Gender Pay Gap: Gleicher Lohn nur für gleiche Leistung + Schiedsverfahren: Mit vielen Vorteilen und ohne Risiko für den Fremd-Geschäftsführer + Digitales: Immer mehr Online-Shops werden stationär + Geschäftsführer-Gehalt: Weniger Streitfälle um „vGA” + Geschäftsführer privat: Vorteile mit dem E‑Bike von der GmbH + GmbH/Recht: Pflichten Ihres Rechtsanwalts + GmbH/Recht: Beschlussfassung in der Einheitsgesellschaft + Fehlerhafte Adresse ist kein Verstoß gegen die Formvorschriften + GmbH/Steuer: Finanzamt auf Abwegen
BISS … die Wirtschaft-Satire
Der Volkelt-Brief 13/2019 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg, 29. März 2019
Sehr Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
das Thema „Gender Pay Gap” – gleiche Löhne für Frauen und Männer – geistert derzeit wieder durch die Medien. Angeprangert werden Lohnunterschiede von 20 % und mehr. Die meisten Kollegen/Innen sehen das Thema eher kritisch. Auch deswegen, weil Mitarbeiter, die jetzt schon zu gleichen Löhnen eingestuft sind, nicht unbedingt die gleichen Leistungen bringen. Das klingt nach Gleichmacherei, ohne die individuelle Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Was tun?
Zu befürchten ist, dass neue Gesetzesinitiativen dazu anstehen (z. B. Antrag der Grünen: Entgelttransparenz ab 25 Beschäftigte, generelle Unwirksamkeit von Stillschweigeklauseln in Arbeitverträgen, BT-Drucksache 19/1192). Darauf sollten Sie vorbereitet sein, wenn Ihr Unternehmen zu den Betroffenen gehört – die Schwelle könnte in Zukunft anders als beim Entgelttransparenzgesetz (> 200) bereits bei > 25/50 Mitarbeitern liegen. Um gleichen Lohn für gleiche Leistung (equal pay) aus Unternehmersicht zu realisieren, müssen Sie umorganisieren: Weg von der Vergütung nach Arbeitszeit zur Bezahlung nach Leistungskomponenten (Prämien). Dazu müssen objektive Leistungsanforderungen (Stückzahlen, Umsätze, Vertragsabschlüsse) definiert werden. Und zwar in allen betrieblichen Bereichen, in denen das möglich ist.
Schiedsverfahren: Mit vielen Vorteilen und ohne Risiko für den Fremd-Geschäftsführer
Um langwierige und kostspielige gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen streitenden GmbH-Gesellschaftern zu vermeiden, ist in vielen GmbH-Gesellschaftsvertragen eine sog. Schiedsklausel vereinbart. Danach verpflichten sich die Gesellschafter, den Schiedsspruch eines neutral besetzten, unabhängigen Entscheidungsgremiums anzuerkennen. Vorteile: GmbH-Interna werden nicht in einem öffentlichen Gerichtsverfahren publik, die Streitigkeit wird schnell beendet und die Kosten sind deutlich niedriger als in einem ordentlichen Gerichtsverfahren. Wir haben an dieser Stelle bereits auf die Vorteile und Besonderheiten des schiedsgerichtlichen Verfahrens hingewiesen.
Formulierung: „Über alle Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten, die sich aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern oder zwischen den Gesellschaftern untereinander ergeben, entscheidet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges ein Schiedsgericht. Das Schiedsgericht ist auch zuständig für die Entscheidung von Einwendungen der Gesellschafter gegen Gesellschafterbeschlüsse oder Geschäftsführungsmaßnahmen. Solche Einwendungen gegen Gesellschafterbeschlüsse können nur darauf gestützt werden, dass die angefochtenen Beschlüsse in den angefochtenen Punkten zwingendem Recht oder den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages widersprechen“.
Üblich ist, dass die streitenden Parteien jeweils einen Schiedsrichter (StB, RA, WP) benennen. Die beiden Schiedsrichter wählen einen Obmann (Vertreter der IHK, Richter). Können sich die Schiedsrichter nicht auf einen Obmann einigen, kann eine dafür vorgesehene Person (z. B. der Präsident des zuständigen Landgerichts) ersatzweise einen Obmann bestimmen. Auf jeden Fall sollte durch ein entsprechendes Auswahlverfahren sichergestellt sein, dass ein juristisch kompetentes Gremium eingerichtet wird.
Achtung: Beachten müssen Sie die Vorgaben des Oberlandesgerichts Frankfurt zur Sache (OLG Frankfurt, Beschluss v. 9.9.2010, 26 SchH 4/10). Wollen Sie als Gesellschafter-Geschäftsführer sicher gehen, dass die interne Schlichtung durch das Schiedsgericht nicht noch nachträglich durch ein ordentliches Gericht angefochten werden kann, sollten Sie jetzt prüfen:
- Ist die Schiedsklausel im Gesellschaftsvertrag richtig verankert und
- Entspricht das dort beschriebene Verfahren den Mindestvoraussetzungen für den Rechtsschutz der betroffenen Gesellschafter.
