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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 48/2012

The­men heu­te: Geschäfts­füh­rer-Haf­tung: Er muss sei­ne Unschuld bewei­sen – Was tun, wenn die Unter­la­gen weg sind? + Kri­sen-Manage­ment: Der tie­fe Fall der Ale­man­nia – Wie der Staats­an­walt gegen den Geschäfts­fü­her der Fuss­ball-GmbH ermit­telt + Arbeits­recht: Geschäfts­füh­rer darf Arbeits­ge­richt ein­schal­ten + Steu­ern: Kei­ne Chan­cen für Gewer­be­steu­er-Ent­las­tung + Arbeits­recht: 3 Befris­tun­gen über 11 Jah­re mit Sach­grund sind zuläs­sig + Per­so­nal: Unzu­läs­si­ge Bewer­ber-Befra­gung + Gesell­schafts­recht: Nach der Amts­nie­der­le­gung ist der (Mit-) Gesell­schaf­ter in der Pflicht + BISS

 

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

die EnBW steht der­zeit nicht nur in Sachen Akti­en­rück­kauf in den Schlag­zei­len. Jetzt wur­de auch bekannt, dass Daten und Schrift­stü­cke um Lie­fer­ver­trä­ge ver­nich­tet wur­den. Für die damals ver­ant­wort­li­chen Mana­ger und die Geschäfts­lei­tung hat das Fol­gen. Wie ver­hal­ten sich betrof­fe­ne Geschäfts­füh­rer richtig?

Die Rechts­la­ge: Laut Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) gilt in Mana­ger Haf­tungs­pro­zes­sen die umge­kehr­te Beweis­last (BGH, Urteil vom 22.2.2011, II ZR 146/09). Danach muss der Mana­ger sei­ne Unschuld bewei­sen. Das gilt so auch für den Geschäfts­füh­rer einer GmbH (§ 93 Abs. 2 Satz 2 AktG). Ent­steht der GmbH unter Ihrer Ver­ant­wort­lich­keit ein Scha­den (z. B. aus Steu­er- oder Kar­tell­ver­ge­hen oder aus ver­bo­te­nen Zah­lun­gen für Kor­rup­ti­on), müs­sen Sie nach­wei­sen, dass Sie nicht dafür zustän­dig waren.

Um das bewei­sen zu kön­nen, müs­sen Sie in der Regel auf Unter­la­gen zugrei­fen, die in der GmbH auf­be­wahrt wer­den. Laut oben genann­tem BGH-Urteil haben Sie aber dazu einen ver­brief­ten Anspruch auf Her­aus­ga­be von ent­las­ten­den Unter­la­gen gegen die GmbH. Was aber, wenn – wie oben beschrie­ben – die ent­las­ten­den Unter­la­gen nicht mehr vor­han­den sind?

Für die Pra­xis: Noch wur­de in dem dazu anhän­gen­den Straf­ver­fah­ren die­se Fra­ge nicht geklärt. Fest steht aber, dass für geschäft­li­che Kor­re­spon­denz eine Auf­be­wah­rungs­ver­pflich­tung von min­des­tens 6, im Ein­zel­fall bis 10 Jah­re besteht. Han­delt der Geschäfts­füh­rer z. B. auf Wei­sung des/der Gesellschafter(s), kann er aber ver­lan­gen, dass – z. B. wenn sei­ne ent­las­ten­den E‑Mails gelöscht sind – die E‑Mails des Gesell­schaf­ters vor­ge­legt wer­den müs­sen, an den die E‑Mail adres­siert war. Sind die auch nicht auf­find­bar, spricht dass für Mani­pu­la­tio­nen – und damit für eine Ent­las­tung des beschul­dig­ten Geschäfts­füh­rers. Für Sie als Geschäfts­füh­rer ist wich­tig: E‑Mails mit Inhal­ten über Gesell­schaf­ter-Wei­sun­gen, Abspra­chen zu Ver­trä­gen und wich­ti­gen Unter­neh­mens-Ent­schei­dun­gen soll­ten Sie zusätz­lich aus­dru­cken und zu Ihren Unter­la­gen neh­men. Beach­ten Sie dazu auch unse­re Hin­wei­se zur E‑Mail-Nut­zung durch den Geschäfts­füh­rer aus Nr. 26/2012.

Der Abstieg der Alemannia: Wie der Staatsanwalt gegen den Geschäftsführer der Fussball-GmbH ermittelt

Ale­man­nia Aachen – einst Mit­glied der Fuß­ball Nobel­klas­se 1. Bun­des­li­ga – spielt unter­des­sen in den Nie­de­run­gen der 3. Liga und ist Plei­te. Jetzt ermit­telt die Staats­an­walt­schaft wegen Insol­venz­ver­ge­hen. Kon­kret: Den Füh­rungs­gre­mi­en der Ale­man­nia Aachen GmbH (hier: Auf­sichts­rat) war schon län­ger bekannt, dass die GmbH insol­vent war. Es gilt die 3‑wöchige Insol­venz­an­trags­pflicht (vgl. dazu auch Nr. 46/2012).

