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Volkelt-Brief 23/2013

Volkelt-BriefThe­men heu­te: EU will Mehr­wert­steu­er aus­deh­nen – mit Aus­wir­kun­gen auf Lohn­kos­ten und mit­tel­fris­ti­ge Inves­ti­ti­ons­ent­scheo­idun­gen der Geschäfts­füh­rung + Ihre Vor­ga­be für den Ver­trieb:  Prei­se und Kon­di­tio­nen sind tabu + Wirt­schaft­li­che Kri­se der GmbH: Hand­lungs­fä­hig dank Schutz­schirm  – so geht es + Geschäfts­füh­rer-Gehalt: Das emp­fiehlt der Unter­neh­mens-Kodex + Arbeits­recht: Ein Mit­ar­bei­ter „kün­digt eine Erkran­kung an“ – was tun? + GmbH-Recht: Ansprü­che aus § 51a GmbH-Gesetz sind unpfänd­bar + Arbeits­ver­trag ohne Arbeits­zeit­re­ge­lung – was gilt? + BISS 

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Nr. 23/2013 vom 7.6.2013

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

jetzt wur­de bekannt, dass die EU-Behör­den eine wei­te­re Aus­wei­tung der Mehr­wer­t­­steu­er-Bemes­sungs­­­grund­la­ge prü­fen. Die EU-Kom­mis­si­on will „öffent­li­che Ein­rich­tun­gen“ voll in das Mehr­wert­steu­er-Sys­tem ein­be­zie­hen (z. B. Arzt- oder Kran­ken­haus­leis­tun­gen). Fol­ge: Die Bei­trä­ge für die Renten‑, Kran­ken- und Unfall­ver­si­che­rung wer­den stei­gen. Nach Berech­nun­gen wird sich das in einer Erhö­hung der Sozi­al­ab­ga­ben in Deutsch­land um 3 Pro­zent­punk­te auf 42,45 % aus­wir­ken. Allei­ne für die Zusatz­be­las­tung der Kran­ken­kas­sen haben die Trä­ger einen Anstieg des Bei­tra­ges von 15,5 auf 18,06 % errech­net. Für die Ren­ten­ver­si­che­rung (Reha, KV der Rent­ner) müss­te der Bei­trag laut Hoch­rech­nung von 18,9 auf 19,2 % ange­ho­ben werden.

Für die Pra­xis: Alarm­stu­fe „rot“ ist erfah­rungs­ge­mäß erreicht, wenn die EU-Behör­den „juris­tisch“ argu­men­tie­ren. Hier: Bei der Steu­er­frei­heit der öffent­li­chen Leis­tun­gen han­delt es sich um eine unzu­läs­si­ge Wett­be­werbs­ver­zer­rung. Hat der EuGH erst ein­mal ein Urteil in die­se Rich­tung gefällt, ust die Büro­kra­tie gebun­den und die Poli­tik muss das umset­zen. Das dürf­te zwar noch eini­ge Jah­re dau­ern. Sind die Müh­len aber erst ein­mal ange­fah­ren, mah­len sie lang­sam aber ste­tig – bis zur Ein­be­zie­hung öffent­li­cher Leis­tun­gen in die MWSt. Gegen sol­che EU-Vor­ga­ben gibt es (lei­der) kein Gegen­mit­tel. Damit rücken die Lohn­kos­ten im EU-Raum wie­der stär­ker in den Fokus bei mit­tel- und lang­fris­ti­gen Investitions-Entscheidungen.

