Kategorien
Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 44/2012

The­men heu­te: Stra­te­gie: Regie­rungs­wech­sel kos­tet klei­ne­re Unter­neh­men + 14 % Steu­ern, gro­ße Unter­neh­men + 19 % mehr Steu­ern + Nach­fol­ge: Pflicht­ver­si­che­rung kas­siert zu schnell ab + Recht: Trotz Wett­be­werbs­ver­stoß darf der Geschäfts­füh­rer sein Gehalt behal­ten + Finan­zen: Haben Sie als Geschäfts­füh­rer auch ein Anrecht auf Kurz­ar­bei­ter­geld? – JA – wenn die Vor­aus­set­zun­gen stim­men + Steuer/Werbungskosten: Finanz­ge­richt macht Rück­zie­her bei steu­er­li­cher Aner­ken­nung von Prozess­kosten + Mitarbeiter/LOhnkosten: Schweiz straft Dum­ping-Löh­ne ab + BISS .….. die Wirt­schafts-Sati­re 

 44. KW 2012, Frei­tag, 2.11.2012

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

geht es nach Peer Stein­brück und dem Steu­er-Pro­gramm der SPD wird es nach einem Regie­rungs­wech­sel in 2013/2014 für klei­ne­re Unter­neh­men (GmbH, UG) zu einer Steu­er-Mehr­be­las­tung von 14 % kom­men. Das errech­ne­te jetzt das Zen­trum für Euro­päi­sche Wirt­schafts­for­schung (ZEW) anhand des vor­lie­gen­den SPD-Steu­er­­pro­gramms. Für klei­ne­re Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten (GmbH, UG) wird sich die geplan­te Anhe­bung der Abgel­tungs­steu­er von 25 auf 30 % aus­wir­ken. Laut Modell­rech­nung steigt die Belas­tung für ein Unter­neh­men mit einer Bilanz­sum­me von 4 Mio. EUR von 177.000 EUR auf 203.000 EUR. Neben der Belas­tung aus der Abgel­tungs­steu­er erge­ben sich Mehr­steu­ern aus den Plä­nen zur Wie­der­ein­füh­rung einer Ver­mö­gens­steu­er (min­des­tens 1 %) und der Anhe­bung des Spit­zen­steu­er­sat­zes von 42 auf 49 %. Für grö­ße­re Unter­neh­men errech­nen die ZEW-Steu­er­ex­per­ten eine Zusatz­be­las­tung um bis zu 19 % (Bei­spiel: Bilanz­sum­me 125 Mio. EUR, Steu­er­last bis­her: 5,5 Mio. EUR, Steu­er­last neu: 6,6 Mio. EUR).

Für die Pra­xis: Die Anhe­bung des Spit­zen­steu­er­sat­zes wird alle Ein­kom­men über 100.000 EUR im Jahr tref­fen. Bei­spiel: Bezieht der ledi­ge Geschäfts­füh­rer ein Monats­ein­kom­men von 15.000 EUR, steigt die monat­li­che Steu­er­be­las­tung um 554 EUR (Gesamt­jahr: 6.648 EUR). In der SPD gibt es aber auch star­ke Posi­tio­nen dafür, die Abgel­tungs­steu­er sogar auf 32 % zu erhö­hen oder – noch wei­ter gehend – Kapi­tal­erträ­ge nicht wei­ter pau­schal son­dern wie­der nach dem per­sön­li­chen Ein­kom­men­steu­er-Satz zu besteuern.

