AGG/Geschäftsführer-Job: Achtung bei der Stellenausschreibung + Balanced scorecard: Taugt auch für kleinere Unternehmen + Digitales: So schreiben sich die neuen Erfolgsgeschichten (III) + Bagatellvergehen: Auch Geschäftsführer können stolpern + Geschäftsführer privat: Erbschaft nur nach regelmäßigem Besuch + Bürokratie: Gesetze sollen verständlicher werden +GmbH-Finanzen: Besseres Bonitäts-Scoring mit der digitalen Kreditmappe +GmbH/Finanzen: Einzelhandel kämpft mit steigenden Mieten
BISS … die Wirtschaft-Satire
Der Volkelt-Brief 18/2019 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg, 3. Mai 2019
Sehr Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
es hat sich herumgesprochen, dass offene Stellen „geschlechtsneutral“ ausgeschrieben werden müssen. Wenn Sie dagegen verstoßen, müssen Sie nicht nur mit einer Abmahnung rechnen. In der Regel kostet das. Das gilt sogar – und leider vergisst das der/die ein oder andere Kollege/Kollegin – auch für Ihre eigene Stelle. Also auch dann, wenn die GmbH einen neuen oder zusätzlichen Geschäftsführer/in sucht. Korrekt müssen Sie also ausschreiben: Geschäftsführer (m/w/d) gesucht.
Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe stellte für den Fall einer fehlerhaften Ausschreibung für eine/n Geschäftsführer/in fest: „Geschlechtsneutral ist eine Ausschreibung nur formuliert, wenn sie sich in ihrer gesamten Ausdrucksweise sowohl an Frauen als auch an Männer richtet“. Im konkreten Fall hielten sich die Auswirkungen für die GmbH zwar in Grenzen. Die fehlerhafte Ausschreibung hatte die von der GmbH eingeschaltete Anwaltskanzlei zu verantworten. Schlussendlich musste die dann auch die Entschädigungszahlung für eine nicht zugelassene Bewerberin (hier: eine Anwältin) in Höhe eines vollen Monatslohns (hier: 13.000 €) übernehmen (so zuletzt OLG Karlsruhe, Urteil v. 13.9.2011, 17 U 99/10). Also nicht vergessen: Im Falle einer Stellenbesetzung sollten Sie den/die Geschäftsführer/in vorsichtshalber wie einen Arbeitnehmer behandeln.
Balanced scorecard: Taugt auch für kleinere Unternehmen
Bei Unternehmensver- und ‑zukäufen kommt es nicht nur auf die Zahlen und Fakten aus dem Jahresabschluss oder dem Lagebericht des Unternehmens an. Auch die Bewertung von Kundenstrukturen oder die Marktchancen von Produkten, die Innovationsfähigkeit (auch: Grad der Digitalisierung) und das Know how eines Unternehmens wird dazu genutzt. Verbreitet ist die sog. balanced scorecard („ausgewogener Berichtsbogen“). Auch zur Bewertung und Steuerung von mittelständischen Unternehmen wird dieses Verfahren zunehmend angewandt.
Die balanced scorecard wurde ursprünglich mit dem Ziel eingeführt, die in Unternehmen mit finanziellen Größen gemessene Leistungsfähigkeit durch zusätzliche Informationen über die Kunden, die internen Geschäftsprozesse sowie die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens zu ergänzen. Inzwischen wird dieses Verfahren in vielen Unternehmen auch als Instrument des strategischen Managements eingesetzt, insoweit kommt ihr auch die Funktion zu, die Auswertungen aus den unterschiedlichen Bereichen zu integrieren. Die Grundidee der balanced scorecard beruht auf der Annahme, dass eine eindimensionale Beschreibung und Steuerung eines Unternehmens aus dem Zahlenwerk des Rechungswesens der Realität nicht gerecht wird. Mit ihrer Hilfe sollen die wesentlichen Dimensionen eines Unternehmens abgebildet und die für die Steuerung des Unternehmens benötigten Informationen verfügbar gemacht werden. Die als relevant erachteten Dimensionen eines Unternehmens sind:
- Finanzen: Die finanzielle Dimension eines Unternehmens wird traditionell in Jahres- oder Quartalsabschlüssen dargestellt. Sie beinhaltet Informationen über die Vermögens‑, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens.
- Kunden: Eine kundenorientierte Sichtweise liefert Informationen über die Positio-nierung des Unternehmens in bestimmten Marktsegmenten, über die Kundenzufriedenheit oder die Kundenbindung.
- Geschäftsprozesse: Auf Ebene der Geschäftsprozesse erfolgt die Beschreibung des Unternehmens anhand der einzelnen im Unternehmen implementierten Arbeitsabläufe.
