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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 30/2015

Volkelt-NLStra­te­gie: Ler­nen von den Start­ups + Wirt­schaft 4.0: Wie steht es um Ihr Geschäfts­mo­dell? + GmbH-Finan­zen: Schul­den-Kri­sen beschleu­ni­gen Ende des Bar­gelds + Orga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den: Wie fit sind Ihre Mit­ar­bei­ter tat­säch­lich? + Steu­er­be­ra­ter: Beschei­ni­gung zun Min­dest­lohn + Steu­er: Fei­er­tags- und Nacht­zu­schlä­ge für den Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer + Mit­ar­bei­ter: Qua­li­fi­zie­rung geht nicht mehr auf Ihre Kos­ten +  BISS

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Frei­burg 24. Juli 2015

Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,

ob Wirt­schaft 4.0 (Sei­te unten), bar­geld­lo­ser Zah­lungs­ver­kehr (vgl. unten) oder digi­ta­le Steu­er­erhe­bung: Wenn Sie als Unter­neh­mer erfolg­reich blei­ben wol­len, müs­sen Sie die Zukunft viel schnel­ler anti­zi­pie­ren als noch vor weni­gen Jah­ren. Gro­ße Fir­men lösen die­ses Dilem­ma, indem Sie ein Start­Up mit der Ideen­fin­dung beauf­tra­gen und – Erfolg vor­aus­ge­setzt – sich dann am Unter­neh­men betei­li­gen. Für klei­ne­re Fir­men ist das zu auf­wen­dig. Aber auch Sie kön­nen davon pro­fi­tie­ren. Zum Bei­spiel, indem Sie sich regel­mä­ßig über die vie­len guten Ideen der Start­Ups in Ihrer Bran­che infor­mie­ren. Da lohnt es auf jeden Fall ziel­ge­nau zu goo­geln, z. B. unter „Start­up“ plus „Bran­che“.

An Uni­ver­si­tä­ten gibt es für Start­ups Grün­dungs­be­ra­tun­gen. Die­se erge­ben sich aus For­schungs­pro­jek­ten, mit sehr pra­xis­na­hen Fra­ge­stel­lun­gen und Lösungs­an­sät­zen. Infor­mie­ren Sie sich, wel­che Uni sich schwer­punkt­mä­ßig mit Ihren The­men befasst und neh­men Sie Kon­takt auf. Die Uni-Ansprech­part­ner sind in aller Regel sehr bemüht um neue Kon­tak­te und Fra­ge­stel­lun­gen aus der Wirt­schaft. Die­se Chan­ce kön­nen Sie auch für Ihr Unter­neh­men nutzen.

Wirtschaft 4.0: Wie steht es um Ihr Geschäftsmodell?

Ob 3D-Dru­cker, die Musik­bran­che, Uber-Taxis oder Online-Lohn­ab­rech­nung: Die Digi­ta­li­sie­rung ist über­all und wirkt auf alle Geschäfts­mo­del­le. Wie gut ist Ihr Unter­neh­men in Sachen Digi­ta­li­sie­rung? Die Zah­len offen­ba­ren Handlungsbedarf:

  • Bran­che: Wäh­rend in der Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wirt­schaft 71 % der Betrie­be gut oder sehr gut vor­be­rei­tet sind, zeigt sich im Bau (16 %), Gast­ge­wer­be (18 %) und dem Han­del (20 %) ein deut­lich schlech­te­res Bild. Die Indus­trie bewegt sich mit 26 % leicht unter dem Durch­schnitt, etwas bes­ser sieht es in der Finanz­wirt­schaft aus (33 %).
  • Unter­neh­mens­grö­ße: Groß­un­ter­neh­men (ab 1.000 Mit­ar­bei­ter) sehen sich zu 34 % gut auf­ge­stellt, die gro­ßen Mit­tel­ständ­ler (500 bis 1.000 Mit­ar­bei­ter) sogar noch etwas bes­ser (37 %). Der „tra­di­tio­nel­le“ Mit­tel­stand (bis 500 Mit­ar­bei­ter) hat Nach­hol­be­darf (26 %).

