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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 29/2012

The­men der Woche: Kommt die Zwangs­an­lei­he als Ret­ter der nächs­ten gro­ßen Koali­ti­on? + Neu­er Geschäfts­füh­rer gesucht: So machen Sie den Här­te-Test + GmbH-Finan­zen: Wie jetzt mi den nied­ri­gen Zin­sen rich­tig kal­ku­lie­ren + GmbH-Dau­er­kri­se: So legen Sie einen konmtrol­lier­ten Neu­start hin + Steu­er­ge­stal­tun­gen: Neu­es Urteil bringt neue win-win Situa­ti­on für alle: GmbH-Mit­ar­bei­ter dür­fen zu Hau­se arbei­ten – und alle Kos­ten von der Steu­er abset­zen + BISS

 

29. KW 2012, Frei­tag, 20.7.2012

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

Sie erin­nern sich: Schon 1983 woll­te die deut­sche Poli­tik die lee­ren Staats­kas­sen mit einer Zwangs­an­lei­he auf­fül­len. Doch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt stopp­te 1984 die sog. Inves­ti­ti­ons­hil­fe­ab­ga­be als ver­fas­sungs­wid­rig (2 BvL 19/83). Dabei ist die Idee der Zwangs­an­lei­he kei­ne Erfin­dung der Neu­zeit. Bereits 1207 soll die Repu­blik Vene­dig ihre rei­chen Bür­ger zu einer Zwangs­zah­lung an den Staat ver­pflich­tet haben. Zwar wur­den für die Rück­zah­lung der Anlei­he Zin­sen ver­spro­chen. Ob die aber jemals aus­ge­zahlt wur­den, ist nicht über­lie­fert. Und heute?

Das – als poli­tisch weit­ge­hend unab­hän­gi­ge – Deut­schen Insti­tut für Wirt­schafts­for­schung (DIW) hat vor­ge­rech­net, dass eine zwangs­weise Schul­den­über­nah­me durch die reichs­ten 8 % der deut­schen Bevöl­ke­rung zusätz­li­che Mit­tel von 230 Mrd. EUR bringt. Damit wäre die Staats­ver­schul­dung auf einen Schlag auf die ange­streb­te Quo­te von 60 % des Brut­to­in­lands­pro­dukts abge­senkt. Eine fast Heil brin­gen­de Visi­on für die nächs­te gro­ße Koalition.

Neuer Geschäftsführer: Machen Sie den Härte-Test

Eine gute Idee für den „Geschäfts­füh­rer-Test“ hat mir vor eini­gen Tagen der Vor­stand der Geschäfts­füh­rung einer gro­ßen Fir­ma gesteckt. Grund für die Test-Idee ist die Erfah­rung des Seni­or-Geschäfts­füh­rers, dass es bei noch so sorg­fäl­ti­ger Vor­auswahl durch den Per­so­nal­be­ra­ter immer wie­der dazu kommt, dass ein neu ein­zu­stel­len­der Geschäfts­füh­rer oder Lei­ten­der Ange­stell­ter nicht ins Unter­neh­men oder ins Team passt.

Der Dreh ist eine sog. Här­te­fall-Simu­la­ti­on. Als letz­ten Test muss die/der Bewer­be­rIn mit auf eine mehr­tä­ti­ge Geschäfts­rei­se des Chefs. Unter Nor­mal-Bedin­gun­gen zu einem wich­ti­gen Kun­den oder zu einem aus­län­di­schen Stand­ort. Sehr beliebt: Die Geschäfts­rei­se zum chi­ne­si­schen Kun­den. Erfah­rungs­ge­mäß pas­sie­ren auf sol­chen Geschäfts­rei­sen immer auch außer­ge­wöhn­li­che Situa­tio­nen. Hier kann die/er Neue zei­gen, was sie/er kann: Ist er belast­bar? Kann er ana­ly­sie­ren? Kann er Ent­schei­dun­gen tref­fen? Die­se Inves­ti­ti­on lohnt alle­mal. So hat es schon den Fall gege­ben, „dass der neue Ver­triebs­lei­ter allei­ne mit dem Flug­zeug zurück­flie­gen muss­te“ und man anschlie­ßend getrenn­te Wege ging. Auf­lö­sungs­ver­trag, Abfin­dung und ein gestör­tes Betriebs­kli­ma wären dann auf jeden Fall deut­lich teu­rer geworden.

Für die Pra­xis: Kei­ne schlech­te Idee mei­nen wir. Genau so wich­tig ist der fak­ti­sche Arbeits­stil des Neu­en (Belast­bar­keit, Kom­mu­ni­ka­ti­on (auch: Small Talk), ana­ly­ti­sches Ver­mö­gen, Leis­tungs­be­reit­schaft, Ent­schei­dungs­si­cher­heit – alles Eigen­schaf­ten, die sich im Ernst-Test­fall bes­tens über­prü­fen las­sen. Das gilt natür­lich auch für Sie, wenn Sie sich auf eine neue Stel­le bewer­ben. Auch Sie wis­sen dann, auf was Sie sich ein­las­sen. Sie kön­nen eine sol­che „Geschäfts­rei­se unter Här­te­be­din­gun­gen“ im Bewer­bungs­ver­fah­ren von sich aus anbieten.