Wich­tig für Sie als GmbH-Geschäfts­füh­rer: Aus dem Ermitt­lungs­ver­lauf wur­de bekannt, dass die Staats­an­walt­schaft den gesam­ten E‑Mail-Ver­kehr des für die Haf­tung in Fra­ge kom­men­den Per­so­nen­krei­ses unter die Lupe nahm. Da gab es z. B. Hin­wei­se eines Auf­sichts­rats­mit­glieds, der zugleich Steu­er­be­ra­ter ist, zum Zeit­punkt der Insol­venz. Auf das Finanz­loch von 4,5 Mio. EUR hat­te der Steu­er­be­ra­ter schon 6 Mona­te zuvor in einer „unschein­ba­ren“ E‑Mail einen Kol­le­gen im Bei­rat hin­ge­wie­sen. Damit – so der Staat­an­walt – ist ein­deu­tig zuor­den­bar, „wann die Gre­mi­en – also Auf­sichts­rat und Geschäfts­füh­rung – von der Insol­venz Kennt­nis hat­ten und hät­ten han­deln müs­sen“.

Für die Pra­xis: Insol­venz­an­trags­pflicht besteht bei Illi­qui­di­tät und Über­schul­dung. Der Zeit­punkt der Illi­qui­di­tät ist in der Regel ein­fach zu ermit­teln. Sind kei­ne Zah­lungs­mit­tel für bestehen­de Ver­bind­lich­kei­ten da, ist der Fall klar. „Über­schul­dung“ ist in der Regel erst nach Vor­la­ge einer Zwi­schen­bi­lanz (Über­schul­dungs­sta­tus) mög­lich. Vor­sicht: Wenn – wir hier – zwi­schen den Ver­ant­wort­li­chen Infor­ma­tio­nen getauscht wer­den, die auf eine Über­schul­dung hin­wei­sen, muss der ver­ant­wort­li­che kauf­män­ni­sche Geschäfts­füh­rer das unbe­dingt ver­fol­gen bzw. durch den Steu­er­be­ra­ter veri­fi­zie­ren las­sen. Ach­ten Sie dar­auf, dass nur auto­ri­sier­te Infor­ma­tio­nen über die finan­zi­el­le Situa­ti­on der Gesell­schaft kom­mu­ni­ziert und ver­öf­fent­licht wer­den. E‑Mails oder Out­look- und Intra­net-Infor­ma­tio­nen kön­nen – sie­he etwa im Fal­le Map­pus – vom Staats­an­walt im Ermitt­lungs­ver­fah­ren offi­zi­ell nach ver­folgt und zuge­ord­net werden.

Bundesarbeitsgericht: Geschäftsführer darf Arbeitsgericht einschalten 

Strei­tig­kei­ten aus dem Geschäfts­füh­rer-Anstel­lungs­ver­trag wer­den in der Regel vor einem ordent­li­chen Gericht (LG) ver­han­delt. Aus­nah­me: Z. B. der Fremd-Geschäfts­­­füh­rer einer Toch­ter­ge­sell­schaft, die de fac­to kei­ne eige­nen Geschäf­te führt, son­dern ledig­lich Auf­trä­ge der Zen­tra­le abar­bei­tet (Ver­triebs-GmbH). Dann darf der Geschäfts­füh­rer das Arbeits­ge­richt anru­fen. Und zwar immer dann, wenn eine arbeits­ver­trags­ähn­li­che Ver­ein­ba­rung abge­schlos­sen ist. Muss der Geschäfts­füh­rer laut Ver­trag Arbeit­neh­mer­auf­ga­ben über­neh­men, spricht das für eine Zustän­dig­keit des Arbeits­ge­richts (BAG, Urteil vom 26.10.2012, 10 AZB 60/12).

Für die Pra­xis: Ist das Arbeits­ge­richt zustän­dig, hat das für den Geschäfts­füh­rer Vor­tei­le: So ist zu prü­fen, ob ein Anschluss­ar­beits­ver­hält­nis vor­liegt, ob über­haupt gekün­digt wer­den kann und wel­che Frist für die Kün­di­gung gilt. Kommt es nicht zu einer Eini­gung, wird das „Arbeits­ver­hält­nis“ mit Zah­lung einer Abfin­dung beendet. 

