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Volkelt-Brief 34/2016

Volkelt-FB-0110 Jah­re AGG: Es kommt noch schlim­mer + Natur­ge­wal­ten: Insol­venz­an­trags­pflicht soll ver­län­gert wer­den + CDU star­tet in den Wahl­kampf: 3‑Stu­fen-Modell zur Steu­er­ent­las­tung + Fami­li­en-GmbH: Ver­samm­lungs­lei­ter sitzt gut + Arbeits­platz GmbH: Kunst als Wohl­fühl­fak­tor + Mit­ar­bei­ter: Arbeits­ge­rich­te prü­fen Face­book-Kom­men­ta­re ganz genau + BISS

 

 

 

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Frei­burg 19. August 2016

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

seit 18. August 2006 ist das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) in Kraft. Zu die­sem Jubi­lä­um hat die Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­stel­le des Bun­des ein Gut­ach­ten in Auf­trag gege­ben, um nach­zu­prü­fen inwie­weit die mit dem Gesetz beab­sich­tig­ten Zie­le erreicht wur­den. Fazit der Stu­die des Ber­li­ner Büros für Recht und Wis­sen­schaft: „Es muss nach­jus­tiert wer­den“. Auf­hor­chen lässt die For­de­rung der Gut­ach­ter, Ver­bän­den und Betriebs­rä­ten weit rei­chen­de, zusätz­li­che Rech­te ein­zu­räu­men, mit denen sie die Umset­zung der AGG-Vor­schrif­ten in den Betrie­ben stär­ker beein­flus­sen, bes­ser kon­trol­lie­ren und ein­fa­cher gericht­lich nach­prüfen las­sen können.

Die Gut­ach­ter gehen sogar noch wei­ter: Ähn­lich wie die Frau­en­quo­te oder die Vor­ga­ben zur Ein­stel­lung von Men­schen mit Behin­de­run­gen, wol­len sie für wei­te­re dis­kri­mi­nie­rungs-bedroh­te gesell­schaft­li­che Grup­pen (Migran­ten, Min­der­hei­ten, älte­re Men­schen) Quo­ten­re­ge­lun­gen vor­ge­ben. Pro­blem für klei­ne­re Unter­neh­men: Vie­le kön­nen Quo­ten­vor­ga­ben nicht ein­hal­ten – z. B., weil sie spe­zi­el­le Qua­li­fi­ka­tio­nen brau­chen, für die es kei­ne geeig­ne­ten Bewer­ber gibt.

Die meis­ten Unter­neh­men geben an, dass sich die Vor­schrif­ten aus dem AGG auf das Ein­stel­lungs­ver­fah­ren aus­ge­wirkt haben. So wer­den die For­mu­lie­run­gen in den Stel­len­aus­schrei­bun­gen und im Absa­ge-Schrei­ben neu­tra­ler gefasst bzw. es wird auf die Anga­be von Grün­den ver­zich­tet. Vie­le Bewer­ber hat­ten bis dahin Wert dar­auf gelegt, die Ableh­nungs­grün­de zu erfah­ren, um für wei­te­re Bewer­bun­gen zu ler­nen. Auf die kon­kre­te Aus­wahl der Bewer­bung und die Pra­xis der Stel­len­be­set­zung hat­te und hat das AGG aber bei wei­tem nicht den Ein­fluss, den man sich in der Poli­tik ver­spro­chen hat­te. In der Pra­xis wur­de und wird in der Regel nach Leis­tungs­pro­fil ein­ge­stellt. Die neu­er­li­chen Vor­schlä­ge zum AGG klin­gen so in ers­ter Linie nach mehr Bürokratie.

Natur-Gewalten: Insolvenzantragspflicht soll verlängert werden

Über­flu­tun­gen, Orka­ne, Hagel­schä­den: Immer öfter sind Unter­neh­men betrof­fen, u. U. exis­ten­zi­ell. Pro­blem: Die Scha­denser­mitt­lung ist auf­wen­dig und oft nur unter erschwer­ten Bedin­gun­gen mög­lich. Recht­li­ches Pro­blem: Ist das Unter­neh­men auf­grund des Scha­dens zah­lungs­un­fä­hig oder über­schul­det, muss der Geschäfts­füh­rer inner­halb von 3 Wochen Insol­venz­an­trag stel­len (§ 15a InsO). Unter­lässt er das, macht er sich u. U. straf­bar. Bei Groß­schä­den ist es kaum mög­lich, so schnell exak­te Zah­len zu ermit­teln. Dazu gibt es jetzt einen Vor­stoß aus Bay­ern: Danach soll die Insol­venz­an­trags­frist auf 6 Mona­te ver­län­gert wer­den, wenn die Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder Über­schul­dung unmit­tel­bar in Folge von Hoch­was­ser, Stark­re­gen, Erd­rutsch, Lawi­ne, Orkan oder ande­ren Natur­ka­ta­stro­phen ein­ge­tre­ten ist (Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um Bay­ern, PM 91/16).

