Kategorien
Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 31/2012

The­men heu­te: Wirt­schafts­prü­fer machen Lob­by-Arbeit gegen den Mit­tel­stand – so weh­ren sie sich gegen die Abschaf­fung der Prü­fungs­pflicht für mit­tel­gro­ße GmbHs + Fami­li­en-GmbH: Ehe­gat­te hat Anspruch auf Mit-Ver­si­che­rung in der Kran­ken­ver­si­che­rung + BGH-aktu­ell: Umwand­lung in eine GmbH schützt nicht gegen Haf­tung für Alt-Fäl­le + Gesell­schaf­ter-Dar­le­hen: Rang­rück­tritt muss rich­tig for­mu­liert sein – und zwar so! + Kleinst­un­ter­neh­men (auch: UG, GmbH) wer­den etwas „Büro­kra­tie”- ent­las­tet + BISS

 

31. KW 2012, Frei­tag, 3.8.2012

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

der Rechts­aus­schuss der EU sucht der­zeit nach Wegen, wie klei­ne und mit­tel­gro­ße Unter­neh­men spür­bar von Büro­kra­tie­kos­ten ent­las­tet wer­den kön­nen. Dabei hal­ten es die EU-Exper­ten für sinn­voll, die Prü­fungs­pflicht für mit­tel­gro­ße Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten abzu­schaf­fen. Das betrifft Unter­neh­men in der Rechts­form der GmbH und der GmbH & Co. KG in der ent­spre­chen­den Grö­ßen­ord­nung laut Han­dels­ge­setz­buch (§ 267 HGB). (Bilanz­sum­me zwi­schen 4,8 und 19,6 Mio. EUR, Umsatz zwi­schen 10 und 38 Mio. EUR, Mit­ar­bei­ter von 51 bis 250). In Deutsch­land gibt es ca. 100.000 Unte­neh­men in die­ser Grö­ßen­ord­nung. Die­se Unter­neh­men zah­len jähr­lich im Durch­schnitt ca. 15.000 EUR für die zusätz­li­che Prü­fung ihrer Jah­res­ab­schlüs­se. Ins­ge­samt beträgt die Belas­tung durch die Pflicht­prüfung die mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men min­des­tens 1,5 Mrd. EUR, die nicht in die Pro­duk­ti­on und in Mit­ar­bei­ter inves­tiert wer­den können.

Gegen die­se Ein­spa­rung weh­ren sich die deut­schen Wirt­schafts­prü­fer. Mit Schrei­ben vom 17.Juli des Jah­res for­dert z. B. das Insti­tut der Wirt­schafts­prü­fer (IDW): „ möch­ten wir den Rechts­aus­schuss aus­drück­lich bit­ten, der vor­ge­schla­ge­nen Strei­chung der Pflicht­prü­fung für mit­tel­gro­ße haf­tungs­be­schränkt Gesell­schaf­ten ent­ge­gen­zu­wir­ken“.  Argu­men­te der Wirt­schafts­prü­fer: Volks­wirt­schaft­li­cher Scha­den und Gläubigerschutz.

Die Wirt­schafts­prü­fer-Lob­by unter­schlägt dabei, dass Anle­ger- und Gläu­bi­ger­schutz vom Gesetz­ge­ber in ers­ter Linie für bör­sen­no­tier­te Groß-Unter­neh­men ent­wi­ckelt wur­den. Nicht aber für typi­sche mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men mit weni­gen (Fami­li­en-) Gesell­schaf­tern. Sie agie­ren in der Regel nicht nur ertrags­ori­en­tiert son­dern haben auch Vermögens­interessen und schon aus die­sem Motiv her­aus sind sie an einer höchst ordnungs­gemäßen Unter­neh­mens­füh­rung inter­es­siert. Es bleibt der ungu­te Geschmack von Besitz­stands-Siche­rung auf Kos­ten der Kli­en­tel mit Ver­weis auf ver­meint­li­che Sach­zwän­ge. Das sind aber nicht die Inter­es­sen der mit­tel­stän­di­schen Wirtschaft.

Familien-GmbH: Ehegatte hat Anspruch auf Mitversicherung in der KV

Nach der gesetz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung ver­su­chen sich nun auch die ers­ten Kran­ken­kas­sen dar­an, die spe­zi­el­le Geset­zes­la­ge für GmbH-Gesell­schaf­ter und Geschäfts­füh­rer zu Ihren Guns­ten zu nut­zen. Bei­spiel: In einer Fami­li­en-GmbH & Co. KG ist die Ehe­gat­tin Kom­man­di­tis­tin der KG und Allein-Gesell­schaf­te­rin der Kom­ple­men­tär-GmbH. Gleich­zei­tig führt der Ehe­gat­te die Geschäf­te der GmbH als allei­ni­ger Geschäfts­füh­rer. Fol­ge im Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht: Ohne eige­ne Betei­li­gung an der GmbH wird der Ehe­gat­te wie ein Fremd-Geschäfts­füh­rer ein­ge­stuft und ist Pflicht­­­­mitglied in der Sozi­al­ver­si­che­rung. Das gilt nicht nur für die Ren­ten­ver­si­che­rung son­dern auch für die Kran­ken­ver­si­che­rung (KV). Vor­teil die­ser Geset­zes­la­ge: Die Fami­lie des Geschäfts­füh­rers ist in der gesetz­li­chen Kran­ken­kas­se mitversichert.

