GmbH-Aussichten: Kapazitätsauslastung sinkt – was kommt? + Risikoeinschätzung: Noch Erfa-Runde oder schon Kartell-Absprache? + Digitales: Investoren schauen StartUp-Gründern immer genauer in die Bücher + GmbH/Krise: Vorsicht beim Verkauf von GmbH-Vermögen + GmbH/Steuern: Steuerliche Anerkennung der Pensionsrückstellung + Bürokratie: Finanzkontrollen werden kräftig aufgestockt + Entwarnung: Kleinere Firmen brauchen keinen Datenschutzbeauftragten + Geschäftsführer-Kündigung: GmbH muss sich in die Bücher schauen lassen + GmbH/Firmenwagen: Prämie zieht (noch) nicht
BISS … die Wirtschaft-Satire
Der Volkelt-Brief 28/2019 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg, 12. Juli 2019
Sehr Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
nach sinkenden Absatzzahlen in der gesamten deutschen Automobilindustrie (International, Europa, Deutschland) im ersten Quartal 2019 stehen die Ergebnisse für das 2. Quartal zwar noch aus. Dennoch dürfte – kleinere jahreszeitliche Korrekturen eingerechnet – der Abwärtstrend kaum stoppen sein. Recherchen vor Ort in den Zuliefererbetrieben zeigen: Die Kapazitätsauslastung ist bei einigen auf 70 % und weniger gesunken. In vielen Geschäftsführungs‑Etagen geht man davon aus, dass für 2019 mit einem Rückgang der Produktion um 5 % und mehr gerechnet werden muss. Auch in anderen Branchen stehen die Zeichen auf Rückgang, z. B. der Maschinenbau laut VDMA um – 2% in 2019.
Die Folgen für das Zahlenwerk der Firma sind absehbar: Bei durchschnittlichen Gewinnmargen +/- 10 % führt ein solcher Kapazitätseffekt in der Regel zu Umsatzeinbußen, die nicht nur den Ertrag schmälern, sondern gleich auch zu Verlust führen. Der laufende Geschäftsbetrieb kann dann in der Regel nur noch aus dem Vermögen (Rücklagen) der GmbH oder aus zusätzlichen Schulden finanziert werden – mit den damit verbundenen Auswirkungen auf die Bilanz. Achtung: Eine bilanzielle Überschuldung – Anlass und Verpflichtung für die Geschäftsführer zur Antragsstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens – ist nicht einfach „auf den ersten Blick” festzustellen.
Risikoeinschätzung: Noch Erfa-Runde oder schon Kartell-Absprache?
„Man hat uns zu einer sog. Erfa-Chefrunde eingeladen. Frage: Man hört so viel. Wie groß ist die Gefahr tatsächlich, in unerlaubte Absprachen bzw. ein Kartellverfahren verwickelt zu werden?” . So die Anfrage eines Kollegen, der nicht zuletzt wegen der steigenden Anzahl von Kartellverfahren gegen kleinere und mittelständische Unternehmen verunsichert ist, ob er bzw. seine Kollegen aus dem Geschäftsführungs-Team an an einer solchen Veranstaltung teilnehmen sollen. In der Tat: Die Behörden schauen unterdessen viel genauer hin als noch vor einigen Jahren. Insofern sind Sie gut beraten, wenn Sie den genauen Ablauf des Verfahrens kennen und entsprechende Vorkehrungen einplanen.
Dass deutsche und europäische Kartellbehörden den Fokus zunehmend auch auf kleinere Unternehmen legen, ist bekannt. Diese Entwicklung hat sich seit Jahren angedeutet und auch wir haben an dieser Stelle über zahlreiche Verfahren berichtet und die z. T. undurchsichtigen Praktiken der Kartellbehörden ausgeleuchtet (zuletzt ausführlich in Nr. 18/2018). Im Unterschied zu den Großen der Wirtschaft (aktuell: Lieferkonditionen der Asphalthersteller) verfügen kleinere Unternehmen nicht über die Lobby und das finanzielle Durchhaltevermögen, rechtliche Positionen durchzusetzen bzw. eine Lösung im Vergleich – also im „Stillen” – zu vereinbaren und so zumindest einen größeren Imageschaden zu verhindern. Dabei ist längst nicht jede Kooperation zwischen (kleineren) Unternehmen bereits ein Wettbewerbsverstoß. Zulässig sind z. B. Forschungs- und Einkaufskooperationen. Es ist zulässig, den Vertrieb einzelner Unternehmen gemeinschaftlich zu organisieren. Vom Bundeskartellamt gibt es dazu ein offizielles Merkblatt mit dem Titel „Kooperationsmöglichkeiten für kleinere Unternehmen“ – unterlegt mit anschaulichen Beispielen, was zwischen kleineren Unternehmen erlaubt ist und was eben nicht. Gut beraten sind Sie, wenn Sie Absprachen mit Geschäftspartnern über ein gemeinsames Vorgehen im Markt vorab juristisch abklären und ggf. von den Kartellbehörden genehmigen lassen.