Pflichtversicherung kassiert bei GmbH-Nachfolgern zu schnell ab

Wenn der/die Junio­rIn in die Fir­ma ein­stei­gen soll, soll­ten Sie ein neu­es Urteil des LSG Saar­land ken­nen (Urteil vom 15.2.2012, L 2 KR 73/11). Und zwar dann, wenn der/die Senio­rIn sich zunächst die letz­te Ent­schei­dung vor­be­hal­ten will und er nur einen klei­ne­ren Anteil an der GmbH über­trägt. Eini­ge Kran­ken­kas­sen stu­fen den Nach­fol­ger auto­ma­tisch als „ver­si­che­rungs­pflich­tig“ ein und kas­sie­ren die Pflicht­bei­trä­ge für den Renten‑, Kran­ken- und Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rung ein. So ganz auto­ma­tisch geht das aber nicht. Sie kön­nen ver­lan­gen, dass Ihr Ein­zel­fall genau geprüft wird. Und zwar nach fol­gen­den Kriterien:

  1. Hält der Juni­or mehr als 50 % der Antei­le ist der Fall klar. Es besteht kei­ne Versicherungspflicht.
  2. Hält der Juni­or genau 50 % oder eine Min­der­heits­be­tei­li­gung ist zu prü­fen: Unter­liegt er einem Wei­sungs­recht? Kann er Gesell­schaf­ter­be­schlüs­se unter­bin­den? (Sperr­mi­no­ri­tät). Ist das nicht der Fall, ist er versicherungspflichtig.

Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten: Will der Juni­or als Mit­glied der gesetz­li­chen Pflicht­ver­si­che­rung Ansprü­che auf Ren­te (Min­dest­bei­trags­zah­lung: 60 Mona­te) und Arbeits­lo­sen­geld erwer­ben, soll­te die vor­ab über­tra­ge­ne Betei­li­gung an der GmbH auf jeden Fall unter 50 % lie­gen. Will der Juni­or aber schnellst­mög­lich aus dem (teu­ren) Sys­tem der Pflicht­ver­si­che­rung her­aus, soll­ten mög­lichst zügig mehr als 50 % der Antei­le über­tra­gen wer­den. Bean­tra­gen Sie dann umge­hend eine Prü­fung des sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Sta­tus des Juni­or-Geschäfts­füh­rers von der Kran­ken­kas­se

Für die Pra­xis: Wider­spruch gegen eine uner­wünsch­te Ein­stu­fung des Geschäfts­füh­rers zur Pflicht­ver­si­che­rung ist inner­halb einer Frist von einem Monat nach Bekannt­ga­be des Beschei­des schrift­lich oder zu Pro­to­koll bei der Stel­le ein­zu­rei­chen, die den Ver­wal­tungs­akt erlas­sen hat. Ohne Rechts­be­helfs­be­leh­rung ver­län­gert sich die Wider­spruchs­frist auf ein Jahr. Nach Ein­gang des Wider­spruchs wird erneut geprüft. Ist der Wider­spruch begrün­det, hebt die Wider­spruchs­stel­le den Bescheid auf und trifft selbst eine Ent­schei­dung. Die Kos­ten für die Ver­än­de­rung des Ver­wal­tungs­ak­tes trägt die Wider­spruchs­stel­le. Gebüh­ren und Aus­la­gen eines Anwalts oder sons­ti­gen Bevoll­mäch­tig­ten sind erstat­tungs­fä­hig. Für das Vor­ver­fah­ren ist grund­sätz­lich ein ermä­ßig­ter Gebüh­ren­rah­men von 30 bis 350 € zugrun­de zu legen. Der Wider­spruchs­be­scheid muss schrift­lich erge­hen. In den Bescheid ist die getrof­fe­ne Ent­schei­dung, deren Begrün­dung sowie eine Rechts­be­helfs­be­leh­rung auf­zu­neh­men. Gegen einen ableh­nen­den Wider­spruchs­be­scheid kön­nen Sie Kla­ge erhe­ben. Die Kla­ge ist bin­nen eines Monats nach Zustel­lung des Wider­spruchs­be­scheids zu erheben.

