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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 16/2012

The­men heu­te: Auch klei­ne­re Fir­men könen sich gegen Preis­stei­ge­run­gen auf Roh­stoff- und beschaf­fungs­märk­ten absi­chern + VORSICHT: Geschäfts­füh­rer haf­tet per­sön­lich, wenn Unter­la­gen feh­len + So geht es rich­tig: GmbH-Pro­to­kol­le anle­gen, füh­ren, ver­wal­ten + Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten zah­len Kör­per­schaft­steu­er wie noch nie + Vor­sicht bei Ableh­nung eines behin­der­ten Bewer­bers + Beson­der­hei­ten bei Kün­di­gung eines Gewinn­ab­füh­rungs­ver­tra­ges (GAV) + Kei­ne Aus­nah­me bei Umsatzst­seu­er-Vor­anmel­dung: auf jeden Fall elek­tro­nisch + BISS

 

16. KW 2012, Frei­tag, 20.4.2012

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

vie­le klei­ne­re Unter­neh­men in Deutsch­land, die Roh­stof­fe und Vor­pro­duk­te ver­ar­bei­ten, kön­nen die kon­ti­nu­ier­li­chen Preis­stei­ge­run­gen nicht mehr an ihre Kun­den wei­ter­ge­ben. Sie sind dann nicht mehr kon­kur­renz­fä­hig. Das betrifft alle Bran­chen, so kön­nen Back­wa­ren­her­stel­ler den stei­gen­den Zucker­preis genau so wenig ver­rech­nen, wie Maschi­nen­bau­er die stei­gen­den Bunt­me­tall­prei­se in ihren End­pro­duk­ten nicht mehr dar­stel­len können.

Dabei gibt es unter­des­sen gera­de in Deutsch­land zahl­rei­che Insti­tu­tio­nen, die hier pro­fes­sio­nell bera­ten und die auch den Mit­tel­stand als Kun­den ent­deckt haben. Der Markt bie­tet hier zahl­rei­che Dienst­leis­tun­gen auch und gera­de für klei­ne­re und mit­tel­stän­di­sche Fir­men, die sich eine spe­zia­li­sier­te Ein­kaufs­ab­tei­lung für Roh­stof­fe und Vor­pro­duk­te nicht leis­ten kön­nen. Zum Beispiel:

  • Es gibt spe­zi­el­le Agen­tu­ren, die sich auf Ein­kaufs­be­ra­tung spe­zia­li­siert haben (ange­fan­gen von der Ver­trags­ge­stal­tung mit dem End­ab­neh­mer bis zur Risi­ko­be­ratung), (z. B. AMC)
  • Auch eini­ge der Geschäfts­ban­ken (z. B. Com­merz­bank) haben unter­des­sen Bera­tungs­ab­tei­lun­gen auf­ge­baut, die Swap-Absi­che­rungs­ge­schäf­te für Roh­stof­fe auch für klei­ne­re Unter­neh­men anbie­ten und abwickeln.

Da abzu­se­hen ist, dass die­se Preis­stei­ge­run­gen (vor allem in den Berei­chen Ener­gie und Roh­stof­fe) sich auch in den nächs­ten Jah­ren kon­ti­nu­ier­lich fort­set­zen wer­den, ist die Geschäfts­füh­rung auch in klei­ne­ren Unter­neh­men gefordert.

Für die Pra­xis: Stel­len Sie für Ihre Fir­ma zusam­men, wie viel, wel­chen Anteil und wel­che Kos­ten Sie in Roh­stof­fe und Vor­pro­duk­te inves­tie­ren und wel­che Maß­nah­men zur Siche­rung getrof­fen sind. Die Absi­che­rung erfolgt dabei in der Regel nicht durch Vor­rats­ein­käu­fe oder spe­ku­la­ti­ve Beschaf­fung. Viel­mehr erfolgt die Abwick­lung über ent­spre­chen­de Finanz- und Ver­si­che­rungs­in­stru­men­te. Also über Instru­men­te, die in der Ein­kaufs­ab­tei­lung allei­ne nicht gehan­delt wer­den kön­nen. Bes­ser ist es, wenn neue For­men der Beschaf­fung gemein­sam vom Ein­kauf und dem Bereich Finan­zen bewer­tet und umge­setzt wer­den.