Achtung: In vielen Verfahren verlassen sich die Behörden auf die Kronzeugenregelung (Jargon: „Bonusregelung“), wonach Whistleblower und anzeigende Konkurrenzbetriebe die „Beweise“ liefern und dafür straffrei ausgehen. Kritik gibt es auch an der praxisfremden Herangehensweise der Behörden. So sind Absprachen zwischen Zulieferbetrieben in der Automobilindustrie genauso üblich, wie Branchengespräche über Preise und Konditionen. Solche Gespräche sind oft sogar notwendig, um mittel- und langfristige Planungs- und Investitionssicherheit der Beteiligten an einer Wertschöpfungskette zu gewährleisten. So ist es z. B., kein Geheimnis, dass sich die Verarbeiter und Zulieferer der Automobilindustrie auf eine Standardmarge verständigt haben, um die Gewinne und Investitionen ihrer Zulieferer zu sichern und so ihre eigene Lieferbereitschaft sicherzustellen.
Florian Hoffmann, Leiter des European Trust Instituts, hält das gesamte Verfahren für „realitätsfremd“. Kritisiert wird ebenso, dass die Deutschen Kartellbehörden sich ausschließlich um den deutschen Markt kümmern. Internationale und globale Effekte und Wettbewerbspositionen (derzeit: Luftfahrt, Zugbau) bleiben außen vor. Auch für den Geschäftsführer kleinerer Unternehmen wird das Thema Fusion/Preise/Konditionen immer mehr zum Problem. Achten Sie darauf, wer an Branchentreffen zu diesen Themen teilnimmt. Halten Sie sich zurück.
Das Bundeskartellamt wirbt auf seinen Internet-Seiten offensiv für das anonyme Anzeigverfahren, das Privatpersonen (auch Ihren Mitarbeitern) strikte Anonymität zusichert. Beachten Sie dazu das Portal www.business-keeper.de, das zunächst zur Korruptionsbekämpfung begründet wurde, unterdessen aber auch die Mitarbeiter in Firmen dazu animiert, jegliche Compliance-Verstöße (z. B. auch gegen Wettbewerbsvorschriften) anonym zu melden.
Digitales: Investoren schauen StartUp-Gründern immer genauer in die Bücher
Nicht alles, was Gold verspricht, glänzt. Schon früh galt der Einstieg in die FinTech-Branche als solches bereits als StartUp-Erfolgsmodell. Wer hier gründete und das Geschäftsmodell plausibel formulieren konnte, hatte keine Probleme, zahlungswillige Investoren zu finden. Dabei ging es um Geschäftsmodelle in den Bereichen Zahlungsverkehr, Kredite, Vermögensanlage- und verwaltung, Versicherungs- und Immobilien-Management. Unterdessen hat eine breite Marktbereinigung eingesetzt. Das Handelsblatt titelte jüngst sogar mit: „Bei FinTechs rollt die Pleitewelle”.
Nach einer aktuellen PwC-Studie haben seit 2017 fast 200-FinTech-StartUps den Betrieb eingestellt. Im laufenden Geschäftsjahr 2019 gab es bereits 34 Geschäftseinstellungen. Hauptgrund: Es ist gelingt nicht, notwendige Anschlussfinanzierungen zu beschaffen. Gerade 10 % der FinTech-StartUps gelingt es nur noch, Venture Capital (VC) zu beschaffen. Das ist deutlicher Beleg dafür, dass die Euphorie vieler Investoren – auch über die FinTech-Branche hinaus – verflogen ist und Investitionen sehr viel kritischer angegangen werden. In der StartUp-Branche geht man unterdessen von einer Erfolgsquote von nur noch 10 % aus. Auch der immer professionellere Umgang der Branchen-Größen mit dem Thema Digitalisierung sorgt dafür, dass man sich vor einer Beteiligung/Investition sehr genau anschaut, ob das Geschäftsmodell tatsächlich neu oder ein Imitat ist, Erfolgspotential hat und welche Personen für ein Projekt stehen und welche Hintermänner es gibt.
GmbH/Krise: Vorsicht beim Verkauf von GmbH-Vermögen
Bleiben Aufträge aus oder lassen sich die geplanten Verkaufszahlen nicht mehr erreichen, ist es eine Frage der Zeit, wann Sie als Geschäftsführer einen grundsätzlichen Richtungswechsel vorgeben müssen, um sich den neue Gegebenheiten anzupassen. Wer vorgesorgt hat, kann aus Gewinnrücklagen schöpfen. Manchmal hilft die Bank mit einem Überbrückungskredit. Manchmal genügt ein zusätzliches Darlehen der Gesellschafter, um eine damit verbundene Liquiditätslücke zu schließen. Möglich ist auch der Verkauf von nicht benötigtem GmbH-Vermögen. Als Geschäftsführer sind Sie gefordert, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die Gesellschafter mitzunehmen und die mit einer Zusatzfinanzierung verbundenen Risiken für sich selbst und für die GmbH richtig einzuschätzen.
