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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 19/2011

BW wird Betriebs­prü­fer auf­sto­cken – mehr Büro­kra­tie für klei­ne­re und mitt­le­re Unter­neh­men + Ter­min­sa­che 31.5.: GF muss GmbH-Antei­le mel­den + Mus­ter­pro­to­koll nur taug­lich für Ein­per­so­nen-GmbH/UG + Fal­sche Kilo­me­ter-Anga­be ist „Steu­er­hin­ter­zie­hung” + Ries­ter-Nach­zah­lun­gen ab sofort mög­lich + „ver­bind­li­che Aus­kunft” kos­tet – bis zu 91.000 € + BISS

The­men heu­teBW wird Betriebs­prü­fer auf­sto­cken – mehr Büro­kra­tie für klei­ne­re und mitt­le­re Unter­neh­men + Ter­min­sa­che 31.5.: GF muss GmbH-Antei­le mel­den + Mus­ter­pro­to­koll nur taug­lich für Ein­per­so­nen-GmbH/UG + Fal­sche Kilo­me­ter-Anga­be ist „Steu­er­hin­ter­zie­hung” + Ries­ter-Nach­zah­lun­gen ab sofort mög­lich + „ver­bind­li­che Aus­kunft” kos­tet – bis zu 91.000 € + BISS

19. KW 2011
Frei­tag, 12.5.2011

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

die Gewerk­schaft der Poli­zei (GdP) und die Lin­ke for­dern schon lan­ge mehr Betriebs­prü­fer. Zwar mit unter­schied­li­cher Inten­si­on: Die Poli­zei­ge­werk­schaft hat es eher auf Schwarz­ar­beit und Geld­wä­sche abge­se­hen. Die Lin­ke sieht dar­in ein pro­ba­tes Mit­tel zur Ver­meh­rung der Staats­ein­nah­men. Jetzt steht die For­de­rung nach mehr Betriebs­prü­fern im grün-roten Koali­ti­ons­ver­trag der neu­en baden-würt­tem­ber­gi­schen Lan­des­re­gie­rung. Mit 100 zusätz­li­chen Steu­er­prü­fern will man rund 500 Mio. zusätz­li­che Steu­ern ein­neh­men. Dabei ist davon aus­zu­ge­hen, dass die­ser Betrag zum größ­ten Teil von den Unter­neh­men des Lan­des bei­getrie­ben wer­den, die nach jet­zi­ger Rechts­la­ge nicht „anschluss­ge­prüft“ wer­den, also über­wie­gend kleins­te, klei­ne und mit­tel­gro­ße Unter­neh­men. Klar ist: Steu­ern müs­sen bezahlt wer­den – auch von den Unter­neh­men. Sor­gen berei­tet aber die unüber­sicht­li­che Rechtslage:

  • So kri­ti­siert der Bun­des­fi­nanz­hof  (BFH) etli­che Steu­er­ge­set­ze als ver­fas­sungs­wid­rig – z. Z. sind das die Geset­ze zur Bier‑, zur Grund­er­werb- und zur Umsatzsteuer.
  • Dazu kom­men die sog. Nicht­an­wen­dungs­er­las­se des Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­ums (BMF), mit denen Steu­er­zah­ler-freund­li­che Finanz­ur­tei­le ein­fach außer Kraft gesetzt werden.
  • Hin­zu kommt die Steu­er­pra­xis, nach der das Finanz­amt nach Ermes­sens­spiel­raum ent­schei­den kann – für GmbH-Geschäfts­füh­rer ist das etwa die Fra­ge nach dem ange­mes­se­nen Geschäfts­füh­rer-Gehalt. Bei einem AG-Vor­stand fragt kei­ne Finanz­be­hör­de nach, wie viel der ver­die­nen darf.

Für die Pra­xis: Gro­ße Unter­neh­men leis­ten sich für die­se Fäl­le die bes­ten (und teu­ers­ten) Fach­an­wäl­te für Steu­er­recht und kön­nen sich es leis­ten, über Jah­re hin­weg zu pro­zes­sie­ren und durch die Instan­zen zu gehen. Für klei­ne­re und mit­tel­gro­ße Unter­neh­men ist das aber eine ernst zu neh­men­de Hür­de. Lei­der ist zu befürch­ten, dass die zusätz­li­chen Betriebs­prü­fer nicht mit mehr Augen­maß als bis­her an die Arbeit gehen wer­den – jeder ein­zel­ne Betriebs­prü­fer wird dar­an gemes­sen wer­den, wie viel zusätz­li­che Steu­ern er in die Kas­sen bringt. Das ist nicht wirk­lich eine beru­hi­gen­de Vor­stel­lung. Wir jeden­falls wer­den auch in den nächs­ten Mona­ten und Jah­ren dafür sor­gen, dass die Besteue­rungs­pra­xis der Finanz­be­hör­den nicht im Stil­len und ohne öffent­li­che Trans­pa­renz statt­fin­det, son­dern dass das kon­kre­te Vor­ge­hen der Finanz­be­hör­den und des ein­zel­nen Steu­er­prü­fers sich wei­ter­hin und noch genau­er einer öffent­li­chen Kri­tik stel­len muss.