Trotz Wettbewerbsverstoß: Geschäftsführer darf sein Gehalt behalten

In fast allen Geschäfts­füh­rer-Anstel­lungs­ver­trä­gen ist ein nach­träg­li­ches Wett­be­werbs­ver­bot ver­ein­bart. Damit schützt sich die GmbH gegen eine Kon­kur­renz­tä­tig­keit des Geschäfts­füh­rers, wenn der aus der GmbH aus­schei­det oder man sich trennt. Hier gibt es ein Urteil, dass die Stel­lung des Geschäfts­füh­rers stärkt. Das gilt für alle Geschäfts­füh­rer­ver­trä­ge, wenn im Wett­be­werbs­ver­bot aus­drück­lich auf das gesetz­li­che Wett­be­werbs­ver­bot für Arbeit­neh­mer ver­wie­sen wird („Es gel­ten ent­spre­chend die Vor­schrif­ten des HGB gemäß § 74 ff.“). Ver­stößt der Geschäfts­füh­rer gegen das ver­trag­lich ver­ein­bar­te Wett­be­werbs­ver­bot, kann die betrof­fe­ne GmbH zwar Scha­dens­er­satz ver­lan­gen. Nicht aber auf das Gehalt zugrei­fen, dass der aus­ge­schie­de­ne Geschäfts­füh­rer in sei­ner neu­en Tätig­keit ver­dient (Bun­des­ar­beits­ge­richt, Urteil vom 17.10.2012, 10 AZR 809/11).

Für die Pra­xis: Prü­fen Sie Ihren Anstel­lungs­ver­trag. Ist dort ein nach­ver­trag­li­ches Wett­be­werbs­ver­bot ver­ein­bart und gibt es kei­nen Ver­weis auf die Rege­lun­gen des Han­dels­ge­setz­bu­ches (HGB), müs­sen Sie auf­pas­sen. Dann gilt die Rechts­la­ge gemäß ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung. Ist dort z. B. auf­ge­führt, dass das Gehalt beim neu­en Arbeit­ge­ber mit zum Scha­den gerech­net wird, ist u. U. der vol­le Zugriff auf das Gehalt mög­lich. Der Geschäfts­füh­rer kann sich dann nicht auf die oben beschrie­be­ne Vor­teils­si­tua­ti­on für Arbeit­neh­mer beru­fen. Aber: Gibt es die­sen Ver­weis auf § 74 ff. HGB, ist das neue Geschäfts­füh­rer-Gehalt im Fal­le eines nach­ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­sto­ßes geschützt. Umge­kehrt: Will die GmbH die Scha­dens­er­satz­pflicht bei einem Ver­stoß gegen ein ver­ein­bar­tes Wett­be­werbs­ver­bot gegen einen Mit­ar­bei­ter (auch: gegen einen Geschäfts­füh­rer) auch auf das damit ver­dien­te Gehalt aus­deh­nen, muss das aus­drück­lich im Wett­be­werbs­ver­bot so ver­ein­bart wer­den. Das soll­te Ihnen der Anwalt gerichts­fest im Arbeits- bzw. Anstel­lungs­ver­trag formulieren.

Haben Sie als Geschäftsführer Anspruch auf Kurzarbeitergeld? 

GmbH-Geschäfts­füh­rer ohne eige­ne Betei­li­gung an der GmbH sind in der Regel sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Arbeit­neh­mer. Sie zah­len Pflicht­bei­trä­ge in die Sozi­al­kas­se und haben dafür Anspruch auf deren Leis­tun­gen (Ren­te, Arbeits­lo­sen­geld usw.). Für den Gesell­schaf­ter-Geschäfts­­­füh­rer ist der Rechts­an­spruch auf die­se Leis­tun­gen schwie­ri­ger durch­zu­set­zen. Nach einem Grund­satz­ur­teil des Bun­des­so­zi­al­ge­richts hat auch der Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer z. B. Anspruch auf Insol­venz­geld. Vor­aus­set­zung: Er hat weder die Mehr­heit der Geschäfts­an­tei­le (>  50 %), hat kei­ne Sperr­mi­no­ri­tät und unter­liegt regel­mä­ßig der Kon­trol­le der Gesell­schaf­ter (Grund­satz­ur­teil: BSG mit Urteil vom 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R).

