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Volkelt-Brief 27/2014

The­men heu­te:  Min­dest­lohn: In der Pra­xis ist Vie­les völ­lig unge­klärt + Vor­sicht: Neu­es BGH-Urteil zur Geschäfts­füh­rer-Gehalts­er­hö­hung Leih­ar­beit: Geschäfts­füh­rer haf­tet nicht für Sozi­al­bei­trä­ge + Risi­ko-Mini­mie­rung: Der Jus­ti­ti­ar in der Geschäfts­füh­rung + Tele­fon­kos­ten: Auf­schlä­ge für Roa­ming sin­ken bis zu 55% + Ver­trags­recht: Kün­di­gung des Steu­er­be­ra­ter-Ver­tra­ges + GmbH-Finan­zen: Bar­geld im Tre­sor – es gilt das Klein­ge­druck­te + Geschäfts­füh­rer pri­vat: Zuzah­lun­gen zu den Krank­heits­kos­ten + BISS

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Nr. 27/2014

Frei­burg, 4.7.2014

Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,

der Min­dest­lohn (Link: FAQ zum Min­dest­lohn) ist erklär­ter Wil­le der Poli­tik. Aber die Aus­füh­rungs­be­stim­mun­gen, die von den Unter­neh­men – auch von klei­ne­ren Betrie­ben – umge­setzt wer­den müs­sen, müs­sen prak­ti­ka­bel sein. Das ist nicht zuviel ver­langt. Der vor­lie­gen­de Gesetz­ent­wurf hält das nicht. Aus Sicht der Unter­neh­men nicht hin­nehm­bar ist:

  • dass Unter­neh­men auch dann bestraft wer­den kön­nen, wenn zwi­schen­ge­schal­te­te Leih­fir­men oder Sub­un­ter­neh­mer gegen die Min­dest­lohn-Vor­schrif­ten ver­sto­ßen ( „weder posi­ti­ve Kennt­nis noch grob fahr­läs­si­ge Unkennt­nis“),
  • nicht geklärt ist, wie Son­der­zah­lun­gen oder leis­tungs­be­zo­ge­ne Ver­gü­tun­gen in den Min­dest­lohn ein­be­zo­gen werden,
  • nicht geklärt ist, wie Sach­leis­tun­gen (z. B. Woh­nungs­über­las­sun­gen, Fir­men­ein­kauf, Fir­men­wa­gen) gewer­tet werden.
In Sachen Min­dest­lohn ist das letz­te Wort noch nicht gespro­chen. Unter­des­sen hat die Bun­des­rechts­an­walts­kam­mer recht­li­che Beden­ken gegen den vor­ge­leg­ten Gesetz­ent­wurf vor­ge­tra­gen. Die oben genann­ten Kom­pen­sa­ti­ons­lö­sun­gen könn­ten hier noch ent­schei­den­des Gewicht bekom­men. Damit könn­te sicher­ge­stellt wer­den, dass es in allen „schwie­ri­gen“ Bran­chen doch noch zu Son­der­lö­sun­gen bzw. Ent­las­tun­gen für die Unter­neh­men kom­men wird. Hin­ter den Kulis­sen gibt es der­zeit aller­dings schon hef­ti­ges Gescha­cher statt. So wird außer den bereits bekann­ten Aus­nah­men zum Min­dest­lohn (jun­ge Arbeit­neh­mer, Lang­zeit­ar­beits­lo­se) mit den Sozi­al­kas­sen über sog. Kom­pen­sa­ti­ons­lö­sun­gen ver­han­delt. Kon­kret: In ein­zel­nen Bran­chen (Land­wirt­schaft, Ver­la­ge) wer­den bei Ein­füh­rung des Min­dest­lohns die Sozi­al­ver­si­che­rungs­ab­ga­ben abgesenkt.

Vorsicht: Neues BGH-Urteil zur Geschäftsführer-Gehaltserhöhung

Wol­len Sie als der Geschäfts­füh­rer Ihr Gehalt erhö­hen, brau­chen Sie dazu einen Beschluss der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung. In der Ein­per­so­nen-GmbH ist das kein Pro­blem. Kom­pli­zier­ter ist es in der GmbH & Co. KG. Dazu hat der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) jetzt ein wich­ti­ges Urteil gefällt (BGH, Urteil vom 15.4.2014, II ZR 44/13).