Musterprotokoll: Nur tauglich für die Einpersonen-GmbH/UG

Mit der GmbH-Reform gibt es seit 2007 die Mög­lich­keit, eine GmbH mit Muster­protokoll zu grün­den. Vor­teil: Mit rund 300 € sind die Gründungs­kosten für eine GmbH bzw. die Mini-GmbH (haf­tungs­be­schränk­te Unternehmergesell­schaft) sehr gering. Nach­teil: Das Mus­ter­pro­to­koll ersetzt den sonst übli­chen Gesell­schafts­ver­trag zwi­schen den betei­lig­ten Per­so­nen. Gere­gelt wer­den dar­in ledig­lich eini­ge Basics. Schwä­chen einer Grün­dung mit Mus­ter­pro­to­koll sind z. B. die Beschrän­kung der Anzahl der Gesell­schaf­ter (bis 3) und der ver­tre­tungs­be­fug­ten Geschäfts­füh­rer (1).  Kei­ne Rege­lun­gen gibt es aber für den Ein­zel- oder den Kon­flikt­fall, z. B. für den wich­ti­gen Fall des Aus­schei­dens eines Gesellschafters.

Jetzt nach 4 Jah­ren Pro­be­zeit für Grün­dun­gen mit Mus­ter­pro­to­koll steht fest: Bera­ter und Prak­ti­ker sind sich einig dar­in, dass die Grün­dung mit Mus­ter­pro­to­koll für eine Unter­nehmensgründung mit meh­re­ren betei­lig­ten Per­so­nen nicht aus­reicht. So urteilt etwa der Anwalt und Steu­er­recht­ler Dr. Rüdi­ger Wer­ner: „Das Mus­ter­pro­to­koll kann allen­falls bei Ein­per­so­nen-Gesell­schaf­ten eine Alter­na­ti­ve zum nor­ma­len Gesell­schafts­ver­trag sein“. Das kann also dann sinn­voll sein, wenn ein Ein­zel­un­ter­neh­mer in eine haf­tungs-beschränk­te Rechts­form wech­seln will, z. B. um sei­ne per­sön­li­che Haf­tung ein­zu­gren­zen oder um mit einer per­so­nen­un­ab­hän­gi­gen Fir­mie­rung ein bes­se­res Stan­ding zu erreichen.

Für die Pra­xis: Wol­len Sie eine zusätz­li­che GmbH (z. B. als Toch­ter­ge­sell­schaft, als Pro­jekt- oder Betei­li­gungs­ge­sell­schaft) grün­den, soll­ten Sie auf kei­nen Fall an der fal­schen Stel­le spa­ren. Sichern Sie sich Ihre Gesell­schaf­ter­rech­te grund­sätz­lich in einem aus­führ­li­chen Gesell­schafts­ver­trag, der Ihre Inter­es­sen und Rech­te im Ein­zel­nen ent­hält. Für die Pra­xis gleich gut geeig­net sind die GmbH und die haf­tungs­be­schränk­te Unternehmer­gesellschaft. Gera­de als Kom­ple­men­tär-Gesell­schaft im Rah­men als UG & Co. KG ist die Unter­neh­mer­ge­sell­schaft die „preis­wer­te­re“ Rechts­form. Das belegt auch die zuneh­men­de Zahl der ein­ge­tra­ge­nen Kom­ple­men­tär-UGs: der­zeit fir­mie­ren rund 3.111 Unter­neh­mer­ge­sell­schaf­ten als Komplementär-UG.

Terminsache 31.5: Beachten Sie die Meldepflicht für GmbH-Anteile

Spä­tes­tens zum 31.5. müs­sen GmbHs, die Antei­le an einer ande­ren Kapi­tal­ge­sell­schaft von einem Gesell­schaf­ter zum Buch­wert über­nom­men haben, dem Finanz­amt gegen­über dar­le­gen, „dass sie noch im Besitz der Antei­le sind“. Damit stellt das Finanz­amt sicher, dass die 7‑jährige Sperr­frist für eine Wei­ter­ver­äu­ße­rung der steu­er­frei erwor­be­nen Antei­le ein­ge­hal­ten wird (§ 16 EStG). Das gilt für alle GmbHs, die in den letz­ten 7 Jah­ren eine Betei­li­gung an einer ande­ren GmbH von einem Gesell­schaf­ter, der eine natür­li­che Per­son ist, und der statt eines Kauf­prei­ses eine Betei­li­gung an der GmbH erhal­ten hat. Als Geschäfts­füh­rer sind Sie ver­ant­wort­lich dafür, dass die Mel­dung an das Finanz­amt jeweils zum 31.5 des Jah­res recht­zei­tig und über die gesam­te Frist von 7 Jah­ren ein­ge­hal­ten wird.

