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Volkelt-Brief 38/2015

Volkelt-FB-01Geschäfts­füh­rungs-Auf­ga­ben: Kri­sen-Manage­ment ist und bleibt Ihre Auf­ga­be + GmbH-Kos­ten: Was tun bei Falsch­be­ra­tung durch den Anwalt? + Kar­tell-Stra­fen: Wie die Behör­den klei­ne Unter­neh­men che­cken + AZU­BI-Rein­fall So zie­hen Sie die Reiß­lei­ne + GmbH-Recht: Amts­nie­der­le­gung bricht Wett­be­werbs­ver­bot + Geschäfts­füh­rungs-Auf­ga­ben: Offen­le­gung des Jah­res­ab­schlus­ses ist Chef­sa­che + BISS

 

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Frei­burg 18. Sep­tem­ber 2015

Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,

laut einer Stu­die der Mid-Swe­den-Uni­ver­si­ty löst ein neu­er Chef nur sel­ten die Pro­ble­me im Unter­neh­men. Auch ame­ri­ka­ni­sche Unter­su­chun­gen zur „Ver­weil­dau­er“ von Füh­rungs­kräf­ten bestä­ti­gen: In der Kri­se tauscht man Füh­rungs­kräf­te weni­ger aus als in nor­ma­len Zei­ten. In Exper­ten­krei­sen ist man sich einig, dass ein häu­fi­ger Wech­sel an der Unter­neh­mens­spit­ze nicht viel bringt. Im Gegen­teil: Die Ver­un­si­che­rung nimmt zu. Die Leis­tungs­fä­hig­keit sinkt. Berück­sich­tigt man, dass ein neu­er Chef ein bis ein­ein­halb Jah­re Ein­ar­bei­tungs­zeit braucht, wird deut­lich, dass der schnel­le Wech­sel an der Unter­neh­mens­spit­ze nur in den sel­tens­ten Fäl­len zur Gesun­dung eines ange­schla­ge­nen Unter­neh­mens beiträgt.

Für den Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer einer mit­tel­stän­di­schen GmbH ist der „Manage­ment-Tausch“ ohne­hin kei­ne wirk­li­che Alter­na­ti­ve. In den meis­ten Fäl­len setzt die Ertrags­kraft der GmbH Gren­zen. In vie­len Fäl­len gibt es auf dem Markt kei­ne ver­gleich­ba­re Manage­ment-Qua­li­fi­ka­ti­on. Das spe­zi­el­le und vie­le The­men­be­rei­che abde­cken­de Anfor­de­rungs­pro­fil eines mit­tel­stän­di­schen Geschäfts­füh­rers ist auf dem Markt so ein­fach nicht zu haben. Aus­nah­me: Die/der kom­pe­ten­te und enga­gier­te Frau/Mann aus den eige­nen Rei­hen, der sogar für ein Manage­ment-By-Out zu haben ist.

GmbH-Kosten: Was tun bei Falschberatung durch den Anwalt?

Was tun bei einer teu­ren Falsch­be­ra­tung durch den Anwalt, einem fal­schen Erfolgs­ver­spre­chen oder einer über­höh­ten Hono­rarab­rech­nung? Vie­le Geschäfts­füh­rer­kol­le­gen legen sich nur ungern mit einem Anwalt an. Aus gutem Grund: Die Mate­rie im kom­pli­ziert und kei­ne Krä­he hakt der ande­ren ein Auge aus.

Was vie­le nicht wis­sen ist, dass es in Koope­ra­ti­on mit den Ver­brau­cher­ver­bän­den offi­zi­el­le Schlich­tungs­stel­len gibt, die bei Kon­flik­ten zwi­schen Man­dant und Anwalt neu­tral und kos­ten­los bera­ten. Z. B. zur Höhe des ange­mes­se­nen Anwalts­ho­no­rars, auch zu Fra­gen der Haf­tung bei Falsch­be­ratung und Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen. Am Ver­fah­ren sind Ver­brau­cher­ver­bän­de, Ver­bän­de der Wirt­schaft und des Hand­werks betei­ligt. Für alle Geschäfts­füh­rer, die sich schlecht bera­ten füh­len, ist das eine kos­ten­güns­ti­ge Lösung.

