Geschäftsführer-Anstellungsvertrag: Neues BGH-Urteil zum „Abschluss auf Zeit” + Anti-Krisen-Strategie: Neues Kapital, runter mit den Lohnkosten + Digitales: So nutzen Sie die Plattformen der Großen für Ihr Exportgeschäft + Kompakt: Konjunktur- und Finanz-Plandaten Juli 2019 + Geschäftsführer privat: Urteils-Chaos um „Handy-Anfassen” im Auto + Geschäftsführer privat: Firmenwagen weiter ohne Tempolimit + Warnung: Falsche E‑Mails vom Bundesfinanzhof + GF/Recht: Haftung des Geschäftsführers bei „Griff in die Kasse” + GmbH/Steuern: Neue Vorschriften zum Umgang mit (elektronischen) Belegen
BISS … die Wirtschaft-Satire
Der Volkelt-Brief 27/2019 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg, 5. Juli 2019
Sehr Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
durchaus üblich ist es, mit dem Geschäftsführer einen befristeten Anstellungsvertrag mit Verlängerungsoption abzuschließen. Z. B. auf 3 oder 5 Jahre – wie es in vielen Konzernen für die Geschäftsführer der Tochtergesellschaften gehandhabt wird. Erreicht der Geschäftsführer in dieser Zeit die vereinbarten Ziele, steht einer Vertragsverlängerung in der Regel nichts im Wege. Wird der Vertrag nicht verlängert, endet das Anstellungsverhältnis. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Anders liegt der Fall, wenn es weitere Einschränkungen im Vertrag gibt. Z. B eine zusätzliche Klausel, nach der der Geschäftsführer bei Erreichen eines Alters unter dem gesetzlichen Rentenalter ohne besonderen Grund gekündigt werden kann. Das stellt eine Diskriminierung wegen Alters dar, verstößt damit gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und ist unwirksam. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt in letzter Instanz einem Kollegen Recht gegeben, der nach Übernahme seiner GmbH durch einen Konzern zum 61. Lebensjahr mit Verweis auf die entsprechende Klausel im Anstellungsvertrag gekündigt werden sollte (BGH, Urteil v. 26.3.2019, II ZR 244/17). Im entschiedenen Fall ging es um einen Fremd-Geschäftsführer – das sollte aber auch für den geringfügig beteiligten Geschäftsführer vor Gericht so durchzusetzen sein.
Anti-Krisen-Strategie: Neues Kapital, runter mit den Lohnkosten
Die Zeichen der Zeit stehen auf Rezession. Noch sorgt die stabile Binnennachfrage und die robuste Baukonjunktur im Inland dafür, dass die Lage in vielen Branchen immer noch besser ist als die Stimmung. Dennoch: Auch immer mehr kleinere Unternehmen stellen sich auf eine Krise ein. Wir weisen an dieser Stelle auf die Möglichkeiten einer vorausschauenden Unternehmensführung hin, damit Sie als verantwortlicher Geschäftsführer frühzeitig die Weichen stellen können. Heute zwei Maßnahmen, die für kleinere Unternehmen zur Überbrückung einer Krise geeignet sind:
Maßnahmen der Gesellschafter in der GmbH-Krise: Stimmt der Gesellschafter einer notwendigen Kapitalerhöhung nicht zu, wird die Stimme so gezählt als wäre sie nicht abgegeben worden. Der Beschluss ist danach – wie laut GmbH-Gesetz vorgeschrieben – mit 100% der Stimmen gefasst worden und sofort wirksam (OLG München, Beschluss v. 14.6.2012, 31 Wx 192/12). Das OLG München wendet damit die vom Bundesgerichtshof (BGH) vertretene Rechtsaufassung zu diese Frage an (BGH v. 9.11.1987, I ZR 100/87).
In der Praxis bedeutet das eine erhebliche Erleichterung für Sanierungsbestrebungen in einer wirtschaftlich angeschlagenen GmbH. Sind die Gesellschafter (und deren Berater) der Auffassung, dass eine Kapitalerhöhung notwendig ist, können sie dies zeitnah umsetzen. Der überstimmte Gesellschafter kann sich gegen eine Zusatz-Einlage oder einen verkleinerten Anteil an der GmbH nur mit einem aufwändigen Gerichtsverfahren oder mit einem Austritt aus der GmbH wehren. Damit die GmbH und die Gesellschafter in der Krise schnell handeln können, können sie die Verweigerung zu einer Kapitalerhöhung vertraglich regeln. Dazu müssen sie im Gesellschaftsvertrag eine sog. Nachschusspflicht vereinbaren. Damit verpflichten sich die Gesellschafter, entweder bis zu einem bestimmten Betrag (beschränkte Nachschusspflicht) oder bis zu einem unbestimmten Betrag (unbegrenzte Nachschusspflicht) zusätzliches Kapital in die GmbH einzubringen (§§ 26 bis 28 GmbH-Gesetz). Besonderheit: Wird die unbegrenzte Nachschusspflicht vereinbart, hat der Gesellschafter automatisch ein Austrittsrecht (Abandon). Die GmbH muss ihm als Ausgleich eine angemessene Abfindung für den GmbH-Anteil zahlen. Vorteil: Beide Parteien – also die GmbH und der Gesellschafter, der keine zusätzliche Einlage mehr leisten will oder kann – wissen was auf sie im Krisenfall zukommt und sind auf eine für beide Seiten faire Lösung des Konfliktes verpflichtet.
