Insolvenz/Haftung: Wer zu früh Insolvenz anmeldet, wird bestraft + Beste Chancen: Vom Geschäftsführer zum Unternehmer – jetzt! + Geschäftsführer-Perspektive: Von den 2 Geschwindigkeiten – Staat oder privat + Praktisches: Finanzhilfen voll ausschöpfen + Digitales: Messen ersetzen, Reisekosten und Spesen einsparen + Letzte Ausfahrt: Das Amt niederlegen … + GmbH/Recht: Fehler beim Einreichen der Gesellschafterliste + Stopp: Der Insolvenzverwalter darf den Gesellschaftsvertrag nicht ändern + Fakten zur Krise: Corona in Zahlen der Wirtschaft + GmbH/Recht: Beschluss über die Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils
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Der Volkelt-Brief 18/2020 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg, 1. Mai 2020
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
auf ein besonderes Risiko für Fremd-Geschäftsführer und alle Geschäftsführer mit einer nicht beherrschenden Beteiligung an der GmbH weist jetzt Rechtsanwalt Dr. Stephan Ulrich hin (Quelle: GmbH-Rundschau 2020, R118). Es geht um die voreilige Beantragung des Insolvenzverfahrens für die GmbH. Und zwar um den damit verbundenen Image-Verlust des Unternehmens. Er verweist darauf, dass eine Insolvenz in Deutschland nach wie vor einen Makel bedeutet – und zwar in Bezug auf die Leistung des Managements als auch im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Wer Insolvenz anmeldet, muss damit rechnen, dass sich die bisherigen Kunden nach neuen Geschäftspartnern umschauen.
Das hat Auswirkungen auf eine in diesem Zusammenhang getroffene Fehlentscheidung. Dazu stellt Ulrich fest: Stellt der Geschäftsführer zu früh und ohne tatsächlichen Insolvenzgrund einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, haftet er für einen daraus entstandenen Schaden. Und zwar gegenüber der GmbH und gegenüber den Gesellschaftern. Wer darauf kalkuliert, sich in der jetzigen Situation mit einem Insolvenzverfahren von Altlasten befreien zu können, geht in der Tat ein hohes persönliches Risiko ein. Empfehlung: Als Geschäftsführer sind Sie gut beraten, wenn Sie sich vor Antragstellung einen entsprechenden Beschluss der Gesellschafter einholen. Nur dann sind Sie auf der sicheren Seite.
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Beste Chancen: Vom Geschäftsführer zum Unternehmer – jetzt!
Fakt ist, dass fast alle Unternehmen ihre Jahresplanungen anpassen müssen. Das wird zur Zeit in vielen Unternehmen auch so umgesetzt. Was allerdings oft nicht ganz einfach ist. Zwar lässt sich der bereits entstandene Schaden/Umsatzrückgang relativ einfach und genau nachzeichnen. Aber der Forecast auf die kommenden Monate kann nur unter vielen „Wenn´s und Aber´s” gerechnet werden. Das ist als Basis für weitere Entscheidungen ausgesprochen unbefriedigend. Fakt ist auch, dass – umgerechnet auf die Bilanz – bei vielen Unternehmen bereits eine Überschuldung vorliegt und Insolvenz angemeldet werden müsste. Kredite helfen in dieser Situation nicht weiter. Hier hilft in der Regel nur eine zusätzliche Kapitalausstattung – aber eben mit Eigenkapital. Soweit die eine Seite der Medaille.
Auf der anderen Seite der Medaille steht: Kollegen/Innen, die schon seit längerem auf den richtigen Moment zur Erweiterung ihrer geschäftlichen Ambitionen warten, können jetzt loslegen. Die Erfolgsaussichten sind gut bis sehr gut – entsprechende Rücklagen vorausgesetzt. Aber auch ein Invest mit Fremdkapital kommt in Frage, wenn die Voraussetzungen stimmen, das Produkt passt, die Marktchancen richtig bewertet sind und die Strategie stimmt. Das gilt auch für mittelständische Unternehmen, also Handwerksbetriebe, Unternehmen aus der Gastronomie, mittelständische Produktionsfirmen oder auch Dienstleister. Und zwar immer dann, wenn ein solches Unternehmen wie oben geschildert zusätzliches Eigenkapital in Form einer Beteiligung braucht oder ohnehin vor einer Nachfolgeregelung zum Verkauf steht und wenn das Unternehmen jetzt in die roten Zahlen geraten ist. Aber: Es existiert immer noch ein guter Kundenstamm, der genutzt werden kann. Zahlreiche dieser Unternehmen stehen jetzt unter Zugzwang und viele Inhaber müssen beim Kaufpreis verhandeln.
Gute Perspektiven gibt es auch für Fremd-Geschäftsführer oder Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer Mini-Beteiligung, die jetzt die Chance sehen, ihre eigenen geschäftlichen Ambitionen auf neue Füße zu stellen.
