Der Fall Tönnies: Wer sich früher einigt, braucht weniger Prozesse und spart Kosten + Üble Nachrede: Was tun gegen eine schlechte Presse? + Konflikte in der GmbH: Besser klar kommen mit dem Betriebsrat + Mitarbeiter binden: Warum so viele Azubis hinschmeißen + Wegzugsteuer: Steuerbescheide unbedingt offen halten + GF-Haftung: Für vertrauliche Zusagen müssen Sie persönlich gerade stehen + Verboten: Geschäftsführer darf keine Zuwendungen annehmen + Neues Urteil: Leistungsbonus gehört zum Mindestlohn + BISS …
Der Volkelt-Brief 24/2015 > Download als PDF – lesen im „Print”
Freiburg 12. Juni 2015
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
über die zerstrittene Tönnies-Familie haben wir an dieser Stelle bereits berichtet (vgl. Nr. 12/2015). Dabei handelt es sich um ein jahrzehntelanges Tauziehen um die Macht in der Firmengruppe. Strittig war eine nur mündliche Verabredung des Firmengründers, wonach der seinem Bruder Clemens einen 50%-Anteil am Unternehmen plus doppeltes Stimmrecht zugesagt hatte. Faktisch wäre das eine qualifizierte Mehrheit der Stimmrechte, mit denen der Bruder die Geschäftspolitik dominieren und alleine bestimmen kann. Eine schriftliche Vereinbarung mit diesem Inhalt existierte allerdings nicht.
Jetzt – nach 4 Jahren – haben sich die Streitparteien darauf geeinigt, den Konflikt im konstruktiven Gespräch zu lösen. Dazu wird ein Mediationsverfahren durchgeführt. Die Lösung: Alle Tönnies-Firmen werden von einer Familien-Holding geführt. Der Anteil von Clemens Tönnies wird auf 50% erhöht. Dafür gibt es keine Sonderregelung beim Stimmrecht. Clemens und Robert Tönnies sind damit gleichberechtigte Unternehmensführer.
Üble Nachrede: Was tun gegen eine schlechte Presse?
Selbstverständlich darf die Presse über Ihre GmbH berichten. Z. B. über Fakten aus dem Unternehmensregister. Solange sie die Grundsätze des Presserechts einhält, können Sie darauf auch keinen wirklichen Einfluss nehmen. Allerdings hat die Pressefreiheit Grenzen. Z. B. gibt es keinen Anspruch auf Auskunft über die Höhe von Geschäftsführer-Gehältern – auch nicht in einer öffentlich-rechtlichen GmbH (so zuletzt VG München, Urteil vom 14.5.2012, 7 CE 12.370).
Welche Grenzen für eine polemisierende oder falsche Berichterstattung beachtlich sind, wird derzeit zwischen dem Handelsblatt und dem Militär-Ausrüster Heckler und Koch (H&K) vor dem Bundesgerichtshof verhandelt. H&K erreichte in erster Instanz vor dem Oberlandesgericht Köln eine Unterlassung der Überschrift „Bundeswehr kaufte Tausende untaugliche Waffen“ (15 U 10/14).
Begründung: Die Überschrift erweckt beim Leser den Eindruck, die Gewehre wurden im rechtlichen Sinne „mangelhaft“ geliefert. Brisanz hat der Fall, weil hinter den Kulissen mit unterschiedlichen Wahrheiten gehandelt wird. Allerdings ist davon auszugehen, dass der BGH die Politik bei der Entscheidung außen vor lässt.
Konflikte in der GmbH: Besser klar kommen mit dem Betriebsrat
„Ich habe nur gute Erfahrungen mit unserem Betriebsrat gemacht“. So das Feedback vieler Kollegen zum Umgang mit Betriebsräten. Das ist aber nicht immer so. Je größer die Entfernung der Geschäftsführung zu den Mitarbeitern und je mehr Beschäftigte im Unternehmen, umso problematischer sehen viele personalverantwortliche Geschäftsführer das Verhältnis zu den Arbeitnehmer-Vertretungen. Hier einige Hinweise wie es besser geht:
- Kommunikation: Suchen Sie das 4‑Augen-Gespräch mit dem Betriebsratsvorsitzenden. Steigen Sie dabei mit einem privaten Thema ein. Es wird für Ihren Gesprächspartner nach diesem Einstieg schwierig, wieder auf seinen dogmatischen Weg zurückzufinden. Je persönlicher Sie auf die Person „Betriebsrat“ eingehen, desto größer ist Ihre Chance, dass er von seinem klassischen Feindbild abweicht. Geben Sie ihm aber auch Einblicke in betriebliche Belange (Geschäftsanbahnungen, Brancheninformationen).
- Zeit zum Verhandeln: Stellen Sie sich auf möglicherweise langwierige Verhandlungen ein und kalkulieren Sie dies unbedingt beim Zeitplan für Ihre Maßnahmen ein. Es schwächt Ihre Verhandlungsposition als Arbeitgeber ungemein, wenn Sie unter Zeitdruck Verhandlungen zu Ende bringen müssen. Drängen Sie nicht auf eine bestimmte Zeitvorgabe. Lassen Sie Ihren Gegenüber spüren, dass für Sie bei den Verhandlungen die Zeit keine Rolle spielt – auch, wenn Ihnen das schwer fällt.
