ri­men­tiert. Wie hal­ten Sie es mit den Preisen?

Damit sind 2 Ent­wick­lun­gen vor­ge­zeich­net. Die Bedeu­tung der Preis-Ver­gleichs-Por­ta­le wird abneh­men, weil die dyna­mi­schen und indi­vi­dua­li­sier­ten Prei­se damit nicht erfasst wer­den. Zum ande­ren wer­den sich die Ver­brau­cher­ge­wohn­hei­ten ändern: Wie beim Tan­ken müs­sen sich die Ver­brau­cher bei immer mehr Pro­duk­ten auf dyna­mi­sche Prei­se ein­stel­len (Flie­gen, Hotels, sons­ti­ge Pro­duk­te, Lebens­mit­tel, Dro­ge­rie­ar­ti­kel). Wer Preis­stei­ge­run­gen und Höchst­prei­se nicht mit­nimmt, erzielt nur unter­durch­schnitt­li­che Ren­di­te. Pro­bie­ren Sie etwas an der Preis­front. Z. B. auch, indem Sie Kapa­zi­täts­eng­päs­se zu Hoch-Prei­sen nut­zen und Kapa­zi­täts­über­hän­ge mit Preis­sen­kun­gen kom­pen­sie­ren. Das gilt für nahe­zu alle Bran­chen – auch für Hand­werk und Ein­zel­han­del. Fan­ta­sie ist gefragt.

Personalplanung: Neue Vorschriften für Leiharbeit zum 1.4.2017

Die Rah­men­be­din­gun­gen für die neu­en Vor­schrif­ten zur Leih­ar­beit ste­hen. Nach jah­re­lan­gen Bera­tun­gen hat sich die Gro­ße Koali­ti­on auf die neu­en Vor­ga­ben geei­nigt und das Gesetz letz­te Woche im Bun­des­tag beschlos­sen (vgl. Nr. 22/2016). Aus Unter­neh­mer­sicht erfreu­lich: Im Grund­satz bleibt das Instru­ment zur dyna­mi­schen Kapa­zi­täts­an­pas­sung und fle­xi­blen Arbeits­organisation für Unter­neh­mer erhalten.

So bleibt es wei­ter­hin mög­lich, mit Leih­ar­beit Arbeits­kos­ten ein­zu­spa­ren. Danach kommt: Nach 18 Mona­ten besteht eine Ein­stel­lungs­ver­pflich­tung. Nach 9 Mona­ten muss der glei­che Lohn wie der Stamm­be­leg­schaft gezahlt wer­den. Aus­nah­me: Zahlt der Arbeit­ge­ber bereits ab der 6. Beschäf­ti­gungs­wo­che einen auf­wach­sen­den Zuschlag zum Tarif­lohn in der Zeit­ar­beit, kann die Anglei­chung auf 15 Mona­te gestreckt wer­den. Es gel­ten lan­ge Über­gangs­fris­ten bis zu einer voll­stän­di­gen Umset­zung der neu­en Rah­men­be­din­gun­gen. Anders bei den Werk­ver­trä­gen: Hier wird es – ähn­lich den Rege­lun­gen zur Schein­selb­stän­dig­keit – deut­lich stren­ge­re Abgren­zungs-Kri­te­ri­en geben und – was in der Pra­xis stär­ker ins Gewicht fällt – noch inten­si­ve­re Kon­trol­len geben (Zoll). Der Betriebs­rat muss über bestehen­de und neue Werk­ver­trä­ge infor­miert werden.

