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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 33/2012

The­men heu­te: Recht: 2 neue wich­ti­ge Haf­tungs-Urteil für den GmbH-Geschäfts­füh­rer – hier müs­sen Sie auf­pas­sen + Geschäfts­füh­rer ohne Betei­li­gung kann mit dem Urlaubs­an­spruch tak­tie­ren + Kon­flik­te zwi­schen den (Gesell­schaf­ter-) Geschäfts­füh­rern: Dro­hun­gen und Erpres­sungs­ver­su­che blei­ben wir­kungs­los – oder bewir­ken das Gegen­teilGmbH-Kri­se: GmbH-Gesell­schaf­ter muss hel­fen – Pflicht zur Kapi­tal­erhö­hung – Bes­ser: Nach­schuss­pflicht ver­ein­ba­ren + Vor­sicht: Tritt­brett­fah­rer nut­zen Pflicht­ver­öf­fenbt­li­chung zur Abzo­cke + BISS

 

 

 

33. KW 2012, Frei­tag, 17.8.2012

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

lau­fen die Geschäf­te der GmbH, ist die Fra­ge der Geschäfts­füh­rer-Haf­tung kein Pro­blem. Kommt die GmbH aber ins Schlin­gern, geht es für den Geschäfts­füh­rer um Alles. Haupt­pro­blem in der Pra­xis: Setzt das Gericht einen Insol­venz­ver­wal­ter zur Abwick­lung der Geschäf­te der GmbH ein, haben Sie kei­nen Ein­fluss mehr auf das Ver­fah­rens. Der prüft näm­lich sämt­li­che Zah­lun­gen nach. Stellt er unzu­läs­si­ge Zah­lun­gen fest, müs­sen Sie sich dafür recht­fer­ti­gen. Da die Recht­spre­chung hier immer wie­der neue Maß­stä­be anlegt, berich­ten wir hier regel­mä­ßig. In den letz­ten Wochen hat der BGH dazu wie­der 2 wich­ti­ge Urtei­le entschieden:

1. „Bank­rott“ greift auch bei Vor­teils­nah­me durch den GF: Bank­rott ist eine straf­ba­re Hand­lung (§ 263 StGB, bis zu 5 Jah­ren Haft). Bis­her blieb der Geschäfts­füh­rer im Zusam­men­hang mit einem Bank­rott straf­frei, wenn er sich oder einen Drit­ten berei­cher­te. Nach der neu­en Recht­spre­chung des BGH macht der Geschäfts­füh­rer sich auto­ma­tisch wegen Bank­rot­tes straf­bar. Das bedeu­tet eine Ver­schär­fung der Rechts­la­ge gegen den Geschäfts­füh­rer (BGH, Urteil vom 15.5.2012, 3 StR 118/11).

Für die Pra­xis: Im Klar­text bedeu­tet das, dass der Geschäfts­füh­rer sich auch dann straf­bar macht, wenn er auf Wei­sung der Gesell­schaf­ter GmbH-Ver­mö­gen miss­bräuch­lich ver­wen­det. Bei ent­spre­chen­den Anwei­sun­gen soll­ten Sie vor­sich­tig agie­ren. Im Zwei­fel soll­ten Sie einen Anwalt prü­fen las­sen, ob die Anwei­sun­gen zur Aus­zah­lung recht­lich kor­rekt sind (Rück­zah­lung von Gesell­schaf­ter-Dar­le­hen, Aus­zah­lung eines Gewinn­vor­schus­ses ohne ent­spre­chen­de Rück­la­gen oder Ertrags­si­tua­ti­on usw.).