- Kompetenz statt Ideologie: Viele motivierte und leistungsorientierte Mitarbeiter scheuen oft davor zurück, ein Betriebsratsamt zu übernehmen. Sie fürchten einen Karriere-Knick und Nachteile für ihre berufliche Entwicklung. Als personalverantwortlicher Geschäftsführer sollten Sie eine solche Situation als Chance sehen: Sie verlieren zwar einen guten Mitarbeiter, Ihr Unternehmen gewinnt dadurch aber unter Umständen einen loyalen und kompetenten Betriebsrat, der die Betriebsbelange besser versteht.
- Regel und Ausnahme: Vorläufige Personaleinstellungen in Eilfällen sollten Sie als Vorgesetzter auf keinen Fall überstrapazieren. Ein dauernder Missbrauch kann zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung führen.
- Wochenend-Politik: Kalendertage statt Arbeitstage Das Gesetz stellt auf Kalendertage ab. Daher ist besondere Eile geboten, wenn Sie die Mitteilung des Betriebsrates an einem Freitag erhalten, z. B. Widerspruch gegen Mehrarbeit. In diesem Fall ist nämlich der folgende Montag bereits der letzte Tag, um den Antrag auf Mehrarbeit beim Arbeitsgericht wirksam stellen zu können. Nehmen Sie solche Wochenend-Überraschungen unbedingt noch am Freitag zur Kenntnis, damit Sie u. U. noch über das Wochenende mit Ihrem Anwalt in der Sache Kontakt aufnehmen können.
Mitarbeiter binden: Warum so viele Azubis hinschmeißen
„Jeder 4. Auszubildende bricht die Lehre ab“. So das Fazit des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). In einigen Branchen (Köche, Gebäudereiniger, Frisöre) sind es sogar bis zu 50 %, die hinscheißen. Häufigster Grund für die Beendigung der Zusammenarbeit sind Konflikte zwischen dem Ausbilder und dem Azubi. Azubis mit Abitur sind beständiger als Azubis mit Hauptschulabschluss. In kleineren Betrieben wird öfter abgebrochen als in mittelständischen oder größeren Unternehmen. Alarmierend: Alleine im Jahr 2013 haben 75.000 Jugendliche ihre Ausbildung ohne Abschluss abgebrochen.
Wegzugsteuer: Steuerbescheide unbedingt offen halten
Wird die GmbH ins Ausland verlagert, wird Wegzugsteuer (§ 6 AStG) fällig. Damit werden die stillen Reserven besteuert. Problem: Nach derzeitiger Rechtslage werden auch alle Wegzugsfälle besteuert, die nicht auf Dauer angelegt sind (§ 50i EStG). Danach muss ein Mitglied eines Familien-Unternehmens mit einer Besteuerung rechnen, wenn alleine der Wohnsitz des Gesellschafters ins Ausland verlegt wird. In der Praxis führte das zu skurrilen Besteuerungsfällen. So wurde z. B. für den Geschäftsanteil der im Ausland studierenden Tochter eine Besteuerung der stillen Reserven festgestellt.
Für vertrauliche Zusagen müssen Sie persönlich gerade stehen
Verabreden Sie mit einem Zulieferer/Gläubiger am Telefon Ratenzahlung, obwohl es für Ihre GmbH bereits Anzeichen einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit gibt, kann Sie der Gläubiger persönlich in die Haftung nehmen und die Zahlung der Schulden aus Ihrem Privatvermögen durchsetzen (OLG Koblenz, Beschluss vom 6.1.2015, 4 U 598/14, Quelle: GmbH-Rundschau 2015, S. 582 ff.).
Verboten: Geschäftsführer darf keine Zuwendungen annehmen
Die Geschäftsführerin eines Pflegedienstes kann ihre betreuten Kunden nicht beerben und darf auch keine anderen zusätzlichen geldwerten Zuwendungen oder Leistungen annehmen. Ein zu Ihren Gunsten verfasster Erbvertrag, nach dem eine Geschäftsführer-Kollegin als Alleinerbin (hier: Vermögen von ca. 100.000 €) eingesetzt werden sollte, ist unwirksam (OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.5.2015, 21 W 67/14).
Neues Urteil: Leistungsbonus gehört zum Mindestlohn
Zahlen Sie Ihren Arbeitnehmern neben einem festen Lohnbestandteil (hier: 8,10 €) zusätzlich einen Leistungsbonus (zum Beispiel: 0,40 €/Stunde Minimum bis maximal 1,10 €/Stunde), dann ist dieser bei der Berechnung des Mindestlohns einzubeziehen. Der Leistungsbonus muss nicht zusätzlich zum Mindestlohn gezahlt werden (Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.4.2015, 5 Ca 1675/159).
Mit besten Grüßen Ihr
Lothar Volkelt
Herausgeber + Chefredakteur