Ihre Vorgabe für den Vertrieb: Preise und Konditionen sind tabu

Bis vor eini­gen Jah­ren war das The­ma „Kar­tell­ver­ge­hen“ nur etwas für gro­ße Unter­nehmen. Seit der Kron­zeu­gen­re­ge­lung (2002) und der Aus­wei­tung des Straf­tat­be­stan­des auf Ver­triebs­ab­spra­chen (vgl. Nr. 13/2013) steht auch der Mit­tel­stand immer mehr im Fokus der Auf­sichts­be­hör­den. Wir haben dazu in der Vergangen­heit immer wie­der berich­tet und ent­spre­chen­de Vor­sichts­maß­nah­men auf­ge­zeigt (vgl. zuletzt Nr. 18/2013 mit Hin­wei­sen auf die aktu­el­le BGH-Recht­spre­chung zur Zuläs­sig­keit die­ser Ver­fah­ren). Unter­des­sen ist klar: „Das Kar­tell­amt legt die ver­bo­te­nen Ver­hal­tens­wei­sen ziem­lich weit aus“ (so z. B. laut Kanz­lei Arnold & Por­ter). Hier eini­ge Kri­te­ri­en, nach denen Sie prü­fen kön­nen, ob in Ihrer GmbH Hand­lungs­be­darf besteht bzw. ob Sie für die Ver­triebs-Mit­ar­bei­ter neue Hand­lungs­an­wei­sun­gen vor­ge­ge­ben müssen:

  1. Jede Form der kon­kre­ten Preis­ab­spra­che mit Kon­kur­ren­ten oder mit dem Han­del ist unzu­läs­sig. Das gilt für jede Stu­fe der Wertschöpfungskette.
  2. Vor­sicht bei unver­bind­li­chen Preis­emp­feh­lun­gen. Ent­steht der End­ruck, dass Sie damit Druck auf den Han­del aus­üben, liegt ein Miss­brauch vor.
  3. Abspra­chen mit dem Han­del über Packungs­grö­ßen sind dage­gen zuläs­sig (Stich­wort: selek­ti­ve Vertriebssysteme).
  4. Direkt Preis­vor­ga­ben sind auch im E‑Commerce unzulässig.
  5. Vor­sicht bei öffent­li­chen Prei­s­an­kün­di­gun­gen, z. B. von Preis­er­hö­hun­gen über die Pres­se. Und zwar ins­be­son­de­re dann, wenn (grö­ße­re) Mit­be­wer­ber sofort ein­stei­gen und die Prei­se eben­falls anpassen.
  6. Vor­sicht auch beim Infor­ma­ti­ons­aus­tausch der Ver­triebs-Mit­ar­bei­ter z. B. auf Mes­sen oder Bran­chen­tref­fen. Auch wenn Sie das kaum unter­bin­den und kon­trol­lie­ren kön­nen, soll­ten Sie dem Ver­trieb kla­re Vor­ga­ben machen: „Auf Mes­sen und Bran­chen­tref­fen wird grund­sätz­lich nicht über Prei­se und Kon­di­tio­nen gespro­chen“.

2012 ver­häng­ten die Kar­tell­be­hör­den in Deutsch­land Buß­gel­der für unzu­läs­si­ge Preis- und Ver­triebs­ab­spra­chen über 248 (auch genannt: 303 Mio.) EUR. Ten­denz: stei­gend. Einen beträcht­li­cher Anteil davon geht unter­des­sen zu Las­ten mit­tel­stän­di­scher Unter­neh­men wie Süß­wa­ren­her­stel­ler (Rit­ter Sport, Bal­sen), Bier­brau­er (Kölsch-Kar­tell), Kar­tof­fel-Händ­ler, Papier­her­stel­ler. Die Rei­he lässt sich unter­des­sen quer durch alle Bran­chen fortsetzen. 

Für die Pra­xis: Noch immer neh­men vie­le, ins­be­son­de­re mit­tel­stän­di­sche Fir­men das The­ma Preis- und Ver­triebs­ab­spra­chen auf die leich­te Schul­ter. Vor­sicht: Inzwi­schen geht es nur noch dar­um, ob und wie die Kar­tell­be­hör­den Preis- und Ver­triebs­ab­spra­chen bewei­sen kön­nen. Dank Kron­zeu­gen­re­ge­lung (Ach­tung: auch eige­ne Mit­ar­bei­ter kön­nen Ihre Fir­ma anzei­gen) und der Aus­wei­tung des Straf­tat­be­stan­des soll­ten Sie als Geschäfts­füh­rer einer mit­tel­stän­di­schen GmbH prü­fen, wel­che Schwach­stel­len Ihre GmbH hat – etwa anhand der oben dar­ge­stell­ten Kri­te­ri­en oder z. B. mit einem exter­nen Audit durch die IHK-Rechts­exper­ten oder einen auf Kar­tell­recht spe­zia­li­sier­ten Anwalt.