Für die Pra­xis: Wich­tig ist die rich­ti­ge Aus­ge­stal­tung der Ver­trä­ge. Der Gesell­schafts­ver­trag muss kla­re Beschluss­mehr­hei­ten fest­le­gen. Am bes­ten ist es, wenn für alle Beschlüs­se  die ein­fa­che Mehr­heit vor­ge­schrie­ben ist (mit Aus­nah­me der Beschlüs­se, für die das Gesetz eine ¾‑Mehrheit    oder Ein­stim­mig­keit vor­schreibt). Vor­teil­haft ist es, einen aus­führ­li­chen Kata­log zustim­mungs­be­dürf­ti­ger Geschäf­te auf­zu­lis­ten – das sind die Geschäf­te, die der Geschäfts­füh­rer nur mit aus­drück­li­cher Zustim­mung durch die Gesell­schaf­ter täti­gen darf. Außer­dem soll­te im Geschäfts­füh­rer-Anstel­lungs­­­ver­trag eine kla­re Arbeits­zeit­re­ge­lung ver­ein­bart sein. Wenn Sie das ein­hal­ten, besteht ein Rechts­an­spruch auf Insol­venz­geld. Unter den oben genann­ten Vor­aus­set­zun­gen kann sogar ein Rechts­an­spruch auf Kurz­ar­bei­ter­geld für den Geschäfts­füh­rer durch­ge­setzt wer­den (so z. B.: Sozi­al­ge­richt Kas­sel mit Urteil vom 23.3.2006, S 11 AL 1435/03, Quel­le: DER BETRIEB 2006, Sei­te 1567).

Rückzieher bei steuerlicher Anerkennung von Prozesskosten

Pro­zess­kos­ten wer­den steu­er­lich aner­kannt, wenn sie betrieb­lich ver­an­lasst (Betriebs­aus­ga­ben) oder zwangs­läu­fig (außer­ge­wöhn­li­che Belas­tung) sind. Das muss im Ein­zel­fall geprüft wer­den (FG Ham­burg, Urteil vom 24.9.2012, 1 K 195/11).

Für die Pra­xis: Zuvor hat­te der Bun­des­fi­nanz­hof die unein­ge­schränk­te steu­er­li­che Abzugs­fä­hig­keit von Pro­zess­kos­ten zuge­las­sen. Die Finanz­ver­wal­tung hat­te per Nicht­an­wen­dungs­er­lass aber unter­bun­den, dass die Steu­er­zah­ler das nut­zen konn­ten. Jetzt schafft das FG Ham­burg eine neue Rechts­la­ge. Geschäfts­füh­rer, die um ihren Job pro­zes­sie­ren müs­sen und dabei zumin­dest eine gewis­se Erfolgs­wahr­schein­lich­keit haben, kön­nen die Pro­zess­kos­ten aber als außer­ge­wöhn­li­che Belas­tung (§ 33 ff. EStG) anset­zen.

Schweiz straft Dumping-Löhne ab

Unter­neh­men, die ihre Mit­ar­bei­tern bei Auf­trä­gen in der Schweiz unter dem Min­dest­lohn zah­len, bekom­men kei­ne Auf­trä­ge mehr. So ver­häng­ten die Schwei­zer Behör­den jetzt gegen Bil­fin­ger Ber­ger eine zwei­jäh­ri­ge Auf­trags­sper­re, weil 15 Arbei­ter zu nied­rig ver­gü­tet wurden.

Für die Pra­xis: Infor­ma­tio­nen und Berech­nung der in der Schweiz übli­cher­wei­se gezahl­ten Löh­ne und Min­dest­löh­ne gibt es von der Schwei­ze­ri­schen Eid­ge­nos­sen­schaft unter www.entsendung.admin.ch .  

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Vol­kelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Volkelt-Brief

Schreibe einen Kommentar