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Volkelt-Brief 31/2016

Volkelt-FB-01Mit­ar­bei­ter-Suche: Google´s Feh­ler sind bes­te Argu­men­te für klei­ne­re Unter­neh­men (Recrui­ting) + Neue Urtei­le: Rechts­fra­gen zum elek­tro­ni­schen Unter­neh­mens­re­gis­ter + Elek­tro­ni­sche Kas­sen: Stren­ge­re Auf­la­gen kom­men erst ab 2020/2022 + Som­mer­pau­se: Jetzt darf der Chef auch mal an sich den­ken + Rechts­form: Fir­men­ver­la­ge­rung nach Deutsch­land + Geschäfts­füh­rer pri­vat: Weni­ger Steu­er­prü­fun­gen für Rei­che + BISS

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Frei­burg 29. Juli 2016

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

inter­es­san­te Zah­len lie­fert eine Stu­die zur digi­ta­len Wirt­schaft in Deutsch­land (Quel­le: Agen­tur Piabo). Zen­tra­le Aus­sa­ge: In den Top 50 Unter­neh­men der deut­schen Digi­tal­wirt­schaft sind ins­ge­samt 34.000 Mit­ar­bei­ter beschäf­tigt. Größ­ter Arbeit­ge­ber ist Zalan­do mit 10.000 Mit­ar­bei­tern. Ten­denz: Die Digi­tal­bran­che schnappt immer mehr IT-ler und Infor­ma­ti­ker weg. Goog­le Deutsch­land ist die Adres­se für Berufs-Ein­stei­ger. Goog­le beschäf­tigt welt­weit unter­des­sen 40.000 Mit­ar­bei­ter. Aller­dings mit kur­zer Ver­weil­dau­er. 50 % aller neu ein­ge­stell­ten Mit­ar­bei­ter keh­ren ihrem Arbeit­ge­ber nach einem Jahr den Rücken. Haupt­grün­de: Leis­tungs­druck, beschei­de­ne Auf­stiegs­mög­lich­kei­ten und, dass sehr vie­le Pro­jek­te nicht zum Abschluss gebracht werden.

Für klei­ne­re Unter­neh­men sind das Mög­lich­kei­ten, schon bei der Stel­len­aus­schrei­bung zu punk­ten („bei uns wer­den Ihre IT-Lösun­gen wirk­lich umge­setzt – SIE sind uns wich­tig und SIE wer­den bei uns auch so wert­ge­schätzt!“). Im Wett­be­werb um Arbeits­kräf­te in digi­ta­len Arbeits­be­rei­chen sind Sie gut bera­ten, sich auch an den Goog­le-Stan­dards zu ori­en­tie­ren. Das beginnt mit frei­en Snacks und Geträn­ken, Pau­sen­an­ge­bo­ten (Kicker, X‑Box) und reicht über den frei­en Dress-Code bis zum Home-Office nach Bedarf.

Natür­lich lässt sich eine kom­for­ta­ble Büro- und Team-Bespre­chungs-Atmos­hä­re nicht in allen Bran­chen machen. Aber die ein oder Anre­gung zur ange­neh­me­ren Gestal­tung der Arbeits­um­ge­bung lässt sich in jedem Unter­neh­men umset­zen. Dazu gehört auch eine gute Bera­tung des Arbeit­ge­bers in Sachen Teil­zeit, Eltern­zeit, Eltern­geld und den Zusatz­leis­tun­gen, die Sie Ihren Mit­ar­bei­ter bie­ten (steu­er­freie Zuwen­dun­gen, Gut­schei­ne, Job­ti­cket, Fir­men-Fahr­rad oder Fir­men­wa­gen usw.).

Neue Urteile: Rechtsfragen zum elektronischen Unternehmensregister

Im Jahr 2007 wur­de das elek­tro­ni­sche Unter­neh­mens­re­gis­ter ein­ge­führt. Seit­her müs­sen alle Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten (auch: GmbH/UG) den Jah­res­ab­schluss dort ver­öf­fent­li­chen. In den letz­ten Jah­ren gab es zahl­rei­che Nach­bes­se­run­gen. So wur­den kleins­te GmbH/UG von der Ver­öf­fent­li­chungs-Ver­pflich­tung aus­ge­nom­men. Sie müs­sen den Jah­res­ab­schluss nur noch hin­ter­le­gen. Für klei­ne GmbH/UG gibt es die Mög­lich­keit, den Jah­res­ab­schluss in einem ver­ein­fach­ten Ver­fah­ren eigen­hän­dig zu ver­öf­fent­li­chen und damit Kos­ten ein­zu­spa­ren. Wir haben über die­se Ent­wick­lun­gen regel­mä­ßig berich­tet. In den letz­ten Mona­ten ent­schied das Ober­lan­des­ge­richt (OLG) Köln, das abschlie­ßend mit die­sen Ver­fah­ren befasst ist, zu fol­gen­den Themen:

