Nachfolge: Wie Sie Ihre GmbH „klein” rechnen + Mindestlohn: Haftung für Drittfirmen gestrichen – Entsende-Haftung bleibt + TÜV/Silikon: Was ist eine Zertifizierung noch wert? + Erbschaftsteuer: Keine Rückwirkung – schnelles Handeln kann noch lohnen + GmbH-Finanzen: Im 4. Quartal wird das Geld wieder teurer + Verfahrensrecht: Gewinn-Hinzuschätzungen können Sie gerichtlich prüfen + GmbH-Steuern: Finanzamt darf nicht Manipulieren + BISS …
Der Volkelt-Brief 29/2015 > Download als PDF – lesen im „Print”
Freiburg 17. Juli 2015
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
„Bedürfnisprüfung“ wird zum Zauberwort für die zukünftige Erbschaftsteuer. Im Klartext: Ab einem Firmenvermögen von 26 Mio. EUR prüft der Fiskus, ob das Privatvermögen bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer einbezogen wird. Sind im Gesellschaftsvertrag der GmbH Verfügungsbeschränkungen vereinbart, wird eine solche Bedürfnisprüfung erst ab einem Vermögen von 52 Mio. EUR zur Regel. Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit einem Vermögen zwischen 26 und 52 Mio. EUR sind gefordert: Sie müss(t)en die freie Veräußerlichkeit der GmbH-Anteile einschränken. Etwa in der Form, dass eine Übertragung nur noch an Familienangehörige im Sinne des § 15 Abs. 1 AO möglich ist.
Mindestlohn: Haftung für Drittfirmen gestrichen – Entsende-Haftung bleibt
Allen Beteuerungen zum Trotz hat Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in Sachen Mindestlohn noch eine kleine Kehrtwende hingelegt. Nach heftigen Protesten aus der Wirtschaft hat sie an zwei Stellen nachgebessert. Das sind:
- Erhöhung der Gehaltsgrenze: Erhält der Arbeitnehmer in den letzten 12 Monaten monatlich mehr als 2.000 € brutto (gefordert: 1.900 €), entfällt die Dokumentationspflicht für die Arbeitszeiten.
- Arbeitgeberhaftung bei Beauftragung eines Unternehmens: Der Auftraggeber haftet nicht bzw. nur in ganz wenigen Ausnahmen für die Einhaltung des Mindestlohns (Bürgenhaftung des Auftraggebers gemäß § 13 MiLoG). Weiterhin gelten aber die Vorschriften aus dem Arbeitnehmerentsendegesetz (hier: § 14 AEntG) mit Geltungsbereich für eine ganze Reihe von Branchen. Hier bleibt die Bürgenstellung bzw. die Haftung des Auftraggebers weiter bestehen.
Für Saisonbeschäftigte im gewerblichen Bereich gilt weiterhin die Aufzeichnungspflicht bis zur Einkommensschwelle von 2.958 €. Für Mini- und Midi-Jobber bleibt die Aufzeichnungspflicht in vollem Umfang bestehen. Die entsprechende Verordnung ist allerdings noch nicht veröffentlicht.
TÜV/Silikon: Was ist eine Zertifizierung noch wert?
Nach dem Freispruch des TÜV in Sachen Produkthaftung vor dem französischen Berufungsgericht stellen sich nicht nur viele Verbraucher die grundsätzliche Frage nach der Aussagekraft von Zertifizierungsverfahren (vgl. Nr. 14/2014). Kritik: Man verzichtet auf konkrete Vor-Ort-Kontrollen und Stichproben. Stattdessen setzt man auf die Prüfung von Verfahren und auf Gutachten (Prüfung nach Papierform). Auch viele Unternehmen stehen damit vor der Frage, ob sie sich die aufwendige Zertifizierung überhaupt noch leisten sollen, wenn es keine tatsächlichen Kontrollen gibt und dem Verbraucher kein wirkliches Garantieversprechen gegeben werden kann. Viele kleinere Unternehmen tun sich ohnehin schwer mit den jährlich wiederkehrende Zertifizierungsverfahren und den damit verbundenen (erheblichen) Kosten.
