NEU Achtung: D&O zahlt nicht für Fehlentscheide in der GmbH-Krise + Geschäftsführer-Risiko: Entscheiden unter Plausibilitäten – nur „mbH” + Digitales: Die neuen Cluster – stimmt der Gegenstand Ihrer GmbH noch? + DRV-Betriebsprüfung aktuell: GmbHs ohne Mitarbeiter im Visier + Mitarbeiter gesucht: Fischen in fremden Gewässern + Arbeitsrecht: Leiter der Betriebsstätte darf Betriebsrat werden + Wirtschaftspolitik: Zukunft des Solidaritätszuschlags im Finanzausschuss + BGH: Untreue-Urteil gegen den Geschäftsführer der EBE GmbH bestätigt + Bürokratie: Neues Gesetz wird Whistleblower schützen
BISS … die Wirtschaft-Satire
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Freiburg, 3. August 2018
Sehr Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
ACHTUNG: ein ausgesprochen wichtiges Urteil für alle Geschäftsführer, die sich über ihren Arbeitgeber „GmbH” mit einer D&O – Versicherung (Directors and Officers Insurence) gegen ihre persönlichen Haftungsrisiken aus dem Job versichert haben, kommt soeben vom Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Dort heißt es: „Der Haftungsanspruch gemäß § 64 GmbH-Gesetz ist mit dem versicherten Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Vermögensschadens nicht vergleichbar. Es handele sich vielmehr um einen Ersatzanspruch eigener Art, der allein dem Interesse der Gläubigergesamtheit eines insolventen Unternehmens dient” (OLG Düsseldorf, Urteil v. 20.7.2018, 1–4/93/16).
Im Klartext: Veranlassen Sie als Geschäftsführer Zahlungen der GmbH nach Ablauf der 3‑Wochen-Frist – solange haben Sie Zeit, nach Vorliegen der Insolvenzkriterien(Illiquidität, drohende Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung) beim Insolvenzgericht einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen – haften Sie persönlich gegenüber der GmbH (§ 64 GmbH-Gesetz). Die D&O – Vermögensschaden-Versicherung deckt dieses Risiko grundsätzlich nicht ab. Gehen Sie davon aus, dass Versicherer diese Rechtslage sofort anwenden. Nur wenn dieser Vorgang (Verstoß gegen § 64 GmbHG) ausdrücklich in der Police aufgeführt ist, muss der Versicherer den Schaden übernehmen.
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GF-Risiko: Entscheiden unter Plausibilitäten – nur „mbH”
„Ich habe gelernt, mit Plausibilitäten zu leben”. So die Antwort des EnBW-Chefs Frank Mastiuax auf die Frage nach seinen wichtigsten Erkenntnissen aus seiner Tätigkeit als verantwortlicher Unternehmensleiter. Gemeint ist damit die Einsicht, dass es für eine Person allein schier unmöglich ist, alle Details und Vorab-Informationen einer Entscheidung ausreichend zu fundieren. Zunehmend wichtig ist es, über das Erfahrungswissen zu verfügen, das für eine erste intuitive Einschätzung eines Sachverhalts ausreicht. Klingt kompliziert, ist aber auch für die vielen Geschäftsführern kleinerer GmbHs keine Unbekannte. Wer hat schon die Zeit, den Jahresabschluss der GmbH im Detail zu beherrschen oder wer kann schon die vom Steuerberater erstellten Steuererklärungen oder der GmbH „lesen”? Hier müssen die Kollegen ihren Beratern vertrauen. Noch schwieriger wird es, wenn Sie z. B. eine Firma zukaufen, sich an einem StartUp beteiligen wollen oder für einen neuen Großkunden tätig werden sollen. Neben guter Vorbereitung und der Auseinandersetzung mit Zahlen und Informationen, zählen hier Erfahrungswissen und eben „Plausibilitäten”.
Die Rechtslage: Laut Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein „muss sich der Geschäftsführer die notwendigen steuerrechtlichen und handelsrechtlichen Kenntnisse verschaffen, um das Amt auszuführen“. Ganz konkret muss er in der Lage dazu sein, die GmbH-Jahresbilanz einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen (OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 11.2.2010, 5 U 60/09). Es genügt nicht zu seiner Haftungsfreistellung, wenn er z. B. den Jahresabschluss (z. B. beim Erwerb einer GmbH oder bei Vorlage des Jahresabschusses zur Feststellung durch die Gesellschafter) vom Steuerberater erstellen lässt und sich darauf beruft, dass dieser den Jahresabschluss von Berufs wegen korrekt anzufertigen habe. Der Geschäftsführer muss selbst beurteilen können, ob der Jahresabschluss in seinen Rahmenaussagen korrekt ist und dem tatsächlichen Geschäftsverlauf entspricht. Die Rechtsprechung hat ganz praktische und weit reichende Folgen, z. B. bei der Beurteilung einer Fortsetzungsprognose in der wirtschaftlichen Krise der GmbH. Nach Auffassung des Gerichts, muss der Geschäftsführer auch den Ansatz der Bilanzierungswerte im Zusammenhang mit einer Fortsetzungsprognose korrekt beurteilen können, z. B., ob Forderungen vom Steuerberater korrekt aktiviert wurden (hier: Forderungen gegen nicht nach-schusspflichtige stille Gesellschafter).