Geschäftsführer haftet bei fehlenden Geschäftsunterlagen 

Für vie­le Geschäfts­füh­rer ist das The­ma „Haf­tung“ unter­des­sen zum roten Tuch gewor­den. Kein Wun­der: Es gibt fast kei­nen geschäft­li­chen (gesell­schafts­recht­li­chen, steu­er- oder sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen) Sach­ver­halt, bei dem die Gerich­te im Streit­fall – in der Regel mit den Behör­den – nicht über­prü­fen, ob der Geschäfts­füh­rer aus irgend­wel­chen Grün­den zusätz­lich per­sön­lich in die Haf­tung genom­men wer­den kann.

Das ist nicht nur ärger­lich, son­dern kos­tet auch viel Geld, manch­mal sogar die kom­plet­ten Rück­la­gen für die Alters­si­che­rung. Weil das für jeden Geschäfts­füh­rer ein hohes per­sön­li­ches Risi­ko dar­stellt, berich­ten wir regel­mä­ßig an die­ser Stel­le, um so zumin­dest sicher­zu­stel­len, dass gro­be Feh­ler nicht pas­sie­ren (gro­be Fahrlässigkeit).

So hat der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) jetzt einen Fall ent­schei­den, in dem es um feh­len­de Geschäfts­un­ter­la­gen ging. Ein mit einem Zulie­fe­rer geschlos­se­ner Ver­trag war nicht mehr in den Unter­la­gen. Weil die GmbH nicht zahl­te, woll­te der Zulie­fe­rer sei­ne Ansprü­che durch­set­zen gegen die GmbH.

Pro­ble­ma­tisch: Weil der Geschäfts­füh­rer den zugrun­de lie­gen­den Ver­trag nicht vor­le­gen konn­te, konn­te er auch nicht bewei­sen, dass er sei­ner Insol­venz­an­trags­pflicht inner­halb der gefor­der­ten 3‑Wo­chen-Frist nach­ge­kom­men ist. Dazu der BGH: „Die Vor­aus­set­zun­gen der Zah­lungs­ein­stel­lung grei­fen ……,  wenn der Geschäfts­füh­rer sei­ne Pflicht zur Füh­rung und Auf­be­wah­rung von Büchern und Bele­gen ver­letzt hat“. Im Klar­text: Trotz Insol­venz und haf­tungs­be­schränk­ter GmbH sind die Vor­aus­set­zun­gen für eine per­sön­li­che Haf­tung des Geschäfts­füh­rers für (alle) Gläu­bi­ger-For­de­run­gen gege­ben (BGH, Urteil vom 24.1.2012, II ZR 119/10).

Für die Pra­xis: Gera­de in klei­ne­ren Fir­men ohne sys­te­ma­ti­sche Doku­men­ta­ti­on kann es zu sol­chen Feh­lern kom­men. Z. B. dann, wenn der Chef wich­ti­ge Unter­la­gen „mit nach Hau­se“ nimmt und die­se spä­ter nicht mehr auf­zu­fin­den sind. Weni­ger Risi­ko besteht für Steu­er­un­ter­la­gen und den Unter­la­gen für die Lohn- und Gehaltsabrechnung/Sozialversicherung. Hier ist in der Regel der Steu­er­be­ra­ter dazu ver­pflich­tet, die Auf­be­wah­rungs­pflich­ten zu erfül­len. Für sons­ti­ge Unter­la­gen, die im Zusam­men­hang mit Geschäfts­part­nern von Bedeu­tung sind (Ver­trä­ge, Anspra­chen, Abrech­nun­gen usw.), soll­ten Sie dafür sor­gen, dass die­se dop­pelt geführt wer­den. Beson­ders wich­ti­ge Unter­la­gen soll­ten Sie zusätz­lich in zusätz­li­cher Kopie zu Ihren eige­nen Unter­la­gen neh­men und ggf. zusätz­lich im häus­li­chen Büro auf­be­wah­ren. Ver­las­sen Sie sich dabei nicht aus­schließ­lich auf eine elek­tro­ni­sche Dokumentation.

Aufbewahrungspflichten: Was gilt für GmbH-Protokolle?