Pro­blem: Oft schließt der Geschäfts­füh­rer der Kom­ple­men­tär-GmbH den Anstel­lungs­ver­trag nicht mit der GmbH, son­dern mit der KG ab. Fol­ge: Will der Geschäfts­füh­rer sein Gehalt erhö­hen, braucht er dazu die Zustim­mung des oder der Kom­man­di­tis­ten. Liegt die nicht vor, hat das recht­li­che Kon­se­quen­zen: „Ver­ein­bart der Geschäfts­füh­rer einer Kom­ple­men­tär-GmbH, der einen Anstel­lungs­ver­trag mit der Kom­man­dit­ge­sell­schaft abge­schlos­sen hat und nur im Ver­hält­nis zur GmbH von den Beschrän­kun­gen nach § 181 BGB befreit ist, mit sich selbst eine Gehalts­er­hö­hung ohne vor­he­ri­ges Ein­ver­ständ­nis der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung der GmbH, ist die Ver­trags­än­de­rung nach § 181 BGB schwe­bend unwirksam“.

Gehalts­er­höh­nun­gen soll­ten Sie mit einem Gesell­schaf­ter­be­schluss ver­bind­lich und damit ver­trag­lich unan­greif­bar machen. Dann ist sicher­ge­stellt, dass Sie – im Zer­würf­nis mit den Mit-Gesell­schaf­tern – nicht nach­träg­lich über Jah­re hin­weg sämt­li­che Gehalts­er­hö­hun­gen zurück­zah­len müs­sen. Aus­nah­me: Einer oder meh­re­re Gesell­schaf­ter wuss­ten von der Gehalts­er­hö­hung und haben die­se still­schwei­gend mitgetragen.

Das Urteil betrifft nicht nur den Geschäfts­füh­rer in der Kom­ple­men­är-GmbH. Das gilt für alle Geschäfts­füh­rer einer GmbH mit meh­re­ren oder vie­len Gesell­schaf­tern. Für die Gehalts­er­hö­hung ist grund­sätz­lich die Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung zustän­dig und die­se ist nur mit einem wirk­sa­men Beschluss feh­ler­frei und rechts­si­cher. Als Geschäfts­füh­rer einer Kom­ple­men­tär-GmbH soll­ten Sie zusätz­lich prü­fen, wer Ver­trags­part­ner ist. Ist das die Kom­man­dit­ge­sell­schaft, müs­sen alle Gesell­schaf­ter der KG (auch die GmbH als Kom­ple­men­tär) den Gehalts­er­hö­hungs-Beschluss fas­sen. In der Regel mit ein­fa­cher Mehr­heit. Es sei denn, im KG-Gesell­schafts­ver­trag ist eine ande­re Mehr­heit vorgeschrieben.

Leiharbeit: Geschäftsführer haftet nicht für Sozialbeiträge

Nach der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zur Tarif(un-)fähigkeit der Christ­li­chen Gewerk­schaf­ten (CGZP) von Leih­ar­beits-Unter­neh­men haben vie­le der betrof­fe­nen 200.000 Leih­ar­bei­ter Lohn­nach­for­de­run­gen für die Jah­re 2006 bis 2010 gestellt und zum Teil durch­ge­setzt. Auch die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung (DR) hat ent­spre­chen­de Nach­for­de­run­gen (vgl. Nr 1/2011). Sie for­dert zusätz­li­che Sozi­al­bei­trä­ge von den betrof­fe­nen Unter­neh­men ein.

Ach­tung: Ist oder war die GmbH nicht in der Lage, die­se Nach­for­de­run­gen zu zah­len, hält sich die DR an den Geschäfts­füh­rer – und zwar per­sön­lich. Danach soll der Geschäfts­füh­rer die­se Bei­trä­ge aus sei­nem pri­va­ten Ver­mö­gen nach­zah­len. Als Geschäfts­füh­rer einer der ins­ge­samt 1.500 Leih­ar­beits­fir­men kön­nen Sie aber erst ein­mal auf­at­men. Das Land­ge­richt Bochum hat jetzt klar­ge­stellt: „Der Geschäfts­füh­rer eines Zeit­ar­beits­un­ter­neh­mens haf­tet nicht per­sön­lich auf Scha­dens­er­satz, wenn das Unter­neh­men über die Tarif­un­fä­hig­keit der CGZP nicht selb­stän­dig höhe­re Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge rück­wir­kend nach­ge­mel­det und abge­führt hat“ (Land­ge­richt Bochum, Urteil vom 28.5.2014, I‑4 O 39/14).