Unabhängig von der Entscheidung der französischen Gerichte steht das Zertifizierungsverfahren auch in Deutschland und in der EU am Scheideweg. Das OLG Zweibrücken hatte zunächst im Fall einer Schadensersatzklage um 40.000 € gegen den TÜV-Rheinland entscheiden: „Es gibt keine Beweise dafür, dass der TÜV seine Prüfpflichten verletzt hat. Die Organisation habe nur das Qualitätssicherungssystem des Herstellers überprüfen müssen, nicht die Beschaffenheit und Qualität der hergestellten Produkte“. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im dagegen eingeleiteten Revisionsverfahren nicht entschieden, sondern diese Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur abschließenden Beurteilung vorgelegt (Beschluss vom 9.4.2015, VII ZR 36/14). Danach wird der EuGH prüfen: Ist es Zweck und Intention der entsprechenden EU-Richtlinie, dass die mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragte benannte Stelle (hier: TÜV Rheinland) bei Medizinprodukten zum Schutz der Patienten tätig wird und deshalb bei schuldhafter Pflichtverletzung den betroffenen Patienten unmittelbar und uneingeschränkt haften kann?
Im Klartext: Der BGH will also wissen, welche Haftung des Zertifizierers gegeben ist – und zwar auch in solchen Fällen, in denen keine konkreten Produktkontrollen vorgenommen werden. Außerdem wird zu prüfen sein, ob eine fehlende Kontrolle als „schuldhafte Pflichtverletzung“ einzustufen ist.
Erbschaftsteuer: Keine Rückwirkung – schnelles Handeln kann noch lohnen
Der Kabinetts-Entwurf zur neuen Erbschaftsteuer-Regelung für Unternehmen bzw. Betriebsvermögen ist beschlossen („Gesetz zur Anpassung des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“). Damit ist das Gesetzgebungsverfahren eröffnet. Derweil eilt es: Das Bundesverfassungsgericht hat eine Neuregelung bis zum 30.6.2016 eingefordert. Interessant: Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf enthält keine Regelung zur Rückwirkung. Im Klartext heißt das: Alle bis zu einer Neuregelung vererbten oder verschenkten Unternehmen und Beteiligungen können noch nach dem derzeit geltenden Recht übertragen werden.
GmbH-Finanzen: Im 4. Quartal wird das Geld wieder teurer
Erste Bau-Finanzierer sehen Anzeichen für eine Zinswende. Auch HSBC-Chef-Volkswirt Stephen King prognostiziert unterdessen die Zinswende in Sichtweite. Die meisten Analysten gehen davon aus, dass die FED den Basiszins (bisher: 0,25 %) noch im Herbst, spätestens aber im Dezember 2015 erhöhen wird. Das wird Auswirkungen auf den EURO haben und die EZB unter Zugzwang setzen. Trend: Zum Jahreswechsel werden auch die Zinsen in Europa wieder anziehen. Geschäftsführer, die für die GmbH-Finanzen zuständig sind, sind gut beraten zu prüfen, wie Sie reagieren und das Anlagevermögen optimal einsetzen bzw. welche Maßnahmen für die Geschäftsführer-Vorsorge hilfreich sind. Grundregeln:
- Tagesgeld/Festgeld: Grundsätzlich nur kurzfristige Engagements eingehen.
- Anleihen: Möglichst schnell abstoßen.
- Immobilien/Grundstücke: Vereinbaren Sie möglichst lange Laufzeiten.
- Lebensversicherungen: Bei langer Restlaufzeit profitieren Sie wieder von steigenden Zinsen
- Aktien/Fonds: Steigende Zinsen bringen tendenziell fallende Kurse.
Verfahrensrecht: Gewinn-Hinzuschätzungen können Sie gerichtlich prüfen
In einem für Unternehmen wichtigen Verfahren hat der BFH entschieden, dass Gewinn-Hinzuschätzungen gerichtlich überprüft werden können. Die Finanzbehörden wollten ihre Hoheit, im Rahmen ihres Ermessens Entscheidungen zu treffen, auf Gewinn-Hinzuschätzungen ausdehnen. Der BFH: Schätzungen sind keine Ermessensentscheidungen und gerichtlich überprüfbar (BFH, Urteil vom 23.4.2015, V R 32/14).
GmbH-Steuern: Finanzamt darf nicht Manipulieren
Moniert das Finanzamt den Kaufpreis einer Grundstücksübertragung anhand der Einschätzung des Bau-Sachverständigen des Finanzamts und klagt die GmbH gegen die daraufhin unterstellte verdeckte Gewinnausschüttung, dann ist das Finanzgericht verpflichtet, einen unabhängigen Gutachter mit der Bewertung des Grundstücks zu beauftragen (BFH, Beschluss vom 7.1.2015, I B 42/13).
Mit besten Grüßen Ihr
Lothar Volkelt
Herausgeber + Chefredakteur