2. Geschäfts­füh­rer haf­tet bei Insol­venz­ver­schlep­pung für die For­de­run­gen der Neu­gläu­bi­ger: Als Geschäfts­füh­rer sind Sie ver­pflich­tet, recht­zei­tig Insol­venz­an­trag zu stel­len (§ 64 GmbH-Gesetz). Ver­sto­ßen Sie gegen die­se sog. Insol­venz­an­trags­pflicht, haf­ten Sie für den dar­aus ent­stan­de­nen Scha­den. Auch dazu gibt es jetzt ein wich­ti­ges neu­es Urteil des BGH: „Die Neu­gläu­bi­ger haben bei Ver­stoß gegen die Insol­venz­an­trags­pflicht einen Anspruch gegen den Geschäfts­füh­rer auf Aus­gleich des Scha­dens, der ihnen dadurch ent­steht, dass sie in Rechts­be­zie­hun­gen zu einer über­schul­de­ten oder zah­lungs­un­fä­hi­gen GmbH getre­ten sind“ (BGH, Urteil vom 14.5.2012, II ZR 130/10).

Für die Pra­xis: Der Scha­den umfasst alle Kos­ten (Z. B. auch die Kos­ten für die Löh­ne, Kos­ten für unbrauch­ba­re Waren, Rei­se­tä­tig­kei­ten usw.). Auch der ent­gan­ge­ne Gewinn kann Teil des Scha­dens sein (BGH, Urteil vom 27.4.2009, II ZR 253/07). Haben Sie Anhalts­punk­te dafür, dass ein Insol­venz­grund vor­lie­gen könn­te (Über­schul­dung, Illi­qui­di­tät, auch: dro­hen­de Zah­lungs­un­fä­hig­keit) soll­ten Sie bei der Auf­nah­me von neu­en Geschäfts­be­zie­hun­gen den Steu­er­be­ra­ter mit der Prü­fung des Liqui­di­täts­sta­tus beauftragen.

Geschäftsführer ohne Beteiligung kann Bundesurlaubsgesetz nutzen

Nach dem AGG-Urteil des Bun­des­ge­richts­hofs (vgl. Nr. 18/2012) ist zu prü­fen, ob das auch Aus­wir­kun­gen auf die recht­li­che Stel­lung des GmbH-Geschäfts­füh­rers ins­ge­samt hat. Euro­pa­weit gilt: Gemäß Richt­li­nie 2003/88/ EG sind Fremd­ge­schäfts­füh­rer und mit einer Min­der­heits­be­tei­li­gung an der GmbH betei­lig­te Geschäfts­füh­rer Arbeit­neh­mer – mit den ent­spre­chen­den Rech­ten und Pflich­ten. Das gilt auch für Geschäfts­füh­rer einer GmbH, die einen zu Drit­tel mit Arbeit­neh­mer­ver­tre­tern be­setzten Auf­sichts­rat haben, nicht aber für den Geschäfts­füh­rer einer mit­be­stimm­ten GmbH (Mit­bestG). Folg­lich gehen eini­ge Arbeits­recht­ler davon aus, dass das Bun­des­ur­laubs­ge­setz auch für Geschäfts­füh­rer gilt (z. B. Forst, in GmbHR 2012, S. 821 ff.). Dar­aus erge­ben sich Ansprü­che des Geschäfts­füh­rers gegen den Arbeit­ge­ber GmbH. Das sind:

  1. In Deutsch­land hat der Geschäfts­füh­rer einen Anspruch auf 24 Tage Urlaub § 3 Abs. BUrlG), der Urlaubs­an­spruch ist jah­res­an­tei­lig zu gewähren,
  2. durch ärzt­li­che Beschei­ni­gung nach­ge­wie­se­ne Krank­heits­zei­ten dür­fen auf den Urlaubs­an­spruch nicht ange­rech­net wer­den und
  3. der Urlaubs­an­spruch muss über­trag­bar sein (bzw. es besteht Anspruch auf Aus­gleichs­zah­lun­gen für nicht ange­tre­te­nen Urlaub bei Über­tra­gung oder Ausscheiden).