BFH: Keine Chancen für Gewerbesteuer-Entlastung

Der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) hat jetzt über die Zuläs­sig­keit der Hinz­rech­nung von Zin­sen, Mie­ten, Pach­ten und Lizenz­ge­büh­ren bei der Ermitt­lung des Gewer­be­er­trags ent­schie­den. Fazit: Aus Sicht der Münch­ner Rich­ter ist die bestehen­de Rege­lung nicht zu bean­stan­den. Gleich­zei­tig liegt dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) eine Anfra­ge des Finanz­ge­richts (FG) Ham­burg in der glei­chen Sache vor. Es bleibt span­nend, wie das ent­spre­chen­de Nor­men­kon­troll­ver­fah­ren vor dem BVerfG aus­ge­hen wird (BFH, Beschluss vom 16.10.2012, I B 128/12).

Für die Pra­xis: Die Chan­cen, dass das BVerfG die bestehen­de Rege­lung aus­he­belt, sind u. E. sehr gering. Wer den­noch „hofft“, soll­te den Gewer­be­steu­er­be­scheid wei­ter offen halten. 

3 Befristungen über 11 Jahre mit Sachgrund sind zulässig

Laut Landesarbeits­gericht (LAG) Nürn­berg ist die Befris­tung des Arbeits­ver­hält­nis­se auch dann nicht rechts­miss­bräuch­lich, wenn meh­re­re (hier: 3) befris­te­te Arbeits­ver­hält­nis­se hinter­einander abge­schlos­sen wer­den und damit ins­ge­samt ein Zeit­raum von über 11 Jah­ren (hier: 11 Jah­re und 4 Mona­te) über­brückt wird (LAG Nürn­berg, Urteil vom 11.7.2012, 4 Sa 82/12).

Für die Pra­xis: Wesent­lich ist, dass die recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen, unter denen eine Befris­tung mög­lich ist, ver­trag­lich und tat­säch­lich ein­ge­hal­ten sind. Im Urteil wird aus­drück­lich ange­spro­chen, dass der sach­li­che Grund für die Befris­tung stim­mig sein muss. Im Ver­fah­ren ging es um einen wis­sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­ter, der für jeweils begrenz­te For­schungs­vor­ha­ben ein­ge­setzt wur­de. In ver­gleich­ba­ren Fäl­len (For­schung, Pro­jekt­ge­schäf­te) ist danach eine sol­che Mehr­fach-Befris­tung in der Pra­xis kein Problem.

Unzulässige Bewerber-Befragung

Nach einem neu­en Urteil des Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) muss ein Bewer­ber grund­sätz­lich kei­ne Aus­kunft über ein bereits ein­ge­stell­tes straf­recht­li­ches Ermitt­lungs­ver­fah­ren geben. Das gilt auch für die Beschäf­ti­gung in sen­si­blen Berei­chen (IT, Pro­dukt­ent­wick­lung). Der Bewer­ber ist berech­tigt auf ent­spre­chen­de Nach­fra­gen nicht zu ant­wor­ten oder sogar eine wahr­heits­wid­ri­ge Ant­wort zu geben (BAG, Urteil vom 15.11.2012, 6 AZR 339/ 11). 

Nach der Amtsniederlegung ist der (Mit-) Gesellschafter in der Pflicht

Legt der ein­zi­ge Geschäfts­füh­rer einer GmbH sein Amt nie­der (Schrei­ben an den/die (Mit-) Gesell­schaf­ter), ist er nicht mehr dazu berech­tigt, die Amts­nie­der­le­gung an das Han­dels­re­gis­ter zu mel­den. Dies ist Pflicht des (Mit-) Gesell­schaf­ters. Ver­säumt er das, kann das sogar zu Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen gegen ihn füh­ren. Zum Bei­spiel, wenn der aus­ge­schie­de­ne Geschäfts­füh­rer für Steu­er­schul­den in Anspruch genom­men wird (OLG Bam­berg, Urteil vom 26.6.2012, 1 W 29/12).

Für die Pra­xis: Der Geschäfts­füh­rer, der sein Amt nie­der­legt, soll­te unbe­dingt dar­auf ach­ten, dass er den Zugang der Mit­tei­lung über sei­ne Amts­nie­der­le­gung bewei­sen kann (Ein­schrei­ben mit Rück­schein, nota­ri­el­le Urkun­de). Ist kein zwei­ter Geschäfts­füh­rer vor­han­den, der die Mel­dung an das Han­dels­re­gis­ter vor­neh­men darf, muss der Gesell­schaf­ter die­se Mel­dung ein­rei­chen. Erst mit der Mel­dung und Ein­tra­gung der Amts­nie­der­le­gung ist sie amtlich.

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Vol­kelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Volkelt-Brief

 BISS Die Wirt­schafts-Sati­re > „Han­dels­blätt­chen“ > https://www.gmbh-gf.de/biss/handelsblattchen

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