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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 39/2011

deut­sches Arbeits­recht wird stren­ger – Über­zie­hung von Pau­sen + EU plant neue Leit­li­ni­en auch für KMU + Geschäfts­füh­rer ist zustän­dig für IT-Sicher­heit + BFH erwei­tert Steu­er-Abzugs­mög­lich­keit für Aus­bil­dungs­kos­ten + Pro­jekt­be­zo­ge­ne Gesell­schaf­ter-Dar­le­hen + Gewer­be­steu­er für Zin­sen und Lizenz­ge­büh­ren + GF-Geburts­tag wei­ter­hin nur aus­nahms­wei­se steu­er­be­güns­tigt + BISS …

The­men heu­te: deut­sches Arbeits­recht wird stren­ger – Über­zie­hung von Pau­sen + EU plant neue Leit­li­ni­en auch für KMU + Geschäfts­füh­rer ist zustän­dig für IT-Sicher­heit + BFH erwei­tert Steu­er-Abzugs­mög­lich­keit für Aus­bil­dungs­kos­ten + Pro­jekt­be­zo­ge­ne Gesell­schaf­ter-Dar­le­hen + Gewer­be­steu­er für Zin­sen und Lizenz­ge­büh­ren + GF-Geburts­tag wei­ter­hin nur aus­nahms­wei­se steu­er­be­güns­tigt + BISS

39. KW 2011
Frei­tag, 30.9.2011

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

ers­te Signa­le zur Neu­ori­en­tie­rung der Recht­spre­chung der deut­schen Arbeits­gerichte waren die Urtei­le zur Kün­di­gung von Mit­ar­bei­ter wegen sog. Baga­tell-Delik­te, etwa bei der Unter­schla­gung von Bons oder die unbe­fug­te Mit­nah­me von gering­wer­ti­gen oder aus­ge­mus­ter­ten Waren. Nun häu­fen sich Urtei­le, die einen kor­rek­ten Umgang mit der Arbeits­zeit ver­lan­gen, zuletzt zur Kün­di­gung  bei der Über­zie­hung von Pau­sen (vgl. Nr. 31/2011).

Jetzt hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schie­den: Sie dür­fen einen Mit­ar­bei­ter kün­di­gen, wenn er die Zeit für die Park­platz­su­che auf die Arbeits­zeit auf­schlägt – und zwar frist­los und ohne vor­he­ri­ge Abmah­nung (BAG, Urteil vom 9.6.2011, 2 AZR 381/10).

Für die Pra­xis: Vor­aus­set­zung ist, dass Sie Ihre Arbeits­zeit-Vor­ga­ben in den Arbeits­ver­trä­gen mit Ihren Mit­ar­bei­tern exakt vor­ge­ben und dass Sie dar­auf hin­wei­sen, dass bei einem Ver­stoß eine Kün­di­gung aus­ge­spro­chen wird. Ver­trag­lich geklärt sein muss: Wann beginnt und endet die  Arbeits­zeit? („an der Arbeits­stel­le“), Gibt es einen Hin­weis auf die Rechts­fol­gen? („bewuss­tes unter­las­sen oder mani­pu­lie­ren der Zeit­er­fas­sung stellt eine schwer­wie­gen­de Pflicht­ver­let­zung dar, die arbeits­recht­li­che Kon­se­quen­zen nach sich zieht“). Pas­sen Sie die Arbeits­ver­trä­ge für Neu­ab­schlüs­se ent­spre­chend an bzw. wei­sen Sie die Mit­ar­bei­ter expli­zit noch­mals auf die Moda­li­tä­ten Ihrer Arbeits­zeit-Erfas­sung hin.

EU-Kommission plant neue Leitlinien auch für KMU

Die EU-Kom­mis­si­on prüft der­zeit, inwie­weit die Regeln zur guten Unternehmens­führung und ‑über­wa­chung (sog. Cor­po­ra­te Gover­nan­ce) auch für nicht bör­sen-notier­te Unter­neh­men ver­bind­lich gemacht wer­den sol­len. Danach müss­ten die Geschäfts­füh­rer mit­tel­stän­di­scher Unter­neh­men, die in einem Unter­neh­mens­ver­bund Geschäf­te mit­ein­an­der abwi­ckeln, exter­ne Bera­ter und die Gesell­schaf­ter stär­ker in die ope­ra­ti­ven Geschäf­te ein­be­zie­hen. Kon­kret: Für Trans­ak­tio­nen mit „nahe ste­hen­den“ Unter­neh­men soll exter­ner Sach­ver­stand  und die aus­drück­li­che Zustim­mung der Gesell­schaf­ter ver­pflich­tend ein­ge­führt werden.

