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Pflichtversichert? … dann haben SIE Anspruch auf Kurzarbeitergeld + Der Fall VW/Prevent: „Das Smartphone muss draußen bleiben ….“ + Geschäftsführer-Perspektive: Es muss und wird … + Praktisch: Prämien für die Ausbildung + Digitales: Lebensmittel retten mit win-win + GmbH-Jahresabschluss 2019: Wenn der Gesellschafter Änderungen verlangt … + GmbH/Recht: Bestellung zum Geschäftsführer + Marketing: Rechtslage für Influencer bestätigt + Behörde darf Geschäftsführer Gewerbe untersagen + Mitarbeiter: Krankschreibung per Video-Sprechstunde
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Freiburg, 14.8.2020
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
pflichtversicherte GmbH/UG-Geschäftsführer haben Anspruch auf Leistungen der Sozialversicherung (Rente, ALG, UV) – so ergibt es sich aus einem Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 2007 (BSG mit Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R) – auch auf Kurzarbeitergeld (z. B. Sozialgericht Kassel mit Urteil v. 23.3.2006, S 11 AL 1435/03). Inwieweit diese Rechtslage von der Bundesagentur für Arbeit (BA) in der gegenwärtigen Situation umgesetzt wird, ist nicht bekannt. Aus der Praxis gibt es dazu noch keine aussagekräftigen Erfahrungsberichte (vgl. dazu unsere Handlungs-Empfehlungen zur Sache aus Nr. 13/2020).
Jetzt gibt es dazu ein erstes aktuelles Urteil vom Sozialgericht (SG) Speyer. Das Gericht stellt dazu fest: „Der Geschäftsführer einer UG (hier: Reisebüro) hat grundsätzlich Anspruch auf Kurzarbeitergeld“. Wörtlich aus der Begründung: „Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der UG-Geschäftsführer nicht in einem die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis stand“. Dementsprechend gilt das für alle UG- und GmbH-Geschäftsführer*innen, für die Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt wurden/werden (Quelle: Sozialgericht Speyer, Urteil v. 31.7.2020, S 1 AL 134/20, noch nicht rechtskräftig). U. E. ist davon auszugehen, dass die Bundesagentur gegen die damit erlassene Einstweilige Anordnung auf Zahlung des KUG an den Geschäftsführer Rechtsmittel einlegen wird. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
Für die Praxis: Damit besteht eine weitere – zulässige und dem Anspruch nach berechtigte – Möglichkeit, in den nächsten Monaten Kosten einzusparen und Zuschüsse mitzunehmen. Die Vorleistung dafür haben Sie mit der Beitragszahlung bereits erbracht.
Der Fall VW/Prevent: „Das Smartphone muss draußen bleiben ….“
„ .. irgendwie muss ich wohl aus Versehen die Aufnahmetaste betätigt haben“. Die Kollegen/Innen kennen das: Nicht Alles, was mit Geschäftspartnern über Verträge, Preise und Konditionen besprochen wird, kommt und gehört ins Protokoll. Das sind z. B. vertrauliche Vereinbarungen, von denen man nicht möchte, dass sie im eigenen Unternehmen in Umlauf kommen könnten, oder Absprachen, die der Geschäftspartner vertraulich behandelt wissen will. Vorsicht: Die aktuellen Enthüllungen um die jetzt juristisch anhängige Auseinandersetzung zwischen VW und dem Zulieferer Prevent offenbaren, wie wichtig es ist, diese Ebene der Vertraulichkeit zu schützen.
Noch ist die Person nicht bekannt, die Audio-Aufzeichnungen – wahrscheinlich per Smartphone – solcher vertraulichen Punkte öffentlich gemacht hat und die jetzt u. U. im juristischen Verfahren um die Verbindlichkeit von langfristigen Lieferverträge sogar eine entscheidende Rolle spielen werden. Fakt ist: Kommt es um vertragliche Vereinbarungen (Vertragsrecht) später zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen den Geschäftspartnern wird vom Gericht nicht nur der Vertragstext, sondern auch der Wille der Vertragsparteien beurteilt. Dabei kommt es u. U. ganz erheblich auf die Verhandlungsatmosphäre und ggf. auf zusätzliche Gedächtnisprotokolle von beteiligten Personen an. Das Aufzeichnungs-Protokoll per Smartphone ist dabei eine wichtige Quelle – auch wenn dessen gerichtliche Verwertbarkeit nur bedingt gegeben ist.
