Steuer- und Beitrags-Delikte: Gute Chancen hinter verschlossenen Türen + Ärgerlich: Wie sich die Kartellbehörden die Märkte zurechtlegen + CMS: Die wichtigsten Compliance-Vorgaben für die Personalabteilung/HR (V) + Flexible Arbeitsmodelle: Home-Office hat eine Versicherungslücke + Firmenrecht: Vorname + Hinweis = Unternehmenskennzeichnung + Steuer: EuGH prüft Pflichtangaben für die USt + Personal: Mehr Geld für Mitarbeiter-Qualifikation + BISS …
Der Volkelt-Brief 30/2016 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg 22. Juli 2016
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
ob Werkvertrag, Mindestlohn, Sozialbeiträge oder KSV-pflichtige Leistungen: Als Geschäftsführer tragen Sie das Risiko für Fehleinschätzungen bei der Durchführung von Arbeitsverhältnissen. In der Praxis bringt das Nachzahlungen und Zinsen oder die Staatsanwaltschaft wird sogar tätig und leitet ein (Straf-) Verfahren ein. Und das schon bei geringen Vergehen. So verurteilte das LG Freiburg jüngst einen Geschäftsführer, der mehrfach falsche Angaben über Arbeitszeiten machte, Sozialbeiträge nicht abführte und unter Mindestlohn zahlte, zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahre und 6 Monaten (Aktenzeichen: 10 NS 410 JS 4578/11, „Teilschwarzlohnabrede“). In Relation zu manchem Urteil mit weit kriminellerer Energie eine Art Höchststrafe mit vermutetem Abschreckungspotential.
Dass es aber auch anders geht, belegen in jüngster Zeit bekannt gewordene Fälle. Ob im Steuerverfahren gegen Alice Schwarzer oder um einen Fall von Sozialbeitragsnachzahlung wegen Scheinselbständigkeit in Höhe von 3 Mio. Euro ebenfalls entschieden vom LG Freiburg: In diesem und immer mehr anderen Fällen werden die Verfahren mit einem Strafbefehl beendet. Vorteil für die beteiligten Parteien: die Finanz- oder Sozialkassen erhalten die ihnen zustehenden Gelder inkl. Zinsen, das Gericht erspart sich einen aufwendigen Prozess und der beschuldigte Geschäftsführer muss sich nicht der Öffentlichkeit stellen. Das Verfahren wird hinter verschlossenen Türen im Einverständnis geregelt.
Ärgerlich: Wie sich die Kartellbehörden die Märkte zurechtlegen
Jüngster Kartellfall: Die vermeintlichen Preisabsprachen um Stahlpreise in der Automobilindustrie – das Verfahren ist eingeleitet. Allerdings regt sich auch immer mehr Widerstand und Kritik am Kartellverfahren. In vielen Verfahren verlassen sich die Behörden auf die umstrittene Kronzeugenregelung (Jargon: „Bonusregelung“), wonach Whistleblower und anzeigende Konkurrenzbetriebe die „Beweise“ liefern und dafür straffrei ausgehen.
Immer mehr Kritik kommt aber auch an der praxisfremden Herangehensweise der Behörden. So sind Absprachen zwischen Zulieferbetrieben in der Automobil-Industrie genauso üblich, wie Branchengespräche über Preise und Konditionen. Mehr noch: Solche Gespräche sind vielfach sogar notwendig, um mittel- und langfristige Planungs- und Investitionssicherheit der Beteiligten an einer Wertschöpfungskette zu gewährleisten. So ist es kein Geheimnis, dass sich die Verarbeiter und Zulieferer der Automobil-Industrie auf eine Standardmarge von 8,5 % verständigt haben, um die Gewinne und Investitionen ihrer Zulieferer zu sichern und so ihre eigene Lieferbereitschaft sicherzustellen. Florian Hoffmann, Leiter des European Trust Instituts, hält das gesamte Verfahren für „realitätsfremd“. Das ist ein Frontalangriff auf die wettbewerbstheoretischen Grundlagen, mit denen die Kartellbehörden ihr Handeln legitimieren.