Die neue Rechtslage für Geschäftsführer: Rechtlich anders zu beurteilen ist es, wenn die Schiedsklausel automatoisch auch für alle Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern und ihrem Geschäftsführer bzw. zwischen der GmbH und dem Geschäftsführer angewandt werden soll. Das ist z. B. der Fall, wenn sich es zu Meinungsverschiedenheiten um die Abberufung, die Kündigung, über die Höhe einer Anfindung oder ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot geht. Laut OLG München gilt: „Der Geschäftsführer ist einer von der GmbH geschlossenen Schiedsabrede nur dann unterworfen, wenn er selbst bei Abschluss der Vereinbarung für die GmbH tätig geworden ist” (OLG München, Urteil v. 16.1.2019, 7 U 1365/18).
Im Klartext: Der Geschäftsführer muss dem Schiedsverfahren ausdrücklich zustimmen. Z. B. in der Form, dass das Schiedsverfahren im Anstellungsvertrag ausdrücklich vereinbart wird. Ist die Schiedsklausel im Gesellschaftsvertrag vorgegeben, muss sich der Geschäftsführer nicht daran halten. Er kann – z. B. als Minderheits- oder Fremd-Geschäftsführer – seine Rechte vor einem ordentlichen Gericht, ggf. sogar vor dem Arbeitsgericht gegen die GmbH bzw. einzelne Gesellschafter durchsetzen.
Digitales: Immer mehr Online-Shops werden stationär
Ob Zalando, Outfittery oder Amazon: Online-Händler stoßen an die Grenzen ihres Wachstums. Aus unterschiedlichen Gründen: Probleme machen die zunehmenden Rücklaufquoten. Das verursacht doppelte Kosten und drückt auf die Kalkulation. Auch in der Zustelllogistik gibt es Probleme: Es fehlen Mitarbeiter und die Bezahlmodelle neben dem Mindestlohn stehen vor dem endgültigen Aus. Zunehmend setzt sich auch die Erkenntnis durch, dass die viele Kunden auf Beratung und Event beim Einkauf (immer noch) nicht verzichten möchten. Erste Online-Händler und Plattformen haben daraus die Konsequenzen gezogen und planen zusätzliche stationäre Shops – so wie zuletzt Amazon mit einem ersten Kaufhaus in Deutschland.
Das ist aber nicht nur Spielwiese für die Großen. Diese Entwicklung eröffnet auch kleineren Anbietern neue Chancen. Es geht um die richtige Kooperation zwischen traditionellen Anbietern und App-gestützten Verkaufsplattformen. Beispiel: www.Brille24.de. Das Unternehmen bietet eine Mischung aus Künstlicher Intelligenz (KI), Online-Shop und Vor-Ort-Beratungsservice. Kunden, die persönliche Beratzung (Vertrauen!) haben wollen oder einen Vor-Ort-Service (Reinigung, Anpassung, Reparaturen usw.) in Anspruch nehmen wollen, können dies bei Vor-Ort-Optikern, die Brille24 als Vertragspartner eingebunden hat. Ähnlich funktionieren Essenslieferanten (Lieferando, Lieferheld usw.) – auch hier funktioniert das Geschäftsmodell im reibungslosen Zusammenspiel zwischen Logistik und traditioneller Gastronomie.
Geschäftsführer-Gehalt: Weniger Streitfälle um „vGA”
Fester Bestandteil jeder Betriebsprüfung in jeder GmbH ist das Gehalt des Gesellschafter-Geschäftsführers. Nach einem vorgegebenen Prüfungsschema wird dann geprüft, ob die vertragliche Grundlage stimmt (Vereinbarungen im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag) und ob einzelnen Gehaltsbestandteile (Festgehalt, Tantieme, Altersversorgung, Nebenleistungen) „angemessen” sind. Dabei kommt es regelmäßig zu Beanstandungen. Wir berichten regelmäßig über entsprechende Nachveranlagungen durch den Betriebsprüfer bzw. über dazu anhängige Verfahren vor den Finanzgerichten. In der Rückschau lässt sich sagen: Bis in die Jahre bis 2015/2016 gab es jährlich zahlreiche Finanzgerichts-Urteile, in denen Steuerbescheide mit zusätzlicher Körperschafts- und Gewerbesteuer wegen einer verdeckten Gewinnausschüttung wegen überhöhter Geschäftsführer-Gehaltszahlungen von den Richtern aufgehoben wurden und über die wir berichtet haben.
