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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 40/2012

The­men heu­te: Streit um den Fir­men­wa­gen – wenn einer der Geschäfts­füh­rer „prot­zen” muss + Stil­le Betei­li­gung: münd­li­che Zusa­gen sind wert­los + Steu­er: Finanz­amt darf Geschäfts­füh­rer nicht län­ger „fik­tiv“ besteu­ern + Inter­net: Arbeit­neh­mer darf sich auf Face­book nur beschränkt aus­to­ben + Steu­er-TIPP: Schen­kung besei­tigt Grund­er­werb­steu­er­pflicht + Pen­si­ons­zu­sa­ge: Finanz­amt muss 75 % – Gren­ze kor­rekt berechnen

 

 

40. KW 2012, Frei­tag, 5.10.2012

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geer­ter Kollege,

bil­ligt sich einer der (Gesell­schaf­ter-) Geschäfts­füh­rer einen zu „dicken“ Fir­men­wa­gen, kann das unan­ge­neh­me Fol­gen haben. Und zwar dann, wenn der Wagen gegen den Wil­len des Mit-Gesell­schaf­ters trotz­dem ange­schafft wird. Das kann sogar bis zur  Abbe­ru­fung und frist­lo­sen Kün­di­gung des Anstel­lungs­ver­tra­ges füh­ren. So zeigt es jetzt ein aktu­el­les Urteil des OLG Mün­chen (Urteil vom 29.3.2012, 23 U 4344/11).

Der Sach­ver­halt: Einer der Geschäfts­füh­rer hat­te ent­ge­gen den Ver­ein­ba­run­gen im Anstel­lungs­ver­trag ein hoch prei­si­ges Fahr­zeug ange­schafft (Mer­ce­des SLS Cou­pé für 154.000 €). Einen Teil davon zahl­te der Geschäfts­füh­rer selbst (60.000 €), auf den Rest nahm er über die GmbH ein Dar­le­hen auf (Zins­last: 23.000 €) – mit Aus­wir­kun­gen auf den Gewinn. Dazu das Gericht: Hier liegt eine gro­be Pflicht­ver­let­zung vor. Das berech­tigt den Mit-Gesell­schaf­ter zur sofor­ti­gen Abbe­ru­fung und zur frist­lo­sen Kün­di­gung des Anstellungsvertrages.

Wich­tig: Der über­gan­ge­ne Gesell­schaf­ter kann sich hier schnell weh­ren. Und zwar mit der Ein­be­ru­fung einer Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung und dem sofor­ti­gen Beschluss über die Abbe­ru­fung und Kün­di­gung. Sein Vor­teil: Es han­delt sich um einen „wich­ti­gen“ Grund. Der geschol­te­ne Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer hat dann zwar den Zweit­wa­gen sei­ner Wahl – aber damit hat er sein Stimm­recht ver­wirkt. Der Beschluss gilt.

Stille Beteiligung an der GmbH: Mündliche Zusagen sind wertlos 

Nach der Plei­te der HSH Nord­bank müs­sen sich die Gerich­te jetzt mit der Auf­ar­bei­tung der noch offe­nen Rechts­fra­gen beschäf­ti­gen. So jetzt der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) zur recht­li­chen Rol­le eines Stil­len Gesell­schaf­ters. Hin­ter­grund: Gesell­schaf­ter und Geschäfts­füh­rer der HSH Nord­bank hat­ten mit einem stil­len Geld­ge­ber (Gesell­schaf­ter) eine groß­zü­gi­ge Son­der­ver­gü­tung ver­ein­bart. Jetzt muss­te das Gericht prü­fen, ob sol­che Son­der­ab­spra­chen zuläs­sig sind bzw. wel­che Gren­zen Sie als Geschäfts­füh­rer einer GmbH beach­ten müs­sen, wenn Sie in Zukunft die GmbH zusätz­lich von einem Stil­len Gesell­schaf­ter finan­zie­ren las­sen wollen.

Laut Ver­trag stand dem Stil­len Gesell­schaf­ter eine Gewinn­be­tei­li­gung zu. Aber nur, solan­ge die Gesell­schaft in der Bilanz kei­nen Fehl­be­trag aus­weist. Um den Stil­len Gesell­schaf­ter zu hal­ten, mach­te die Geschäfts­lei­tung per Brief die Zusi­che­rung, dass die Ver­gü­tung abwei­chend von die­ser Ver­ein­ba­rung auch im Fal­le eines Ver­lus­tes gezahlt wird. Spä­ter ver­wei­ger­te die Gesell­schaft die Zah­lung der Sondervergütung.

Die Rechts­la­ge: So geht es nicht. Laut Bun­des­ge­richts­hof müs­sen hier die Form­vor­schrif­ten zur Abän­de­rung von Unter­neh­mens­ver­trä­gen beach­tet wer­den. Das sind: Schrift­form und ggf. Ein­tra­gung ins Han­dels­re­gis­ter. Ein ledig­lich ein­sei­ti­ge brief­li­che Mit­tei­lung der Geschäfts­lei­tung genügt dem nicht (BGH, Urteil vom 19.9.2012, II ZR 50/11). Der stil­le Gesell­schaf­ter hat kei­nen Rechts­an­spruch auf die Zahlung. 