Zu Nach­weis­pro­ble­men mit Geschäfts­un­ter­la­gen (sie­he oben) kommt es nicht nur mit Geschäfts­part­nern son­dern oft auch zwi­schen den Betei­lig­ten in der GmbH – z. B. zwi­schen den Geschäfts­füh­rern und den (Nur-) Gesell­schaf­tern. Wie kön­nen Sie sich in die­sen Fäl­len absi­chern, wenn es z. B. dar­um geht, eine kon­kre­te Anwei­sung der Gesell­schaf­ter an die Geschäfts­füh­rer spä­ter ein­mal vor Gericht nachzuweisen?

Die Rechts­la­ge: Das Pro­to­koll der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung wird ent­we­der vom Ver­samm­lungs­lei­ter selbst oder von einer von der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung beauf­trag­ten Per­son geführt. Der Pro­to­koll­füh­rer unter­zeich­net das Pro­to­koll. Zusätz­lich kann der Ver­samm­lungs­lei­ter zeich­nen. Unter­schrei­ben die Gesell­schaf­ter, so gilt dies als Zustim­mung zum pro­to­kol­lier­ten Inhalt. Unter­schrei­ben die Gesell­schaf­ter nicht, ertei­len sie ihre Zustim­mung, wenn Sie nach Zugang des Pro­to­kolls nicht inner­halb einer ange­mes­se­nen Frist (ein Monat) wider­sprechen. Zur Aus­hän­di­gung und Auf­be­wah­rung des Pro­to­kolls müs­sen Sie beachten:

  • Jeder Gesell­schaf­ter hat das Recht auf Ein­sicht in das Pro­to­koll (§ 51a GmbHG).
  • Allei­ne schon aus Beweis­grün­den soll­te das Pro­to­koll jedem Gesell­schaf­ter aus­ge­hän­digt werden.
  • Die Gesell­schaf­ter haben aber kei­nen gesetz­li­chen Anspruch auf Abschrif­ten des Pro­to­kolls der Gesellschafterversammlung.

Unab­hän­gig von der gesetz­li­chen Auf­be­wah­rungs­pflicht (10 Jah­re) emp­fiehlt sich eine lücken­lo­se Doku­men­ta­ti­on aller Gesell­schaf­ter­be­schlüs­se über die gesam­te Lebens­zeit des Unter­neh­mens. Stellt ein Gesell­schaf­ter fest, dass das Pro­to­koll Rede­bei­trä­ge falsch dar­stellt oder ein­zel­ne Vor­gän­ge und Ver­ein­ba­run­gen unrich­tig wie­der­gibt, dann muss er dies unmit­tel­bar nach Erhalt des Pro­to­kolls schrift­lich dem Geschäfts­füh­rer gegen­über monie­ren. Durch den recht­zei­ti­gen Wider­spruch (spä­tes­tens ein Monat nach Zugang) wird sicher­ge­stellt, dass es bei einer spä­te­ren Beweis­füh­rung nicht zu einer nach­tei­li­gen Beur­tei­lung kommt. Der falsch zitier­te Gesell­schaf­ter muss ver­lan­gen, dass das ver­bes­ser­te Pro­to­koll oder ein Nach­trag zum Pro­to­koll erstellt und allen Gesell­schaf­tern aus­ge­hän­digt wird.

Für die Pra­xis: Die Pro­to­kol­le der GmbH soll­ten in einem Pro­to­koll­buch bei der Gesell­schaft und in Kopie bei einem Bera­ter der Gesell­schaft auf­be­wahrt wer­den. Num­me­rie­ren Sie die Blät­ter des Protokoll­buches, damit die sach­li­che und zeit­li­che Rei­hen­fol­ge von Gesell­schaf­ter­be­schlüs­sen beweis­kräf­tig doku­men­tiert ist. Hat die GmbH meh­re­re Geschäfts­füh­rer soll­ten Sie zusätz­lich auch alle Beschlüs­se der Geschäfts­füh­rung, die im Gre­mi­um gefasst wer­den, und alle sons­ti­gen, die GmbH betref­fen­den Abspra­chen voll­stän­dig und zumin­dest über die Lauf­zeit Ihrer Bestel­lung zum Geschäfts­füh­rer dokumentieren.