Beach­ten Sie eine Beson­der­heit: Der Geschäfts­füh­rer hat zwar nur Anspruch auf den Min­dest­ur­laub. Ist es im Unter­neh­men aber üblich und für alle ande­ren Arbeit­neh­mer so ver­ein­bart, dass mehr Urlaubs­ta­ge ver­trag­lich gewährt wer­den (z. B. 30), dann kann es aus Grün­den der Gleich­be­hand­lung (AGG) gebo­ten sein, dass auch der Geschäfts­füh­rer einen Anspruch auf einen erwei­ter­ten Urlaub gericht­lich durch­set­zen kann.

Bei­spiel: Der Mar­ke­ting-Lei­ter wird zum Geschäfts­füh­rer beru­fen. Im Anstel­lungs­ver­trag wird die Min­dest­ur­laubs­zeit von 24 Tagen ver­ein­bart, alle ande­ren Arbeit­neh­mer haben einen tarif­li­chen Anspruch auf 30 Tage. Nach 2 Jah­ren kün­digt die Kon­zern­lei­tung dem GF. Unter Beru­fung auf das AGG macht der Geschäfts­füh­rer eine Aus­gleichs­zah­lung für 2 x 6 = 12 Tage zusätz­li­chen Urlaub an. Er kann eine zusätz­li­che Abfin­dung durch­set­zen. Das macht bei 4.000 € monat­lich immer­hin einen zusätz­li­chen Betrag von rund 2.200 € aus.

Für die Pra­xis: Es gehört zum Selbst­ver­ständ­nis eines Geschäfts­füh­rers „sei­ne Arbeits­kraft in vol­lem Umfang zum Woh­le der GmbH“ ein­zu­brin­gen. Das berech­tigt ihn zu einem hohen Gehalt und einer zusätz­li­chen Erfolgs­ver­gü­tung. Mit die­ser Rechts­la­ge ist sicher­ge­stellt, dass der Geschäfts­füh­rer nicht der Will­kür aus­ge­setzt ist. Stellt ein zum Geschäfts­füh­rer beru­fe­ner ehe­ma­li­ger Ange­stell­ter spä­ter fest, dass er aus sei­ner unkünd­ba­ren Stel­lung her­aus­ge­lockt und anschlie­ßend gekün­digt wur­de, hat er gute Aus­sich­ten, unter Ver­weis auf sei­ne Arbeit­neh­mer­stel­lung gute Aus­schei­dens-Kon­di­tio­nen vor dem Arbeits­ge­richt durchzusetzen.

GmbH-Konflikte: Drohungen haben (fast) keine Wirkung

Der Geschäfts­füh­rer und die Gesell­schaf­tern haben unter­schied­li­che Auf­fas­sun­gen über die Geschäfts­po­li­tik. Man ver­stän­digt sich auf eine Tren­nung. Der Geschäfts­füh­rer ver­leiht sei­ner For­de­rung nach einer hohen Abfin­dung Nach­druck. Er droht, Vor­gän­ge aus der GmbH der Staats­anwaltschaft zu mel­den oder der Pres­se wei­ter­zu­ge­ben. Darf er das? Dür­fen die Gesell­schaf­ter ihn des­we­gen sofort „aus wich­ti­gen Grund“ kündigen?

Die Rechts­la­ge: Juris­tisch hat die­se Droh­ge­bär­de kei­ne weit rei­chen­de Bedeu­tung. Es han­delt sich näm­lich nicht um eine Erpres­sung, noch nicht ein­mal um eine Pflicht­ver­let­zung. Begrün­dung: Die Anru­fung der Auf­sichts- und Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den ist das selbst­ver­ständ­li­che Recht jedes Bür­gers. Weiß der Geschäfts­füh­rer von sol­chen Ver­stö­ßen, kann er sogar ver­pflich­tet sein, die­se den Behör­den mit­zu­tei­len. Anders zu beur­tei­len ist die Wei­ter­ga­be von Infor­ma­tio­nen an die Pres­se. Das ist als sol­ches bereits eine Pflicht­ver­let­zung (die sogar eine frist­lo­se Kün­di­gung recht­fer­ti­gen wür­de). Aber: Die Andro­hung der Wei­ter­ga­be von Infor­ma­tio­nen ist recht­lich ledig­lich eine Pflicht­wid­rig­keit (OLG Mün­chen, Urteil vom 18.4.2012, 7 U 3882/11).