GmbH-Finanzen: Wie Sie mit niedrigen Zinsen richtig planen

Die EZB hat den Leit­zins auf 0,75 % abge­senkt. Damit wer­den alle Ban­ken mit bil­li­ge­rem Geld ver­sorgt. Zusätz­lich wur­de der Ein­la­ge­zins, zu dem die Ban­ken ihr Geld bei der EZB anle­gen, auf Null gesetzt. Frag­lich ist aller­dings, ob die Zins­po­li­tik bei Ver­brau­chern und Unter­neh­men ankommt. Wie kön­nen Sie dar­auf Ein­fluss neh­men und von der Zins­sen­kung profitieren?

  1. Vie­le mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men (mit Anla­gen und Gewinn­rück­la­gen) machen schon seit Mona­ten die Erfah­rung, dass ihnen von den Ban­ken wie­der ver­stärkt Finan­zie­run­gen ange­bo­ten wer­den. So z. B. auch für Grund­stü­cke und Immo­bi­li­en. Hier liegt im Moment eine sehr gute Chan­ce für Unter­neh­men, das sind z. B. Grund­er­werb in güns­ti­gen Gewer­be­la­gen oder der Kauf von Büro-Immo­bi­len für die GmbH. Die Aus­sich­ten blei­ben gut: Eini­ge Exper­ten gehen davon aus, dass der Leit­zins bei einem wei­te­ren kon­junk­tu­rel­len Nie­der­gang in der Euro-Zone wei­ter abge­senkt wer­den könn­te (0,5 %).
  2. Zum ande­ren ver­grö­ßert sich Ihr Spiel­raum bei der Bank-Ver­hand­lung um neue Kon­di­tio­nen für die Kre­di­te, die aus­lau­fen und die Sie Anschluss finan­zie­ren müs­sen. Las­sen Sie Ihren Ban­ker wis­sen, dass Sie hier ein Ent­ge­gen­kom­men er­warten und ver­han­deln Sie über jede Stel­le hin­ter dem Kom­ma. Auch hart­nä­ckig, also mit meh­re­ren Anläu­fen und Verhandlungsrunden.
  3. Klei­ne­re Unter­neh­men, die schlech­ter daste­hen, müs­sen an Kre­dit­li­mit und die Über­zie­hungs­zin­sen ran. Das betrifft den Umfang des Über­zie­hungs­rah­mens und die Höhe der Über­zie­hungs­zin­sen. In schlech­tes­ten Fäl­len lie­gen die bei 13% und sogar noch mehr (Volks­ban­ken und Spar­kas­sen: 13% und mehr; Fili­al­ban­ken: ca. 10 %, Hypo/Targo/Sparda knapp unter 10 %). Das brau­chen Sie nicht hin­neh­men. Ver­han­deln Sie – sie­he oben – nach und scheu­en Sie sich auch nicht davor, die Haus­bank zu wech­seln. Die Ban­ken machen das jetzt wie­der schnel­ler mit.

Für die Pra­xis: Mit der Zins­sen­kung kommt Bewe­gung in das Geschäft. Über­le­gen Sie, was Sie errei­chen wol­len. Brau­chen Sie für eine stra­te­gi­sche Ent­schei­dung die Zustim­mung Ihrer Gesell­schaf­ter (Grund­stücks­ge­schäf­te, Immo­bi­li­en, Betrag des Geschäf­tes) müs­sen Sie die Ent­schei­dung gut vor­be­rei­ten und mit Zah­len unter­le­gen (Kal­ku­la­ti­on, Finan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten) und die Gesell­schaf­ter zum frü­hes­ten Zeit­punkt mit in die Ent­schei­dung ein­be­zie­hen (Vor-Infor­ma­ti­on, gemein­sa­mes Brain­stor­ming, Entscheidungsfindung).