In einem anderen Fall hat der Bundesfinanzhof (BFH) zur Plausibilität in Sachen Steuer entschieden .Danach muss der Geschäftsführer „die vom Steuerberater erstellten Steuererklärungen auf Richtigkeit prüfen“. Unterlässt er das, muss er Steuerrückstände einer zwischenzeitlich liquidierten GmbH aus der eigenen Tasche zahlen (BFH, Urteil v. 28.8.2008, VII B 240/07). Im entschiedenen Fall hatte der Geschäftsführer übersehen, dass ein größerer Betrag (250.000 €) als umsatzsteuerfreie Ausfuhrlieferungen aufgeführt war. Dem Geschäftsführer – so das Gericht – hätte das auffallen müssen.
Aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten heraus noch schwieriger zu beurteilen sind die oben genannten Beispiele: Unternehmenszukauf, Abschluss von Lieferverträgen, Tätig werden auf neuen Geschäftsfeldern usw. Schließlich sind Sie es dann, der den Gesellschaftern entsprechende Geschäfte vorschlägt und im Ernstfall auch den Kopf dafür hinhalten muss. Sie sind also gut beraten, sich hier nicht nur auf eine Information, eine Meinung oder einen Gutachter zu berufen. In komplexen Fällen sind Sie immer besser beraten, wenn Sie sich eine Zweit-Meinung bzw. ein Zweit-Gutachten einholen – auch wenn damit Mehrkosten verbunden sind. Das gilt z. B. unbedingt, bei Anfragen nach StartUp-Beteiligungen. Hier wird z. T. schon bei vermeintlich etablierten Invests (Outfittery, HalloFresh) mit selbst erfundenen Kennzahlen jongliert, denen man durchaus schon betrügerischen Vorsatz unterstellen darf. Solchen Konstrukten ist dann mit Plausibilitäten nicht mehr beizukommen – hier ist gesundes Misstrauen angebracht.
Digitales: die neuen Cluster – passt der „Gegenstand der GmbH“ noch?
Die klassischen Sektoren-Cluster funktionieren nicht mehr. Händler sind zugleich Finanzierer. Handwerker sind Energie- und Fördermittelberater. Versicherungsunternehmen sind Berater für die Altersvorsorge. Lebensmittel-Lieferanten sind Gesundheitsberater. Der Steuerberater wird zum Finanz‑, Unternehmens- und Verbraucherberater. Für die Unternehmensleiter mit traditionellem Branchenverständnis bedeutet das: Es gilt, sich über den Branchenrand hinaus zu informieren und diesen ständig zu erweitern und zu prüfen, welche neuen Geschäftsfelder passen, wie die Personalentwicklung dazu aussehen muss und welche digitalen Innovationen realisiert sind. Das Cluster der neuen Geschäftsfelder verdeutlicht diese Übersicht:
- Smart home (alle Themen um das Wohnen)
- Smart City (alle Themen um das Gemeinwesen)
- Smart Familiy (alle Themen um Familie und Privates)
- Health (alle Themen um die Gesundheit)
- FinTec (alle Themen um Geld)
- Mobility (alle Themen um die Mobilität)
- Food (alle Themen um die Ernährung)
- Energy (alle Themen um die Energieverorgung)
- Industrie 4.0 (alle Themen rund um die Produktion)
- Marketing/Social Media (alle Themen rund um die Werbung)
Wichtig: Aus haftungs- und auch aus steuerlichen Gründen sollte der offizielle „Gegenstand der GmbH” laut Gesellschaftsvertrag den tatsächlichen geschäftlichen Aktivitäten entsprechen.
DRV-Betriebsprüfung aktuell: GmbHs ohne Mitarbeiter im Visier
Um festzustellen, ob der GmbH-Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig ist, hat die Deutsche Rentenversicherung (DRV) – im Rahmen der Betriebsprüfungen zur Abführung der Sozialbeiträge der Mitarbeiter bzw. zu den Mini-Jobs – bei den kleineren GmbHs auch gleich die Beteiligungsverhältnisse an der GmbH geprüft. Häufiges Ergebnis: Gesellschafter-Geschäftsführer, die nicht zu 50 % + x (beherrschend) an der GmbH beteiligt waren, wurden dann konsequent nachveranlagt. Eine teure Angelegenheit. Die betroffenen Geschäftsführer mussten dann Sozialbeiträge für die zurückliegenden 4 Jahre nachzahlen – bis zu 14.500 EUR für jedes Jahr (Beitragsbemessungsgrenze West: = 6.500 x (Beitragssatz) 18,6 % x 12).
