Themen heute : Wirtschaftspolitik: Wirtschaft braucht konzeptionelles Vorgehen + Wettbewerbsrecht: Gericht stoppt Kartell-Strafen-Willkür + GmbH-Steuern: Finanzamt mogelt bei Pensionszusagen für Gesellschafter-Geschäftsführer + Exportgeschäfte: Zoll muss richtig rechnen + Geschäftsführer privat – Unfall ohne Fahrradhelm führt zu Mitverschulden + Kommunikation/E‑Mail: Vorsicht bei E‑Mails an den Cc-Verteiler + BISS …
Nr. 29/2013 vom 19.7.2013
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
von Kanzlerin Merkel stammt das Bonmot von der „Alternativlosigkeit“. Gleicht man aus Wirtschafts-Perspektive die Erwartungen mit den Ergebnissen der Legislatur-Periode in Sachen Steuerpolitik ab, muss sich die Bundesregierung an Alternativen messen lassen. So jedenfalls wie in den vergangenen 4 Jahren können die Vorgaben für 2014 ff. nicht aussehen. Die Wirtschaft braucht Gestaltungswillen und konzeptionelles Vorgehen. Die angekündigte Steuerentlastung um 24 Mrd. EUR ist ausgeblieben. Selbst eine Mini-Reform der Einkommensteuer (kalte Progression) gab es nicht. Ausgeblieben ist die Reform der Gewerbesteuer genau so wir die der Kommunalfinanzen. Keine Fortschritte gab es bei der Mehrwertsteuer. Eine Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung gab es nicht. Bei der Konzernbesteuerung gab es marginale Korrekturen.
Für die Praxis: Die (tatsächliche) Korrektur der steuerlichen Rahmenbedingungen für Deutschland ist sicherlich eine ambitionierte Aufgabe. Dabei geht es nicht einmal um die absolute Höhe der Belastung – also die Steuersätze an sich. Wesentlicher Faktor bei der Steuererhebung ist unterdessen der bürokratische Aufwand, der damit für die Unternehmen verbunden ist (Beraterkosten, Gebühren, Zusatzkosten für Steuerprüfungen, Steuerbilanz, IT-Umstellungen, Kosten für die Rechtsfindung bzw. Verfahren vor den Finanzgerichten usw.). Viele Unternehmen zahlen unterdessen 20 % und mehr der gesamten Aufwendungen für die Steuer alleine für die bürokratischen Vor- und Nacharbeiten. Das kann es nicht sein.
Wettbewerbsrecht: Gericht stoppt Kartell-Strafen-Willkür
Die Praxis der europäischen und deutschen Kartellbehörden, auch mittelständische Unternehmen ins Visier zu nehmen, gerät immer mehr in die Kritik (vgl. zuletzt Nr. 18/2013). Zuletzt hatte der Frankfurter Kartellrechtler Jens Steger moniert, dass die deutschen Kartellbehörden Informationen aus laufenden Kartell-Verfahren öffentlich machen bzw. ins Internet stellen. Bei dieser Art Transparenz im Verfahren übersehen die Behörden, dass damit zugleich auch unternehmensinterne Informationen (Geschäftsgeheimnisse) öffentlich werden, ohne dass dies im Rahmen eines gesetzlich vorgesehenen, geschweige denn zulässigen Verfahrens geschieht. Unterdessen hat sich auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) ganz grundsätzlich zum Verfahrensablauf geäußert. 3 Unternehmen (hier: Kupfer-Rohrverbindungen) hatten der Bestrafung durch die Europäischen Kartellbehörden widersprochen und in erster Instanz vor dem Europäischen Gericht (EuG) erreicht, dass die verhängten millionenschweren Geldbußen ausgesetzt wurden. Begründung: Fehler im Verfahren. Jetzt hat der EuGH im Revisionsverfahren diese Rechtslage bestätigt (EuGH, Urteil vom 4.7.2013, C‑287/11 P). Bemerkenswert:
- Das Europäische Gericht prüfte das Beweiserhebungsverfahren durch die Kartellbehörden. Fazit: Stellungnahmen von den beschuldigten Personen (Vertriebsleiter) über Preisabsprachen werden unkritisch übernommen und entlastende Aussagen wurden nicht ausreichend gewürdigt.