Maßnahmen des (Gesellschafter-) Geschäftsführers in der Krise: In § 87 Abs. 2 Aktiengesetz heißt es: „Verschlechtert sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung so, dass die Weitergewährung der Bezüge unbillig wäre, so hat der Aufsichtsrat die Bezüge auf die angemessene Höhe herabzusetzen.“ Konkret bedeutet das: Sobald sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das Unternehmen verschlechtern, muss das Gehalt angepasst werden. Diese allgemeinen Vorgaben aus dem Aktiengesetz gelten so auch für den GmbH-Geschäftsführer.
Dazu kommt: Gehen Sie davon aus, dass auch die Finanzbehörden diesen Grundsatz durchsetzen. Mit der Folge, dass nicht gekürzte Gehaltszahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen zusätzlich besteuert werden und der GmbH damit weitere Liquidität entzogen wird. Darauf sollten Sie es nicht ankommen lassen.Dabei muss sich dabei noch nicht einmal um eine „wesentliche“ Verschlechterung der Geschäftslage handeln. Anzeichen, die eine Gehaltskürzung notwendig machen, sind: Entlassungen, Lohnkürzungen, die Gesellschaft erzielt keinen Gewinn. Wichtig bei der Gehaltskürzung ist das richtige Timing. Zum einen können Sie damit den Mitarbeitern ein klares Signal dafür setzen, dass Sie persönlich bereit sind voran zu marschieren und damit zu demonstrieren, dass die bevorstehende wirtschaftliche Situation Opfer von allen Beteiligten verlangt. Prüfen Sie dennoch zusammen mit dem Steuerberater, ob es Sinn macht, einen Gehaltsverzicht mit einer sog. Besserungsoption zu vereinbaren. Sie haben dann Anspruch gegen die GmbH auf Nachzahlung, wenn die wirtschaftliche Situation dies wieder ermöglicht. Das gilt auch für die steuerliche Behandlung der Nachzahlung als Lohnbestandteil. Zum anderen verschaffen Sie der GmbH damit zusätzlichen finanziellen Spielraum. Das wirkt auch bei den Verhandlungen mit der Hausbank um zusätzliche Finanzierungen.
Digitales: So nutzen Sie die Plattformen der Großen für Ihr Exportgeschäft
Die Digitalisierung kennt keine Grenzen. Viele – insbesondere kleinere – Unternehmen scheuen den Gang über die (EU) Grenzen, weil es zu aufwändig ist, einen zusätzlichen Vertrieb aufzubauen oder einzubinden, oder weil der bürokratische Aufwand für das Auslandsgeschäft einfach zu hoch ist. Hier gibt es unterdessen viele digitale Helfer, die den Schritt über die Grenzen wesentlich erleichtern.
Der Einstieg: Statt eines eigenen Management- und Vertriebssystems für das Auslandsgeschäfte wird ein Interims-Manager mit Auslandserfahrung beauftragt. Zum Beispiel über die Plattform der WIL-Group, das ist eine Provider-Vereinigung, über die Unternehmen auf 38.500 Interims-Manager aus 37 Ländern Zugriff haben. Gerade für kleinere Unternehmen (Zulieferer) macht es Sinn, sich an Plattformen zu beteiligen, die von den Großen der Branche für das Auslandsgeschäft betrieben werden. Beispiel: BMW hat eine eigene, international aufgestellte IT-Plattform (Open Manufactoring Platform) für Elektrifizierung und autonomes Fahren entwickelt und diese auch für Zulieferer, StartUps oder andere interessante Know-How-Partner geöffnet. Damit ist der Einstieg ins Auslandsgeschäft fast zum Nulltarif zu haben.
Kompakt: Konjunktur- und Finanz-Plandaten Juli 2019
Die Großen der Branchen nutzen die Zeichen der Zeit konsequent: Hier wird um- und Personal abgebaut. Neue Geschäftsfelder werden erschlossen und Verlustbringer liquidiert. Auch viele Mittelständler setzen auf Um- und Aufbruch. In vielen Chefetagen hat die Planung für die Zeit nach der Rezession bereits begonnen.