Trotz­dem müs­sen betrof­fe­ne Geschäfts­füh­rer vor­sich­tig sein und die dazu noch offe­ne Recht­spre­chung im Auge behal­ten. Laut LG Bochum ist für die Haf­tungs­fra­ge ent­schei­dend, wie der Geschäfts­füh­rer mit dem Bescheid der Sozi­al­ver­si­che­rung (hier: Kran­ken­kas­se) für den zurück­lie­gen­den Zeit­raum umgeht. Wich­tig ist, dass er umge­hend Wider­spruch ein­legt und ggf. gegen den Bescheid Kla­ge ein­reicht. Wenn das Sozi­al­ge­richt ein Urteil fällt, ist der Geschäfts­füh­rer dann aller­dings dar­an gebun­den. Ggf. muss die GmbH dann nach­zah­len. Unter­lässt der Geschäfts­füh­rer dann die Zah­lung, wird es straf­recht­lich rele­vant. Dann haf­tet der Geschäfts­füh­rer per­sön­lich. Ent­schei­dend wird aber die abschlie­ßen­de Recht­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts in dem kon­kre­ten Fall sein.

Risiko-Minimierung: Der Justitiar in der Geschäftsführung

9 der 50 größ­ten US-Fir­men wer­den inzwi­schen von Juris­ten geführt. Vor­teil: Der Jus­ti­ti­ar mit Res­sort­ver­ant­wor­tung über­nimmt alle Haf­tungs­ri­si­ken – ver­gleich­bar dem kauf­män­ni­schen Geschäfts­füh­rer, der für Rech­nungs­we­sen und Steu­ern ver­ant­wort­lich zeich­net. Die übri­gen Res­sort-Geschäfts­­­füh­rer genü­gen Ihrer Pflicht, wenn sie sich regel­mä­ßig infor­mie­ren las­sen. Das eige­ne Haf­tungs­ri­si­ko ist weg­de­le­giert – wenigs­tens zum größ­ten Teil. Für die mit­tel­stän­di­sche GmbH taugt das aller­dings nur bedingt. Hier geht Nichts ohne den unter­neh­me­ri­schen Geschäfts­füh­rer. Er muss die Bran­che ken­nen, Geschäfts­fel­der nach vor­ne aus­rich­ten und „in Pro­duk­ten“ denken.

Recht­lich kom­pli­zier­te Ent­schei­dungs-Sach­ver­hal­te müs­sen grund­sätz­lich vor­her juris­tisch geprüft wer­den (Bau­vor­ha­ben, Kün­di­gun­gen, Geneh­mi­gun­gen usw.). Immer belieb­ter ist fol­gen­des Modell: Sol­len alle juris­ti­sche Rah­men­be­din­gun­gen grund­sätz­lich über­ar­bei­tet wer­den (z. B. ein­mal im Jahr die AGB, alle Ver­trags­mus­ter, Betriebs­ver­ein­ba­rung, Geschäfts­ord­nung usw.) wird für eine befris­te­te Zeit (3 Mona­te) ein Rechts­an­walt als Jus­ti­ti­ar ein­ge­stellt. Das ist in der Regel deut­lich güns­ti­ger als die Ein­schal­tung einer exter­nen Kanzlei.

Telefonkosten: Aufschläge für Roaming sinken bis zu 55%

Für das Her­un­ter­la­den von Daten bzw. das Sur­fen gilt seit 1.7. eine neue Preis­ober­gren­ze von 20 Cent pro MB. Das ent­spricht einer Preis­sen­kung um 55%. Die Preis­ober­gren­ze für den SMS-Ver­sand sinkt um 25 % auf 6 Cent. Abge­hen­de Anru­fe dür­fen nur noch mit höchs­tens 19 Cent pro Minu­te berech­net wer­den, für ein­ge­hen­de Anru­fe maxi­mal 5 Cent pro Minute.

Aus­drück­lich auf­pas­sen müs­sen Sie in der Schweiz und in der Tür­kei. Hier gel­ten wei­ter­hin die ver­trag­li­chen Bedin­gun­gen und AGBs der Mobil­funk­an­bie­ter. Außer­halb Euro­pas – etwa in den Urlaubs­län­dern in Nord­afri­ka, in Asi­en oder Ame­ri­ka – haben die Gebüh­ren­be­schrän­kun­gen kei­ner­lei Wir­kung. Bei Rei­sen in die­se Län­der soll­ten Sie also die ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen ken­nen bzw. die auto­ma­ti­schen Mit­tei­lun­gen beim Grenz­über­tritt beachten.

