Neue Rechtsprechung: Falle „Arbeitszeiterfassung” + GmbH-Jahresabschluss 2019: Die Corona-Zahlen müssen in den Lagebericht + Geschäftsführer-Perspektive: Mit und ohne … Anzug und Krawatte + Praktisch: Digitale Erfassung der Arbeitszeiten + Digitales: Die Service-Roboter kommen … + Berater: Was tun, wenn der Steuerberater nicht liefert? + Fremd-Geschäftsführer: Missglückte Gestaltung gegen die Pflichtversicherung + Influencer: Fehlender Werbehinweis kostet 15.300 EUR +GF-Haftung: Sozialbeiträge aus dem eigenen Gehalt + Internet: Influencer muss Werbung kenntlich machen
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Der Volkelt-Brief 24/2020 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg, 12. Juni 2020
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
in Home-Office-Zeiten ist es Vertrauenssache, wie und wie lange die Mitarbeiter tatsächlich arbeiten. Die meisten Kollegen haben – allen Unkenrufen zum Trotz – damit durchaus gute Erfahrungen gemacht. In kleineren Unternehmen kennt man seine Pappenheimer. Dass das Thema Arbeitszeiterfassung schwieriger wird, war nach dem EuGH-Urteil vom Mai 2019 ohnehin zu erwarten (vgl. 21/2019). Bisher konnte man allerdings davon ausgehen, dass Umsetzung der EuGH-Vorgaben in deutsches Recht einige Zeit brauchen würde. Bis jetzt. Jetzt gibt es ein erstes Urteil eines deutschen Gerichts dazu, das aufhorchen lässt.
Das Gericht entschied: Die Privat-Aufzeichnungen der erbrachten Arbeitsstunden eines Mitarbeiters sind gerichtstauglicher als die Aufzeichnungen in einem sog. Bautagebuch (Arbeitsgericht Emden, Urteil v. 20.2.2020, 2 Ca 94/119). Die Mindestanforderungen für eine saubere und belastbare Zeiterfassung sind:
1. Es muss eine Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit erfolgen.
2. So, dass die Einhaltung der Mindestruhezeiten überprüfbar ist.
3. Nicht nur die tägliche Arbeitsdauer, sondern auch der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit sind zu erfassen.
4. Die Erfassung der Pausenzeiten empfiehlt sich, ist aber noch nicht zwingend – jedenfalls solange der Gesetzgeber keine andere Vorgabe dazu macht.
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GmbH-JA 2019: Die Corona-Zahlen müssen in den Lagebericht
Als Geschäftsführer/in einer mittelgroßen und großen GmbH sind Sie zuständig und verantwortlich für die Erstellung, Feststellung, Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses und damit auch zur Vorlage eines Lageberichtes (§ 289 HGB). Dabei sind Fristen einzuhalten – so zur Feststellung des Jahresabschlusses 2019 für mittelgroße und große GmbH zum 31.8.2020. Frage im Zusammenhang mit den Corona-Ereignissen: Inwieweit müssen die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die GmbH im Jahresabschluss 2019 berücksichtigt werden? Grundsätzlich gilt: JA – wir haben an dieser Stelle bereits auf die dazu notwendigen Hinweise im Anhang zum Jahresabschluss berichtet (vgl. Nr. 23/2020). Große und mittelgroße GmbH müssen darüber hinaus auch im Lagebericht darauf eingehen.
Während der Anhang die Aufgabe hat, Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung durch zusätzliche Angaben zu erläutern, soll der Lagebericht den Geschäftsverlauf und die Lage der GmbH abbilden. Der Lagebericht muss den Geschäftsverlauf und die Lage der GmbH so darstellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird. Außerdem muss der Lagebericht eingehen auf Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach Schluss des Geschäftsjahres eingetreten sind (sofern vorhanden), und auf die voraussichtliche weitere Entwicklung der GmbH.