CMS: Wichtige Compliance-Vorgaben für die Personalabteilung
Neben den allgemeinen Vorgaben (vgl. Nr. 28/2016 ff.) für alle Mitarbeiter des Unternehmens, ist es empfehlenswert, besondere Leitlinien für die einzelnen betrieblichen Bereiche vorzugeben. Verweisen Sie auf die speziellen gesetzlichen Vorschriften, die dort im Arbeitsprozess beachtet werden müssen. Das betrifft auch die Bereiche Personal/Personalentwicklung/HR. Da es hier um die Vertragsgestaltung und um die sensible Schnittstelle „Mensch“ geht, ist es wichtig, keine Angriffsflächen zu bieten. In der Praxis des kleineren Unternehmens genügen 4 Regelungspunkte:
- Sorgfaltspflicht bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben: Das ist der Hinweis aus steuerliche Pflichten (AO), sonstige Abgabenpflichten (SGB, GUV und andere Umlagen), Melde- und Dokumentationspflichten (z. B. MiLoG).
- Einhalten von arbeitsrechtlichen Vorschriften: Das betrifft die Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz (Betriebsverfassungsgesetz, Arbeitszeitgesetz, Kündigungsschutz usw.), Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und sonstige Vorgaben für die Personalarbeit (Tarif- und Betriebsvereinbarungen usw.).
- Vertraulichkeit, Verschwiegenheit und Datenschutz: Weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass alle Informationen, die sie bei Ihrer Tätigkeit über Mitarbeiter erhalten, vertraulich sind, dem Datenschutz unterliegen und Geschäftsgeheimnis sind.
- Aushangpflichtige Gesetze: Weisen Sie die Mitarbeiter dieses Bereiches darauf hin, dass die Aushangpflicht vollständig zu beachten und korrekt umzusetzen ist (z. B. Arbeitssicherheits- und Jugendschutz-Gesetz, Arbeitsstättenverordnung, Bildschirmverordnung usw.).
Arbeitsmodelle: Home-Office hat eine Versicherungslücke
Wenn Sie Mitarbeitern die Möglichkeit für eine Home-Office-Tätigkeit geben, müssen Sie ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) kennen. Danach gilt: Verunglückt ein Arbeitnehmer während der Arbeit in seinem Home-Office (hier: Treppensturz beim Holen eines Getränks), dann ist das kein Arbeitsunfall, für den die gesetzliche Unfallversicherung aufkommen muss (BSG, Urteil vom 5.7.2016, B 2 U 2/15 R).
Im Urteilsfall hatte der Arbeitnehmer im Dachgeschoss der Wohnung einen häuslichen Arbeitsplatz eingerichtet. In der Praxis ist in einem solchen Fall ohnehin davon auszugehen, dass der gesetzliche Unfallversicherungsschutz ohnehin kaum die tatsächlichen Risiken und Schadensfälle abdeckt. Hier ist jetzt Ihre Personalabteilung gefordert – ansonsten besteht überhaupt kein Versicherungsschutz.
Marke: Vorname + Hinweis = Unternehmenskennzeichnung
Firmierung wie Holger´s Objektservice, Stefan´s Käsekuchen oder Johannes Apotheke sind nach einem neuen Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt offizielle Unternehmenskennzeichnungen und als solche geschützt (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.5.2016, 6 U 27/16).
Steuer: EuGH prüft Pflichtangaben für die USt
In zwei Verfahren gegen Kfz-Händler hat der Bundesfinanzhof (BFH) den Europäischen Gerichtshof um Klärung einer offenen Rechtsfrage zum Vorsteuerabzug eingeschaltet. Dabei geht es um die Frage, welche Anforderungen das Finanzamt an die Adresse des Rechnungsausstellers verlangen kann. Konkret: Genügt eine Briefkastenadresse im Inland oder ist es notwendig, dass eine inländische Betriebsstätte existieren muss (BFH, Urteile vom 6.4.2016, V R 25/15 und XI R 20/14).
Personal: Mehr Geld für Mitarbeiter-Qualifikation
Zum Stichtag 1.8.2016 gibt es mehr Geld beim Meister-BAFÖG. Das betrifft z. B. die Fortbildung zum Handwerks- oder Industriemeister, Techniker, Betriebswirt oder staatlich geprüften Erzieher. Die Fördersätze steigen um rund 10 % (Aufstiegsfortbildungsförderungs-Gesetz). Zur Antragstellung > Hier anklicken
Mit besten Grüßen
Lothar Volkelt
Herausgeber + Chefredakteur