Vertragsrecht: Kündigung des Steuerberater-Vertrages

Kün­digt Ihre GmbH den Ver­trag mit dem Steu­er­be­ra­ter, der für ein jähr­li­ches Pau­schal-Hono­rar für die GmbH tätig wird, dann darf der Steu­er­be­ra­ter nur das antei­li­ge Hono­rar ver­lan­gen. Kün­di­gen Sie z. B. wegen Schlecht­leis­tung frist­los, dann ent­steht ein Hono­rar­an­spruch nur antei­lig bis zum Kün­di­gungs­ter­min (BGH, Urteil vom 22.5.2014, IX ZR 147/12).

Die Steu­er­be­ra­ter-Kanz­lei betreu­te eine Unter­neh­mens­grup­pe. Dabei kam es immer wie­der zur Fest­set­zung von Ord­nungs­gel­der und Straf­zin­sen wegen zu spät ein­ge­reich­ter Steuer­unterlagen. Dar­auf­hin kün­dig­ten die Auf­trag­ge­ber das Man­dat frist­los. Das gilt aber nicht nur bei einer ech­ten Pau­schal­ver­ein­ba­rung, son­dern auch dann, wenn der Steu­er­be­ra­ter Leis­tun­gen gegen eine monat­li­che Ver­rech­nungs­pau­scha­le erbringt, die erst zum Ablauf des Geschäfts­jah­res detail­liert abge­rech­net werden.

GmbH-Finanzen: Bargeld im Tresor – es gilt das Kleingedruckte

Wer regel­mä­ßig Bar­geld im Betrieb und dort in einem Tre­sor auf­be­wahrt, soll­te die AGB im Ver­si­che­rungs­ver­trag nicht nur genau lesen, son­dern jeder­zeit exakt ein­hal­ten. Zum Bei­spiel dann, wenn durch eine Ein­wurf­schub­la­de – wenn auch mit Mühe – in den Tre­sor gegrif­fen und Geld ent­wen­det wer­den kann. Dann muss die Ver­si­che­rung nicht zah­len (OLG Karls­ru­he, Urteil vom 17.6.2014, 12 U 151/13).

Im Urteils­fall hat­te der Tre­sor-Inha­ber nicht geprüft, ob die Anga­ben im Ver­si­che­rungs­ver­trag (Gewicht, Ein­hal­ten von Abstän­den) mit der prak­ti­schen Vor­rich­tung über­ein­stimm­ten. Danach war es – wenn auch mit etwas Fin­ger­übung – mög­lich, durch den Ein­wurf­schlitz in den Tre­sor zu grei­fen und so Bar­geld zu ent­neh­men. Von der Ver­si­che­rung dür­fen Sie dann jeden­falls ein Ent­ge­gen­kom­men nicht erwarten.

Geschäftsführer privat: Zuzahlungen zu den Krankheitskosten

Der Selbst­be­halt, den Kran­ken­kas­sen im Rah­men der Kran­ken­kas­sen­bei­trä­ge ver­lan­gen, kann nicht bei den Son­der­aus­ga­ben ange­setzt wer­den. Das hat das FG Köln jetzt ent­schie­den (Urteil vom 15.8.2013, 15 K 1858/12). Der Klä­ger hat Revi­si­on ein­ge­legt. Der Bun­des­fi­nanz­hof wird dazu noch abschlie­ßend ent­schei­den (Akten­zei­chen des Ver­fah­rens: VI R 29/14).

Geschäfts­füh­rer, der neben den nor­ma­len Bei­trä­gen zur Kran­ken­kas­se einen Selbst­be­halt an ihren Krank­heits­kos­ten (sog. Zuzah­lun­gen) zah­len muss­ten, soll­ten unter Hin­weis auf das anhän­gi­ge Ver­fah­ren Ein­spruch gegen den Steu­er­be­scheid ein­le­gen. Dar­über hin­aus ist zu prü­fen, ob die­se Aus­ga­ben als Vor­sor­ge­auf­wen­dun­gen steu­er­lich berück­sich­tigt wer­den müs­sen. Über den Aus­gang des Ver­fah­rens hal­ten wir Sie auf dem Laufenden.

Volkelt Lothar Volkelt

Dipl. Volks­wirt, Chef­re­dak­teur + Herausgeber

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