Stu­die: Digi­ta­li­sie­rung im Mit­tel­stand (Deloit­te)

Ent­schei­den­der Fak­tor ist die „Kun­den­ori­en­tie­rung“. Micha­el Rasch (PWC) for­mu­liert es so: „Der moder­ne Ver­brau­cher ist immer mobil, ver­netzt und hat jeder­zeit voll­stän­di­ge Trans­pa­renz. Er legt Wert auf Ser­vice und Qua­li­tät. Die Pro­duk­te wer­den durch mobi­le Ser­vices und das Inter­net ergänzt“. Die­se wer­den umge­setzt mit Online-Mar­ke­ting, vira­lem Mar­ke­ting und punkt­ge­nau­em Echt­zeit-Tar­ge­ting. Bei­spie­le: Der Roll­kof­fer, der zugleich Scoo­ter ist. Bier mit Kara­mell-Aro­ma. Fens­ter, die Licht-Atmos­­phä­re schaf­fen. Woh­nen im sty­li­schen Öko-Ei. Der sich selbst repa­rie­ren­de Rei­fen. Ihre Phan­ta­sie ist gefor­dert. Markt­be­ob­ach­tung und Bench­mar­king sind ein Muss.

GmbH-Finanzen: Schulden-Krisen beschleunigen Ende des Bargelds

Bei ALDI stellt man sich auf die Zeit nach dem Bar­geld ein: Man wird den Ein­kaufs­wa­gen ohne STOP durchs Kas­sen­por­tal schie­ben. Pro­duk­te wer­den per Chip erfasst. Das Han­dy wird per Erken­nungs-Soft­ware iden­ti­fi­ziert und das Kon­to belas­tet. Viel­käu­fer erhal­ten auto­ma­tisch Skon­ti, Rabatt-Gut­schrif­ten oder das pas­sen­de „Dan­ke­schön-Geschenk“ per DHL direkt ins Haus. 1:0 für ALDI. 2014 wur­den in Deutsch­land 53 % des Kon­sum-Trans­ak­ti­ons­vo­lu­mens mit Bar­geld begli­chen. In den USA sind es nur 10 %. Schwe­den plant die bar­geld­lo­se Wirt­schaft bis 2030. Unter­des­sen sind auch die Behör­den und Ban­ken hell­hö­ri­ger gewor­den. Die Argu­men­te auf der Haben­sei­te wer­den schlag­kräf­ti­ger und lauter:

  • Mani­pu­la­ti­ons­si­che­re Kas­sen­sys­te­me (vgl. Nr. 28/2015) sind in der bar­geld­lo­sen Wirt­schaft (schon wie­der) über­flüs­sig. Das kom­plet­te Trans­ak­ti­ons­vo­lu­men ist transparent.
  • Die Kos­ten für die Hard­ware (= Bar­geld) ent­fal­len, z. B. The­ma Wech­sel­geld, Trans­port, Dieb­stahl usw.
  • Der Staat kann schnel­ler und unmit­tel­ba­rer in den Wirt­schafts­kreis­lauf ein­grei­fen (effek­ti­ve­re Beein­flus­sung der Mit­tel­ver­wen­dung, Steue­rung des Aus­ga­ben­ver­hal­tens mit (Straf-) Gebühren).
  • Ver­mö­gens­ab­ga­ben (Steu­ern) könn­ten nicht mehr durch Bar­geld­ab­zug unter­lau­fen werden.
  • Das (Geld-) Ver­mö­gen kann den Ban­ken und damit dem Wirt­schafts­kreis­lauf nicht mehr ent­zo­gen wer­den. Das Finanz­sys­tem ist damit wesent­lich weni­ger krisenanfällig.

Nicht zuletzt die Grie­chen­land-Kri­se und die Dis­kus­si­on um die Wie­der­ein­füh­rung der Drach­me haben fri­schen Wind in die Dis­kus­sio­nen und Spe­ku­la­tio­nen um die Abschaf­fung des Bar­gel­des gebracht. In futu­ris­ti­schen Sze­na­ri­en wird bereits dar­über dis­ku­tiert, ob in Grie­chen­land statt der Drach­me nicht gleich der bar­geld­lo­se Wirt­schafts­kreis­lauf ein­ge­führt wer­den kann und man auf die­se Wei­se z. B. das Abga­ben­pro­blem mit einem Schlag und ohne jahr­zehn­te­lan­ge Über­gangs­we­hen lösen könn­te. Grie­chen­land wäre damit Vor­rei­ter einer bar­geld­lo­sen Wirt­schaft und könn­te sich damit einen ech­ten Wett­be­werbs­vor­teil bei der Ein­füh­rung bar­geld­lo­ser Sys­te­me verschaffen.