Jetzt – so der Sozialversicherungs-Experte RA Thomas Muschiol – haben die Prüfer der DRV Verstöße gegen § 2 SGB VI im Visier. Konkret: Arbeitet nur der Gesellschafter-Geschäftsführer für die GmbH, unterstellt die DRV diesem „Scheinselbstständigkeit”. Begründung: Er ist nur für einen Auftraggeber (für seine GmbH) tätig. Entscheidend: Die GmbH hat neben dem Gesellschafter-Geschäftsführer keine weiteren Mitarbeiter (vgl. dazu auch Nr. 18/2017). Auch hier drohen dann die oben genannten saftigen Beitragsnachzahlungen.
Was tun? Aus dem Schneider sind Sie, wenn Sie neben Ihrer Tätigkeit für die GmbH zusätzliche Jobs z. B. als freiberuflicher Berater ausüben. Das sollten Sie in den Abrechnungen mit den Kunden so eindeutig ausweisen. Eine andere Möglichkeit – so unser Experte – besteht darin, wenn Sie in der GmbH mindestens einen sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter beschäftigen – wobei auch 2 Mini-Jobber als beitragsbefreiend anerkannt werden.
Mitarbeiter gesucht: Fischen in fremden Gewässern
Die Abwerbung auch einer Vielzahl von Mitarbeitern eines Mitbewerbers ist nur dann unlauter, wenn sich die Abwerbung nicht mehr als Versuch der Gewinnung neuer Mitarbeiter auf dem Arbeitskräftemarkt darstellt, sondern nach den Gesamtumständen auf die gezielte Behinderung des Mitbewerbers gerichtet ist. Ein Anhaltspunkt dafür kann sein, dass „putschartig” ganze Geschäftsbereiche einschließlich der damit verbundenen Kunden abgeworben werden. Dagegen reicht es für den Schluss auf die Behinderungsabsicht allein nicht aus, dass die Abwerbung die Wettbewerbsposition des Mitbewerbers erheblich beeinträchtigt (OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 15.5.2018, 6 W 39/18).
Arbeitsrecht: Leiter der Betriebsstätte darf Betriebsrat werden
Der Leiter einer Betriebsstätte (hier: Filialleiter in der Systemgastronomie „Nordsee”) ist nicht zwingend leitender Angestellter. Folge: Er kann in seiner Eigenschaft als Filialleiter zum Betriebsrat gewählt werden und so tätig werden. Im Urteilsfall war der Leiter der Betriebsstätte laut schriftlichem Anstellungsvertrag nicht befugt, den Mitarbeitern gegenüber Arbeitgeberentscheidungen (Abmahnung, Kündigung, Einstellung) zu treffen. Nach der Wahl erhielt der Filialleiter eine Stellenbeschreibung, wonach er Mitarbeiter einzustellen und kündigen durfte. Dazu das Gericht: Entscheidend ist der Anstellungsvertrag (Arbeitsgericht Neumünster, Urteil v. 27.6.2018, 3 BV 3a/18).
Wirtschaftspolitik: Zukunft des Solidaritätszuschlags im Finanzausschuss
Die von der GroKo geplante schrittweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags ab 2021 wurde jetzt im Finanzausschuss beraten. Bis auf wenige Gegenstimmen bestätigen die Experten die Notwendigkeit und Zulässigkeit der geplanten Regelung. Allerdings lässt die konkrete Umsetzung auf sich warten. Derzeit gibt es keinen Zeitplan, wann die GroKo einen entsprechenden Gesetzentwurf ins Gesetzgebungsverfahren einbringen wird.
BGH Untreue-Urteil gegen den Geschäftsführer der EBE GmbH bestätigt
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die 3‑jährige Haftstrafe wegen Untreue gegen den Geschäftsführer der Entsorgungsbetriebe Essen (EBE GmbH) bestätigt. Im Einzelnen ging es um diese Verfehlungen: Der Geschäftsführer hatte einen Zahlungsanspruch gegen die Firma eines befreundeten Unternehmers unter Verwendung von Scheinrechnungen ausbuchen lassen. Er hatte Mitarbeiter dafür abgestellt hatte, den Bürgermeister der Stadt Essen unentgeltlich zu chauffieren. Dem ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden des Unternehmens hatte er Arbeitsentgelt in unberechtigter Höhe gezahlt. Aus Gefälligkeit gegenüber einem externen Computerspezialisten hatte er die Vergütungspauschale eines längerfristig geschlossenen Beratervertrags nachträglich um mehr als 50 % erhöht. Gesamtschaden für die kommunale GmbH: 650.000 EUR (BGH, Urteil v. 20.6.2018, 4 StR 561/17).
Bürokratie: Neues Gesetz wird Whistleblower schützen
Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf „zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen” vorgelegt. Nicht rechtswidrig ist danach die Offenlegung und Nutzung von Geschäftsgeheimnissen, wenn die Handlung der Ausübung der Meinungs- und Informationsfreiheit oder der Aufdeckung von Fehlverhalten und rechtswidrigen Handlungen dient (Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/943).
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