Das ist die Rechts­la­ge bis­her. Eine Kran­ken­kas­se woll­te das über­prü­fen las­sen, um so die Leis­tungs­ver­pflich­tung für den Ehe­gat­tin ein­zu­spa­ren. Begrün­dung: Als allei­ni­ge Gesell­schaf­te­rin der KG und der GmbH ist sie haupt­be­ruf­lich selb­stän­dig tätig und damit nicht berech­tigt, die Leis­tun­gen der KV aus der Fami­li­en­ver­si­che­rung zu bean­spru­chen (§ 10 Abs. 1 Nr. SGB V). Auf die­se Rechts­la­ge berief sich die Kran­ken­kas­se. Das Bun­des­so­zi­al­ge­richt ent­schied aber ein­deu­tig: „Die Ver­wal­tung des Ver­mö­gens als Gesell­schaf­te­rin der Unter­neh­men ist kei­ne haupt­be­ruf­li­che selb­stän­di­ge Erwerbs­tä­tig­keit“. (BSG, Urteil v. 29.2.2012, B 12 KR 4/10 R).

Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten: Das Urteil hat grund­sätz­li­che Bedeu­tung gera­de auch für jun­ge Fami­li­en-GmbHs, z. B. dann, wenn die Ehe­gat­ten und die Kin­der gemein­sam kos­ten­güns­tig von den Leis­tun­gen der Fami­li­en­ver­si­che­rung pro­fi­tie­ren wol­len. Dann kön­nen Sie z. B. bei der Grün­dung des Unter­neh­mens dahin gestal­ten, dass ein Ehe­gat­te die Geschäf­te führt und der ande­re Ehe­gat­te ledig­lich die Antei­le hält. Dann darf er aller­dings nicht zusätz­lich in der GmbH tätig werden. 

Für die Pra­xis: Die Rechts­la­ge ist nach die­ser Recht­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts geklärt und kann nur anders aus­ge­legt wer­den, wenn es zu einer Geset­zes­än­de­rung kommt. Alle Kran­ken­kas­sen müs­sen das nach­voll­zie­hen und dür­fen den Nur-Gesell­schaf­ter nicht als gewerb­lich selb­stän­dig täti­ge Per­son aus der Fami­li­en-Ver­si­che­rung aus­schie­ßen. Ver­wei­gert die Kran­ken­kas­se in einem ver­gleich­ba­ren Fall die Über­nah­me von Krank­heits- oder Behand­lungs­kos­ten für den Ehe­gat­ten, kön­nen Sie das gericht­lich durch­set­zen. Die Erfolgs­wahr­schein­lich­keit ist sehr hoch. Abzu­ra­ten ist von Prä­ven­tiv-Anfra­ge an die Kran­ken­kas­se. Damit wecken sie schla­fen­de Hun­de und ris­kie­ren, dass sie bei einer Ver­wei­ge­rung der Kran­ken­kas­se auf Zah­lung in Vor­leis­tung tre­ten müssen.

BGH-aktuell: Umwandlung in eine GmbH schützt nur bedingt

Seit der der Finanz- und Ban­ken­kri­se haben vie­le Anla­ger-Bera­ter, die bis­her als Ein­zel­un­ter­neh­mer oder Selb­stän­di­ger Finanz­pro­duk­te ver­kauft oder ver­mit­telt haben, eine UG oder eine GmbH gegrün­det, um das finan­zi­el­le Haf­tungs­ri­si­ko zu beschrän­ken. Vor­sicht: Damit ist der Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer aber nicht aus der Haf­tung für alte Bera­tungs­fäl­le „drau­ßen“. Der Bun­des­ge­richts­hof hat zu die­ser Fra­ge jetzt grund­sätz­lich Stel­lung genom­men (BGH, Urteil vom 5.7.2012, III ZR 116/11).

Laut BGH rich­tet sich die sog. Rechts­schein­haf­tung nach der sog. Unter­neh­mens­iden­ti­tät. Das bedeu­tet: Gibt es kla­re Hin­wei­se dar­auf, dass es sich bei der GmbH/UG-Grün­dung ledig­lich um die Fort­set­zung der bis­he­ri­gen Geschäf­te han­delt, müs­sen Sie davon aus­ge­hen, dass die GmbH die Haf­tung für Alt­fäl­le über­neh­men muss.

Für die Pra­xis: Um die Haf­tung der Nach­fol­ge-GmbH für Alt­fäl­le aus­zu­schlie­ßen, soll­ten Sie fol­gen­de Ände­run­gen nach außen kennt­lich machen: ande­res Geschäfts­feld (Gegen­stand der GmbH), Ent­wick­lung eines neu­en Fir­men-Logos statt das alte bei­zu­be­hal­ten, evt. neu­er Inter­net-Auf­tritt, evt. neu­er Geschäfts­sitz, neue Tele­fon- und Fax-Num­mer. Vor­sicht auch bei der Selbst­dar­stel­lung im Pro­spekt (z. B. 20 jäh­ri­ge Beratungserfahrung).