Das baye­ri­sche Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um greift Tat einen für Unter­neh­mer wich­ti­gen Punkt auf. Scha­denser­mitt­lung, Sanie­rungs- und Finan­zie­rungs­be­mü­hun­gen brau­chen unter Extrem­bedingungen Rechts­si­cher­heit für die betrof­fe­nen Ent­schei­der. Eine Aus­nah­me­re­ge­lung wür­de gera­de auch für den GmbH-Geschäfts­füh­rer deut­lich weni­ger per­sön­li­ches Risi­ko bedeuten.

CDU startet in den Wahlkampf: 3‑Stufen-Modell zur Steuerentlastung

Es sind Vor­wahl-Kampf­zei­ten. Die Par­tei­en posi­tio­nie­ren sich (vgl. Nr. 28/2016). Jetzt hat die CDU-nahe Mit­tel­stands­ver­ei­ni­gung die Initia­ti­ve ergrif­fen. Auch der CDU-Wirt­schafts­rat will eine klei­ne Steu­er-Reform. Der Rück­halt von Schäub­le scheint gesi­chert. Inso­fern ist die neue Steu­er-Initia­ti­ve ernst zu neh­men. Aller­dings geht es nicht um Unter­neh­mens­steu­ern. Als Pri­vat-Per­son dür­fen auf Sie mit die­sen Ver­bes­se­run­gen rechnen:

  • 1. Stu­fe 2018 „Das Steu­er­sys­tem ein­fa­cher machen“: Dazu soll der Wer­bungs­kos­ten­pausch­be­trag von 1.000 auf 2.000 EUR ver­dop­pelt wer­den. Dies kann von der neu­en Koali­ti­on in einem 100-Tage-Pro­gramm leicht und schnell umge­setzt wer­den. Damit wür­den künf­tig zwei Drit­tel der ver­an­lag­ten Steu­er­pflich­ti­gen erfasst. Die meis­ten von Ihnen wür­den Steu­ern spa­ren und es ent­fällt für alle bis zu die­ser Gren­ze die Not­wen­dig­keit, Wer­bungs­kos­ten zu berech­nen und nach­zu­wei­sen (Steu­er­min­der­ein­nah­men: 7,5 Mrd. EUR, Quel­le: Raffelhüschen).
  • 2. Stu­fe 2019 „Das Steu­er­sys­tem leis­tungs­freund­li­cher machen“: Dazu soll der Mit­tel­stands­bauch abge­flacht und der Spit­zen­steu­er­satz so ver­scho­ben wer­den, dass er nicht schon nahe beim Durch­schnitts­ein­kom­men greift. Um in 2020 auf die Ent­las­tungs­wir­kung zu kom­men, könn­te der Grenz­steu­er­satz für das Ende der 1. Pro­gres­si­ons­zo­ne von 24 auf 20 % abge­senkt wer­den, der Tarif­ver­lauf wird fla­cher. Das Ende der 2. Pro­gres­si­ons­zo­ne wird von Ein­kom­men von 53.666 EUR (wo bis­her der Spit­zen­steu­er­satz mit 42 % liegt) auf 60.000 EUR ver­scho­ben (Steu­er­min­der­ein­nah­men: 25,8 Mrd. EUR, kumu­lier­te Wir­kung, Stu­fe 1+2: 32,4 Mrd. EUR)
  • 3. Stu­fe 2020 „Das Steu­er­sys­tem fami­li­en­freund­li­cher machen“: Dazu soll der Grund­frei­be­trag für Erwach­se­ne auch für Kin­der gel­ten. Damit von die­ser fami­li­en-freund­li­chen Rege­lung nicht nur obe­re Ein­kom­mens­klas­sen pro­fi­tie­ren, ist es gebo­ten zusätz­lich das Kin­der­geld ange­mes­sen zu erhö­hen (Steu­er­min­der­ein­nah­men durch Erhö­hung des Grund­frei­be­trags: 4,5 Mrd. EUR, kumu­lier­te Wir­kung Stu­fe 1+2+3: 33 Mrd. EUR, maxi­ma­le Mehr­aus­ga­ben durch ver­gleich­bar erhöh­tes Kin­der­geld: 7,7 Mrd. EUR, Quel­le: MIT-Schätzung)
Das sind ehr­gei­zi­ge Vor­ga­ben, die der Uni­on einen gehö­ri­gen Ein­stiegs­vor­teil in den Wahl­kampf 2017 brin­gen. Mit den höhe­ren Grund­frei­be­trä­gen, dem Anti-Pro­gres­si­ons­vor­schlag und der Fami­li­en-Kom­po­nen­te besetzt die­ser Maß­nah­men-Kata­log gleich 3 Wahl­kampf­the­men und hat damit für fast jeden pri­va­ten Steu­er­zah­ler etwas im Port­fo­lio. Für die ande­ren Par­tei­en wird es nicht leicht wer­den, die­ses Pro­gramm zu top­pen. Kein schlech­ter Schach­zug zu einem geschickt gewähl­ten Zeitpunkt.