Angaben zu Vorgängen von besonderer Bedeutung: Diese Angaben betreffen Vorgänge, die zwischen dem Abschlussstichtag und dem Zeitpunkt der Berichterstattung eingetreten sind. Dabei ist nur auf wesentliche Vorgänge einzugehen, die z. B. für die Beurteilung der Existenz der GmbH und für ihre zukünftigen Erfolgsaussichten erheblich sind, z.B.:
- erhebliche Umsatzeinbußen, z. B. durch Schließungsanordnungen oder durch die Unterbrechung von Lieferketten,
- die Kündigung von wichtigen Verträgen,
- erhebliche Verluste, z. B. aus Insolvenzen von Kunden oder Zugangsverbote zu wichtigen Absatzmärkten
- oder zu erwartende Verluste aus Beteiligungen
Außerdem sollte der Lagebericht alle Maßnahmen auflisten, die die Geschäftsführung Sicherung des Geschäftsbetriebes beschlossen bzw. umgesetzt hat. Dazu gehört der Verweis auf die Inanspruchnahme von Kurzarbeit (Anzahl der betroffenen Abteilungen und Mitarbeiter, beantragte Dauer der Maßnahme, Verlängerungsoptionen und eventuelle Aufstockungszahlungen durch den Arbeitgeber), Hinweise auf vorsorgliche Rückstellungen und Hinweise auf staatliche Unterstützungsleistungen (Bürgschaften, Kredite, direkte Zuschüsse). Umgekehrt gilt: Wer zu den Krisengewinnlern gehört, sollte die (unerwartet) positive Entwicklung und die damit verbundenen neuen Chancen für die zukünftige Entwicklung der GmbH auch so darstellen.
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Geschäftsführer-Perspektive: Mit und ohne … Anzug und Krawatte
Ein angestellter Rechtsanwalt bemühte die Finanzgerichtsbarkeit, um die Frage nach Anzug und Krawatte als Steuer mindernde Aufwendung (Werbungskosten) klären zu lassen. Was ja auch den einen oder anderen Geschäftsführer betrifft, der tagsüber lieber berufstaugliche Kleidung tragen würde, sich aber aufgrund seiner Repräsentationsaufgaben (Bank- und Kundengespräche) bewusst für ein Business-Outfit entscheidet. Für die Steuer-Juristen spielt das keine Rolle. Die Finanzrichter lehnen den Werbungskostenabzug ab. Begründung: „Die gelegentliche private Nutzung kann nicht ausgeschlossen werden“. Anderes gilt nur für den schwarzen Anzug des Bestatters. Schwacher Trost: Wenn Sie in der Produktion einen Schutzhelm tragen, dürfen Sie den bei den Werbungskosten ansetzen. Voraussetzung: Sie haben ihn selbst bezahlt (so z. B. FG Hamburg, Urteil v. 26.3.2014, 6 K 231/12). Mit freundlichen Grüßen.
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Praktisch: Digitale Erfassung der Arbeitszeiten
Betrifft … | Darum geht es … | to do … |
Digitale Arbeitszeiterfassung | Mit dem EuGH-Urteil vom 14.5.2019 (C – 55/18) werden alle Unternehmen verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter vollständig, lückenlos und jederzeit nachvollziehbar aufzuzeichnen. | Musterlösung: Arbeitszeiterfassung |
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Digitales: Die Service-Roboter kommen …
Einige Bereiche haben die elektronischen Helfer schon mit Erfolg erobert. Aus vielen Gärten ist der Service-Roboter beim Rasenmähen nicht mehr wegzudenken. Inhouse hat der elektronische Staubsauger die menschliche Putzkraft abgelöst und sorgt Tag und Nacht dafür, dass keine Ecke mehr zum Staubfänger wird. Branchenexperten gehen aber davon aus, dass das erst der Anfang einer vielversprechenden Entwicklung und das Corona jetzt dafür sorgen wird, dass sich die neuesten technischen Errungenschaften schneller durchsetzen werden.
Zum Beispiel als elektronischer Desinfektions-Roboter im Krankenhaus. Chinesische Krankenhäuser haben bislang bereits 2.000 Desinfektions-Roboter des dänischen Herstellers Blue Ocean Robotics bestellt. Die neuen Wundermaschinen arbeiten mit kurzwelliger UV-C-Strahlung, reduzieren Keime und Viren zu 99%, reinigt in der Stunde ca. 150 qm und kostet knapp unter 100.000 EUR. Man verspricht sich davon mittel- und langfristig einen wichtigen Beitrag zur Virenbekämpfung, so dass Krankenhäuser, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen, große Unternehmen, Hotel- und Restaurantbetriebe, Flughafenbetreiber und Messeveranstalter um eine Anschaffung moderne Hygiene-Technik nicht herumkommen werden. Der Branchenverband IFR rechnet allein beim Umsatz von Medizin-Robotern bis 2022 mit einer Verdoppelung des Umsatzes auf 9,1 Mrd. EUR. Auch deutsche Unternehmen planen im Geschäft mitzumischen. Die Osram Tochter Opto-Semiconducters oder Siemens entwickeln neue Systeme für neue Hygiene-Konzepte. Ganz vorne mischt auch das deutsch-spanische Gemeinschaftsunternehmen InSystems mit – das Key-Account-Management und der Vertrieb sind gerüstet und guter Dinge.