Auffällig: In 2017 und 2018 gab es deutlich weniger FG-Urteile in der Sache. Das ist aus Sicht aller Gesellschafter-Geschäfts-führer zwar erfreulich, aber kein wirklicher Hinweis auf Entwarnung. Sicher ist, dass sich immer mehr Geschäftsführer bei der Gehaltsfindung unterdessen an Vergleichszahlen orientieren (Z. B. BBE-Media-Vergütungsstudie 2018, Karlsruher Tabellen). Wir stellen an dieser Stelle jeweils zum Jahresende die neuesten Zahlen vor und erstellen im Einzelfall Gehalts-Kurzgutachten. Weniger Urteile bedeuten aber keinesfalls weniger Nachveranlagungen durch eine anschließende Betriebsprüfung! (Gesellschafter-) Geschäftsführer, die in den letzten Jahren gute bis sehr gute GmbH-Zahlen vorgelegt haben, sollten aber aufpassen, wenn Sie die guten Zahlen auch auf ihrem Gehaltskonto (hier: Festgehalt) verbuchen wollen. Vermeiden Sie Anpassungssprünge (+ 10 % und mehr), sondern erhöhen Sie kontinuierlich (jährlich + 2 bis 3 %).
Geschäftsführer privat: Vorteile mit dem E‑Bike von der GmbH
Verstopfte Straßen, teure Parkplätze und schlechte Luft: Alles gute Gründe auch für Geschäftsführer umzusteigen und sich neben dem Firmenwagen mehr Mobilität zu gönnen. Wer sich ein E‑Bike inkl. Privatnutzung von der GmbH zahlen lassen will, bekommt ab sofort Starthilfe vom Staat (BMF-Schreiben v. 13.3.2019 – 3 – S 233.4/187).
GmbH/Recht: Pflichten Ihres Rechtsanwalts
Verlässt sich Ihr Anwalt im Kündigungsprozess ungeprüft auf Ihre Angaben zum Zugang der Kündigung, handelt er „pflichtwidrig”. Es gehört zu seinen Aufgaben, diese Angaben zu überprüfen. Versäumt der Anwalt deswegen z. B. eine Klagefrist, haftet er für einen dadurch entstandenen Schaden. Im Urteilsfall hatte sich der Anwalt ohne weitere Nachfragen auf Angaben des Mandanten über den Zeitpunkt des Zugangs eines datierten und mit der Aufschrift „per Boten” versehenen Kündigungsschreibens verlassen, ohne weitere Nachprüfungen anzustellen (BGH, Urteil v. 14.2.2019, IX ZR 181/17).
GmbH/Recht: Beschlussfassung in der Einheitsgesellschaft
Ist in einer GmbH & Co. KG die Kommanditgesellschaft (KG) zugleich auch einzige Gesellschafterin der GmbH (sog. Einheitsgesellschaft) dann sind die Geschäftsführer der KG berechtigt, Beschlüsse für die Komplementär-GmbH zu zu fassen. Die übrigen Kommanditisten müssen zur Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH eingeladen bzw. an der Beschlussfassung beteiligt werden (Kammergericht Berlin, Beschluss v. 21.12.2018, 22 W 84/18).
Fehlerhafte Adresse ist kein Verstoß gegen die Formvorschriften
Ist dem Gesellschafter bekannt, wo er sich hinbegeben muss, um an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen, kommt es nicht darauf an, ob an diesem Tag unter dieser Anschrift ein Briefkasten vorhanden und/oder ein Klingelschild der Gesellschaft vorhanden war. Fehlt einer solcher Hinweis, ist das kein Grund, der zu einer fehlerhaften Einladung zur Gesellschafterversammlung und damit zur Anfechtbarkeit der dabei gefassten Beschlüsse führt (OLG München, Urteil v. 9.1.2019, 7 U 1509/18).
GmbH/Steuer: Finanzamt auf Abwegen
Per Steuerbescheid hatte ein Finanzamt in NRW festgestellt, dass die Mietzahlungen für einen Messestand einer Produktionsfirma bei der Gewerbesteuer berücksichtigt werden müssen. Begründung: „Der Messestand ist als fiktives Anlagevermögen zu behandeln”. Folge: Die Miete ist bei der Ermittlung der Gewerbesteuer dem Gewinn zuzurechnen. Das müsste dann so auch für alle anderen Messeteilnehmer gelten. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf stoppte diese Praxis der Finanzbehörden jetzt. Das ist so nicht zulässig. Allerdings hat das Gericht revision zugelassen. Wir halten Sie auf dem Laufenden (FG Düsseldorf, Urteil v. 29.1.2019, 10 K 2717/17).
Einen guten Start in ein erholsames Wochenende wünscht
Ihr
L. Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur Volkelt-Brief