- B. mit einer (kleinen) Beteiligung an einem (Konkurrenz-) Unternehmen. Selbst ein (nachvertragliches) Wettbewerbsverbot steht dem nicht entgegen. Dazu z. B. das OLG Stuttgart: „Eine rein kapitalistische Minderheitsbeteiligungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers an einer Konkurrenzgesellschaft ohne Einfluss auf deren Geschäftsführung, ohne Tätigkeit im Unternehmen und ohne Möglichkeit, dieses zu beherrschen oder Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen zu nehmen, sind im Regelfall unbedenklich und von der sachlichen Reichweite eines Wettbewerbsverbots des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht umfasst“ (OLG Stuttgart, Urteil v. 15.3.2017, 14 U 3/14).
- Oder im Management-Buy-Out – indem Sie allein oder zusammen mit anderen Führungskräften (sukzessive) die Anteile Ihres Arbeitgebers GmbH übernehmen und ihren Anteil an der GmbH systematisch erhöhen.
Hilfreich: Die Deutsche Unternehmerbörse DUB hat jetzt ihr Angebot um eine sog. Insolvenzbörse erweitert. Hier können Investoren in die Schieflage geratene Unternehmen finden > unter www.dub.de/Insolvenzboerse. Erste Unternehmen können darin schon abberufen werden. Die Insolvenzwelle wird aber erst für die Zeit Sommer/Herbst erwartet.
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Geschäftsführer-Perspektive: Von den 2 Geschwindigkeiten – Staat oder privat
Etwas Erfreuliches hat die Krise: Jetzt hat der „Gesetzgeber” ein Einsehen dafür, dass es schneller gehen kann und manchmal auch muss. Man will Antragsverfahren verkürzen. Die Verwaltung soll besser erreichbar werden. Man hat das Aktienrecht vereinfacht, die Hauptversammlung entbürokratisiert und beschleunigt. Das GmbH-Gesetz geändert. Damit die Gesellschafter sich auf kurzem Wege mit moderner Technik absprechen können und dabei nicht befürchten müssen, dass ihre Beschlüsse formfehlerhaft verworfen werden und erst nach langwierigen Gerichtsverfahren festgestellt werden kann, welcher Gesellschafter oder welche Gesellschaftergruppe schlussendlich Recht bekommt (vgl. dazu Nr. 17/2020). Jetzt soll sogar das Betriebsverfassungsgesetz auf die Schnelle geändert werden. Dann darf der Betriebsrat seine Sitzungen in Form von Telefon- oder Videokonferenzen abhalten – persönliche Anwesenheit ist dann obsolet. Plötzlich werden Dinge möglich, die niemand für möglich gehalten hat. In vielen Trippelschritten in die richtige Richtung. Mit freundlichen Grüßen.
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Praktisches: Finanzhilfen voll ausschöpfen
Betrifft … | Darum geht es … | to do … |
Hilfen für kleinere und mittelgroße Unternehmen | Kleinere, mittelgroße und große Unternehmen können unterdessen aus vielen Hilfsfonds und Kreditangeboten der KfW schöpfen. Einige Hilfsmaßnahmen können sogar kombiniert werden. Die KfW bietet einen hilfreichen Überblick über mögliche Leistungen. | Informieren Sie sich > Hier anklicken |
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Digitales: Messen ersetzen, Reisekosten und Spesen einsparen
In der Krise müssen alle Kostenposten auf den Prüfstand. Dazu gehören die Kosten für die Präsenz auf Fachmessen. Neue digitale Präsentationsmöglichkeiten haben einigen Messeanbietern schon bisher Probleme gemacht. Mit der Corona-Krise hat sich dieser Trend beschleunigt. Fachmessen sind für viele Unternehmen kein Tabu mehr. Mit neuer und komfortabler Schnitt- und Animations-Software lassen sich unterdessen Produktpräsentationen zu geringen Kosten erstellen – entweder von der eigenen Marketing-Abteilung oder vom professionellen Anbieter. Da geht Einiges: Von einfachen Bild-Text-Lösungen bis zur animierten 3‑D-Darstellung inklusive virtuellem Rundgang. Viele Agenturen arbeiten bereits mit solchen Programmen, sind Drehbucherfahren und beherrschen Storytelling. Das Kosten/Nutzen-Verhältnis ist selbst für kleinere Unternehmen machbar – die Fa. Animatz-Studios berechnet z. B. für einen 2‑Minuten Animations-Clip gerade einmal rund 1.500 EUR, die Münchner Agentur ExplainR bietet die Clip-Minute in der Grundversion für 1.000 EUR an.
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Letzte Ausfahrt: Das Amt niederlegen …
Kollegen/Innen, die spüren, dass die Krisensituation sie an ihre persönliche Belastungsgrenze bringt, haben die Möglichkeit, das Amt niederzulegen. Allerdings sollten sie zuvor die rechtliche Situation ausloten und sich mit den Gesellschaftern offen und verantwortlich verständigen.
