GF-Gratwanderung: Wie riskant darf ein Geschäftsmodell sein? + Gestaltung: Geschäftsführer als Mini-Jobber + Ende der Netzneutralität: 30 – 35% Mehrkosten für alleFirmen + Dynamic Pricing: Wie flexibel planen Sie Preise und Umsatz ? + Werbebriefe: Dürfen nicht wie eine amtliche Mitteilung wirken + Geschäftsführer privat: Fahren mit Auslands-Führerschein + Controlling: Umsatzbeteiligung für schnelles Internet + Arbeitsrecht: Vergütungsanspruch für Arbeitsvorbereitung + Gut informiert: Wirtschafts-Informationen haben einen Preis + BISS …
Der Volkelt-Brief 45/2015 > Download als PDF – lesen im „Print”
Freiburg 6. November 2015
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
ob Flowtex, Schlecker oder Hess-AG: Der Grat zwischen riskantem Geschäftsmodell und Betrug ist schmal. Jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) dazu einen interessanten Fall entschieden. Tenor: „Der Geschäftsführer haftet für alle Schäden aus einem Schwindelunternehmen“ – also einem Unternehmen, das von vorneherein auf Betrug angelegt ist (Urteil vom 14.7.2015, VI ZR 463/14). Was macht den Unterschied zum Risiko-behafteteten Geschäftsmodell?
Der BGH verlangt, dass bei einem Verfahren gegen den Geschäftsführer das zugrunde liegende Geschäftsmodell ausführlich geprüft wird. Es genügt nicht, dass sich aus dem Geschäft ein Schaden (Insolvenz, Gläubigerschädigung) ergibt. Alle Annahmen des Geschäftsmodells (Produkt, Marktanalysen, Preise, Umsatzentwicklung, Werbeaussagen, Vertrieb) müssen gewürdigt werden. Wenn darin offensichtliche Fehleinschätzungen zugrunde gelegt wurden, handelt es sich um ein „Schwindelunternehmen“. Ihre Aufgabe als Geschäftsführer lautet also: Sie müssen das Geschäftsmodell, für das Sie verantwortlich handeln, im Detail kennen und im Detail beurteilen können. Dass Sie lediglich das operative Geschäft geführt haben, genügt nicht für eine (persönliche) Haftungsfreistellung.
Gestaltung: Geschäftsführer als Mini-Jobber
Um es vorweg zu nehmen: JA – aber ! Nicht alle Unternehmen beschäftigen einen Geschäftsführer, der im Fulltime-Job für die GmbH tätig ist oder sein muss. So fallen z. B. in der Vermögen verwaltenden GmbH, in der GmbH & Co. KG oder in der Freiberufler-GmbH oft nur wenige Geschäftsführungs-Aufgaben an. Aus einem aktuellen Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg ergibt sich hier eine interessante Gestaltungsmöglichkeit. Und zwar immer dann, wenn der Geschäftsführer nicht beherrschend an der GmbH beteiligt ist. Im Urteil heißt es nämlich: „Der Geschäftsführer mit beherrschender Beteiligung hat keinen Anspruch auf Lohnsteuer-Pauschalierung“ (§ 40a Abs. 2a EStG).
Im Umkehrschluss hieße das: Der Nicht beherrschend beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer kann die pauschale Lohnsteuer beanspruchen (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.7.2015, 11 K 3633/13). Begründung: Wird der Geschäftsführer im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung tätig (hier: 400 EUR, seit 2012 450 EUR), muss das Finanzamt die 20 % – Pauschalsteuer dafür akzeptieren. Laut Sozial-Rechtsprechung entspricht die Tätigkeit des Geschäftsführers immer dann der einer Beschäftigung als Arbeitnehmer, wenn er weisungsgebunden tätig ist. Das ist immer dann der Fall, wenn er nicht beherrschend ist (Beteiligung < 50 % und keine Sperrminorität vorliegt).
Ende der Netzneutralität: 30–35%-Mehrkosten für alle Firmen
Erfahrungen, was da kommt, machen Kollegen, die via mobile Kommunikation größere Datenmengen bewegen, z. B. Powerpoints verschicken oder Angebots-Kataloge befördern. Die 2 GB Datenmenge, die der Grundtarif monatlich abdeckt, ist schnell aufgebraucht. Der Kollege zahlt ab der 2. Woche einen 70 % höheren Tarif, damit die Daten-Übertragung nicht 20mal länger dauert. IT-Experten rechnen mit Mehrkosten für die Standard-Kommunikation im Unternehmen (E‑Mail, Internet) von 30 bis 35 %. Noch teurer wird die mobile Kommunikation: Hier müssen Sie mit Aufschlägen bis zu 70 % rechnen, wenn Sie die gleiche Leistung haben wollen. Betroffen sind nicht nur Unternehmen, die riesige Datenmengen transportieren (Clips, Fotos usw.). Die neuen Tarifstufen werden jedes Unternehmen und selbst Sie als privaten Nutzer treffen, sobald Ihre Kommunikation mehr als ein paar Text-E-Mails, SMS, gelegentliche FB-Einträge und ab und zu eine WhatsApp- oder Twitter-Nachricht umfasst.