Was tun, wenn Sie – berechtigt oder unberechtigt – davon ausgehen müssen, dass es eine undichte Stelle gibt oder dass ein Whistleblower mit am Tisch sitzt? Ich habe Ihnen einige – vielleicht auch etwas ungewöhnliche – Ideen zusammengetragen, die Ihnen vorsichtiges Agieren ermöglichen:
- Sind Sie die anreisende Partei und die Gespräche sollen in den Räumen des einladenden Unternehmens stattfinden, sollten Sie darauf hinwirken, die Gespräche/Verhandlungen auf neutralem Boden stattfinden zu lassen (Event-Location). Lassen Sie sich dazu etwas einfallen: Das erleichtert Ihnen die An- und Abreise mit der DB.
- Legen Sie Wert darauf, dass Abstimmungsgespräche immer im kleinen Kreis geführt werden. Also, dass nur solche Personen teilnehmen, deren Expertise im direkten Zusammenhang mit dem Konferenz-Ziel steht und notwendig sind, zur Beantwortung von ad hoc – Fragestellungen. Noch besser ist es, wenn diese Personen lediglich für einen sofortigen Abruf bereitstehen.
- Beantragen Sie eine Verhandlungspause, um klärungsbedürftige Sachverhalte vorab mit ihrer Delegation und mit den Entscheidern des Geschäftspartners zu besprechen.
- Sie können – je nach Geschäftsgegenüber – darauf achten, dass Sie in den Besprechungen ausschließlich Redebeiträge für´s Protokoll einbringen. Das verlangt einiges an Disziplin, nimmt Leichtigkeit und ist für eine wirklich vertrauliche Zusammenarbeit nicht förderlich. Aber Abtasten (Zurückhaltung) war schon immer ein guter Ratschlag für den Aufbau langfristiger Geschäftsbeziehungen.
- Ein Smartphone-Verbot dürfte in der Praxis nicht zu machen sein. Das ist ein schlechtes Omen, schürt Misstrauen und untergräbt übliche Business-Solidarität.
- Auch mit dem Tablet oder dem für das Protokoll bereit gestellten PC ist ein Mitschnitt der Gespräche möglich. Dazu sollte aber vorher unbedingt die Zustimmung aller Teilnehmer eingeholt werden.
Geschäftsführer-Perspektive: Es muss und wird …
Ein Fall aus der Praxis. Branche: Reiseveranstalter. Destination: Übersee. Halbjahres-Umsatz im Vorjahr: 500.000 EUR. Derzeit: 2.400 EUR. Tätigkeiten: Abwicklung von Stornos und Beschaffung von Mitteln zur Finanzierung der laufenden Kosten. Hoffnung: 4 von 5 Stammkunden verzichten auf Rückzahlung der Vorkasse und verschieben auf 2020. Nicht abzusehen ist, wann die Grenzen wieder offen sind und ob die Touristik-Logistik wieder oder noch existiert. Der Regisseur Rainer-Werner Fassbinder beschreibt die innere Befindlichkeit dazu mit: „Angst essen Seele auf”. Nicht wenige Kollegen*innen müssen das seit einigen Wochen aushalten. Es muss werden und es wird. Wenn nicht? Der oben genannte Reiseveranstalter hat dazu seine Antwort gefunden: „Wenn nicht, muss ich mir etwas anderes suchen und ich werde etwas finden”. Mit freundlichen Grüßen.