Für die Pra­xis: Die EU-Kom­mis­si­on will mit dem aktua­li­sier­ten Grün­buch Cor­po­ra­te Gover­nan­ce (Quel­le: KOM 2011 164/3) euro­pa­weit ein­heit­li­che Leit­li­ni­en für bör­sen-notier­te und zum Teil auch für alle nicht-bör­sen-notier­ten Unter­neh­men ein­füh­ren. Ziel der EU-Kom­mis­si­on ist es wei­ter­hin, dass die Leit­re­geln auch in den natio­na­len Geset­zen umge­setzt wer­den. Das bedeu­tet: Der bis­lang frei­wil­li­ge Kodex zur „guten“ Unter­neh­mens­füh­rung wird rechts­ver­bind­lich und für Unter­neh­mens­lei­ter damit       haf­tungs­re­le­vant. Der Rechts­aus­schuss des Bun­des­ta­ges lehnt die damit ver­bun­de­ne Über­re­gu­lie­rung von Unter­neh­men bis­lang noch ab.

Geschäftsführung ist zuständig für Internet-Sicherheit 

Als Geschäfts­füh­rer sind Sie ver­ant­wort­lich dafür, dass das Ver­mö­gen des Unter­neh­mens bzw. der Gesell­schaf­ter geschützt wird. So ist es z. B. im Ein­kauf, bei der Auf­trags­ver­ga­be oder im Zah­lungs­ver­kehr not­wen­dig, nicht nur stich­pro­ben­ar­ti­ge Kon­trol­len ein­zu­rich­ten, son­dern vor­beu­gen­de Maß­nah­men zu ergrei­fen (Vier-Augen-Prin­zip, Informationsverpflichtungen).

Alar­mie­rend sind jetzt die neu­es­ten Zah­len zur Inter­net-Kri­mi­na­li­tät: Unter­des­sen mel­den 53 % aller Fir­men kri­mi­nel­le Vor­komm­nis­se im Web. Das beginnt beim Klau von Fir­men­da­ten, der unbe­rech­tig­ten Nut­zung von Fir­men-Daten­ban­ken, das Aus­spio­nie­ren von Fir­men-Kar­ten und Kon­ten und reicht über die  anony­me Bestel­lung von Waren ohne Zah­lung bis zur Ver­öf­fent­li­chung fal­scher Fir­men-Bilan­zen, um Boni­tät vor­zu­täu­schen. Nur bei ca. 20 % der mitt­le­ren und klei­ne­ren Betrie­be steht das The­ma Sicher­heit im Inter­net auf der Agen­da. Im Klar­text: 80 % aller mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men haben kei­ner­lei Vor­sor­ge gegen kri­mi­nel­le Akti­vi­tä­ten getroffen. 

Für die Pra­xis: Sor­gen Sie dafür, dass die IT-Sicher­heits-Stan­dards in Ihrer GmbH stets dem neu­es­ten Stand der Tech­nik ent­spre­chen. Las­sen Sie sich dazu regel­mä­ßig (halb­jähr­lich) einen Bericht des IT-Ver­ant­wort­li­chen vor­le­gen, inkl. aller regel­mä­ßi­gen upgrade-Maß­nah­men (Zugriffs­be­rech­ti­gun­gen, Fire­wall). Erwar­ten Sie, dass die IT exter­ne Schu­lun­gen besucht und alle Mit­ar­bei­ter regel­mä­ßig über neue Sicher­heits-Stan­dards und even­tu­el­le Sicher­heits­lü­cken informiert.

BFH erweitert Steuerabzugs-Möglichkeit für Ausbildungskosten

Nach dem Grund­satz­ur­teil des Bun­des­fi­nanz­hofs (BFH) zur steu­er­li­chen Abzugs­fä­hig­keit von Aus­bil­dungs­kos­ten (vgl. Nr. 34/2011) legt das höchs­te deut­sche Steu­er­ge­richt jetzt nach: Danach müs­sen Aus­bil­dungs­kos­ten auch dann als Wer­bungs­kos­ten bzw. als Ver­lust­vor­trag steu­er­lich aner­kannt wer­den, wenn die beruf­li­che Tätig­keit anschlie­ßend im Aus­land auf­ge­nom­men wird. Im Klar­text: Auch wenn der Juni­or zunächst als Geschäfts­füh­rer in einer aus­län­di­schen Toch­ter­ge­sell­schaft tätig wird, muss das Finanz­amt des­sen Aus­bil­dungs­kos­ten steu­er­lich aner­ken­nen (BFH, Urteil vom 28.7.2011, VI R 5/10).

Für die Pra­xis: Noch wehrt sich das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um gegen die­se neue Rechts­la­ge.  Aber: Solan­ge es kei­ne offi­zi­el­le Geset­zes­än­de­rung gibt, wird der Bun­des­fi­nanz­hof dar­auf bestehen, dass die Erst-Aus­bil­dungs­kos­ten steu­er­lich aner­kannt wer­den müs­sen. Das soll­ten Sie bei der Nach­fol­ge-Pla­nung nut­zen. Beach­ten Sie dazu unse­re Hin­wei­se aus Vol­kelt-Brief Nr. 34/2011).