Dynamic Pricing: Wie flexibel planen Sie Preise und Umsatz ?
Beim Tanken hat sich Dynamic Pricing (dynamisches Preismanagement) flächendeckend durchgesetzt. Man hat sich daran gewöhnt und stellt sein Tankverhalten entsprechend darauf ein. Einige Internet Anbieter und ‑Shops praktizieren bereits seit einigen Jahren unterschiedliche Preise je nach Besteller, Bestellvorgang oder Bestellzeit (Tag, Nacht, Ferien usw.). Tendenz: Im Internet ist Dynamic Pricing in allen Branchen auf dem Vormarsch. Im Einzelhandel darf weiter vor Ort gefeilscht werden.
Fakt ist: Es gibt keine Preisverordnung oder sonstige gesetzliche Vorschrift, die dynamische Preise untersagt. Allerdings gibt die Preisauszeichnungsverordnung die Richtung vor. Außerdem müssen laut BGH die Preise in den Suchmaschinen stets aktuell sein (I ZR 123/08). Preise müssen klar und eindeutig ausgezeichnet sein. Das betrifft die Angabe zur Mehrwertsteuer, Versandkosten usw.. Darauf Rabatte, Skonti und Nachlässe zu gewähren ist in allen Branchen möglich (und üblich), auch für Dienstleistungen oder handwerkliche Angebote. Gegenüber den Internet-Anbietern gibt es aber einen entscheidenden Nachteil: Hier kann man den ausgezeichneten Preis nicht jederzeit auch nach oben ändern, z. B. wenn man weiß, dass der potenzielle Käufer eine hohe Kaufbereitschaft hat. Das ist bei einer Auslegware nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand möglich. Einige der großen Einzelhändler testen dazu zwar variable Preisauszeichnungs-Systeme. Allerdings werden diese längst noch nicht flächendeckend eingesetzt auch nicht unter optimierten Bedingungen getestet. Eine stündliche oder gar minütliche Änderung der Preise wird u. E. auch hier (noch) nicht praktiziert, aber es wird viel experimentiert. Wie halten Sie es mit den Preisen?
Werbebriefe: Dürfen nicht wie eine amtliche Mitteilung wirken
Wenn Ihr Unternehmen Werbebriefe verschickt, dürfen die nicht wir offizielle amtliche Mitteilungen aufgemacht sein. Das betrifft sogar den Umschlag. Hier muss die Absenderadresse für den Empfänger deutlich und eindeutig vermerkt werden (Landgericht Braunschweig, Urteil vom 19.3.2015, 21 O 726/14).
Geschäftsführer privat: Fahren mit Auslands-Führerschein
Eine im Ausland erworbene Fahrerlaubnis berechtigt nicht zum Führen eines Kraftfahrzeugs, wenn aufgrund einer rechtkräftigen gerichtlichen Entscheidung im Inland keine neue Fahrerlaubnis hätte erteilt werden dürfen (OLG Braunschweig, Urteil vom 27.5.2015, 1 Ss 24/15).
Controlling: Umsatzbeteiligung für schnelles Internet
Die Deutsche Telekom wird Start-up-Unternehmen einen (gewagten) Deal anbieten: Danach erhalten diese exklusiv schnelles Internet und müssen dafür noch nicht einmal einen Aufpreis zahlen. Im Gegenzug verlangt die Telekom eine Umsatzbeteiligung („ein paar Prozent“). Ziel ist es laut Telekom, Wettbewerbsnachteile und Marktzugangsbeschränkungen, die sich nach dem Ende der Netzneutralität für junge Unternehmen ergeben, auszugleichen.
Arbeitsrecht: Vergütungsanspruch für Arbeitsvorbereitung
Laut Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf gehört die Zeit, um die vom Arbeitgeber angeordnete Dienstkleidung an- bzw. abzulegen, zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Für Duschzeiten gilt das allerdings nur dann, wenn das Duschen aus gesundheitlichen Gründen zwingend notwendig ist – etwa bei einem Arzt, der eine Voll-Desinfektion vornehmen muss (LAG Düsseldorf, Urteil vom 3.8.2015, 9 Sa 425/15).
Gut informiert: Wirtschafts-Informationen haben einen Preis
Mit 2,60 € pro Ausgabe (2,90 Wochenend-Ausgabe) bleibt das Handelsblatt die teuerste überregionale Zeitung – und das mit einer Ausrichtung als Wirtschaftszeitung. Damit stieg der Preis in den letzten 5 Jahren um fast 45 %. Dazu kommt eine kontinuierliche Verringerung des Umfangs von vormals durchschnittlich 56 auf jetzt 48 Seiten. Seit Jahresbeginn entfallen in jeder Ausgabe 1 – 2 weitere redaktionelle Seiten für Eigenwerbung.
Mit besten Grüßen Ihr
Lothar Volkelt
Herausgeber + Chefredakteur