GF Personal: Die digitale Personalakte – was kleine Unternehmen wirklich brauchen + Neues BGH-Urteil: Abberufung/Kündigung des Geschäftsführers + Neuer BMF-Erlass: GmbH-Sanierungen bleiben kompliziert + GF/Marketing: Wie Konzerne ihre Kunden analysieren + GmbH-Krise: Geschäftschancen wahrnehmen – ein Muss + GmbH-Finanzen: Kleinere Anschaffungen müssen bis 2018 warten + BISS …
Der Volkelt-Brief 24/2017 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg, 16. Juni 2017
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
IBM will neue Wege für den Personal-Verantwortlichen Geschäftsführer gehen. Eine intelligente Software wird die digitale Personalakte führen. Ziel der Software ist es, Kündigungswahrscheinlichkeiten für die Mitarbeiter vorauszusagen. Alter, Überstunden, Gehalt und Gehaltsentwicklung, Anzahl und Verlauf von Mitarbeitergesprächen, Aktivitäten des Mitarbeiters in XING, LinkedIn oder etwa Facebook und viele andere Mitarbeiter-Informationen und ‑daten werden systematisch gesammelt, ausgewertet und bewertet. Schlussendlich zeigt die Software dem Personal-Verantwortlichen an, welcher Mitarbeiter mit Veränderungsplänen liebäugelt. Bis dahin ist allerdings noch Einiges zu tun. Es gibt datenschutzrechtliche und verwaltungstechnische Fragen.
Die meisten kleineren Unternehmen leisten sich weder ein eigenes Personalbüro noch eigenes Personalmanagement. Der für das Personal-Recruiting im großen Unternehmen verantwortliche Personal-Manager wird sich das leisten. Im kleineren Unternehmen ist weiterhin der Chef gefordert und der hat in der Praxis meist auch das Gespür für seine Mitarbeiter. Allerdings: Das Risiko, das einer ausschert, wird Ihnen auch die intelligenteste Software in den nächsten Jahren nicht abnehmen (können). Da bringt nur das regelmäßige persönliche Gespräch ein wenig Sicherheit – für beide Seiten.
Neues Urteil: Abberufung/Kündigung des Geschäftsführers
Grundsätzlich gilt: Als Geschäftsführer sind Sie das schwache Glied in der GmbH. Die Gesellschafter – so es denn neben Ihnen noch weitere gibt – können Sie jederzeit vom Amt abberufen. Es sei denn, im Gesellschaftsvertrag gibt es einschränkende Bedingungen. Z. B., dass eine Abberufung nur aus wichtigem Grund möglich ist. In der Praxis kommt es dennoch regelmäßig um die Frage von Abberufung und anschließender Kündigung des Geschäftsführers zu ausführlichen, gelegentlich jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen. Jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aktuellen Urteil einige wichtige Grundsätze dazu aufgestellt, die Sie als Geschäftsführer kennen sollten – damit Sie wissen, auf was Sie sich im Konfliktfall einstellen müssen. Konkret geht es um die korrekte Beschlussfassung der Gesellschafter zur Abberufung bzw. Kündigung. Dazu gelten laut BGH folgende Grundsätze (BGH, Urteil vom 4.4.2017, II ZR 77/16):
- Bei der gerichtlichen Überprüfung der Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen, die die Abberufung oder die Kündigung des Anstellungsvertrags eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH aus wichtigem Grund betreffen, muss geprüft werden, ob tatsächlich ein wichtiger Grund im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorlag oder nicht.
- Das Vorliegen des wichtigen Grunds hat im Rechtsstreit derjenige darzulegen und zu beweisen, der sich darauf beruft.
- Diese Grundsätze gelten auch für ein vom Versammlungsleiter zu beachtendes Stimmverbot des betroffenen Gesellschafter-Geschäftsführers in der Gesellschafterversammlung, dessen Abberufung bzw. Kündigung des Anstellungsvertrags zur Abstimmung steht und ein wichtiger Grund behauptet wird.
Behauptungen, Vorwürfe oder Nachreden zählen vor Gericht nicht. Nur wenn ein sachlicher Grund vorliegt, ist eine Abberufung/Kündigung aus wichtigem Grund möglich. Sachliche Gründe sind: Berufsunfähigkeit (Alter, Krankheit), grobe Verstöße gegen vertragliche Verpflichtungen (Wettbewerbsverbot, unzulässige Auszahlungen), Verstöße gegen rechtliche Vorschriften (Strafrecht, Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht) oder ein Grund in der Person des Betroffenen (Insolvenz, fehlende Qualifikation). Konkrete Beispiele für wichtige Gründe aus Sicht der Gesellschafter sind:
- Der Verdacht auf betrügerisches Verhalten im Geschäftsverkehr,
- die Ausnutzung geschäftlicher Möglichkeiten für private Interessen,
- wirtschaftliche Krise der Unternehmens,
- die Betriebsstilllegung,
- die Annahme von Schmiergeldern,
- Handeln ohne die vorgeschriebene Zustimmung der Gesellschafter
- oder eine unberechtigte Amtsniederlegung.