Projektbezogene Gesellschafter-Darlehen oder Sicherheiten sind kein Eigenkapital

Über­lässt der Gesell­schaf­ter sei­ner GmbH ein Dar­le­hen zur Abwick­lung eines bestimm­ten Pro­jekt­ge­schäf­tes (hier: Immo­bi­li­en­er­werb) ist dies in der Kri­se der GmbH nicht auto­ma­tisch wie Eigen­ka­pi­tal zu behan­deln. Hier ist im Ein­zel­fall zu prü­fen, ob es sich um ein abgrenz­ba­res Pro­jekt­ge­schäft han­delt, wie das Geschäft doku­men­tiert und buch­hal­te­risch abge­wi­ckelt wur­de. Auf kei­nen Fall darf der Insol­venz­ver­wal­ter das Dar­le­hen bzw. die Sicher­heit auto­ma­tisch wie haf­ten­des Eigen­ka­pi­tal behan­deln (OLG Mün­chen, Urteil vom 8.6.2011, 7 U 5084/10).

Für die Pra­xis: Nach alter Rechts­la­ge (hier: vor der GmbH-Reform 2008) wäre zunächst zu prü­fen gewe­sen, ob das Dar­le­hen „Eigen­ka­pi­tal erset­zend“ (§ 32b GmbH-Gesetz) ist. Für sol­che Alt­fäl­le gilt: NEIN – der Ein­zel­fall muss geprüft wer­den. Eine sol­che Pro­jekt-Finan­zie­rung ist nicht auto­ma­tisch Eigen­ka­pi­tal erset­zend. Das Urteil betraf einen sol­chen Alt­fall. Seit 2008 gilt: Pro­jekt­be­zo­ge­ne Gesell­schaf­ter­fi­nan­zie­run­gen gehö­ren zur Haf­tungs­mas­se, wenn die­se in einem engen zeit­li­chen Zusam­men­hang ste­hen (§ 135 InsO). Fol­ge: Der Gesell­schaf­ter kann in der Kri­se das Dar­le­hen nicht zurück­for­dern bzw. bei Über­nah­me einer Sicher­heit muss er die­se in der Kri­se der GmbH ein­lö­sen und – auch nach­träg­lich – in die Insol­venz­mas­se einbringen.

Zinsen und Lizenzgebühren in europaweit verbundenen Unternehmen zählen bei der Gewerbesteuer

Nach einem Urteil des Euro­päi­schen Gerichts­hofs (EuGH) dür­fen Zin­sen und Lizenz­ge­büh­ren, die ein deut­sches Unter­neh­men an die aus­län­di­sche Kon­zern­ge­sell­schaft zahlt, bei der Bemes­sungs­grund­la­ge für die Gewer­be­steu­er hin­zu­ge­rech­net wer­den (EuGH, Urteil vom 21.7.2011, Rs. C‑397/09).

Für die Pra­xis: Das gilt auch dann, wenn zwi­schen den Kon­zern-Unter­neh­men sog. Ergebnis­abführungsverträge bestehen. Die Steu­er­ho­heit zur Erhe­bung der Gewer­be­steu­er und zur Fest­le­gung der Bemes­sungs­grund­la­ge für die Gewer­be­steu­er inkl. Zin­sen und Lizenz­ge­büh­ren ist gene­rell nicht zu beanstanden.

Kosten für Geschäftsführer-Geburtstag können nur ausnahmsweise als Werbungskosten/ Betriebsausgaben abgesetzt werden

Ob die Kos­ten für die Geburts­tags­fei­er des Geschäfts­füh­rers Wer­bungs­kos­ten sind, ist nach den Umstän­den des Ein­zel­fal­les zu beur­tei­len. Dazu genügt es nicht, wenn sämt­li­che Mit­ar­bei­ter und eini­ge aus­ge­wähl­te Geschäfts­kun­den ein­ge­la­den sind (FG Müns­ter, Urteil vom 12.5.2011, 10 K 1643/10 E).

Für die Pra­xis: Wich­tig ist, dass die „GmbH“ ein­lädt, und zwar offi­zi­ell, auf deren Brief­bo­gen mit Unter­zeich­nung durch alle Geschäfts­füh­rer. Wenn Sie sicher gehen wol­len, dass ein Wer­bungs­kos­ten­ab­zug zuge­las­sen wer­den soll, soll­ten Sie auch – soweit in den Räu­men der GmbH mög­lich – dort feiern.

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Vol­kelt 

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur der Volkelt-Brief

BISS > Die Wirt­schafts­sa­ti­re > https://www.gmbh-gf.de/biss/rettung

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