Kapitalgesellschaften (AG, KGaA, GmbH, UG) zahlen 2011 so viel Körperschaftsteuer wie noch nie

Im letz­ten Jahr pro­fi­tier­ten die Län­der Bay­ern und NRW am meis­ten vom Auf­schwung der Fir­men, die Kör­per­schaft­steu­er zah­len. Laut Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um (BMF) kas­sier­te allei­ne der Staat Bay­ern rund 4,1 Mrd. EUR und NRW ca. 3,3 Mrd. EUR. In Baden-Würt­tem­berg wur­den dage­gen nur 1,1 Mrd. EUR Kör­per­schaft­steu­er gezahlt. Schluss­licht der Län­der ist Meck­len­burg-Vor­pom­mern mit einem Kör­per­schaft­steu­er-Auf­kom­men von gera­de ein­mal 77 Mio. EUR. Dabei muss aller­dings berück­sich­tigt wer­den, dass es Stand­ort­nach­tei­le gibt und dass der Anteil der Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten an der gewerb­li­chen Wirt­schaft im jewei­li­gen Bun­des­land stark differiert.

Vorsicht bei Ablehnung eines behinderten Bewerbers

Bewirbt sich ein Arbeit­neh­mer mit einer Sprech­stö­rung und Sie leh­nen die­sen „wegen feh­len­der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stär­ke“ ab, kann das unan­ge­neh­men Fol­gen für Ihre Fir­ma haben: Laut Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln erfüllt die­se For­mu­lie­rung die Vor­aus­set­zung für ein Ver­stoß gegen das AGG. Mit der Fol­ge, dass dem abge­lehn­ten Arbeit­neh­mer zumin­dest eine Abfin­dung zusteht (LAG Köln, Urteil vom 26.1.2012, 9 Ta 273/11).

Für die Pra­xis: Gene­rell ist bei der Begrün­dung einer Ableh­nung bei Bewer­bung eines Arbeit­neh­mers Zurück­hal­tung gebo­ten. Bes­ser ist es, wenn Sie damit begrün­den, dass die GmbH einen Arbeit­neh­mer mit einer pas­sen­de­ren Qua­li­fi­ka­ti­on ein­ge­stellt hat.

Kündigung eines Gewinnabführungsvertrages (GAV)

Laut FG Bran­den­burg ist eine unbe­frie­di­gen­de Ertrags­la­ge der Organ­ge­sell­schaft kein wich­ti­ger Grund zur Kün­di­gung des bestehen­den Gewinn­ab­füh­rungs­ver­tra­ges. Hin­ter­grund: Nur wenn der GAV aus wich­ti­gem Grund gekün­digt wird, hat das kei­ne Aus­wir­kung auf die steu­er­li­che Behand­lung. Es kommt also nicht zur rück­wir­ken­den Besteue­rung von Teil­ge­win­nen der Organ­ge­sell­schaft bzw. einer Rück­gän­gig­ma­chung der Ver­rech­nung von Gewin­nen und Ver­lus­ten (FG Bran­den­burg, Urteil vom 19.10.2011, 12 K 12078/08, Quel­le: GmbH-Rund­schau 2012, S. 413).

Für die Pra­xis: Ein­zi­ge Aus­nah­me die­ser Rechts­la­ge ist die Bedro­hung der Lebens­fä­hig­keit des gesam­ten Kon­zerns. In die­sem Fall kann die wirt­schaft­li­che Kri­se der abhän­gi­gen Organ­ge­sell­schaft wich­ti­ger Grund zur sofor­ti­gen Auf­lö­sung des GAV sein – ohne dass die steu­er­li­che Wir­kung des GAV nach­träg­lich aberkannt wird.

BFH aktuell – Finanzamt darf elektronische Umsatzsteuer-Voranmeldung verlangen

Kein Erfolg hat­te die Kla­ge eines gewerb­li­chen Steu­er­zah­lers, der sich gegen die Ver­pflich­tung zur elek­tro­ni­schen Über­mitt­lung der Umsatz-Vor­anmel­dung wehr­te. Laut Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) ist die­se Vor­schrift ver­fas­sungs­kon­form und muss von den Unter­neh­men umge­setzt wer­den (BFH, Urteil vom 14.3.2012, XI R 33/09).

Für die Pra­xis: Das gilt genau­so auch für alle GmbHs oder Unter­neh­mer­ge­sell­schaf­ten. Die Umsatz­steu­er-Vor­anmel­dung muss elek­tro­nisch erfol­gen. Die ent­spre­chen­den For­mu­la­re gibt es unter www.elster.de > ElsterFormular.

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Vol­kelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Volkelt-Brief

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