Für die Pra­xis: Auch in vie­len (und immer mehr) mit­tel­stän­di­schen GmbHs ist es üblich, neben der Ban­ken­fi­nan­zie­rung auch ande­re Betei­li­gun­gen mit ins Haus zu neh­men. So auch Stil­le Betei­li­gun­gen. Wich­tig: Ach­ten Sie dar­auf, dass die ver­trag­li­chen Vor­aus­set­zun­gen stim­men. Dazu gehört: Ist der Geschäfts­füh­rer berech­tigt, Stil­le Betei­li­gun­gen ein­zu­ge­hen (even­tu­ell: Gesell­schaf­ter­be­schluss). Der Ver­trag über die Stil­le Betei­li­gung soll­te Rech­te und Pflich­ten umfas­send regeln (Bemes­sungs­grund­la­ge für die Ver­gü­tung, Kor­rek­tur­pos­ten, Ein­sichts­rech­te, Fäl­lig­kei­ten usw.). Soll der Ver­trag über die Stil­le Betei­li­gung geän­dert wer­den, müs­sen die Vor­ga­ben aus dem Ursprungs­ver­trag ein­ge­hal­ten wer­den („Ände­run­gen bedür­fen der Schrift­form“). Auf jeden Fall soll­te die­se in ver­trags­üb­li­cher Form mit den Unter­schrif­ten bei­der Ver­trags­par­tei­en erfolgen.

Finanzamt darf Geschäftsführer nicht länger „fiktiv“ besteuern

Wird es in der GmbH finan­zi­ell eng, müs­sen Sie als Geschäfts­füh­rer auf­pas­sen. Wäh­rend beim nor­ma­len Arbeit­neh­mer Lohn­steu­er nur dann fäl­lig wird, wenn tat­säch­lich Lohn gezahlt wird, gibt es für den Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer einer GmbH hier eine Beson­der­heit. Zahlt sich der Geschäfts­füh­rer nicht das vol­le Gehalt aus (z. B., weil er kurz­fris­tig eine Rech­nung beglei­chen will, das Kon­to aber dafür nicht über­zie­hen will), sagt das Finanz­amt: „Das Gehalt ist dem Geschäfts­füh­rer fik­tiv zuge­flos­sen“. Dafür muss Lohn­steu­er abge­führt wer­den. Die­se Rechts­la­ge ist aber umstrit­ten. Bereits 2011 hat der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) dazu ent­schie­den: Wer­den Gehalts­be­stand­tei­le (Weih­nachts­geld, Tan­tie­me) nicht aus­ge­zahlt, ist die­se fik­ti­ve Besteue­rung nur zuläs­sig, wenn die For­de­rung des Geschäfts­füh­rers gegen die GmbH als Ver­bind­lich­keit gebucht ist. Ist das nicht der Fall, darf auch kei­ne Lohn­steu­er dafür erho­ben wer­den (BFH, Urtei­le vom 3.2.2011, VI R 4/10  und VI R 66/09).

Ach­tung: In der Pra­xis haben vie­le Finanz­äm­ter die­se Rechts­la­ge ganz ein­fach igno­riert. Sie set­zen wei­ter­hin Lohn­steu­er fest und per Steu­er­be­scheid auch durch. Sie beru­fen sich dabei auf die bis dato unver­än­der­te Ver­wal­tungs­mei­nung zur Fra­ge der Lohn­be­steue­rung beim Gehalts­ver­zicht des Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rers. Jetzt kommt Bewe­gung in die ver­här­te­ten Fron­ten. In den nächs­ten Mona­ten wird der Bun­des­fi­nanz­hof genau in die­ser Sache noch­mals ent­schei­den. Wie­der geht es um nicht aus­ge­zahl­tes Weih­nachts- und Urlaubs­geld aus den Vor­jah­ren (Akten­zei­chen des anhän­gi­gen Ver­fah­rens vor dem BFH: VI R 24/12). In der vor­he­ri­gen Instanz hat­te auch das Finanz­ge­richt Schles­wig Hol­stein die Besteue­rung von nicht-aus­ge­zahl­ten Gehalts­be­stand­tei­len für nicht zuläs­sig erklärt (Urteil vom 13.10.2011, 1 K 83/11). Nach unse­rer Ein­schät­zung wird der BFH die­se Rechts­auf­fas­sung bestä­ti­gen. Fol­ge: Gab es sol­che Fäl­le in Ihrer GmbH in der Ver­gan­gen­heit, ist zu prü­fen, ob die Steu­er­be­schei­de bereits bestands­kräf­tig sind. Ist das nicht der Fall, soll­ten Sie die­se unter Hin­weis auf die unge­klär­te Recht­spre­chung wei­ter offen hal­ten. Wir hal­ten Sie dazu auf dem Laufenden.