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Berater: Was tun, wenn der Steuerberater nicht liefert?
Ob Lohnsteuer oder Umsatzstatistik: Meist geht Nichts ohne Steuerberater. Was aber, wenn der nicht pünktlich liefert? Z. B., wenn Sie einen neuen Gesellschafter aufnehmen wollen und dafür eine Unternehmensbewertung brauchen. Oder, wenn Sie das Kurzarbeitergeld verlängern wollen und ohne Hilfe des Steuerberaters nicht weiterkommen? Fakt ist, dass Sie dann auf Ihren Berater angewiesen sind. Nur er hat die Unterlagen. Auch wenn Sie einen Externen einschalten, ist der darauf angewiesen, dass der Steuerberater kooperiert. Aber: Die meisten Steuerberater sind keine Bewertungsexperten. Das heißt, der Berater muss sich erst in die Materie einarbeiten und dazu ist im operativen Steuerberater-Geschäft keine Zeit. Und schon haben Sie ein Zeitproblem. Sie müssen die Verhandlung mit Ihrem neuen Geschäftspartner verschieben – taktischer Nachteil für SIE.
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Fremd-Geschäftsführer: Missglückte Gestaltung gegen die Pflichtversicherung
Um die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Pflichtversicherung zu vermeiden, hatte die GmbH mit ihrem – ansonsten sozialversicherungspflichtigen – Fremd-Geschäftsführer im Anstellungsvertrag vereinbart, dass der keinen Weisungen der Gesellschafter unterliegt (und damit sozialversicherungsfrei gestellt werden müsste). Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) lehnte diese Begründung ab und stufte den Geschäftsführer als versicherungspflichtig ein. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg entschied dazu: „Der Geschäftsführer einer GmbH ohne Anteile am Gesellschaftsvermögen ist bei der GmbH auch dann abhängig tätig, wenn in seinem Geschäftsführervertrag jegliche Weisungsunterworfenheit, auch der Gesellschafterversammlung gegenüber, ausgeschlossen wird” (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 19.7.2019, L 10 BA 282/19, rechtskräftig).
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Influencer: Fehlender Werbehinweis kostet 15.300 EUR
Eine Influencerin, die bereits abgemahnt worden war und eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte, wurde jetzt vom Landgericht (LG) Koblenz wegen erneuten, dreimaligen Vergehen (hier: unterlassene Werbehinweise) zur Zahlung von 15.300 EUR verurteilt. Außerdem wurde ihr bei weiteren Verstößen ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR bzw. eine Haftstrafe angedroht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (LG Koblenz, Urteil v. 8.4.2020, 1 HK O 45/17).
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GF-Haftung: Sozialbeiträge aus dem eigenen Gehalt
Die Zahlt der sozialversicherungspflichtige Geschäftsführer (hier: einer UG) keine Beiträge zur Sozialversicherung und ist die GmbH nicht in der Lage, diese Beiträge aus ihrem Vermögen zu zahlen, muss der (Fremd-) Geschäftsführer die Beitragsnachzahlung aus seinem privaten Vermögen leisten. Ob es sich zusätzlich um eine strafrechtliche Handlung (gemäß § 266a StGB) handelt, ist im Einzelfall zu prüfen. Sog. Tatbestandsirrtum dürfte für eine strafrechtliche Verfolgung nicht ausreichen (OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 29.1.2020, 23 U 46/19, nicht rechtskräftig).
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Internet: Influencer muss Werbung kenntlich machen
Nach dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (vgl. Nr. 45/2019) hat jetzt auch das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig den rechtlichen Rahmen für Influencer-Produktplacement enger gezogen. Wird per Link auf den Sozialen Medien (hier: Instagram) auf Produkte eines Herstellers geleitet, muss dies als Werbung gekennzeichnet werden. Das gilt auch dann, wenn Bilder mit Produkten gepostet werden und die Bilder verlinkt sind. Das gilt sogar dann, wenn für das sog. Produkt-Tagging keine Gegenleistung gewährt oder gezahlt wird, sondern lediglich die „Erwartung” für eine Gegenleistung durch die Hersteller-Firmen geweckt wird oder geweckt werden soll (OLG Braunschweig, Urteil v. 13.5.2020, 2 U 78/19).
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Eine informative Lektüre und ein erholsames Wochenende wünscht
Ihr
Lothar Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur Volkelt-Brief