Familien-GmbH: Versammlungsleiter sitzt gut

In vie­len mit­tel­stän­di­schen GmbHs ist per Gesell­schafts­ver­trag einer der Gesell­schaf­ter zum Lei­ter der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung bestimmt. Damit soll der pro­fes­sio­nel­le Ablauf der Ver­samm­lung sicher­ge­stellt wer­den. Das gibt auch immer dann Sinn, wenn die übri­gen Gesell­schaf­ter kei­ne oder nur wenig geschäft­li­che Erfah­rung haben und sich auch nicht wei­ter in der GmbH enga­gie­ren wol­len. Eine sol­che Rege­lung führt aber zu Pro­ble­men, wenn es zwi­schen den Gesell­schaf­tern zu Kon­flik­ten kommt – z. B. wenn Fami­li­en-Stäm­me im Lau­fe der Jah­re unter­schied­li­che Posi­tio­nen einnehmen.

Ist im Gesell­schafts­ver­trag ein Son­der­recht zur Lei­tung der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung ein­geräumt, müs­sen Sie ein Urteil des BGH beach­ten: „Will ein Gesell­schaf­ter den Ver­samm­lungs­lei­ter abwäh­len, hat der per Gesell­schafts­ver­trag zur Ver­samm­lungs­lei­tung beauf­trag­te Gesell­schaf­ter grund­sätz­lich Stimm­recht“. Auch, wenn es bei der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung um Tages­ord­nungs­punk­te geht, die ihn betref­fen – also z. B. sei­ne Abbe­ru­fung als Geschäfts­füh­rer (vgl. BGH, Urteil vom 21.6.2010, II ZR 230/08). Also auch dann, wenn der Gesell­schaf­ter in eige­ner Sache abstimmt, hat er Stimm­recht, wenn es um die Beset­zung der Versammlungs­leitung geht. Fak­tisch heißt das: Ist der Mehr­heits­ge­sell­schaf­ter (Anteil > 50 %) per Gesell­schafts­ver­trag zum Ver­samm­lungs­lei­ter bestellt, ist er nicht abwähl­bar. Er hat damit Mög­lich­kei­ten, kraft Amtes als Ver­samm­lungs­lei­ter zum Mani­pu­lie­ren, etwa bei der Zutei­lung des Rede­rechts, bei Beschluss­an­trä­gen und er kann Ein­fluss auf die Protokoll­führung nehmen.

Solan­ge die Gesell­schaf­ter an einem Strang zie­hen, ist ein Son­der­recht auf Ver­samm­lungs­lei­tung kein Pro­blem. Besteht aber der Ein­druck, dass der Mehr­heits-Gesell­schaft kraft Amt mani­pu­liert, soll­ten Sie sich pro­fes­sio­nel­len Rat mit in die Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung mit­neh­men, z. B. Ihren Anwalt des Ver­trau­ens. Las­sen die ande­ren Gesell­schaf­ter das nicht zu (z. B. durch einen ableh­nen­den Gesell­schaf­ter­be­schluss), las­sen Sie sich durch den Anwalt ver­tre­ten – die­ses Ver­tre­tungs­recht kön­nen die Gesell­schaf­ter nicht ver­hin­dern. Wird z. B. der neue Gesell­schafts­ver­trag für ein Gemein­schafts­un­ter­neh­men ver­ein­bart, soll­ten Sie skep­tisch wer­den, wenn Ihr Koope­ra­ti­ons­part­ner das Son­der­recht zur Ver­samm­lungs­lei­tung im Gesell­schafts­ver­trag für sich bean­sprucht. Bes­ser: Ver­ein­ba­ren Sie wech­seln­de Versammlungs­leitung der Gesell­schaf­ter  –  z. B. abwech­selnd. Dann hat auch der Min­der­heits-Gesell­schaf­ter Anspruch auf Ver­samm­lungs­lei­tung und kann z. B. durch eine Ver­schie­bung der TOPs (etwa wegen Zeit­über­schrei­tung der Dis­kus­si­on) zu sei­nen Guns­ten „mani­pu­lie­ren“.