Die Zeit des Bar­gel­des läuft ab. Und zwar schnel­ler als das vie­le wahr­ha­ben wol­len. Jun­ge Men­schen haben ohne­hin kei­nen „Geld­beu­tel“ mehr. Auch in der Wirt­schaft erkennt man zuneh­mend, dass bar­geld­lo­se Zah­lung ein rie­si­ges Spar­po­ten­zi­al bringt und enor­me Mar­ke­ting-Chan­cen bie­tet. Für die meis­ten Unter­neh­men ent­fällt auch eine Men­ge Büro­kra­tie (Kas­sen­buch, Geld­be­vor­ra­tung usw.). Auf der Kehr­sei­te der Medail­le steht die Kon­trol­le. Am bes­ten über­le­gen Sie sich jetzt schon, wie Sie Omas Bar­geld unterm Kopf­kis­sen in den Wirt­schafts­kreis­lauf zurückbringen.

Organisationsverschulden: Wie fit sind Ihre Mitarbeiter tatsächlich? 

Ob es um einen Unfall geht, beschä­dig­te Ware oder ver­pass­te Lie­fer­ter­mi­ne: Wenn etwa schief läuft, wird ein Schul­di­ger gesucht. Lässt sich der nicht fin­den, wird der Geschäfts­füh­rer in die Haf­tung genom­men. Orga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den heißt das juris­ti­sche Zau­ber­wort. In nicht weni­gen Fäl­len – das bele­gen zahl­rei­che Urtei­le dazu – gelingt es tat­säch­lich, den Geschäfts­füh­rer auch per­sön­lich in die Haf­tung zu neh­men. Was ist ein Organisationsverschulden?

Die Rechts­la­ge: Bei einem Orga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den wird die Hand­lung einer Hilfs­kraft der über­ge­ord­ne­ten Stel­le zuge­rech­net. Im Arbeits­le­ben bedeu­tet das, dass die Hand­lung eines Ange­stell­ten dem Arbeit­ge­ber zuge­ord­net wird. Das kann so weit gehen, dass der Geschäfts­füh­rer für eine Hand­lung des Arbeit­ge­bers ein­ste­hen muss. Und zwar dann, wenn der es vor­sätz­lich oder fahr­läs­sig unter­las­sen hat, dafür zu sor­gen, dass der Arbeit­neh­mer sei­ne Tätig­keit ord­nungs­ge­mäß aus­üben kann. Dazu gehö­ren zum Beispiel:

  • Der Geschäfts­füh­rer ist ver­pflich­tet für die Ein­ar­bei­tung und Anlei­tung der Hilfs­kraft – sprich des Arbeit­neh­mers – zu sor­gen (gemäß § 831 BGB).
  • Dazu gehört auch die Kon­trol­le des Arbeit­neh­mers, ob die­ser über­haupt in der Lage ist, die ihm über­tra­ge­ne Auf­ga­be zu erfüllen.
  • Dazu gehört auch, sich ein Bild über die per­sön­li­che Eig­nung und Vor­aus­set­zun­gen des Arbeit­neh­mers zur Erfül­lung einer Auf­ga­be zu sichern und zu kon­trol­lie­ren (z. B. bei einer Krankheitsvertretung).
Zu Orga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den kann es in allen Betrie­ben und Bran­chen kom­men. Ob Hand­werks-GmbH, Trans­port-Unter­neh­men, pro­du­zie­ren­de oder Dienst­leis­tungs-Unter­neh­men, deren Zulie­fe­rung Scha­den bewir­ken kann – also nicht nur in den sog. gefah­ren­ge­neig­ten Bran­chen wie Umwelt, Che­mie usw.. Als Geschäfts­füh­rer müs­sen Sie dafür sor­gen, dass die Mit­ar­bei­ter ihre Auf­ga­ben qua­li­fi­ziert und feh­ler­frei aus­üben. In kom­ple­xe­ren Orga­ni­sa­tio­nen haben Sie dafür zu sor­gen, dass die­se Grund­sät­ze in den ein­zel­nen Hier­ar­chie­stu­fen bekannt sind und ent­spre­chend ein­ge­hal­ten wer­den (Ein­wei­sung, Kon­trol­le). Wich­tig ist die lücken­lo­se schrift­li­che Doku­men­ta­ti­on. Dazu gehört: Ablauf­vor­ga­ben für Auf­ga­ben und Tätig­kei­ten, Sicher­heits­vor­ga­ben, Hin­wei­se auf die Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on und die Sicher­heits­vor­schrif­ten in Ein­stel­lungs­ge­sprä­chen und in den Arbeits­ver­trä­gen der Mit­ar­bei­ter, Ver­pflich­tung der Abtei­lungs- und Projekt­leitungen zur Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on und zur Doku­men­ta­ti­on der Ein­wei­sung und der (regel­mä­ßi­gen ggf. stich­pro­ben­ar­ti­gen) Kontrolle.