- Das überprüfende Gericht kommt abschließend zu dem Urteil, dass im Kartellverfahren „Indizien verkannt und Tatsachen verfälscht“ wurden. Außerdem gebe es in den Begründungen „widersprüchliche“ Ausführungen zum Bestand und zur Zusammensetzung des (vermeintlichen) Kartells
Immerhin geht es hier nicht um Peanuts. Gegen die betroffenen Unternehmen wurde eine Kartellstrafe von insgesamt ca. 100 Mio. verhängt. Das Kartellamt hatte das Verfahren im Rahmen der Kronzeugenregelung geführt. Danach bleibt das anzeigende Unternehmen straffrei. Das anzeigende Unternehmen ist in der Regel auch Teil des vermeintlichen Kartells, ist also branchenzugehörig und profitiert letztlich auch wettbewerblich davon, wenn die beschuldigten Konkurrenz-Unternehmen bis zu 10 % Ihres Umsatzes als Strafe zahlen müssen. Genauso problematisch ist es, dass Preisdiktate im Kartellrecht keine Rolle spielen. Z. B., wenn ein Großabnehmer (Automobilindustrie) seinen Zulieferern Preisvorgaben für bestimmte Komponenten macht und einer der Zulieferer (z. B. ein chinesisches Plagiat) anschließend als Kronzeuge gegen die deutschen Konkurrenten auftritt, um diese im Wettbewerb auszustechen. Nicht wenige mittelständische deutsche Unternehmen kennen diese Problematik.
Für die Praxis: Das Gericht würdigt die im Kronzeugenverfahren vorgelegten Beweismittel nach rechtsstaatlichen Kriterien. Danach muss das Kartell in einem Beweisverfahren nachgewiesen werden, dass objektiven, nachvollziehbaren Kriterien standhält. So genügt es nicht, wenn handschriftliche Notizen vorgelegt werden oder wenn Messetreffen von Vertriebs-Mitarbeitern stattgefunden haben, dies als Anhaltspunkt für ein Kartell zu werten. Die Kartellbehörden müssen konkrete Preisvereinbarungen kennen und nachweisen können. Betroffene deutsche Unternehmen können in Zukunft davon ausgehen, dass alle Gerichte die Verfahren und Maßnahmen der (auch der deutschen) Kartellbehörden strenger unter die Lupe nehmen werden.
GmbH-Steuern: Finanzamt mogelt bei Pensionszusagen für Gesellschafter-Geschäftsführer
Gesellschafter-Geschäftsführer, für die eine Pensionszusage abgeschlossen ist, müssen in Zukunft bei Änderungen oder Anpassungen der Zusage besonders aufpassen. Grund: Immer mehr Finanzämter prüfen dann rückwirkend, ob die Pensionszusage „angemessen“ war und alle steuerlichen Voraussetzungen korrekt erfüllt wurden. Das betrifft:
- Gesellschafter-Geschäftsführer, die ihre Pensionszusage anpassen wollen (z. B. von 60 % auf 75 % der zuletzt bezogenen Vergütung) oder
- Gesellschafter-Geschäftsführer, die ihre Minderheits-Beteiligung an der GmbH zu einer Mehrheits-Beteiligung aufstocken.
So sind Fälle bekannt, in denen die Finanzämter rückwirkend prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung der Pensionsrückstellung über den gesamten Zeitraum vorlagen. Beispiel: Die Pensionszusage wurde 1993 auf das 60ste Lebensjahr vereinbart. 2013 stellt das FA dazu fest: „Die Pensionszusage muss mindestens auf das 65igste (66/67) Lebensjahr abgeschlossen sein“. Ergebnis: Ein Teil der Pensionsrückstellung muss für den gesamten Zeitraum – also bis 1993 – aufgelöst und nachträglich versteuert werden. Aber so einfach geht es nicht. Dazu das FG Köln: „Für die Anerkennung der Pensionsrückstellung kommt es auf die Verhältnisse zum Abschluss des Versorgungsvertrages an“ (FG Köln, Urteil vom 6.9.2012, 10 K 1645/11).