Wirtschaftliche Krise der GmbH: Handlungsfähig dank Schutzschirm – so geht es

Im Fall der zer­strit­te­nen Gesell­schaf­ter der Suhr­kamp GmbH (vgl. zuletzt Nr. 20/2013) hat das Insol­venz­ge­richt jetzt dem Insol­venz­ver­fah­ren in Eigen­ver­wal­tung zuge­stimmt, um so die Hand­lungs­fä­hig­keit des Ver­la­ges im ope­ra­ti­ven Geschäft sicher­zu­stel­len. Dazu wur­de das sog. Schutz­schirm­ver­fah­ren (Insol­venz in Eigen­ver­wal­tung unter Auf­sicht eines Sach­ver­wal­ters) ange­ord­net (§ 270b InsO).

Hin­ter­grund: Die Mehr­heits-Gesell­schaf­­te­rin, die auch die ope­ra­ti­ven Geschäf­te des Ver­la­ges führt, hat­te jah­re­lang aus dem Betriebs­ver­mö­gen zu hohe Mie­te für die Über­las­sung der eige­nen Vil­la über­wie­sen. Fol­ge: Die Min­der­heits-Gesell­schaf­ter klag­te die Zah­lung des zu unrecht aus­ge­zahl­ten Gewinns (8,2 Mio. EUR) ein. Mit der wei­te­ren Fol­ge, dass die Suhr­kamp GmbH kei­ne rea­lis­ti­sche Fort­füh­rungs­pro­gno­se mehr auf­stel­len könn­te und abge­wi­ckelt wer­den müss­te. Im Schutz­schirm­ver­fah­ren kön­nen bestehen­de Aus­schüt­tungs­ver­pflich­tun­gen an die Gesell­schaf­ter sus­pen­diert wer­den. Die GmbH kann in Eigen­ver­wal­tung die Sanie­rung durch­füh­ren. Die Geschäfts­füh­rung muss aber alle Ent­schei­dun­gen mit dem Sach­ver­wal­ter abspre­chen. Ziel des Ver­fah­rens ist es, bereits im Insol­venz­er­öff­nungs­ver­fah­ren die Sanie­rung über einen Insol­venz­plan vorzubereiten.

Für die Pra­xis: Für Sie als GmbH-Geschäfts­füh­rer ist das Schutz­schirm­ver­fah­ren immer dann geeig­net, wenn Sie zwar einen Insol­venz­an­trag stel­len müs­sen (Über­schul­dung, Zah­lungs­un­fä­hig­keit), die Sub­stanz der GmbH aber inso­weit gesi­chert ist, dass eine Fort­füh­rung auf jeden Fall gewähr­leis­tet ist. Dazu müs­sen Sie beim Amts­ge­richt einen Antrag auf Eröff­nung des Schutz­schirm­ver­fah­rens gemäß § 270b InsO stel­len. Vor­aus­set­zung: Eigen­an­trag auf Insol­venz­er­öff­nung, Antrag auf Eigen­ver­wal­tung (Insol­venz­plan) und die Beschei­ni­gung einer qua­li­fi­zier­ten Per­son (StB, WP, RA) zur Durch­füh­rung des Verfahrens.

Geschäftsführer-Gehalt: Das empfiehlt der Unternehmens-Kodex

Der Deut­sche Cor­po­ra­te Gover­nan­ce Codex (Unter­neh­mens-Kodex) gibt die Richt­li­ni­en vor, nach denen die Vor­stän­de und Geschäfts­lei­ter bör­sen­no­tier­ter Unter­neh­men ihr Gehalt ermit­teln und dar­stel­len sol­len. Das ist Anhalts­punkt auch für GmbH-Geschäfts­­­füh­rer, die ihr Gehalt trans­pa­rent machen wol­len und so für zusätz­li­ches Ver­trau­en in ihr Unter­neh­men wer­ben. Die Kodex-Kom­mis­si­on hat jetzt neue Vor­schlä­ge erar­bei­tet, mit denen das (geschwun­de­ne) Ver­trau­en in die Wirt­schaft gestärkt wer­den soll. Sie emp­fiehlt, Gehalts­ober­gren­zen für die fes­ten und die varia­blen Bezü­ge vor­zu­ge­ben. Varia­ble Gehalts­be­stand­tei­le soll­ten eine mehr­jäh­ri­ge Bemes­sungs­grund­la­ge haben (z. B. Gewinn über die letz­ten 4 Jah­re). Die Abfin­dung zu Been­di­gung der Tätig­keit soll­te nicht mehr als das 2‑fache der durch­schnitt­li­chen Jah­res­ver­gü­tung, die Abfin­dung bei vor­zei­ti­ger Ver­trags­be­en­di­gung soll­te nicht mehr als das 1,5‑fache der durch­schnitt­li­chen Jah­res­ver­gü­tung betragen.