ACHTUNG: Sie sollten sich dabei immer darüber bewusst sein, inwieweit die Sanierungsmaßnahmen Ihr privates Vermögen tangieren. Hier gilt: Gehen Sie auf keinen Fall mehr privates Risiko ein als Sie vertreten können – auch z. B. gegenüber Ihren Verpflichtungen in der Familie. Wir weisen an dieser Stelle regelmäßig auf die private Haftung des GmbH-Geschäftsführers hin. Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken hat z. B. entschieden, dass der Geschäftsführer von den Gläubigern der GmbH (Banken, Zulieferer) persönlich in die Haftung genommen werden kann, wenn er Vermögen der GmbH, das als Sicherheit dient, verkauft. Stößt der Insolvenzverwalter bei anschließender Abwicklung der GmbH auf einen solchen Sachverhalt, müssen Sie sich darauf einstellen, dass der Geschäftsführer den Veräußerungserlös in voller Höhe zurückerstatten muss (OLG Saarbrücken, Urteil v. 30.1.2014, 4 U 49/13).
GmbH/Steuern: Steuerliche Anerkennung der Pensionsrückstellung
Eine Pensionsrückstellung darf nur gebildet werden, wenn und soweit der Pensionsberechtigte einen Rechtsanspruch auf einmalige oder laufende Pensionsleistungen hat, die Pensionszusage keine Pensionsleistungen in Abhängigkeit von künftigen gewinnabhängigen Bezügen vorsieht und keinen Vorbehalt enthält, dass die Pensionsanwartschaft oder die Pensionsleistung gemindert oder entzogen werden kann. Das ist nicht gegeben, wenn die zugrunde liegende Transformationstabelle oder der vereinbarte Zinssatz einseitig vom Arbeitgeber variiert werden kann (FG Düsseldorf, Urteil v. 29.5.2019, 15 K 690/16 F, Revision zugelassen).
Bürokratie: Finanzkontrollen werden kräftig aufgestockt
Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) – beim Zoll angesiedelte Behörde zur Überprüfung und Kontrolle der Arbeits- und Sozialgesetze – wird kräftig aufgestockt und erhält zusätzliche Kompetenzen. In den nächsten Jahren soll die Behörde mit rund 7.500 um 3.500 auf ca. 11.000 Prüfer ausgebaut werden. Für Unternehmen von Interesse: Geplant sind strengere Kontrollen vor allem in Sachen Schwarzarbeit und Mindestlohn (Quelle: Gesetz gegen illegale Beschäftigung, Schwarzarbeit, Sozialleistungsbetrug sowie gegen Kindergeldmissbrauch).
Entwarnung: Kleinere Firmen brauchen keinen Datenschutzbeauftragten
Mit den Stimmen der Großen Koalition hat der Bundestag eine Erleichterung für kleinere Unternehmen beschlossen. Danach müssen Unternehmen mit bis zu 20 Arbeitnehmern (bisher: 10) in Zukunft keinen Datenschutzbeauftragten mehr bestellen. Damit entfällt für rund 90 % aller Handwerks-Betriebe ein nicht unbeträchtlicher bürokratischer Aufwand – bisher muss der Datenschutzbeauftragte über alle IT-internen Änderungen informiert werden und z. T. solchen Maßnahmen ausdrücklich zustimmen.
Geschäftsführer-Kündigung: GmbH muss sich in die Bücher schauen lassen
Scheidet der Geschäftsführer aus der GmbH aus und ist die Ermittlung der Höhe seiner Abfindung strittig, dann hat er einen Auskunftsanspruch gegen die GmbH – auch dann, wenn er zuvor in seiner Eigenschaft als aktiver Geschäftsführer die Möglichkeit hatte, sämtliche Unterlagen der GmbH einzusehen (OLG Köln, Beschluss v. 4.10.2017, 18 U 103/16).
GmbH/Firmenwagen: Prämie zieht (noch) nicht
Die Steuererleichterung (0,5%-Methode zur Ermittlung der Lohnsteuer für die Privatnutzung durch den Geschäftsführer) für Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge zeigt bislang wenig Wirkung. Viele Unternehmen zögern beim Umstieg auf umweltfreundliche Mobilität. Der Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer ermittelte für die ersten 4 Monate des Jahres insgesamt 9.961 Anschaffungen und damit einen Elektroanteil unter den Firmenwagen von gerade einmal 3,5 %. Spitzenreiter bei den E‑Fahrzeugen ist das Tesla Model 3 mit einem Marktanteil von 12 %. Die deutschen Autobauer spielen in diesem Segment keine Rolle – auch nicht bei den Hybrid-Modellen.
Einen guten Start in ein erholsames Wochenende wünscht
Ihr
L. Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur Volkelt-Brief