Eine überwältigende Mehrheit der Schweizer hat sich für die Abzocker-Initiative des mittelständischen Unternehmers Thomas Minder entscheiden. Die Medien haben dazu ausführlich berichtet. Als Wahl entscheidend werteten viele Analysten den mit 72 Mio. Schweizer Franken vergoldeten Abgang des Novartis-Verwaltungspräsidenten Daniel Vasella. Sogar der Schweizer Unternehmerverband Economiesuisse sieht das so. Doch ganz so einfach ist es nicht. So viel lässt sich aber vorhersagen: Das Abstimmungsergebnis zeigt Auswirkungen auf Deutschland und die EU. Die Parteien sind aufgeschreckt. Die Medien machen Meinung. Die EU-Behörden und Institutionen melden sich mit neuen Gesetzesvorstößen zu Wort. Ist das nur Wahlkampfgetöse? Worauf müssen Sie sich als (Gesellschafter-) Geschäftsführer einer kleineren, einer mittelgroßen oder einer großen deutschen Kapitalgesellschaft in den nächsten Monaten und Jahren (kurz- und mittelfristig) einstellen?
- Börsennotierte (größere) Aktiengesellschaften: Mehr Mitsprache und Kontrolle
- Kleinere und kleine Aktiengesellschaften: Schluss mit der Komfort-Zone
- Größere GmbHs: Zurück zu höheren Festbezügen
Unterdessen liegen Vorschläge zu den Gehalts-Beschränkungen vor: …
- Die Begrenzung von Erfolgsbeteiligungen (Boni, Tantiemen) nicht nur für die Banken, sondern für alle börsennotierten Kapitalgesellschaften (Vorschlag der EU-Kommission und des EU-Parlaments);
- Erweiterte Mitwirkungsrechte der Aktionäre bei der Festsetzung der Vorstandsvergütung (FDP, CDU/CSU);
- Die Begrenzung der Bezüge durch Höchstgrenzen beim Betriebsausgabenabzug (SPD, Grüne, Nur für Boni: Steibrück).
Diese Maßnahmen stellen in erster Linie auf börsennotierte Kapitalgesellschaften ab. Das sind in Deutschland rund 750 Unternehmen. Davon haben lediglich 120 einen Börsenwert von mehr als 100 Mio. EUR. Die Mehrzahl gehört demnach zu den mittelgroßen Kapitalgesellschaften. Das bedeutet für die Frage der Vorstandsgehälter: Hier werden die in der Öffentlichkeit diskutierten und angemahnten Millionenzahlungen bei weitem nicht oder nur in Ausnahmefällen erreicht. Dennoch: Nicht nur die (Bundestagswahl-gehetzten) Politiker drängen hier auf eine Überprüfung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Auch die Finanzbehörden werden im Eigeninteresse prüfen, inwieweit sie das öffentliche Interesse am Thema für zusätzliche Steuereinnahmen nutzen können. Nach unseren Einschätzungen werden alle Kapitalgesellschaften die Auswirkungen der öffentlichen Debatten zu spüren bekommen. Im Einzelnen müssen Sie sich auf folgende Änderungen bzw. verschärfte Prüfungsszenarien einstellen.
Börsennotierte (größere) Aktiengesellschaften: Mehr Mitsprache und Kontrolle
Gehalts-Obergrenzen werden nicht kommen. Allenfalls eine Deckelung beim Betriebsausgabenabzug nach einem Regierungswechsel. SPD und Grüne haben sich bereits auf eine Obergrenze von 500.000 EUR festgelegt. Folge: Wird darüber hinaus mehr gezahlt, kostet das überproportional viel Steuern. Beispiel: Für jede 1.000 EUR Vorstands-Gehalt zahlt die AG/GmbH neben der ESt (45 %) des Vorstandes/Geschäftsführers zusätzlich rd. 300 EUR Gewinnsteuern. Dabei ist fraglich, ob dass tatsächlich Gehaltssenkungen bewirkt. Sicher ist dagegen, dass die AG (auch die GmbH) dafür mehr Steuern zahlen muss. Unwahrscheinlich ist ein Abfindungsverbot. Dazu müsste neue Regelungen im Vertragsrecht geschaffen werden (Abfindungsanspruch bei der arbeitgeberbedingten Auflösung eines Dienstverhältnisses). Ob das möglich ist, bleibt abzuwarten und dürfte erst nach jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen abschließend geklärt sein. Mehr Mitsprache bei der Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung wird wohl die Hauptversammlung erhalten. Ihre Zuständigkeit beschränkt sich nicht mehr auf die Zustimmung zu einem Vergütungssystem. Abzusehen ist, dass die Gehälter einzeln offen gelegt und genehmigt werden müssen. Einschnitte sind dabei weiniger bei den laufenden Bezügen sondern bevorzugt bei den Zusatzleistungen (Boni, Pensionsansprüche nach der 75%-Regel, Aktienoptionen) zu erwarten.
Fazit: Eine stärkere Kontrolle der AG-Organe durch die Eigentümer (Hauptversammlung) ist breiter Konsens in Politik, Wissenschaft und selbst in einigen Wirtschaftsverbänden. Wir sind gespannt, welche Wirkung auf die Höhe der Vorstands-Gehälter davon ausgeht.
Kleinere und kleine Aktiengesellschaften: Schluss mit der Komfort-Zone
Die Gehälter der Geschäftsführer von GmbHs werden in der Praxis regelmäßig von den Finanzbehörden auf sog. steuerliche Angemessenheit geprüft. D. h. diese dürfen nicht höher sein als Gehälter, wie sie in vergleichbaren Unternehmen gezahlt werden. Dieser Maßstab gilt im Prinzip auch für Aktiengesellschaften. In der Praxis muss man aber – bislang jedenfalls noch – von einer Ungleichbehandlung ausgehen. Die Fakten:
- Die von den Finanzgerichten zur Frage der angemessenen Gehaltshöhe entschiedenen Urteile beziehen sich u. W. ausnahmslos auf den GmbH-Geschäftsführer.