Ohne die­se Mel­dung geht das Finanz­amt davon aus, dass die Antei­le wei­ter ver­äu­ßert wur­den und ver­steu­ert auto­ma­tisch die stil­len Reser­ven nach. Ist der Appa­rat erst ein­mal in Gang gesetzt, muss der Ver­äu­ße­rer und neue Gesell­schaf­ter gegen den ent­spre­chen­den Steu­er­be­scheid Ein­spruch ein­le­gen bzw. den Nach­weis erbrin­gen, dass der Anteil nicht wei­ter­ver­äu­ßert wur­de. Haben Sie den Anteil inner­halb der 7‑Jahresfrist aber bereits wei­ter­ver­äu­ßert wird das teu­er: Ist der Wert des Anteils auch schon vor Ihrem Erwerb außer­or­dent­lich gestie­gen ist, müs­sen Sie die gesam­te Wert­stei­ge­rung die­ser stil­len Reser­ven versteuern

Für die Pra­xis: Pro­ble­ma­tisch kann das wer­den, wenn Sie als Gesell­schaf­ter einen Anteil gegen eine Betei­li­gung ver­äu­ßern, sich aber ver­trag­lich nicht absi­chern, dass der Erwer­ber (also die GmbH) die Betei­li­gung die 7‑jährige Frist ein­hal­ten muss. Vor­sichts­maß­nah­me: For­mu­lie­ren Sie also sinn­ge­mäß im Kauf­ver­trag: „Die GmbH ver­pflich­tet sich, den Anteil nicht vor Ablauf von 7 Jah­ren weiterzuveräußern“.

Falsche Kilometerangaben können Steuerhinterziehung sein

Bemerkt der Sach­be­ar­bei­ter des Finanz­amts, dass die Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter-Anga­be für die Fahrt vom Wohn­ort zur Arbeits­stät­te nicht stim­men, darf das Finanz­amt eine Steu­er­hin­ter­zie­hung unter­stel­len (FG Rhein­land-Pfalz, Urteil vom 29.3.2011, 3 K 2635/08).

Für die Pra­xis: Damit ist das Finanz­amt berech­tigt, eine 10-jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist anzu­le­gen. Fol­ge: Die Steu­er­be­schei­de wer­den rück­wir­kend über 10 Jah­re geän­dert und eine ent­spre­chen­de Steu­er­nach­zah­lung per Bescheid durch­ge­setzt. Im Urteils­fall hat­te eine Arbeit­neh­me­rin statt einer tat­säch­li­chen Ent­fer­nung von 10 Ent­fer­nungs­ki­lo­me­tern 28 km ange­setzt – die Dif­fe­renz begrün­de­te Sie mit einem Umweg über die KITA.

Nachzahlungen bei „Riester“ ab sofort möglich

Das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um hat jetzt einer Ände­rung zur Ries­ter-Ren­te beschlos­sen. Danach kön­nen ab sofort Ehe­frau­en von pflicht­ver­si­cher­ten Arbeit­neh­mern (also auch: Fremd-Geschäfts­füh­rern oder Geschäfts­füh­rer mit einer gerin­gen Betei­li­gung an der GmbH)  rück­wir­kend den Jah­res­bei­trag von 60 € ein­zah­len und sich damit den Anspruch auf die staat­li­che Zula­ge sichern. Dazu genügt eine Mel­dung an den Finanz­dienst­leis­ter, bei dem die Ries­ter-Ren­te abge­schlos­sen wurde. 

Verbindliche Auskunft kann teuer werden

Pla­nen Sie eine Umstruk­tu­rie­rung des Unter­neh­mens (Ver­schmel­zung, Abspal­tung von Unter­neh­mens­tei­len usw.) und wol­len sich zu den steu­er­li­chen Fol­gen der geplan­ten Maß­nah­men absi­chern, kön­nen Sie Ihre Gestal­tung vom Finanz­amt vor­ab prü­fen las­sen und sich einen rechts­ver­bind­li­che Ein­schät­zung des FA über Ihre even­tu­el­le steu­er­li­che Belas­tung ein­ho­len. Das geht im Wege einer sog. ver­bind­li­chen Aus­kunft. Das Finanz­amt ist berech­tigt, dafür Gebüh­ren zu ver­lan­gen – die­se rich­ten sich nach dem dafür not­wen­di­gen Auf­wand der Finanz­be­hör­de (§ 89 AO). Im Ein­zel­fall kann die­se Wert­ge­bühr sehr hoch sein – das ist nicht zu bean­stan­den (BFH, Urteil vom 30.3.2011, I R 61/10 u. a.). 

Für die Pra­xis: Nach dem BFH-Urteil kann das Finanz­amt die Wert­ge­büh­ren in Anleh­nung an das Gerichts­kos­ten-Gesetz (§ 34 GKG) fest­zu­set­zen. Für die Umstruk­tu­rie­rung   einer Unter­neh­mens­grup­pe mit einem „Gegen­stands­wert“ von 30 Mio. € (Umsatz) durf­te das Finanz­amt für die Aus­kunft eine Gebühr in Höhe von 91.000 € neh­men. Hier ist zu prü­fen, ob Sie mit einem Steu­er­gut­ach­ten (Haf­tungs­ga­ran­tie) bes­ser fahren.

Mit bes­ten Grüßen

Ihr Lothar Volkelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur der Volkelt-Brief

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