Für die Pra­xis: Nach die­ser Rechts­la­ge sind Droh­ge­bär­den in der Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen Geschäfts­füh­rung und den Gesell­schaf­tern nur bedingt als Lösungs­stra­te­gie geeig­net. In der Regel ver­här­ten sich die Fron­ten so, dass der Kon­flikt vor dem Gericht lan­det und schluss­end­lich bei­de Par­tei­en mehr kos­tet als es zu gewin­nen gibt. Der Geschäfts­füh­rer ist bes­ser bera­ten, wenn er ein Media­ti­ons­ver­fah­ren anstrebt.

Gesellschafter kann notwenige Kapitalerhöhung nicht verzögern

Stimmt der Gesell­schaf­ter einer not­wen­di­gen Kapi­tal­erhö­hung nicht zu, wird die Stim­me so gezählt als wäre sie nicht abge­ge­ben wor­den. Der Beschluss ist danach – wie laut GmbH-Gesetz vor­ge­schrie­ben – mit 100% der Stim­men gefasst wor­den und sofort wirk­sam (OLG Mün­chen, Beschluss vom 14.6.2012, 31 Wx 192/12).

Für die Pra­xis: Das OLG Mün­chen wen­det damit die vom Bun­des­ge­richts­hof (BGH) ver­tre­te­ne Rechts­au­fas­sung zu die­se Fra­ge an (BGH vom 9.11.1997, I ZR 100/87). In der Pra­xis bedeu­tet das eine erheb­li­che Erleich­te­rung für Sanie­rungs­be­stre­bun­gen in einer wirt­schaft­lich ange­schla­ge­nen GmbH. Sind die Gesell­schaf­ter (und deren Bera­ter) der Auf­fas­sung, dass eine Kapi­tal­erhö­hung not­wen­dig ist, kön­nen sie dies zeit­nah umset­zen. Der über­stimm­te Gesell­schaf­ter kann sich gegen eine Zusatz-Ein­la­ge oder einen ver­klei­ner­ten Anteil an der GmbH nur mit einem auf­wen­di­gen Gerichts­ver­fah­ren oder mit einem Aus­tritt aus der GmbH wehren.

Bundesanzeiger Verlag warnt vor betrügerischen Registeranzeigen-Trittbrettfahrern

Mit Datum vom 9.7.2012 warnt der Bun­des­an­zei­ger Ver­lag vor betrü­ge­ri­schen Ange­bo­ten über Regis­ter­ein­tra­gun­gen für Unter­neh­men im Zusam­men­hang mit Ver­öf­fent­li­chun­gen im Bundesanzeiger.

Für die Pra­xis: Flat­tern Ihnen sol­che Ange­bo­te auf den Schreib­tisch, kön­nen Sie davon aus­ge­hen, dass es sich um getürk­te Ange­bo­te han­delt, die sich an das offi­zi­el­le Unter­neh­mens­re­gis­ter anhän­gen. Eine Lis­te unse­riö­ser Anbie­ter gibt es unter https://www.ebundesanzeiger.de/download/D079_UnlautereAnbieterListe.pdf. Jüngs­tes Bei­spiel: Die Gewer­be­aus­kunft-Zen­tra­le ver­schickt Fax-Fra­ge­bö­gen zum Aus­fül­len. Wer das Fax zurück­schickt, den kos­tet das 569,06 € x 2 = 1.138,12 € für 2 Jahre.

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Vol­kelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Volkelt-Brief

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