Betrifft … | Trend |
Konjunktur | Die Stimmung unter den Unternehmensleitern und Geschäftsführern lässt weiter nach. Der ifo-Geschäftsklimaindex ist im Juni von 97,9 mit 97,4 Punkte gesunken. Das ist der niedrigste Wert seit November 2014. Die Unternehmen blickten zunehmend pessimistisch auf die kommenden Monate. Ihre aktuelle Lage schätzen sie hingegen minimal besser ein. ifo-Fazit: „Die deutsche Konjunktur flaut weiter ab”. |
Wachstum | Laut einer aktuellen Bertelsmann-Studie gilt für die mittel- und langfristige Perspektive: Deutschlands Wirtschaft wird in den kommenden 15 Jahren deutlich langsamer wachsen als in der Vergangenheit. Grund hierfür ist der sich verschärfende Mangel an Arbeitskräften aufgrund des demografischen Wandels. Kurzfristig bescheren andere „Baustellen” Probleme. |
Beschäftigung/ Arbeitsplätze | Personalabbau planen derzeit: VW, Porsche, Ford, Siemens, Schaeffler, Goodyear, BASF, Homann, Kuka, Thyssen-Krupp, Airbus, Deutsche Bank, Nord LB, Deutsche Börse, RWE, Sanofi, T‑Systems, Galeria (Auswahl). Damit erhöhen sich aber auch die Chancen für kleinere Unternehmen, neue und gut qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren, die im Krisenfall mit Kurzarbeitergeld (vgl. Nr. 21/2019) gefördert werden können. |
Preise | Allen Rezessions-Prognosen zum Trotz wird an der Preisschraube kräftig gedreht: Voran die Post mit Erhöhungen um +/- 10 %. Netflix und Hermes erhöhen die Preise. Lebensmittel werden teurer (+ 2,1%). Der US/Iran-Konflikt beflügelt die Preise für Energie (+ 5,1 %). Die Unsicherheiten auf den Weltmärkten puschen den Goldpreis (+ 11,5 % jeweils gegenüber dem Vorjahr). |
Geschäftsführer privat: Urteils-Chaos um „Handy-Anfassen” im Auto
Entgegen anderer Entscheide von Oberlandesgerichten (z. B. OLG Brandenburg) hatte das OLG Oldenburg in einigen Urteilen entschieden, dass das „bloße in der Hand halten eines Handys während der Fahrt” eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Jetzt hat das OLG Oldenburg diese Entscheidung aufgehoben und entschieden, dass das „bloße in der Hand halten eines Handys währen der Fahrt” doch keine Ordnungswidrigkeit ist (OLG Oldenburg, Beschluss v. 17.4.2019, 2 Ss (OWi) 102/19).
Geschäftsführer privat: Firmenwagen weiter ohne Tempolimit
Die Bundesregierung hält ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen weder im Hinblick auf den Klimaschutz noch als Beitrag zur Senkung der Verkehrstoten für sinnvoll. Für Verkehrs-Staatssekretär Bilger ist das generelle Tempolimit „eher eine Lösung aus der Vergangenheit”. Dank der Telematik sei es schon jetzt, aber erst recht in der Zukunft, möglich, die Verkehrsflüsse der Wetterlage und der Verkehrslage entsprechend zu lenken und dazu nötige Geschwindigkeitsanpassungen vorzunehmen (Petitionsausschuss).
Warnung: Falsche E‑Mails vom Bundesfinanzhof
Seit dem 7. Juni 2019 werden durch Kriminelle missbräuchlich E‑Mails im Namen des Bundesfinanzhofs versendet. Die täuschend echt erscheinenden E‑Mails, die nicht vom Bundesfinanzhof stammen, enthalten Anlagen, die nicht geöffnet werden sollten. Die Anlagen sind z. B. als „Gerichtsdokumente von BFH” bezeichnet und enthalten Computerviren. Klicken Sie auch auf keine in den E‑Mails enthaltenen Links. In den E‑Mails enthaltene Links führen auf Webseiten, von denen aus Schadprogramme verteilt werden (Quelle: BFH Online).
GF/Recht: Haftung des Geschäftsführers bei „Griff in die Kasse”
Verwendet der GmbH-Geschäftsführer Mittel der GmbH für eigene Zwecke („Griff in die Kasse”), kann er – z. B. im Insolvenzfall – nicht von den Gläubigern der GmbH in die Haftung genommen werden. Der Anspruch auf Rückgewährung kann lediglich von der GmbH gegen den Geschäftsführer geltend gemacht und durchgesetzt werden (BGH, Urteil v. 7.5.2019, VI ZR 512/17).
GmbH/Steuern: Neue Vorschriften zum Umgang mit (elektronischen) Belegen
Die neuen Vorgaben betreffen alle Unternehmen, die aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge mit Hilfe eines elektronischen Aufzeichnungssystems erfassen. Sie müssen dazu ein elektronisches Aufzeichnungssystem verwenden, das jeden aufzeichnungspflichtigen Geschäftsvorfall und anderen Vorgang einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzeichnet (§ 146a (1) Abgabenordnung). In dem 21 Seiten umfassenden Anwendungserlass werden die Vorgaben aus dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen ausführlich und im Einzelnen dargestellt. Die Vorgaben aus dem BMF-Schreiben sind ab sofort anzuwenden (BMF-Schreiben vom 17.6.2019, IV A 4 ‑S 0316‑a/18/10001).
Einen guten Start in ein erholsames Wochenende wünscht
Ihr
L. Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur Volkelt-Brief