Für die meis­ten Sai­son-Betrie­be (Bau, Land­wirt­schaft, Land­schafts­gärt­ner usw.) wird sich nichts ändern. Sie kön­nen Leih­ar­beit zu unver­än­der­ten Bedin­gun­gen ein­set­zen und für Ihre Fest­an­ge­stell­ten zusätz­lich auf ande­re Zuschüs­se (Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld) bau­en. Die typi­schen Werk­ver­trags-Bran­chen (Schlacht­be­trie­be, Kan­ti­nen, Werk­stra­ßen) wer­den die Arbeits-Orga­ni­sa­ti­on neu pla­nen müs­sen. Die Zeit­ar­beits­bran­che rech­net auf­grund der ver­än­der­ten Rahmen­bedingungen für 2016/17 nur noch mit einem Wachs­tum von 2,9 % – nach 6,4 % in 2015. Die neu­en Vor­schrif­ten sind ab 1.4.2017 in der Pra­xis umzusetzen.

Steuer: Inkongruente Gewinnausschüttung ist verbindlich

Beschlie­ßen die Gesell­schaf­ter der GmbH abwei­chend von den Vor­ga­ben im Gesell­schafts­ver­trag eine inkon­gru­en­te – also eine von den Gesell­schafts­an­tei­len abwei­chen­de – Gewinn­aus­schüt­tung, dann muss das Finanz­amt das bei Abgel­tung­s­teu­er aner­ken­nen. Und zwar auch dann, wenn die Gesell­schaf­ter anschlie­ßend eine Ein­brin­gung der aus­ge­schüt­te­ten Gewin­ne beschlie­ßen, z. B., weil der GmbH neue Mit­tel zuge­führt wer­den müs­sen (Finanz­ge­richt Köln, Urteil vom 14.9.2016, 9 K 1560/14).

Das Finanz­ge­richt (FG) Köln bezieht sich bei sei­ner Ent­schei­dung auf eine Grund­satz­ent­schei­dung des Bun­des­fi­nanz­hofs (BFH, Urteil vom 19.8.1999, I R 77/96), wonach das Finanz­amt recht­li­che zuläs­si­ge Beschluss­fas­sun­gen der Gesell­schaf­ter grund­sätz­lich nach­voll­zie­hen und berück­sich­ti­gen muss. Das Finanz­amt woll­te einen der Gesell­schaf­ter mit Abgel­tungs­steu­er belas­ten, obwohl der auf sei­nen Gewinn ver­zich­tet hat­te und auch die Aus­zah­lung nicht erfolg­te. Selbst wenn der Gesell­schafts­ver­trag expli­zit eine Aus­schüt­tung nach Antei­len vor­sieht, kön­nen die Gesell­schaf­ter abwei­chend beschlie­ßen. Das ist zuläs­sig und damit für die Besteue­rung maßgeblich.

GmbH-Steuern: Gründungskosten genau auflisten

 Soll bei der Grün­dung einer GmbH in deren Sat­zung der Grün­dungs­auf­wand auf die Gesell­schaft über­tra­gen wer­den, so reicht dafür die For­mu­lie­rung: „Die Kos­ten der Grün­dung der Gesell­schaft bis zu einem Betrag von 3.000 € trägt die Gesell­schaft“ nicht aus. Viel­mehr ist es aus Rechts­grün­den nicht zu bean­stan­den, wenn das Regis­ter­ge­richt die nament­li­che Nen­nung der­je­ni­gen Grün­dungs­kos­ten ver­langt, die die Gesell­schaft tra­gen soll (OLG Cel­le, Beschluss vom 11.2.2016, 9 W 10/16).

Nach stän­di­ger Recht­spre­chung genügt es, wenn die Grün­dungs­kos­ten als Gesamt­be­trag im Gesell­schafts­ver­trag zusam­men­ge­fasst wird. Dann kön­nen die­se als Betriebs­aus­ga­ben von der GmbH ver­bucht wer­den. Aber: Die Gerich­te ver­lan­gen, dass die Grün­dungs­kos­ten ein­zeln genannt wer­den. Das sind: Notar­kos­ten, Gerichts­kos­ten, Ein­tra­gungs­ge­büh­ren und Umsatzsteuer.

 

Mit bes­ten Grüßen

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chefredakteur

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