- Den Finanzbehörden liegen nach eigener Aussage keine Vergleichszahlen für AG-Vorstände vor, nach denen sie die Angemessenheit beurteilen können (vgl. BMF-Schreiben vom 14.10.2002, BStBl. I 2002).
Auch u. W. gibt und gab es bisher keine bis wenige Beanstandungen und auch keine gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Frage der steuerlichen Angemessenheit von AG-Vorstands-Gehältern. Dennoch betonen die Finanzbehörden, so z. B. die OFD Karlsruhe auf unsere Anfrage, zur Sache: „Die für Gesellschafter-Geschäftsführer von GmbHs ermittelten Gehalts-Vergleichswerte gelten analog auch für Vorstände von Aktiengesellschaften. Eine unterschiedliche Behandlung findet nicht statt“. Die moralischen Rüge der Schweizer Wähler in Sachen Geschäftsleiter-Gehälter dürfte den Finanzbehörden und speziell den sachbearbeitenden Prüfern Anlass sein, sich das Gehalts-Gebaren in nicht börsennotierten und kleinen Aktiengesellschaften genauer unter die Lupe zu nehmen und ggf. einige Musterverfahren durchzusetzen. Als Unternehmer, der einen mittelständischen Unternehmensverbund leitet, bedeutet das für Sie: Gibt es im Unternehmensverbund neben einer AG GmbHs und Tochter-Gesellschaften, müssen Sie davon ausgehen, dass Gehalt für den AG-Vorstand bei der nächsten Betriebsprüfung immer dann besonders gründlich auf steuerliche Angemessenheit geprüft wird, wenn
- sich die AG-Anteile nicht im sog. Streubesitz befinden, sondern nur von Ihnen als alleinigem Aktionär (Einpersonen-AG) oder nur von wenigen Familien-Mitgliedern gehalten werden,
- wenn Sie neben der Vorstands-Tätigkeit auch Bezüge für eine zusätzliche Geschäftsführer-Tätigkeit in einer Tochter-GmbH erhalten (Doppelbezüge) oder
- wenn Sie einen unüblichen hohen Anteil der Vergütung als Bonifikation (Tantieme) erhalten. So praktizierten die Finanzbehörden bis 2003 die sog. 25 % Regel, nach der die variable Bezug höchstens 25 % der Gesamtvergütung ausmachen durften (bis zum BFH-Urteil vom 4.6.2003, I R 24/02, I R 80/01). Vorsicht: Auch hier könnten die Finanzbehörden in Zukunft wieder den Hebel ansetzen und die Höhe der Erfolgsbeteiligung monieren.
Fazit: Die Schonzeit für mittelständische und kleine nicht-börsennotierte Aktiengesellschaften dürfte vorbei sein. Gehen Sie davon aus, dass die Finanzbehörden das Thema verdeckte Gewinnausschüttung und steuerliche Angemessenheit des Vorstands-Gehalts ab sofort verstärkt auf die Agenda setzen werden. Prüfen Sie zusammen mit dem Steuerberater, ob Handlungsbedarf besteht. Orientieren Sie sich an den Vergleichszahlen der einschlägigen Gehaltsstudien anhand der Kriterien Branche, Umsatz, Arbeitnehmeranzahl, Ertragssituation.
Größere GmbHs: Zurück zu höheren Festbezügen
Das Geschäftsführer-Gehalts ist regelmäßig Gegenstand jeder GmbH-Steuerprüfung. Bei kleineren und kleinen GmbHs orientieren sich die Finanzbehörden an den aus ihren eigenen Daten ermittelten Vergleichszahlen der sog. Karlsruher-Tabellen. Gibt es hier Abweichungen, unterstellt das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung. Problem: Die Vergleichszahlen können nur Annäherungswerte sein. Dementsprechend legen viele betroffene GmbHs Einspruch gegen den nach oben korrigierten Steuerbescheid ein. Wir berichten an dieser Stelle regelmäßig über solche Verfahren. Allerdings enden die Karlsruher-Tabellen bei Umsatzgrößen von 50 Mio. EUR. Aus gutem Grund: Je größer das Unternehmen ist, umso spezifischer sind die Bedingungen. Eine „objektive“ Vergleichbarkeit mit einem Dritten Unternehmen ist kaum noch möglich. Auch den Finanzbehörden gelingt es kaum noch, einen entsprechenden, juristisch schlüssigen Nachweis im gerichtlichen Verfahren zu erbringen. Folge: Die Klagen von betroffenen GmbHs haben gute bis beste Erfolgsaussichten.
Fazit: Wir gehen davon aus, dass die Steuerprüfer das gestiegene öffentliche Interesse an hohen Geschäftsführer-Gehältern dazu nutzen werden, speziell größere GmbHs unter die Lupe zu nehmen. Vorsicht: Wird ein großer Teil der Vergütung erfolgsbezogen gewährt, kann das bei guter Ertragslage schnell dazu führen, dass das Gesamtgehalt im Drittvergleich unangemessen hoch wird. Prüfen Sie zusammen mit dem Steuerberater, ob Sie wieder zurück auf eine höhere Festvergütung umsteigen, um einer verdeckten Gewinnausschüttung vorzubeugen. Kritisch wird es, wenn der Betriebsausgabenabzug für das Geschäftsführer-Gehalt nach einem Regierungswechsel auf 500.000 EUR begrenzt wird. Dann kostet das gleiche Gehalt wie bisher Einiges mehr an Steuern.