Von der GmbH-Dauerkrise in den kontrollierten Neustart

Ein Insol­venz­ver­fah­ren über die kri­sen­ge­beu­tel­te GmbH mit anschlie­ßen­der pri­va­ter Insol­venz klingt schlim­mer als es ist. Ich ken­ne aber  eini­ge Fäl­le, in denen so erst ein Neu­start  mög­lich wur­de. Nach­träg­li­che Erkennt­nis: „Das hät­te ich schon viel frü­her machen sol­len“. Auch Exper­ten bestä­ti­gen immer wie­der, dass eine ver­schlepp­te Insol­venz tie­fer und dau­er­haf­ter in die Exis­tenz­kri­se führt als es sein muss. Fazit: Müs­sen die Geschäf­te der GmbH dau­er­haft finan­ziert wer­den, ohne dass Ertrag erwirt­schaf­tet wird, ist zu prü­fen, wie man mit den Schul­den umgeht. Der Neu­start erfolgt dann in fol­gen­den Schritten:

  1. Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens über das GmbH-Ver­mö­gen mit anschlie­ßen­dem Antrag auf ein pri­va­tes Insol­venz­ver­fah­ren mit Rest­schuld­be­frei­ung.
  2. Grün­dung eines neu­en Unter­neh­mens durch einen ehe­ma­li­gen Ange­stell­ten, Ehe­gat­ten, Kin­der (ev. Treu­hän­der) in der Rechts­form einer Unter­neh­mer­ge­sell­schaft (haf­tungs­be­schränkt) mit einem mini­ma­len Grün­dungs­ka­pi­tal. Even­tu­ell Ein­brin­gung von ehe­ma­li­gen GmbH-Wirt­schafts­gü­tern als Sacheinlagen.
  3. Wie­der­auf­nah­me der Geschäfts­tä­tig­keit als Geschäfts­füh­rer der UG.
  4. Aus­zah­lung eines Geschäfts­füh­rer-Gehal­tes bis zur Pfän­dungs­frei­gren­ze. Ein­stel­lung von Ehegatten/Kindern gegen Gehalt. Erträ­ge der UG wer­den als Gewinn­rück­la­ge einbehalten.
  5. Nach 6 Jah­ren und dem Ende der Pri­vat­in­sol­venz: Schritt­wei­se Erhö­hung des Geschäfts­füh­rer-Gehalts, ggf. finan­ziert aus der Gewinn­rück­la­ge. Über­nah­me der UG gemäß Ver­trag (Buch­wert plus Verzinsung).
  6. Über­füh­rung des GmbH-Ver­mö­gens in das Pri­vat­ver­mö­gen in Form von Gewinn­aus­schüt­tun­gen mit Steu­er­op­ti­mie­rung (z. B. nach dem Teileinkünfteverfahren).

Die Lebens­er­fah­rung zeigt, dass die 6 Jah­res­frist zur Abwick­lung der pri­va­ten Insol­venz schnel­ler ver­geht als man sich das zuvor vor­stellt. In der Pra­xis bedeu­tet das aber, dass man für eini­ge Jah­re die Gür­tel enger schnal­len muss. Den­noch kön­nen Sie in den 6 Jah­ren den Grund­stein für einen erfolg­rei­chen Neu­start legen.

Mitarbeiter dürfen zu Hause arbeiten – und alle Kosten von der Steuer absetzen

Ver­ein­ba­ren Sie als Arbeit­ge­ber, dass der Mit­ar­bei­ter zu Hau­se an einem sog. Tele­arbeitsplatz tätig wird, bringt das eine enor­me steu­er­li­che Erleich­te­rung. Das Finanz­ge­richt (FG) Rhein­land-Pfalz hat näm­lich soeben ent­schie­den, dass Ihr Arbeit­neh­mer dann alle Auf­wen­dun­gen im Zusam­men­hang mit die­sem Arbeits­platz steuer­lich gel­tend machen kann. Das sind z. B. Mie­te, Miet­ne­ben­kos­ten, antei­li­ge Rei­ni­gungs­kos­ten, aber auch sämt­li­che Arbeits­mit­tel (Papier, Drucker­zu­be­hör) und die Betriebs­kos­ten (antei­li­ge Tele­fon­ge­büh­ren, Flat­rate, Strom) (FG Rhein­land-Pfalz, Urteil vom 19.1.2012, 4 K 1270/09).

Für die Pra­xis: Für Unter­neh­men ist das eine Steil­vor­la­ge, das Büro auf ein Mini­mum zu beschrän­ken. Dazu soll­te der Mit­ar­bei­ter im Arbeits­ver­trag zur häus­li­chen Arbeit ver­pflich­tet wer­den (Umfang und Dau­er) und dazu ver­pflich­tet wer­den, einen Raum dafür frei­zu­hal­ten. PS: Für die Finanz­be­hör­den ist die­ses Urteil ein Affront. Sie wer­den mit allen Mit­teln ver­su­chen, das Urteil noch zu kip­pen. Ein­schät­zung: Wir gehen davon aus, dass berufs­be­zo­ge­ne Auf­wen­dun­gen steu­er­lich ver­rech­net wer­den müs­sen – auch der BFH soll­te das nicht anders sehen. Prü­fen Sie, ob dass Modell für Ihre GmbH und Ihre Mit­ar­bei­ter passt. Ggf. war­ten Sie vor der Umsetzung

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Vol­kelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Volkelt-Brief

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