Eine zen­tra­le und unab­hän­gi­ge Schlich­tungs­stel­le ist die > www.schlichtungsstelle-der-rechtsanwaltschaft.de. Die dort täti­gen (Ex-) Anwäl­te sind an die Bun­des­rechts­an­walts­kam­mer ledig­lich ange­glie­dert und finan­zie­ren sich im Umla­ge­ver­fah­ren. Aller­dings ist das Per­so­nal knapp, u. U. führt das zu War­te­zei­ten. Das Ver­fah­ren ist kos­ten­frei, aber nicht bin­dend. Damit ist hohes fach­li­ches Know-How garan­tiert. Dane­ben gibt es die Beschwer­de­stel­len der regio­na­len Rechts­an­walts­kam­mern – aller­dings mit einer gewis­sen Nähe zum Berufs­stand. Den­noch: Im Kon­flikt­fall macht es Sinn, hier vor­stel­lig zu werden.

Kartell-Strafen: Wie die Behörden kleine Unternehmen checken

Ob Papp­tel­ler, Feu­er­wehr­fahr­zeu­ge oder Mehl: Unter­des­sen ist kei­ne Bran­che und kein Unter­neh­men mehr sicher, nicht ins Visier der Kar­tell­be­hör­den zu gera­ten. Betrof­fen sind auch immer mehr mit­tel­stän­di­sche und klei­ne­re Fir­men. In Zah­len liest sich das so: Das Bun­des­kar­tell­amt hat im abge­lau­fe­nen Geschäfts­jahr 2013/14 Ver­stö­ße mit Stra­fen von erst­mals über 1 Mrd. EUR belegt. Ten­denz: wei­ter stei­gend. Das Bun­des­kar­tell­amt ist laut Jah­res­be­richt auch mit der prak­ti­zier­ten Kron­zeu­gen­re­ge­lung (im Jar­gon der Kar­tell­be­hör­den: Bonus­re­ge­lung) sehr zufrie­den. Im Klar­text: Ist ein Unte­neh­men der Behör­de bei der Auf­de­ckung von ver­meint­li­chen Preis­ab­spra­chen hilf­reich, winkt Straf­frei­heit. Die beschul­dig­ten Unter­neh­men müs­sen die zum Teil saf­ti­gen Stra­fen dann allei­ne zah­len. Das anschwär­zen­de Unter­neh­men geht straf­frei aus.

Wei­te­re Neue­rung: Der Gesetz­ge­ber wird die Mög­lich­keit durch Unter­neh­mens­über­nah­men und Nach­fol­ge-Model­le, Kar­tell­stra­fen zu umge­hen, gesetz­lich unter­bin­den (vgl. dazu der Fall Tön­nies in Nr. 24 + 27/2015).

Neh­men Sie regel­mä­ßig an Bran­chen-Erfa-Tref­fen teil, müs­sen Sie auf­pas­sen. Auch, wenn Sie sich nur mit einem oder weni­gen Wett­be­wer­bern zu einem Bran­chen­ge­spräch ver­ab­re­den, z. B. um die Umset­zung einer neu­en gesetz­li­chen Vor­schrift gemein­sam zu bespre­chen. Vor­sicht mit Pro­to­kol­len und ande­ren schrift­li­chen Auf­zeich­nun­gen. Ach­ten Sie dar­auf, was proto­kolliert wird und dass kei­ne geschäft­li­chen Unter­la­gen wie Kal­ku­la­tio­nen, Ver­triebs­stra­te­gien usw. (etwa per eMail) an nicht auto­ri­sier­te Fir­men oder Per­so­nen her­aus­ge­hen. Wei­sen Sie alle Mit­ar­bei­ter ent­spre­chend ein.

AZUBI-Reinfall: So ziehen Sie die Reißleine

Als Geschäfts­füh­rer einer GmbH, die aus­bil­det, soll­ten Sie in den nächs­ten Wochen beson­ders auf­pas­sen: Passt der AZUBI, ist es in der Pro­be­zeit noch leicht mög­lich zu reagie­ren ohne gegen arbeits­recht­li­che Bestim­mun­gen zu ver­sto­ßen. Am bes­ten gehen Sie so vor:

  • Um Kon­flik­te mit Ihrem Aus­zu­bil­den­den gar nicht erst auf­kom­men zu las­sen, soll­ten Sie von Anfang regel­mä­ßig mit Ihrem Aus­zu­bil­den­den sprechen.
  • Fra­gen Sie ihn, was ihm gefällt und was nicht.
  • Sagen Sie ihm, was Sie von ihm erwar­ten und was Sie ger­ne anders hät­ten und suchen Sie gemein­sam nach Lösungen.
  • Ist Ihr Aus­zu­bil­den­der unein­sich­tig, kann eine schrift­li­che Abmah­nung hel­fen, ihm den Ernst der Lage deut­lich zu machen.
  • In der Abmah­nung ist genau zu erläu­tern, was er falsch gemacht hat. Die Abmah­nung muss Kon­se­quen­zen (Kün­di­gung) für den Fall anzu­dro­hen, dass er sein fal­sches Ver­hal­ten wie­der­holt. Füh­ren Sie genau auf, an wel­chen Tagen er zu spät gekom­men ist, wann Arbeits­be­ginn war und wann er tat­säch­lich ein­ge­trof­fen ist.