Arbeitsplatz GmbH: Kunst als Wohlfühlfaktor

Unbe­strit­ten ist, dass eine ästhe­ti­sche Arbeits­um­ge­bung Wohl­füh­len erzeugt und so zur Leis­tungs­stei­ge­rung des Teams bei­trägt. Das beginnt mit dem ergo­no­mi­schen Arbeits­platz und reicht bis zur Ein­rich­tung von Räu­men und der Archi­tek­tur von Gebäu­den. Wich­tig ist, dass Sie den Stil fin­den, der zu Ihrem Unter­neh­men passt. Über dies kön­nen Sie Künst­ler (Bil­den­de Künst­ler, Autoren) gele­gent­lich in Ihr Haus ein­la­den, damit sie aus ihrer Sicht einen künst­le­ri­schen Bei­trag für Ihr Unter­neh­men leis­ten. Sie kön­nen Ihr Unter­neh­men zum Aus­stel­lungs­raum für Bil­der, Fotos, Skulp­tu­ren oder Objek­te machen. Oder Sie schaf­fen die Kunst­wer­ke an, mit denen Sie sich schon längst ein­mal umge­ben woll­ten. Die Gren­zen set­zen nur Ihre Phan­ta­sie und das Bud­get. Fest steht: Der Wohl­fühl­fak­tor Kunst ist längst nicht mehr nur in Büro­eta­gen gefragt. Er spielt auch eine Rol­le zwi­schen Maschi­nen­parks und in Fabrikhallen.

Das Finanz­amt kommt Ihnen bei der Kunst ent­ge­gen. Für Gebrauchs­kunst (ohne erwart­ba­re Wert­stei­ge­rung) gibt es den Vor­steu­er­ab­zug und in der Regel eine AfA über 15 Jah­re. Anders für aner­kann­te Kunst: Wegen zu erwar­ten­der Wert­stei­ge­rung gibt es kei­ne AfA. Ver­kaufs­ge­win­ne muss die GmbH ver­steu­ern. Vor­steu­er­ab­zug ist gege­ben. Wer mit Kunst spe­ku­liert, soll­te das aber im Pri­vat­ver­mö­gen. Alter­na­ti­ve: Wird Kunst ledig­lich gemie­tet, schla­gen die Raten sofort als Betriebs­aus­ga­ben zu Buche.

Arbeitsgerichte prüfen Facebook-Kommentare ganz genau

Wer glaubt, Rich­ter könn­ten Face­book (FB) – Ein­trä­ge nicht lesen oder inter­pre­tie­ren, muss umden­ken. In  einem Kün­di­gungs­fall um Belei­di­gun­gen eines Vor­ge­setz­ten auf der Face­book-Chro­nik eines Mit­ar­bei­ters mach­te sich das Gericht die Mühe, die ver­wen­de­ten Emo­ti­cons (Hier: „Bären­kopf“ oder „Mon­key-Face“) im Kon­text zu lesen. Ergeb­nis: Auch die spe­zi­el­le FB-Kom­mu­ni­ka­ti­ons-Sym­bo­lik kann den Tat­be­stand der Belei­di­gung erfül­len und damit Grund für eine ordent­li­che oder sogar außer­or­dent­li­che Kün­di­gung sein (Landesarbeits­gericht Baden-Würt­tem­berg, Urteil vom 22.6.2016, 4 Sa 5/16).

Das Urteil soll­te ein ech­ter Warn­schuss für alle Mit­ar­bei­ter sein, die glau­ben, auf Face­book den Frust über ihre Mit­ar­bei­ter, ihren Vor­ge­setz­ten oder – ganz all­ge­mein – über ihren Arbeit­ge­ber aus­las­sen zu müs­sen. Vor­teil für den Arbeit­ge­ber: Nach die­ser Recht­spre­chung kön­nen Sie erwar­ten, dass sich das Arbeits­ge­richt ernst­haft mit unflä­ti­gen oder belei­di­gen­den Äuße­run­gen auch in ver­schlüs­sel­ter Form aus­ein­an­der­set­zen muss.

 

Mit bes­ten Grüßen

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chefredakteur

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