Für die Pra­xis: Unge­ach­tet die­ser Rechts­la­ge unter­stel­len die Finanz­be­hör­den bei nicht- aus­ge­zahl­ten Gehalts­be­stand­tei­len für den Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer einer GmbH eine sog. ver­deck­te Ein­la­ge. Wir emp­feh­len für den Fall eines Gehalts­ver­zichts: 1. Bei kurz­fris­ti­gem (gerin­ge­rem) Liqui­di­täts­be­darf soll­ten Sie kein Gehalts­ver­zicht vor­neh­men, son­dern die Beträ­ge so über­wei­sen, wie ver­trag­lich ver­ein­bart. 2. Müs­sen Sie das Gehalt kür­zen (der Dis­po wird über­zo­gen), soll­ten Sie vor dem Gehalts­ver­zicht einen Gesell­schaf­ter­be­schluss dazu fas­sen. Wich­tig: Das muss dann auch so prak­ti­ziert wer­den. Ver­mei­den Sie den Ein­druck, dass Sie Ihr Gehalt stän­dig an die Liqui­di­täts­la­ge der GmbH anpas­sen. Im Not­fall soll­ten Sie Ihr Gehalt so absen­ken, dass die GmbH in der Lage ist, die­ses kon­ti­nu­ier­lich über das Geschäfts­jahr auszuzahlen.

Arbeitnehmer darf sich auf Facebook nur beschränkt austoben

Noch in Aus­ga­be 36/2012 hat­ten wir an die­ser Stel­le über ein Urteil des Arbeits­ge­richts Bochum berich­tet, wonach der Arbeit­neh­mer sei­nen Chef auf Face­book kri­ti­sie­ren darf – auch pole­misch. Jetzt gibt es ein Urteil des ArbG Hagen, nach dem der Face­book-Kri­tik kla­re Gren­zen gesetzt wer­den. Über­schrei­tet der Arbeit­neh­mer die­se Gren­ze, haben Sie gute Chan­cen, ihn zu kün­di­gen (ArbG Hagen, Urteil vom 16.5.2012, 3 Ca 2597/11).

Für die Pra­xis: Pos­tet der Arbeit­neh­mer belei­di­gen­de Äuße­run­gen über sei­nen Arbeit­ge­ber auf sei­ner Face­book-Pinn­wand, auf die auch ande­re betriebs­an­ge­hö­ri­ge „Freun­de“ Zugriff haben, hebt der Arbeit­neh­mer die Ver­trau­lich­keit auf und kann sich nicht mehr auf den Schutz sei­ner  Pri­vat­sphä­re beru­fen. Fol­ge: Sol­che Belei­di­gun­gen kön­nen ohne vor­he­ri­ge Abmah­nung eine Kün­di­gung rechtfertigen. 

Schenkung beseitigt Grunderwerbsteuerpflicht

Bis­her wur­de Grund­er­werb­steu­er in der GmbH fäl­lig, wenn sich durch die Über­tra­gung von GmbH-Antei­len 95 % der Antei­le in einer Hand ver­ei­ni­gen. Laut BFH gilt das aber nicht, wenn die Antei­le als Schen­kung über­tra­gen wer­den (BFH, Urteil vom 23.5.2012, II R 21/10).  

Für die Pra­xis: Soll­te es bei der Über­tra­gung (Schen­kung) von GmbH-Antei­len doch dazu kom­men, dass das Finanz­amt dar­in einen grund­steu­er­pflich­ti­gen Vor­gang sieht, kön­nen Sie eben­falls auf ein für Sie güns­ti­ges BFH-Urteil ver­wei­sen. Danach ist es mög­lich, eine feh­ler­haf­te Anteils­über­tra­gung nach­träg­lich zu kor­ri­gie­ren (BFH, Urteil vom 18.4.2012, II R 51/11).

Finanzamt muss 75 % – Grenze korrekt berechnen

Die steu­er­li­che Höchst­gren­ze für die Berech­nung der Pen­si­ons­rück­stel­lung liegt bei 75 % der Aktiv­be­zü­ge. Nicht zuläs­sig ist es, wenn das Finanz­amt dabei zukünf­ti­ge Bezü­ge des Geschäfts­füh­rers nach sei­nem Aus­schei­den ein­rech­nen will – z. B. Miet­ein­nah­men (FG Sach­sen, Urteil vom 28.3.2012, 8 K 1159/11, Quel­le: GmbH-Rund­schau 2012, Sei­te 1030). 

Für die Pra­xis: Anschei­nend han­delt es sich hier um einen neu­en Vor­stoß der Finanz­ver­wal­tung Sach­sen, der die 75 % – Rege­lung ein Dorn im Auge ist. Nicht zufäl­lig wird hier der Fall einer Betriebs­auf­spal­tung auf­ge­grif­fen. Hier kann das FA auf­grund der Ver­trä­ge bele­gen, wel­che zukünf­ti­gen Bezü­ge (Ein­nah­men) anfal­len wer­den. Die­se Zurech­nung ist aber u. E. unzu­läs­sig und nicht sys­tem­kon­form. Den­noch: Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass die Finanz­be­hör­den den Sach­ver­halt in letz­ter Instanz vor dem BFH klä­ren las­sen werden. 

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Vol­kelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Volkelt-Brief

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