„Man hat uns zu einer sog. Erfa-Chefrunde eingeladen. Frage: Man hört so viel. Wie groß ist die Gefahr tatsächlich, in unerlaubte Absprachen bzw. ein Kartellverfahren verwickelt zu werden?” . So die Anfrage eines Kollegen, der nicht zuletzt wegen der steigenden Anzahl von Kartellverfahren gegen kleinere und mittelständische Unternehmen verunsichert ist, ob er bzw. seine Kollegen aus dem Geschäftsführungs-Team an an einer solchen Veranstaltung teilnehmen sollen. In der Tat: Die Behörden schauen unterdessen viel genauer hin als noch vor einigen Jahren. Insofern sind Sie gut beraten, wenn Sie den genauen Ablauf des Verfahrens kennen und entsprechende Vorkehrungen einplanen.
Dass deutsche und europäische Kartellbehörden den Fokus zunehmend auch auf kleinere Unternehmen legen, ist bekannt. Diese Entwicklung hat sich seit Jahren angedeutet und auch wir haben an dieser Stelle über zahlreiche Verfahren berichtet und die z. T. undurchsichtigen Praktiken der Kartellbehörden ausgeleuchtet (zuletzt ausführlich in Nr. 18/2018). Im Unterschied zu den Großen der Wirtschaft (aktuell: Lieferkonditionen der Asphalthersteller) verfügen kleinere Unternehmen nicht über die Lobby und das finanzielle Durchhaltevermögen, rechtliche Positionen durchzusetzen bzw. eine Lösung im Vergleich – also im „Stillen” – zu vereinbaren und so zumindest einen größeren Imageschaden zu verhindern. Dabei ist längst nicht jede Kooperation zwischen (kleineren) Unternehmen bereits ein Wettbewerbsverstoß. Zulässig sind z. B. Forschungs- und Einkaufskooperationen. Es ist zulässig, den Vertrieb einzelner Unternehmen gemeinschaftlich zu organisieren. Vom Bundeskartellamt gibt es dazu ein offizielles Merkblatt mit dem Titel „Kooperationsmöglichkeiten für kleinere Unternehmen“ – unterlegt mit anschaulichen Beispielen, was zwischen kleineren Unternehmen erlaubt ist und was eben nicht. Gut beraten sind Sie, wenn Sie Absprachen mit Geschäftspartnern über ein gemeinsames Vorgehen im Markt vorab juristisch abklären und ggf. von den Kartellbehörden genehmigen lassen.
Achtung: …
In vielen Verfahren verlassen sich die Behörden auf die Kronzeugenregelung (Jargon: „Bonusregelung“), wonach Whistleblower und anzeigende Konkurrenzbetriebe die „Beweise“ liefern und dafür straffrei ausgehen. Kritik gibt es auch an der praxisfremden Herangehensweise der Behörden. So sind Absprachen zwischen Zulieferbetrieben in der Automobilindustrie genauso üblich, wie Branchengespräche über Preise und Konditionen. Solche Gespräche sind oft sogar notwendig, um mittel- und langfristige Planungs- und Investitionssicherheit der Beteiligten an einer Wertschöpfungskette zu gewährleisten. So ist es z. B., kein Geheimnis, dass sich die Verarbeiter und Zulieferer der Automobilindustrie auf eine Standardmarge verständigt haben, um die Gewinne und Investitionen ihrer Zulieferer zu sichern und so ihre eigene Lieferbereitschaft sicherzustellen.
Florian Hoffmann, Leiter des European Trust Instituts, hält das gesamte Verfahren für „realitätsfremd“. Kritisiert wird ebenso, dass die Deutschen Kartellbehörden sich ausschließlich um den deutschen Markt kümmern. Internationale und globale Effekte und Wettbewerbspositionen (derzeit: Luftfahrt, Zugbau) bleiben außen vor. Auch für den Geschäftsführer kleinerer Unternehmen wird das Thema Fusion/Preise/Konditionen immer mehr zum Problem. Achten Sie darauf, wer an Branchentreffen zu diesen Themen teilnimmt. Halten Sie sich zurück.
Das Bundeskartellamt wirbt auf seinen Internet-Seiten offensiv für das anonyme Anzeigverfahren, das Privatpersonen (auch Ihren Mitarbeitern) strikte Anonymität zusichert. Beachten Sie dazu das Portal www.business-keeper.de, das zunächst zur Korruptionsbekämpfung begründet wurde, unterdessen aber auch die Mitarbeiter in Firmen dazu animiert, jegliche Compliance-Verstöße (z. B. auch gegen Wettbewerbsvorschriften) anonym zu melden.