Möch­ten Sie das Aus­bil­dungs­ver­hält­nis been­den, soll­ten Sie das schon in der Pro­be­zeit tun. Nur in der Pro­be­zeit (min­des­tens 1, höchs­tens 4 Mona­te) kön­nen Sie das Aus­bil­dungs­ver­hält­nis jeder­zeit, ohne Kün­di­gungs­frist und ohne Begrün­dung kün­di­gen (§ 22 Berufs­bil­dungs­ge­setz). Nach der Pro­be­zeit kön­nen Sie als Arbeit­ge­ber nur noch aus wich­ti­gem Grund frist­los kün­di­gen. Eine Kün­di­gung ist noch am letz­ten Tag der Pro­be­zeit mög­lich. Der Aus­zu­bil­den­de muss die schrift­li­che Kün­di­gung spä­tes­tens an die­sem Tag erhal­ten. Nach der Pro­be­zeit kön­nen Sie Ihrem Aus­zu­bil­den­den nur noch kün­di­gen, wenn Sie einen wich­ti­gen Grund haben. Eine Kün­di­gung aus wich­ti­gem Grund setzt vor­aus, dass

  • Sie alle ande­ren Mög­lich­kei­ten aus­ge­schöpft haben,
  • Sie Ihren Aus­zu­bil­den­den erfolg­los abge­mahnt haben und
  • es Ihnen beim bes­ten Wil­len nicht zumut­bar ist, das Aus­bil­dungs­ver­hält­nis fortzusetzen.

Bei­spiel „Wich­ti­ger Kün­di­gungs­grund“: Ihr Aus­zu­bil­den­der kommt trotz meh­re­rer Gesprä­che und Abmah­nun­gen häu­fig zu spät oder gar nicht. Er schwänzt trotz Abmah­nung wie­der­holt die Schu­le und gefähr­det damit sei­nen Abschluss. Er äußert sich gegen­über aus­län­di­schen Kol­le­gen mit üblen, ras­sis­ti­schen Parolen.

Bei­spiel „Min­der­jäh­ri­ger Aus­zu­bil­den­der“: Unter­neh­mer U. ent­schließt sich, sei­nem min­der­jäh­ri­gen Aus­zu­bil­den­den zu kün­di­gen. Da die Pro­be­zeit noch nicht abge­lau­fen ist, meint er, kei­nen beson­de­ren Grund zu brau­chen. Er adres­siert das Schrei­ben an die Eltern des Aus­zu­bil­den­den und lässt es – die Zeit drängt – am letz­ten Tag der Pro­be­zeit früh­mor­gens in den Haus­brief­kas­ten der Eltern ein­wer­fen. Die Eltern, die zu die­sem Zeit­punkt ver­reist sind, erfah­ren erst 2 Tage spä­ter durch ihren Sohn von der Kün­di­gung. Hat U. alles rich­tig gemacht? Ant­wort: Ja, U. hat noch recht­zei­tig in der Pro­be­zeit gekün­digt. Weil sein Aus­zu­bil­den­der min­der­jäh­rig war, muss­te er die Kün­di­gung an die Eltern rich­ten. Die Kün­di­gung war früh­mor­gens recht­zei­tig im Haus­brief­kas­ten der Eltern Die Eltern muss­ten an die­sem Tag noch mit der übli­chen Post­zu­stel­lung rech­nen. Dass sie im Urlaub waren, spielt kei­ne Rol­le, auch wenn U. das wusste.