Praktisch: Prämien für die Ausbildung
Betrifft … |
Darum geht es … |
to do … |
Ausbildungszuschuss für förderfähige Berufe |
Zuschüsse gibt es ab sofort auf Antrag von der Bundesagentur für Arbeit: Prämie pro erhaltenem Ausbildungsplatz: 2.000 EUR; Prämie pro zusätzlichem Ausbildungsplatz: 3.000 EUR. | Weiterführende Informationen + Antragstellung > Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern” |
Digitales: Lebensmittel retten mit win-win
Krumme Gurken oder verwachsene Karotten: Lebensmittel, die nicht der Ästhetik des Handels oder der Verbraucher genügen, bleiben in großen Mengen auf den Feldern liegen oder verwelken im Gewächshaus. Und weil das Abernten dieser Lebensmittel Kosten verursacht, können auch die Tafeln oder andere Lebensmittel-Retter diesen Überfluss nicht abschaffen. Die Französin Emilie Vanpoperinghe schaffte jetzt mit ihrem StartUp Oddbox für dieses Problem eine Logistik-Lösung, die sich rechnet. Die Lebensmittel werden direkt beim Hersteller eingekauft und in festen Packgrößen direkt in den Haushalt geliefert – zu günstigen Preisen versteht sich. Die kleinste Liefereinheit bringt einen Umsatz von 10 EUR und wird abends ausgeliefert, damit der Kurierdienst nicht tagsüber unnötig im Stau herumsteht. Corona hat Oddbox statt dem für 2020 erwarteten Zuwachs von 10 % eine Steigerung um 25 % beschert. Unterdessen wird das StartUp mit Millionen finanziert und hat unterdessen rund 900.000 Lebensmittel-Päckchen ausgeliefert.
Für die Praxis: Ob Delivery-Hero, Lieferando, REWE- und ALDI-Bringdienst oder DHL: Lieferdienste boomen. Viele Haushalte werden auch nach Corona die Vorzüge einer in-Haus-Lieferung weiterhin in Anspruch nehmen. In Kombination mit den Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz sollte das das richtige Erfolgsrezept sein und schnell einen investitionsbereiten Käufer finden.
GmbH-Jahresabschluss 2019: Wenn der Gesellschafter Änderungen verlangt …
Zur Feststellung des Jahresabschlusses (Mittlere und große GmbHs: 31.8.2020) erhalten wir regelmäßig Anfragen in der Redaktion: Dürfen die Gesellschafter einen geprüften Jahresabschluss noch abändern? Grundsätzlich ist es Sache der Gesellschafter, den Jahresabschluss festzustellen und über die Gewinnverwendung zu beschließen (§ 46 Abs. 1 GmbH-Gesetz). Die Gesellschafter sind dabei nicht an die von der Geschäftsführung vorgelegte Fassung gebunden. Diese ist lediglich ein Vorschlag – auch wenn dieser bereits geprüft und testiert ist. Die Gesellschafter können diesen Vorschlag nach freiem Ermessen im Rahmen ordnungsgemäßer Bilanzierung umgestalten. Dies hat der Gesellschafter substantiiert vorzutragen. Kommt es wegen fehlender Zustimmung eines/mehrerer Gesellschafter nicht zu einem Feststellungsbeschluss, ist zu unterscheiden:
- Wirkt der Gesellschafter nicht mit, wird das Gericht auf Antrag der übrigen Gesellschafter ein Gestaltungsurteil fällen – sofern die vorgesehene Beschluss-Mehrheit ohne diesen Gesellschafter nicht erreicht werden kann.
- Bestehen inhaltliche Differenzen und beschließen die übrigen Gesellschafter dennoch, dann kann der widersprechende Gesellschafter Feststellungsklage einreichen.
Stellen Sie den Jahresabschluss den Gesellschaftern frühzeitig zur Verfügung. Achten Sie darauf, dass die Gesellschafter ihre Kritikpunkte sachlich, genau und schriftlich vortragen bzw. einreichen und zwar vor der Gesellschafterversammlung, auf der der Jahres-abschluss festgestellt werden soll. Sorgen Sie dafür, dass die von den Gesellschaftern beauftragten (Steuer-) Berater das qualifizierte Konfliktgespräch suchen und fundierte (Kompromiss-) Lösungen vorschlagen.