- Lernen/Wachstum: Die vierte Dimension beinhaltet sog. weiche Erfolgsfaktoren. Dieses sind die Motivation und der Ausbildungstand der Mitarbeiter, der Zugang zu relevanten externen Informationsquellen und die Organisation des Unternehmens.
Für die Praxis: Der grundsätzliche Aufbau der einzelnen Sichtweisen (Dimensionen) auf das Unternehmen mit Hilfe der balanced scorecard ist identisch. Er gliedert sich in die folgenden vier Schritte:
Strategien: Für jeden der vier Aspekte, unter denen das Unternehmen betrachtet wird, sind die strategischen Ziele zu formulieren. Das ist Aufgabe der Geschäftsführung. Für den Finanzbereich sind an dieser Stelle die Anforderungen der Investoren (Eigen- und Fremdkapitalgeber) sowie der Kapitalmärkte zu berücksichtigen. Darüber hinaus wird generell der langfristige öko-nomische Erfolg, der das Überleben des Unternehmens sichert, als Zielsetzung betrachtet. Analog sind auch die strategischen Ziele im Hinblick auf die Kunden des Unternehmens (Kundenzufriedenheit, Kundenbindung), die Geschäftsprozesse (Festlegung der Bereiche für die Verbesserung von Geschäftsprozessen) sowie die weichen Faktoren des Unternehmens (Ausbildungsstand und Motivation der Mitarbeiter, Zugang zu wichtigen Informationen) abzuleiten.
Maßgrößen: Nachdem die Formulierung der strategischen Ziele abgeschlossen ist, sind in jedem Bereich geeignete Maßgrößen, die eine Messung des Zielerreichungsgrades zulassen, abzuleiten. Schwierigkeiten dürften im Wesentlichen bei der Messung der Anpassungsfähigkeit (Lernen/Wachstum) auftreten. Für den Finanzbereich beschränkt sich die Problematik auf die Auswahl geeigneter Kennzahlen für einzelne in den strategischen Zielen berücksichtigte Bereiche (Rendite, Liquidität, Wachstum).
Zielgrößen: Zu den im Einzelnen verwendeten Maßgrößen sind im Rahmen der Operationalisierung der strategischen Ziele konkrete Zielgrößen vorzugeben und auf der balanced scorecard auszuweisen.
Maßnahmen: Der vierte Abschnitt beinhaltet eine verbale Umschreibung der zur Erreichung der einzelnen strategischen Ziele ergriffenen Initiativen.
Digitales: So schreiben sich die neuen Erfolgsgeschichten (III)
Der Online-Handel nimmt stetig zu, liegt bei 63 Mrd. EUR und macht unterdessen 10 % des Gesamtumsatzes im Handel aus. Gleichzeitig testen immer mehr Online-Händler zusätzlich den stationären Verkauf (vgl. Nr. 13/2019). Der stationäre Einzelhandel schaut aber nicht mehr tatenlos zu. Im Gegenteil: Überall entstehen – meist auf Initiative der mittelständischen, Familien geführten Kaufhäuser – neue Konzepte. Man setzt auf Events, Mitmachen und All-inklusiv-Angebote.
Das Kaufhaus wird zum Fitness-Center mit Vegan-Gastronomie. Man kann mit dem Tablet unter fachlicher Anleitung unf Beratung online alle Artikel einkaufen, die nicht vorrätig sind oder Transport-Probleme machen. Beispiel: In Osnabrück hat das Kaufhaus L&T ein Wasserbecken mit Surferwelle eingebaut. Auf der Tribüne verfolgen jugendliche Zuschauer das Spektakel. Eine Etage höher kann man an der Kletterwand Neues ausprobieren. Nebenan im Shop gibt es die passende Sportbekleidung. Im Kiosk gibt es die Reiselektüre zu den Erlebnisregionen. Im Reisebüro daneben kann man direkt Buchen. Insgesamt 1/4 der Fläche des Kaufhauses sind an Komplementär-Geschäfte untervermietet oder sind als Treffpunke eingerichtet, damit das Publikum und die potenziellen Konsumenten gut unterhalten werden und die gebotenen Erlebniswelten genießen können. So gesehen belebt die Digitalisierung das Geschäft – und alle gewinnen.
Bagatellvergehen: Auch Geschäftsführer können stolpern
Dass Mitarbeiter bei Bagatell-Vergehen gekündigt werden können, hat sich unterdessen herumgesprochen und hat sicherlich auch eine gewisse Präventivwirkung entfaltet. Aber auch als Geschäftsführer müssen Sie bei vermeintlichen Kleinigkeiten aufpassen. Ist das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschafter und dem (Fremd-) Geschäftsführer erst einmal gestört, werden in der Regel auch kleine Vergehen auf die Goldwaage gelegt.