Die außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses ist immer fristlos. Die Kündigung wird von der Gesellschafterversammlung beschlossen. Der betroffene Geschäftsführer hat in der Regel kein Stimmrecht. Wichtige Gründe können nicht Gründe sein, die den Gesellschaftern bei der Bestellung des Geschäftsführers schon bekannt waren. Die Kenntnis eines Mit-Gesellschafters über einen kündigungsrelevanten Sachverhalt reicht dazu allerdings nicht aus. Die Abberufung des Geschäftsführers alleine ist kein wichtiger Grund, der eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages rechtfertigt.
Neuer BMF-Erlass: GmbH-Sanierungen bleiben kompliziert
Nach Aussetzen des sog. Sanierungserlasses (vgl. Nr. 12/2017) hat das Bundesfinanzministerium reagiert und neue Vorschriften für die steuerliche Erfassung von (fiktiven) Gewinnen vorgelegt, die bei einer Sanierung entstehen – z. B. aus einem Schuldenerlass. Grundsätzlich bleiben damit Sanierungsgewinne auf der Ebene des Unternehmens weiterhin steuerfrei. Kommt es allerdings bei den Gesellschaftern (Organschaft, Konzerne) zu Sanierungsgewinnen, sind diese nicht steuerbegünstigt.
Im Gesetzentwurf wird klargestellt, dass Sanierungsfälle bzw. ein Schuldenerlass vor dem 8.2.2017 (das ist der Tag der Veröffentlichung des BFH-Beschlusses vom 28.11.2016, GrS 1/15) nachträglich nicht mehr beanstandet werden. Für diese Fälle besteht damit Rechtssicherheit. Für Übergangsfälle (ab 8.2.2017) bis zum Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Vorschriften gibt es eine Übergangsvorschrift bzw. gewähren die Finanzbehörden Vertrauensschutz, wonach die Finanzämter nach Ermessen entscheiden, wie Sanierungsgewinne behandelt werden. Die neuen Vorschriften werden erst in Kraft treten, sobald die EU-Kommission entschieden hat, dass es sich bei der Neuregelung zur steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen nicht um eine schädliche und damit unzulässige Beihilfe im Sinne des AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU) handelt.
Weiterführend: Beschlussfassung in der GmbH
GF/Marketing: Wie Konzerne ihre Kunden analysieren
Nicht nur im Personal-Management auch im strategischen Marketing bzw. im Buhlen um Kunden muss der Ressort verantwortliche Geschäftsführer neue digitale Methoden und Verfahren zur Kenntnis nehmen und auf Praxistauglichkeit prüfen. Zuletzt machte der Discounter REAL mit einer Gesichtserkennungs‑Software Schlagzeilen. Welchen praktischen Nutzen hat ein solches digitales Erkennungs-Verfahren? Die mit der Marketing-Analyse beauftragte Augsburger Agentur Echion (www.echion.de) erfasst die Blickkontakte der Kunden auf Werbefilme, die auf Monitoren im Bereich der Kassen abgespielt werden. Erfasst werden Alter, Geschlecht und Dauer des Blickkontaktes. Ziel ist es, die Reichweite der dort ausgestrahlten Werbeclips zu erhöhen. Das Projekt ist datenschutzrechtlich umstritten. Bisher ist aber weder eine Beschwerde der Verbraucherschützer eingegangen noch sind juristische Schritte eingeleitet.
GmbH-Krise: Geschäftschancen wahrnehmen – ein Muss
Der vom Gericht mit der Abwicklung der GmbH-Insolvenz eingesetzte Verwalter darf Geschäftschancen, die sich ihm im Zusammenhang mit der Insolvenz/Sanierung ergeben nicht zu seinem persönlichen Vorteil nutzen (BGH, Urteil vom 16.3.2017, IX ZR 253/15).
GmbH-Finanzen: Kleinere Anschaffungen müssen warten
Bei kleineren Investitionen/Anschaffungen im Wert zwischen 250 und 800 € liegen Sie steuerlich günstiger, wenn Sie bzw. ihre Mitarbeiter noch bis 2018 abwarten. Ab 1.1.2018 können Sie diese Kosten sofort in voller Höhe als Betriebsausgaben bzw. bei beruflich veranlassten Anschaffungen (notebook, tablet) als Werbungskosten absetzen (Bundesrat, Beschlussfassung vom 2.6.2017).
Eine informative Lektüre wünscht
Lothar Volkelt
Herausgeber + Chefredakteur Geschäftsführer-Fachinformationsdienst