Für die Praxis: Die harte Linie einzelner Finanzämter ist noch nicht endgültig vom Tisch. Die Finanzbehörden haben Revision eingelegt. Der Bundesfinanzhof (BFH) muss als abschließend dazu entscheiden (Az: I R 72/12. Wir gehen davon aus, dass der BFH das FG-Urteil bestätigt. Es gilt der Bestandsschutz für den Steuerzahler. Rückwirkende Sachverhaltsänderungen sind nur in Ausnahmefällen zulässig. Wenn Sie Ihre Pensionszusage ändern wollen (Erhöhung der Leistung, Alter des Anspruchsberechtigten, Einbeziehung von Familien-Mitgliedern) sollten Sie vorab mit dem Steuerberater besprechen, was möglich und steuerlich zulässig ist.
Exportgeschäfte: Zoll muss richtig rechnen
Importiert eine Konzerngesellschaft Waren aus und über Tochtergesellschaften nach Deutschland, können die Verrechungspreise in der im Konzern üblicherweise zugrunde gelegten Währung (hier: EUR) festgelegt werden. Das Hauptzollamt darf nicht einfach die Landeswahrung des Ausfuhrlandes zugrunde legen und anschließend in EUR umrechnen, etwa zum Nachteil des Konzernunternehmens, so dass Einfuhrzölle nacherhoben werden (BFH, Urteil vom 16.4.2013, VII R 48/11).
Für die Praxis: Im Prinzip betrifft das Urteil alle Unternehmen, die über ihre ausländischen Vertriebs-Gesellschaften einkaufen. Solange die Preise marktgerecht sind, können die in der Währung verbucht werden, die im Geschäft vereinbart wurde. Der Zoll darf nur dann nachrechnen, wenn mit Dumping-Preisen verrechnet wird.
Geschäftsführer privat – Unfall ohne Fahrradhelm führt zu Mitverschulden
Wenn Sie mit dem Fahrrad unterwegs sind, müssen Sie in Zukunft mit einem weiteren Risiko leben. Wer ohne Helm in einen Unfall verwickelt wird, riskiert „Mitverschulden“. Und zwar auch dann, wenn nicht Sie sondern ein anderer Verkehrsteilnehmer Unfallverursacher ist (OLG Schleswig, Urteil vom 5.6.2013, 7 U 11/12).
Für die Praxis: Der Unfall geschah – wie meistens – in völlig unerwarteter Situation. Der Pkw-Halter öffnete die Tür und der Fahrrad-Fahrer ohne Helm konnte nicht mehr ausweichen. Im Urteil um Schadensersatz, Kostenübernahme und Schmerzensgeld musste sich der Fahrrad-Fahrer eine Mitschuld einräumen lassen. Mitverschuldenanteil: 20 %. Nach diesem Urteil sollten zumindest Vielfahrer unbedingt einen Helm tragen.
Kommunikation/E‑Mail: Vorsicht bei E‑Mails an den Cc-Verteiler
Weil die Mitarbeiterin eines Unternehmens Informationen an einen offenen Cc-Verteiler verschickte, hat die Bayerische Datenschutzaufsicht ein Bußgeld verhängt. Begründung: Unerlaubte Nutzung von personenbezogenen Daten. Die Rechtslage: Personenbezogene Daten dürfen nur dann an Dritte übermittelt werden, wenn dazu die Einwilligung der Betroffenen vorliegt.
Für die Praxis: Im monierten Fall hatte die Mitarbeiterin versehentlich einen insgesamt 9‑seitigen E‑Mail-Verteiler nicht in das Bcc-Feld sondern für alle Empfänger sichtbar in das Cc-Feld eingestellt. Empfehlung: Versenden Sie E‑Mails an einen Verteiler mit anonymen, Ihnen nicht vertrauten Adressen, sollten Sie unbedingt den Bcc-Verteiler verwenden. Gehen Sie davon aus, dass diese Rechtsauffassung in allen Bundesländern so durchgesetzt wird, wenn einer der Empfänger dort Beschwerde einreicht. Informieren Sie die Marketing- und Vertriebs-Abteilung über die neue Rechtslage.
Mit besten Grüßen Ihr
Lothar Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur Volkelt-Brief