Für die Pra­xis: Geschäfts­füh­rer, die ihre Ver­gü­tungs­si­tua­ti­on öffent­lich stel­len wol­len, sind gut bera­ten, sich in Zukunft an die­sen Vor­ga­ben bzw. den dar­ge­stell­ten Höchst­wer­ten zu ori­en­tie­ren. Die aktua­li­sier­ten Leit­li­ni­en gibt es unter > https://corporate-governance-code.de > Kodex > Deut­scher Cor­po­ra­te Gover­nan­ce Kodex.

Arbeitsrecht: Ein Mitarbeiter „kündigt eine Erkrankung an“ – was tun?

Laut LAG Ber­lin-Bran­den­burg kön­nen Sie nur dann frist­los kün­di­gen, wenn kei­ner­lei Anzei­chen für eine bevor­ste­hen­de Erkran­kung erkenn­bar sind. Pro­blem: Wie wol­len Sie das bewei­sen? (LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Urteil vom 15.3.2013, 10 Sa 2427/12).

Für die Pra­xis: Das Gericht ver­langt, dass Sie die Behaup­tung des Arbeit­neh­mers für eine bevor­ste­hen­de Erkran­kung wider­le­gen müs­sen. Wie das gehen soll, lässt das Gericht offen. Dass der Arbeit­neh­mer nach der Ankün­di­gung noch bis zum Fei­er­abend wei­ter gear­bei­tet hat, wider­legt die bevor­ste­hen­de Erkran­kung jeden­falls nicht. Allen­falls kön­nen Sie dann beim Feh­len am nächs­ten Arbeits­tag wegen Fern­blei­ben vom Arbeits­platz ohne Urlaubs­ge­neh­mi­gung abmahnen.

GmbH-Recht: Ansprüche aus § 51a GmbH-Gesetz sind unpfändbar

Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) hat jetzt klar­ge­stellt, dass der Anspruch auf Ertei­lung von Aus­kunft über die Ange­le­gen­hei­ten der GmbH (§ 51a GmbH-Gesetz) nicht pfänd­bar sind (BGH, Urteil vom 29.4.2013, VII ZB 14/12).

Für die Pra­xis: Wird der GmbH-Anteil gepfän­det (was ja mög­lich ist), umfasst das nicht auto­ma­tisch auch alle Gesell­schaf­ter­rech­te. Der geson­der­te Anspruch auf das Aus­kunfts- und Ein­sichts­recht ist nicht pfänd­bar. Im Klar­text: Im Fal­le einer Pfän­dung des GmbH-Anteils eines Gesell­schaf­ters, bleibt des­sen Aus­kunfts- und Ein­sichts­recht in alle Ange­le­gen­hei­ten der GmbH bestehen. 

Arbeitsvertrag ohne Arbeitszeitregelung – was gilt? 

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat jetzt klar­ge­stellt, dass bei feh­len­der Arbeits­zeit­ver­ein­ba­rung die betriebs­üb­li­che Arbeits­zeit als ver­ein­bart gilt (Bun­des­ar­beits­ge­richt, Urteil vom 15.5.2013, 10 AZR 325/12). Das ist wich­tig für einen außer­ta­rif­lich ein­ge­stell­ten Mit­ar­bei­ter, der bestimm­te Auf­ga­ben zu erle­di­gen hat und kei­ner wei­te­ren Zeit­kon­trol­le unter­liegt. Hier kann der Arbeit­ge­ber durch­set­zen, dass der Mit­ar­bei­ter über die betriebs­üb­li­che Arbeits­zeit von 38 Stun­den nach­weis­lich tätig wird.

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Volkelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Volkelt-Brief

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