 Steuerberater: Bescheinigung zum Mindestlohn

Laut Bun­des­steu­er­be­ra­ter­kam­mer sind Steu­er­be­ra­ter befugt, Beschei­ni­gun­gen dar­über aus­zu­stel­len, dass das betref­fen­de Unter­neh­men den Min­dest­lohn ein­hält (BSBK, Mit­tei­lung vom 9.7.2015).

Ob ein sol­ches Papier in der Pra­xis hält, was es ver­spricht, ist offen. Den­noch: Setzt Ihre GmbH Arbeit­neh­mer in Fir­men z. B. als Sub­un­ter­neh­men ein, kann eine sol­che halb­amt­li­che Beschei­ni­gung im Aus­schrei­bungs­ver­fah­ren nicht schaden.

Steuer: Feiertags- und Nachtzuschläge für den Gesellschafter-Geschäftsführer

Ist es nach dem Geschäfts­mo­dell der GmbH erfor­der­lich, dass der Geschäfts­füh­rer regel­mä­ßig nachts und auch an Fei­er­ta­gen tätig sein muss, ist er den­noch nicht berech­tigt, die steu­er­li­che Son­der­re­ge­lung für Fei­er­tag- und Nacht­zu­schlä­ge zu bean­spru­chen. Begrün­dung: Die­se Zusatz­be­las­tun­gen wer­den in der Regel bereits bei der Bestim­mung der Gehalts­hö­he des Geschäfts­füh­rers berück­sich­tigt (FG Müns­ter, Urteil vom 14.4.2015, 1 K 3431/13 E).

Die GmbH bezog Han­dels­wa­re auf Fern­ost. Des­we­gen war es aus betriebs­or­ga­ni­sa­to­ri­schen Grün­den not­wen­dig, dass der Geschäfts­füh­rer regel­mä­ßig nachts und an Fei­er­ta­gen tätig war. Das Finanz­ge­richt mach­te das aber nicht mit. Steu­er­freie Zuschlä­ge für den Geschäfts­frü­her sind nur aus­nahms­wei­se mög­lich – z. B. wenn der Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer als Chef­koch selbst nachts in der Küche steht.

Mitarbeiter: Qualifizierung geht nicht mehr auf Ihre Kosten

Kün­digt ein Mit­ar­bei­ter, obwohl Sie ihm laut Ver­trag ein Dua­les Stu­di­um bei Lohn­fort­zah­lung finan­zie­ren, muss er nicht nur die Aus­bil­dungs­kos­ten son­dern auch einen Teil des Loh­nes zurück­zah­len. Vor­aus­set­zung: Sie haben das so ver­trag­lich ver­ein­bart. Eine sol­che Klau­sel ist wirk­sam (ArbG Gie­ßen, Urteil vom 3.2.2015, 9 Ca 180/14).

Rück­zah­lungs­klau­seln sind üblich und benach­tei­li­gen den Arbeit­neh­mer nicht unan­ge­mes­sen. Pro­blem: Der Mit­ar­bei­ter hat­te den ihm ange­bo­te­nen Arbeits­ver­trag abge­lehnt, weil er in einer ande­ren Bran­che als QM-Spe­zia­list mehr ver­die­nen kann. Gegen die­sen Fall soll­ten Sie sich unbe­dingt absi­chern, wenn Sie Ihre Mit­ar­bei­ter fördern.

 

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chefredakteur

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