Die Kün­di­gung muss schrift­lich erfol­gen. Bei der Kün­di­gung nach der Pro­be­zeit ist der Kün­di­gungs­grund im Kün­di­gungs­schrei­ben genau und nach­voll­zieh­bar anzu­ge­ben. Fehlt er, ist die Kün­di­gung unwirk­sam. All­ge­mei­ne For­mu­lie­run­gen wie z. B. „schlech­tes Beneh­men“ oder „Zuspät­kom­men“ rei­chen nicht aus. Es reicht auch nicht, auf die münd­lich genann­ten Kün­di­gungs­grün­de hin­zu­wei­sen. Ist der Aus­zu­bil­den­de noch min­der­jäh­rig, müs­sen die Abmah­nun­gen und die Kün­di­gung an die Eltern als die Erzie­hungs­be­rech­tig­ten gerich­tet sein. Ach­tung: Ist Ihre Aus­zu­bil­den­de schwan­ger oder schwer behin­dert, hat sie Son­der-Kün­di­gungs­schutz wie jede ande­re schwan­ge­re oder schwer behin­der­te Mitarbeiterin.Ihr Kün­di­gungs­grund muss umso schwe­rer wie­gen, je jün­ger Ihr Aus­zu­bil­den­der ist und je län­ger das Aus­bil­dungs­ver­hält­nis schon dau­ert. Kurz vor der Abschluss­prü­fung ist eine Kün­di­gung nur noch in ganz außer­ge­wöhn­li­chen Fäl­len mög­lich. Ist Ihnen der Kün­di­gungs­grund, z. B. das üble Beschimp­fen eines Kol­le­gen, schon län­ger als 2 Wochen bekannt, dür­fen Sie des­we­gen nicht mehr kündigen.

 

Umge­kehrt gilt für den AZUBI: In der Pro­be­zeit kann er, wie der Arbeit­ge­ber, jeder­zeit und ohne Frist kün­di­gen. Anders als Sie darf er nach der Pro­be­zeit auch frist­ge­recht kün­di­gen, wenn er die Berufs­aus­bil­dung been­den oder eine ande­re Aus­bil­dung begin­nen will. Er muss dann eine Kün­di­gungs­frist von 4 Wochen einhalten.

GmbH-Recht: Amtsniederlegung bricht Wettbewerbsverbot

Legt der Geschäfts­füh­rer sein Amt berech­tigt und aus wich­ti­gem Grund nie­der (z. B. gesetz­wid­ri­ge Anwei­sun­gen der Gesell­schaf­ter), dann kann die GmbH ein im Anstel­lungs­ver­trag ver­ein­bar­tes nach­ver­trag­li­ches Wett­be­werbs­ver­bot nicht mehr durch­set­zen (OLG Cel­le, Urteil vom 24.9.2013, 9 U 121/12).

Das Urteil stärkt – zu Recht – die Stel­lung des Geschäfts­füh­rers. Gibt es einen wich­ti­gen Grund zur Amts­nie­der­le­gung, dann ist das in der Regel auch ein wich­ti­ger Grund zur frist­lo­sen Kün­di­gung des Anstel­lungs­ver­tra­ges. Mit der Fol­ge, dass das nach­ver­trag­li­che Wett­be­werbs­ver­bot nicht mehr durch­ge­setzt wer­den kann.

Offenlegung des Jahresabschlusses ist Chefsache

Selbst wenn der Steu­er­be­ra­ter die Offen­le­gung des Jah­res­ab­schlus­ses bereits in Rech­nung gestellt hat, das Bun­des­amt für Jus­tiz (BfJ) aber die bis dahin unter­blie­be­ne Offen­le­gung anmahnt, müs­sen Sie als Geschäfts­füh­rer der Sache nach­ge­hen. Wenn Sie dann nicht inner­halb der 6‑Wochenfrist nach­bes­sern und den Jah­res­ab­schluss kor­rekt ver­öf­fent­li­chen, müs­sen Sie das ange­ord­ne­te Ord­nungs­geld bezah­len (OLG Köln, Urteil vom 1.7.2015, 28 Wx 8/15).

Die Ver­öf­fent­li­chung war wegen eines sog. Büro­ver­se­hens nicht erfolgt. Der Geschäfts­füh­rer prüf­te aber nicht gründ­lich nach, so dass die Behör­de das Ord­nungs­geld androh­te und eine ent­spre­chen­de Ver­fü­gung zustell­te. Fol­ge: Sie müs­sen trotz­dem zah­len. Sie kön­nen sich aber an Ihrem Steu­er­be­ra­ter schad­los hal­ten. Bes­ser ist es, wenn Sie nach Andro­hung des Ord­nungs­gel­des und Fest­set­zung der 6‑Wo­chen-Nach­frist selbst im Unter­neh­mens­re­gis­ter prü­fen, ob der Steu­er­be­ra­ter nach­ge­bes­sert hat.

 

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chefredakteur

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