Beispiele: Lässt sich der Geschäftsführer einer GmbH von dieser entgegen den klaren Bestimmungen seines Anstellungsvertrages über einen längeren Zeitraum immer wieder auch die Kosten rein privater Reisen erstatten, so berechtigt dies die GmbH zur fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages gemäß § 626 BGB, ohne dass es einer vorherigen Abmahnung bedarf (So z. B. das Kammergericht Berlin, Urteil v. 10.11.2000, 14 U 9587/99). Andere Gründe, die eine fristlose Kündigung des Geschäftsführers aus „kleineren Unregelmäßigkeiten“ rechtfertigen, sind zum Beispiel:
- Der Geschäftsführer vernachlässigt seine Aufsichtspflichten gegenüber einer Tochter-GmbH (OLG Thüringen, Urteil v. 12.8.2009, 7 U 244/07)
- Der Geschäftsführer lädt Hacker-Software auf seinen Dienst-Notebook (OLG Celle, Urteil v. 27.1.2010, 9 U 38/09)
- Der Geschäftsführer betankt seinen Privatwagen auf Kosten der GmbH (OLG Brandenburg, Urteil v. 18.3.2008, 6 U 58/07)
- Der Geschäftsführer begeht sexuelle Übergriffe oder Mobbing (OLG Frankfurt, Urteil v. 27.5.2008, 5 U 233/04)
- Der Geschäftsführer schließt einen neuen Mietvertrag für die GmbH ab, obwohl sich diese bereits in einer wirtschaftlichen Krise befindet (OLG München, Urteil v. 9.8.2018, 23 U 2936/17)
Geschäftsführer privat: Erbschaft nur nach regelmäßigem Besuch
Um den Kontakt zu den Enkeln nicht zu verlieren, sollte eine Erbschaft an die Enkel nur möglich sein, wenn diese ihn regelmäßig besuchen – er koppelte Erbschaft und Besuchspflicht. Eine solche Vereinbarung ist – so das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt – sittenwidrig. Die Enkel sind auch ohne Erfüllung der Besuchspflicht Miterben (OLG Frankfurt, Urteil v. 5.2.2019, 20 W 98/18).
Bürokratie: Gesetze sollen verständlicher werden
Gesetzestexte und deren Erläuterungen sollen verständlicher werden. Dazu hat der Petitionsausschuss jetzt eine Vorlage eingebracht, wonach alle offiziellen Texte künftig in sog. „leichter Sprache” formuliert werden sollen. Unter Leichter Sprache versteht man eine besondere Form der textlichen Darstellung, die aus kurzen Sätzen mit einfachen, anschaulichen Wörtern – unterstützt durch Bildelemente – besteht. Zum Beispiel: das „Starke-Familien-Gesetz” oder das „Gute Kita Gesetz”. U. E. eine erfreuliche Initiative. Allerdings ist zu befürchten, dass das streng definitorische Juristendeutsch dem Vorhaben doch gewisse Grenzen setzen wird.
GmbH-Finanzen: Besseres Bonitäts-Scoring mit der digitalen Kreditmappe
Nach US-Vorbild („Creditcarma”) sind jetzt auch in Deutschland die ersten Bonitäts-Plattformen entstanden. Damit verfügen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) jederzeit über ein aktuelles Bonitäts-Scoring. Kreditanfragen können damit schneller und zuverlässig bearbeitet und entsprechende Angebote zeitnah und ohne bürokratischen Aufwand vorgelegt werden. Banken und andere potentielle Kreditgeber orientieren sich an den dort hinterlegten Scoring-Daten.
GmbH/Finanzen: Einzelhandel kämpft mit steigenden Mieten
Die Preissteigerungen für Wohnen zeigen immer stärker auch Wirkungen auf Gewerbeimmobilien. Auch hier wollen die Vermieter zusätzliche Rendite erwirtschaften. So sind zum Beispiel in Berlin in den 1‑B-Lagen die Mieten für Läden in den letzten 9 Jahren um 267 % gestiegen – das entspricht einer jährlichen Mietpreiserhöhung um fast 30 %. In 1‑A-Lagen gab es bei großen Ladenflächen in Erfurt die größten Steigerungen mit einem Plus von 217 %. In Magdeburg müssen Einzelhändler 150 % mehr Miete zahlen als noch vor 9 Jahren.
Einen guten Start in ein erholsames Wochenende wünscht
Ihr
L. Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur Volkelt-Brief