Gesellschafter-Darlehen: Vorsicht vor negativem Steuer-Effekt

Gera­de in klei­ne­ren GmbHs wird über sog. Gesell­schaf­ter-Dar­le­hen finan­ziert. Risi­ko: Gerät die GmbH in die wirt­schaft­li­che Kri­se wird die­se Ver­bind­lich­keit wie haf­ten­des Eigen­ka­pi­tal behan­delt. Ande­rer­seits kann aber mit einer sog. Rang­rück­tritts­ver­ein­ba­rung eine bilan­zi­el­le Über­schul­dung besei­tigt wer­den. In der Regel wird der Steu­er­be­ra­ter den Rang­rück­tritt vor­neh­men und die ent­spre­chen­de Umbu­chung durch­füh­ren. Wich­tig: Als Geschäfts­füh­rer soll­ten Sie dabei unbe­dingt dar­auf ach­ten, dass das Klein­gedruckte ein­ge­hal­ten wird, damit es nicht zu uner­wünsch­ten Steu­er­fol­gen kommt. Denn laut Steu­er-Recht­spre­chung ist Rang­rück­tritt nicht gleich Rang­rück­tritt. Im Klar­text: Es kommt auf die genaue For­mu­lie­rung im Ver­trags­text an.

Bei­spiel: Im Rang­rück­tritt wird ver­ein­bart, „dass eine Rück­zah­lung des Dar­le­hens aus zukünf­ti­gen Jah­res­über­schüs­sen oder dem Liqui­da­ti­ons­er­lös erfolgt“. Fol­ge: Das Finanz­amt ver­langt jetzt, dass das Dar­le­hen (erfolgs­wirk­sam) aus­ge­bucht wird. Das führt zu einer Erhö­hung des Bilanz­ge­winns und zu Mehrsteuern.

Laut Recht­spre­chung ist die­se Beur­tei­lung durch das Finanz­amt nicht zu bean­stan­den. Das ergibt sich so aus den gesetz­li­chen Vor­ga­ben, hier § 5 Abs. 2a EStG. Da das Liqui­da­ti­ons­ver­fah­ren nicht eröff­net ist, gibt es kei­ne wirt­schaft­li­che Belas­tung der GmbH. Fol­ge:  Die Ver­bind­lich­keit muss aus­ge­bucht wer­den. Das Finanz­amt hat hier kei­nen Ermes­sens­spiel­raum (BFH, Urteil vom 30.11.2011, I R 100/10).

Für die Pra­xis: Die Ver­bind­lich­keit stellt nur dann wei­ter­hin eine wirt­schaft­li­che Belas­tung für die GmbH dar, wenn der Rang­rück­tritt ent­spre­chend ver­ein­bart ist. Und zwar so, dass die Pas­si­vie­rungs­pflicht bestehen bleibt. Das ist bei einem Rück­zah­lungs­an­spruch „aus dem frei­en Ver­mö­gen“ der GmbH gege­ben. Im kon­kre­ten Fall muss das hei­ßen: „Die Rück­zah­lung der Dar­le­hens­ver­bind­lich­keit erfolgt aus zukünf­ti­gen Über­schüs­sen, aus einem Liqui­da­ti­ons­er­lös und aus dem frei­em Ver­mö­gen der GmbH“. Damit ist sicher­ge­stellt, dass die Ver­bind­lich­keit als Pas­si­va aus­ge­wie­sen wird.

EU entlastet kleine UG, GmbH und GmbH & Co. KG (Micro-Richtlinie)

Die Offen­le­gungs­pflich­ten für kleins­te Unter­neh­men (Bilanz­sum­me < 350.000 EUR, Jah­res­um­satz < 700.000 EUR, weni­ger als 10 Mit­ar­bei­ter) wer­den zurück­ge­nom­men. Nach der sog. Micro-Richt­li­nie genügt es, wenn der Jah­res­ab­schluss im Regis­ter hin­ter­legt wird. Ein öffent­li­cher Zugriff ist aber nur auf Anfra­ge möglich.

Für die Pra­xis: Laut BMF wird die Umset­zung in deut­sches Recht zügig erfol­gen. Damit wer­den neu gegrün­de­te Unter­neh­men gering­fü­gig ent­las­tet. Da sie aber nur noch eine ver­kürz­te Bilanz auf­stel­len müs­sen, ent­fällt büro­kra­ti­scher Auf­wand. Das gilt auch für vie­le Kom­ple­men­tär GmbHs oder Besitz­ge­sell­schaf­ten in der Betriebs­auf­spal­tung. Eine Umset­zung in deut­sches Recht zum 1.1.2013 wird ange­strebt.

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Vol­kelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Volkelt-Brief

Schreibe einen Kommentar