Für die Praxis: Sind die Ablehnungsgründe des Gesellschafters formal oder inhaltlich nicht stichhaltig (auf den letzten Drücker, ohne bilanzrechtliche Begründung/Quelle), lassen Sie es dennoch zur Beschlussfassung kommen. Dem übergangenen Gesellschafter bleibt es überlassen, dagegen zu klagen. Ist Einstimmigkeit für die Beschlussfassung vorgesehen, sollten Sie von vorneherein einen Rechtsanwalt einschalten.
GmbH/Recht: Bestellung zum Geschäftsführer
Der Gesellschafter einer GmbH/UG, der die Einziehung seines Anteils durch die Gesellschaft für fehlerhaft hält, kann nicht geltend machen, dass die daraufhin geänderte Gesellschafterliste falsch ist und die von diesen Gesellschafter gefassten Beschlüsse unwirksam sind (hier: Beschluss über die Bestellung eines Gesellschafters zum Geschäftsführer). Die Gesellschafterliste ist nur dann fehlerhaft, wenn der (Ex-) Gesellschafter gegen die Einziehung seines GmbH/UG-Anteils klagt, das Verfahren dazu noch nicht abgeschlossen ist und die Gesellschafterliste im noch laufenden Verfahren geändert und so im Handelsregister eingetragen wurde (Kammergericht Berlin, Urteil v. 18.3.2019, 22 W 5/19).
Marketing: Rechtslage für Influencer bestätigt
Auch das Landgericht (LG) Köln hat jetzt die unterdessen streng wettbewerbsausgerichtete Rechtsposition zu Influencer-Produkthinweisen bestätigt (vgl. Nr. 24/2020). Wichtige Aussage des Gerichts: „Auch wenn es keine Bezahlung für die Produkthinweise gibt, müssen diese als Werbung gekennzeichnet werden”. Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig. U. E. müssen Influencer/Unternehmen, die mit Influencern zusammenarbeiten davon ausgehen, dass es in der Sache eine OLG-Entscheidung geben wird. Wer Produkthinweise nicht als Werbung kennzeichnet, muss aber bis auf weiteres davon ausgehen, dass Verbraucherschützer diese konsequent anzeigen und die Gerichte Unterlassungserklärungen bzw. Ordnungsgeldbescheide bestätigen werden (LG Köln, Urteil v. 21.7.2020, 33 O 138/19).
Behörde darf Geschäftsführer Gewerbe untersagen
Die im GmbH-Gesetz vorgegebenen Ausschlussgründe für einer Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH/UG sind nicht – so das Verwaltungsgericht Bremen in einem aktuellen Urteil – abschließend (§ 6 Abs. 2 GmbH-Gesetz). Auch andere Versäumnisse berechtigen die Behörden (hier: das Gewerbeamt), dem Geschäftsführer die Ausübung eines Gewerbes zu untersagen (VG Bremen, Urteil v. 5.3.2020, 5 K 840/18).
Für die Praxis: Der Geschäftsführer hatte bereits zuvor die Geschäfte verschiedener GmbH aus der gleichen Branche geführt. Für zwei der Gesellschaften hatte er verspätet Insolvenz angemeldet – die Insolvenzverfahren bzw. die Rückforderungen des Insolvenzverwalters gegen den Geschäftsführer waren zum Teil noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Dazu das Gewerbeamt: Es ist nicht auszuschließen, dass der Geschäftsführer mit der neu gegründeten GmbH wieder ein Insolvenzvergehen begehen wird. Rechtsgrundlage ist danach § 35 der Gewerbeordnung – „Gewerbeverbot wegen Unzuverlässigkeit”.
Mitarbeiter: Krankschreibung per Video-Sprechstunde
Arbeitsunfähigkeit kann auch per Videosprechstunde ausgestellt werden. Voraussetzung für die Krankschreibung ist, dass der Arbeitnehmer dem behandelnden Arzt bekannt ist und die Erkrankung eine Untersuchung per Videosprechstunde zulässt. Die erstmalige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist auf einen Zeitraum von 7 Kalendertagen begrenzt. Eine Folgekrankschreibung über Videosprechstunde ist nur zulässig, wenn die vorherige Krankschreibung aufgrund unmittelbarer persönlicher Untersuchung ausgestellt wurde. Ein Rechtsanspruch auf Krankschreibung per Videosprechstunde besteht nicht.