  • Nach­rei­chen des Jah­res­ab­schlus­ses: Sinn und Zweck der 6‑Wo­chen-Frist zur Nach­rei­chung des Jah­res­ab­schlus­ses ist es nicht, einen noch nicht vor­han­de­nen Jah­res­ab­schluss nun­mehr auf­stel­len zu las­sen, son­dern allen­falls, einen bereits auf­ge­stell­ten nun­mehr tat­säch­lich offen zu legen. Fol­ge: Ist der Steu­er­be­ra­ter in Ver­zug und für die Nicht-Ver­öf­fent­li­chung ver­ant­wort­lich, soll­ten Sie inner­halb der 6- Wochen­frist mit Rechts­mit­teln gegen den Steu­er­be­ra­ter vor­ge­hen – da sind: Frist­set­zung, Scha­dens­er­satz­for­de­rung, gericht­li­che Durch­set­zung die­ser For­de­run­gen (OLG Köln, Urteil vom 2.2.2016, 28 Wx 20/15).
  • Beschwer­de gegen eine Buß­geld­an­ord­nung: Eine Beschwer­de gegen eine Ord­nungs­geld­ent­schei­dung ist im Zwei­fel auch als (still­schwei­gen­der) Wie­der­ein­set­zungs­an­trag zu ver­ste­hen. Das gilt aber nicht, wenn die Beschwer­de kei­ner­lei Ver­schul­dens­fra­gen/-pro­ble­me auf­wirft, son­dern sich allein und aus­schließ­lich (zu Unrecht) auf etwa­ige Her­ab­sen­kungs­mög­lich­kei­ten bei Kleinst­ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten für den Fall einer Pflicht­er­fül­lung nach Ablauf der Sechs­wo­chen­frist und vor Fest­set­zung stützt. Fol­ge: Haben Sie Zwei­fel an einer Buß­geld­an­dro­hung, soll­ten Sie Ein­spruch ein­le­gen und – ganz wich­tig – eine Begrün­dung mit­lie­fern (OLG Köln, Beschluss vom 6.10.2015, 28 Wx 11/15).
Das Pro­ze­de­re rund um das elek­tro­ni­sche Unter­neh­mens­re­gis­ter ist unter­des­sen weit­ge­hend durch alle Instan­zen abge­seg­net. Unter­neh­men, die ihren Ver­öf­fent­li­chungs­pflich­ten nicht nach­kom­men, haben in der Regel kaum noch eine Chan­ce, sich gegen das Sank­ti­ons­ver­fah­ren erfolg­reich zu weh­ren. Schwie­rig bleibt es, wenn der Steu­er­be­ra­ter für eine ver­zö­ger­te Ein­tra­gung verant­wortlich ist. Aus Beweis­grün­den ist es in sol­chen Fäl­len wich­tig, dass Sie nicht nur gegen den Bescheid des Bun­des­am­tes für Jus­tiz vor­ge­hen, son­dern dass Sie auch gegen den Steu­er­be­ra­ter juris­ti­sche Schrit­te einleiten.

Elektronische Kassen: Strengere Auflagen kommen erst ab 2020/2022

Nach Mona­te lan­gem Rin­gen um die Ein­füh­rung elek­tro­ni­scher, mani­pu­la­ti­ons­si­che­rer Kas­sen­sys­te­me für Bar­geld­ge­schäf­te (Gas­tro­no­mie, Ein­zel­han­del usw.) ste­hen jetzt die Eck­da­ten für die neu­en gesetz­li­chen Vor­ga­ben. Wich­tig: Der Gesetz­ge­ber räumt groß­zügige Über­gangslösungen ein. Danach gilt:

  • Die neu­en Sicher­heits­vor­schrif­ten und tech­ni­schen Anfor­de­run­gen sind ver­pflich­tend für alle Kas­sen­an­wen­der ab dem 1.1.2020.
  • Aus­nah­me: Für Anwen­der, die sich unter­des­sen ein neu­es Kas­sen­sys­tem ange­schafft haben, das den Vor­ga­ben aus dem BMF-Schrei­ben vom 26.11.2010 ent­spricht (vgl. Nr. 20 + 14/2016), gibt es – aus Grün­den des Ver­trau­ens­schut­zes – eine noch län­ge­re Über­gangs­frist. Sie müs­sen die stren­gen neu­en Stan­dards erst zu 1.1.2023 umset­zen. Von heu­te aus gerech­net bedeu­tet das für die­se Kas­sen eine wei­te­re Lauf­zeit von 6 Jah­ren, u. E. eine rea­lis­ti­sche und plan­ba­re Per­spek­ti­ve für die betrof­fe­nen Unternehmen.

Unver­än­dert bleibt die unver­hält­nis­mä­ßig hohe Straf­an­dro­hung für Ver­stö­ße. Die­se kön­nen nach wie vor mit Geld­bu­ßen von bis zu 25.000 EUR belangt wer­den. Mit der sog. Kas­sen­nach­schau ist es den Finanz­be­hör­den auch mög­lich, jeder­zeit und ohne beson­de­re Ankün­di­gung Kas­sen­prü­fun­gen vor Ort vor­zu­neh­men (Quel­le: BMF, PM vom 13.7.2016, Gesetz­ent­wurf zum Schutz vor Mani­pu­la­tio­nen an digi­ta­len Grund­auf­zeich­nun­gen).

Das ist unse­res Erach­tens ein rea­lis­ti­scher Ansatz, der den betrof­fe­nen und inves­tie­ren­den Unter­neh­men eine betriebs­wirt­schaft­lich adäqua­te Anpas­sungs­zeit ein­räumt. Im Ein­zel­fall ist zu prü­fen, ob es lohnt, bis dahin noch ein Kas­sen­sys­tem anzu­schaf­fen, das ledig­lich den Vor­ga­ben aus 2010 ent­spricht, dafür aber den Über­gangs­zeit­raum auf ein völ­lig mani­pu­la­ti­ons­si­che­res Sys­tem bis zum 1.1.2023 ver­län­gern wür­de. Aller­dings müs­sen Sie dann davon aus­ge­hen, dass dann im Fall einer Prü­fung mit höchs­tem Miss­trau­en geprüft wird und ggf. die Buch­hal­tung wegen Män­gel in der Kas­sen­füh­rung voll­stän­dig ver­wor­fen wird. Das Risi­ko einer anschlie­ßen­den Umsatz­v­er­pro­bung soll­te in der Pra­xis nicht unter­schätzt wer­den. Inwie­weit die SPD im wei­te­ren Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren noch kür­ze­re Fris­ten durch­set­zen will (und kann), ist der­zeit nicht absehbar.

Sommerpause: Jetzt darf der Chef auch mal an sich denken

Unter­des­sen ist Hoch­som­mer. In den meis­ten Bun­des­län­dern sind Schul­fe­ri­en, vie­le Unter­neh­men arbei­ten im Feri­en-Modus mit ein­ge­schränk­ten Kapa­zi­tä­ten. Auch die meis­ten Kol­le­gen machen über den Som­mer zumin­dest ein paar Tage Urlaub. Meis­tens sind es aller­dings weni­ger als 2 Wochen wie für Arbeit­neh­mer üblich. Den­noch kön­nen Sie die ruhi­ge­ren Tage auch ein­mal dazu nut­zen, den ein­ge­üb­ten Tages­ab­lauf ein­fach ein­mal zu „reflek­tie­ren“. Fol­gen­de The­men gehö­ren auf die Entspannungs-Agenda:

  • Ernäh­rung: Beson­ders schlech­te Gesund­heits­wer­te haben Fer­tig­pro­duk­te, Imbiss­gerichte und wenig abwech­sel­rei­che Spei­sen. Bes­ser sind meh­re­re regel­mä­ßi­ge täg­li­che Mahl­zei­ten, fri­sche Pro­duk­te und ein reich­hal­ti­ge und aus­ge­wo­ge­ne Spei­sen­aus­wahl. Da lässt sich immer etwas verbessern.
  • Familie/Freunde: Dar­auf ange­spro­chen haben vie­le Kol­le­gen kein gutes Gefühl. Zu wenig Zeit. Kein wirk­li­ches Inter­es­se. Oder ganz ein­fach den Kopf nicht frei für Men­schen. Was ver­ständ­lich ist, denn die meis­ten Kol­le­gen haben die gan­ze Woche über mit Men­schen zu tun und genie­ßen es, ein­fach ein­mal Ruhe haben. Den­noch: Fami­li­en­le­ben muss gelebt wer­den – sonst läuft es aus dem Ruder. Oder Sie blei­ben Single.
  • Bewegung/Sport: Wich­tig ist, dass Sie sich kei­nen zusätz­li­chen Leis­tungs­druck auf­zu­bau­en oder neue Best­mar­ken anstre­ben. Die bes­te Ent­span­nung liegt in der Bewe­gung in der Natur. Hohen Ent­span­nungs­ef­fekt brin­gen allei­ne schon der opti­sche Reiz einer Land­schaft und die Ruhe der Natur. Das wirkt auch ohne Puls­mes­ser, Schritt­zäh­ler und Fettwertkontrolle.
  • Anregungen/Kultur: Es muss ja nicht gleich ein Opern­abend sein. Aber die Beschäf­ti­gung mit ande­ren The­men, die nichts mit dem geschäft­li­chen All­tag zu tun haben, ist immer gut für Krea­ti­ves und neue Ideen. Kino, eine Aus­stel­lung oder Mes­se, ein Sport­event, Koch­kurs oder ein gutes Buch: Nach­her weiß man immer mehr als vor­her – und allei­ne das ergibt schon ein gutes Gefühl und sorgt für´s Abschalten.
Vie­le Kol­le­gen sind bereits auf Work-Life-Balan­ce ein­ge­stellt, leben die oben auf­ge­führ­ten Punk­te und haben Nach­hil­fe nicht nötig. In der Pra­xis ist das oft leich­ter gesagt als getan. Der All­tag lässt nicht viel Zeit. Umso wich­ti­ger ist es, sich – wann immer es geht – die­ses Defi­zit bewusst zu machen und gegen­zu­steu­ern. Sei es auf Zeit oder mit klei­nen Ände­run­gen von nach­läs­si­gen Gewohn­hei­ten. Die ruhi­ge­ren Som­mer­ta­ge sind erfah­rungs­ge­mäß gut geeig­net, Neu­es auszuprobieren.

Rechtsform: Firmenverlagerung nach Deutschland

Nach einem Urteil des KG Ber­lin ist ein grenz­über­schrei­ten­der Form­wech­sel (eine fran­zö­si­sche Socié­té à responsa­bi­li­té limi­tée in eine deut­sche GmbH) nach den deut­schen Vor­schrif­ten für einen Form­wech­sel vor­zu­neh­men. Damit ist es nicht not­wen­dig, die kom­pli­zier­ten und im Ein­zel­fall wesent­lich teu­re­ren euro­päi­schen Vor­ga­ben anzu­wen­den (KG Ber­lin, Urteil vom 21.3.2016, 22 W 64/15).

Ein Vor­teil liegt jetzt z. B. dar­in, dass der Form­wech­sel steu­erneu­tral abge­wi­ckelt wer­den kann. So ist nach deut­schem Steu­er­recht kei­ne Grund­er­werb­steu­er fäl­lig, wenn beim Form­wech­sel Grund­stü­cke und Immo­bi­li­en über­tra­gen werden.

Geschäftsführer privat: Weniger Steuerprüfungen für Reiche

Waren es im Jahr 2010 noch 1.838 rei­che Steu­er­zah­ler (Ein­kom­men > 500.000 EUR), die eine Son­der­prü­fung über sich erge­hen las­sen muss­ten, waren es nach offi­zi­el­len Anga­ben im Jah­re 2014 nur noch 1.391. Das sich dar­aus erge­ben­de Steu­er-Nach­for­de­rungs­vo­lu­men redu­zier­te sich in der Fol­ge von 404 auf 313 Mio. EUR (Quel­le: Bun­des­tags-Gesetz­ent­wurf 18/9125).

Kein Wun­der, dass die LINKE im Zusam­men­hang mit die­sen Zah­len     einen Gesetz­ent­wurf zur Ände­rung der Abga­ben­ord­nung vor­ge­legt hat. Danach soll ins Gesetz geschrie­ben wer­den, dass alle rei­chen Haus­hal­te spä­tes­tens alle 3 Jah­re geprüft wer­den müs­sen. Vor­stell­bar ist, dass auch die SPD die­sen Vor­schlag als Bei­trag zur Umver­tei­lung unter­stüt­zen wird.

 

Mit bes­ten Grüßen

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chefredakteur

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