Die Rechtslage: Die Amtsniederlegung durch den Geschäftsführer ist als einseitige und sofortige Maßnahme bei Vorliegen eines wichtigen Grundes jederzeit zulässig und wirksam. Im Allgemeinen führt dies auch zu einer sofortigen, fristlosen Beendigung des Anstellungsvertrages. Ein wichtiger Grund liegt z. B. vor,
- wenn die Gesellschafter Ihnen gesetzeswidrige Weisungen erteilen (z. B. keinen Insolvenzantrag zu stellen),
- die Gesellschafter wirtschaftlich nachteilige Maßnahmen beschließen (Verhinderung einer Sanierung),
- einer Ihrer Mit-Geschäftsführer den Geschäftsbetrieb blockiert.
Ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn Ihnen als Geschäftsführer die Fortsetzung des Geschäftsführer-Amtes nicht mehr zugemutet werden kann (z. B. wegen Krankheit, Verlust der Alleinvertretungsbefugnis, ständige Reibereien mit den Gesellschaftern, nicht jedoch: die wirtschaftliche Krise der GmbH). Die Amtsniederlegung ohne wichtigen Grund ist nur zulässig unter Beachtung der im Anstellungsvertrag vereinbarten Kündigungsfristen. Sind hier keine Fristen genannt, gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen.
Für den Fremd-Geschäftsführer gilt sogar: Seine Amtsniederlegung ist selbst dann wirksam, wenn kein wichtiger Grund dafür vorliegt (so zuletzt OLG Bamberg, Urteil v. 17.7.2017, 5 W 51/17). Das gilt sogar dann, wenn die Amtsniederlegung zur „Unzeit” erfolgt – z. B., wenn sich die GmbH bereits in der wirtschaftlichen Krise befindet.
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GmbH/Recht: Fehler beim Einreichen der Gesellschafterliste
Die Gesellschafterliste ist korrekt eingereicht (§ 40 Abs. 1 Satz 1 GmbH-Gesetz), wenn sich aus ihr ohne weiteres rechnerisch klar der Nennbetrag eines jeden Geschäftsanteils ergibt und sich ebenso eindeutig ohne rechnerischen Aufwand der prozentuale Anteil eines jeden Anteils am Stammkapital ablesen lässt. Das gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer einer GmbH mit dem Wechsel oder Ausscheiden eines Gesellschafters eine aktualisierte Gesellschafterliste einreicht. Das Registergericht darf nicht an Formfragen festmachen, ob die Annahme abgelehnt wird (OLG Bremen, Beschluss v. 29.7.2019, 2 W 24/19).
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Stopp: Der Insolvenzverwalter darf den Gesellschaftsvertrag nicht ändern
Im Insolvenzverfahren und auch, wenn damit der Verkauf der GmbH ermöglicht werden kann, darf der Insolvenzverwalter den Gesellschaftsvertrag der GmbH nicht eigenmächtig abändern. Das ist weiterhin Sache der Gesellschafter. Nur die sind befugt, die Rahmenbedingungen Ihrer GmbH zu bestimmen bzw. abzuändern. Das gilt auch in einem laufenden Insolvenzverfahren (BGH, Beschluss v. 26.11.2019, II ZB 21/17).
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Fakten zur Krise: Corona in Zahlen der Wirtschaft
Laut Bundesfinanzministerium sind die Steuereinnahmen im März gegenüber dem Februar um 1,8 % auf 69,6 Mrd. EUR leicht abgesunken. Der ifo-Geschäftsklimaindex ist im März auf 86,1 Punkte eingebrochen, nach 96,0 Punkten (saisonbereinigt korrigiert) im Februar. Dies ist der stärkste jemals gemessene Rückgang im wiedervereinigten Deutschland und der niedrigste Wert seit Juli 2009. Laut dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) stiegen die Konjunkturerwartungen für Deutschland im April 2020 um 77,7 Punkte auf einen neuen Stand von 28,2 Punkten an. Die Einschätzung der konjunkturellen Lage für Deutschland hat sich aber dramatisch verschlechtert. Der ZEW-Lageindikator liegt bei minus 91,5 Punkten, dies ist ein Rückgang um 48,4 Punkte gegenüber März. Diese Konstellation von Erwartungen und Lageeinschätzung entspricht ungefähr den Werten von April/Mai 2009 während der Finanzkrise. Nach Berechnungen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sind durch die Corona-Krise mittlerweile rund 4 Mio. Beschäftigte in Deutschland von Kurzarbeit betroffen.
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GmbH/Recht: Beschluss über die Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils
In einem jetzt abgeschlossenen Verfahren vor dem Oberlandesgericht Jena stellt das Gericht klar, dass der Beschluss über die Einziehung eines GmbH-Anteils immer dann gerichtlich anfechtbar ist, wenn im Gesellschaftsvertrag der GmbH nicht ausdrücklich die (wichtigen) Gründe aufgeführt sind, die die Gesellschafter zu einer Einziehung eines GmbH-Anteils berechtigen. Unterdessen hat der Bundesgerichtshof das Urteil bestätigt (OLG Jena, Urteil v. 30.5.2018, 2 U 800/15, rechtskräftig, BGH, Urteil v. 29.1.2019, II R 234/18).
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Eine informative Lektüre und ein erholsames Wochenende wünscht
Ihr
L. Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur Volkelt-Brief