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Volkelt-Brief 04/2017

  • Neue Geset­ze: Arbeits­zeit-Fle­xi­bi­li­tät auf Kos­ten der Unter­neh­men + Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung: BGH ver­schärft Form­vor­schrif­ten +  Geschäfts­füh­rer-Alters­ver­sor­gung: Ober­gren­ze für Pen­si­ons­rück­stel­lun­gen + Mehr Büro­kra­tie: EU spe­ku­liert auf die Kör­per­schaft­steu­er + NEU: Bes­se­rer Neu­start nach Schei­dung und Pri­vat­in­sol­venz + Steu­er pri­vat: Geld zurück vom Finanz­amt gibt es erst ab Mai + Steu­er NEU: Rück­stel­lung für Steu­er­schul­den + GmbH-Recht: Ver­pflich­tung zur Mit­ar­beit in der GmbH +  BISS

 

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Frei­burg, 27. Janu­ar 2017

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

Poli­tik hat gut reden, wenn es ums Ver­tei­len und Ange­bo­te machen geht. Z. B. in der Dis­kus­si­on um den Anspruch von Teil­zeit­ar­beit­neh­mern zur Rück­kehr auf die vol­le Arbeits­zeit. Die Zah­len spre­chen für sich: 13,7 % der Teil­zeit-arbei­ten­den Frau­en und 19,8 % der Teil­zeit-arbei­ten­den Män­ner sind mit ihrer Arbeits­zeit nicht zufrie­den und wol­len län­ger arbei­ten (Quel­le: Han­dels­blatt). Jeder 5. männ­li­che Arbeit­neh­mer in Teil­zeit wür­de von sei­nem Anspruch auf mehr Arbeit Gebrauch machen. Für Unter­neh­men, die Arbeits­kräf­te brau­chen und kei­ne neu­en fin­den, ist das kein Pro­blem. Hier ist eine Eini­gung auf „Voll­zeit“ schon jetzt kein Pro­blem. Für ange­hen­de Müt­ter und Väter gibt es mit der Eltern­zeit ein fle­xi­bles Instru­ment, mit dem bei­de Sei­ten gut leben kön­nen. So viel Fle­xi­bi­li­tät ist für bei­de Sei­ten meist mach­bar (Teil­zeit­ar­beits­ge­setz).

Wenig Ver­ständ­nis haben die Kol­le­gen aber dafür, wenn ihr Unter­neh­men für die kurz­fris­ti­ge Lebens­pla­nung von Mit­ar­bei­tern ein­sei­tig die wirt­schaft­li­che Ver­ant­wor­tung über­neh­men soll. Ein sol­cher Anspruch auf ein zurück in die Voll­be­schäf­ti­gung darf es nur geben, wenn das Unter­neh­men sol­che Kapa­zi­tä­ten tat­säch­lich hat und braucht. Ein Anspruch auf Voll­be­schäf­ti­gung, ohne dass es dafür Arbeit gibt, ist aus Geschäfts­füh­rungs-Sicht jeden­falls nicht hilf­reich. Im Gegen­teil. Das bedeu­tet zusätz­li­chen büro­kra­ti­schen Auf­wand und zusätz­li­che Kos­ten und ist dar­über hin­aus noch ein schlech­tes Vor­bild für alle die Mit­ar­bei­ter, die eine zeit­lang mal mit weni­ger Gehalt aus­kom­men und in der ein­ge­spar­ten Arbeits­zeit end­lich ein­mal an ihrem eige­nen Geschäfts­mo­dell arbei­ten können.

In der Tat hat die Gro­ße Koali­ti­on mit dem gesetz­li­chen Anspruch auf Voll­zeit­be­schäf­ti­gung und dem Ent­wurf eines Ent­gelt­trans­pa­renz­ge­set­zes kurz vor der Bunds­tags­wahl zwei gesetz­li­che Vor­ha­ben auf den Weg gebracht, die es in sich haben. Mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men, die ihre Per­so­nal-Ange­le­gen­hei­ten (Rekrui­ting, Lohn­ab­rech­nung, Ver­wal­tung, Per­so­nal­ent­wick­lung) von exter­nen Dienst­leis­tern erle­di­gen las­sen, müs­sen dann mit erheb­li­chen Mehr­kos­ten für die­se Zusatz­leis­tun­gen rech­nen. Klei­ne­re Betrie­be haben damit bei der Suche nach neu­en Mit­ar­bei­tern noch einen wei­te­ren Wett­be­werbs­nach­teil gegen­über gro­ßen Unternehmen.

Gesellschafterversammlung: BGH verschärft Formvorschriften

Sind die Gesell­schaf­ter einer GmbH zer­strit­ten, kommt es auf jedes juris­ti­sches Detail an. Z. B., wenn einer der Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer abbe­ru­fen wer­den soll und die for­ma­len Vor­aus­set­zung für die ord­nungs­ge­mä­ße Ein­la­dung der dazu not­wen­di­gen Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung nicht kor­rekt ein­ge­hal­ten wer­den. Abge­se­hen von den Gerichts- und Anwalts­kos­ten lei­den dar­un­ter in der Regel auch die Geschäf­te der GmbH (Hier: Immobilienverwaltung).

Dazu ein neu­er Fall: Der bereits abbe­ru­fe­ne (aber im Han­dels­re­gis­ter noch nicht aus­ge­tra­ge­ne bzw. gelösch­te) Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer hat­te eine Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung ein­be­ru­fen. Da er noch im Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen war, berief er sich auf § 121 Akti­en­ge­setz, wonach der ein­ge­tra­ge­ne Vor­stand das Recht auf Ein­be­ru­fung einer Haupt­ver­samm­lung hat. Dazu stell­ten die Rich­ter des BGH klar: § 121 Abs. 2 Satz 2 des Akti­en­ge­set­zes ist auf GmbH-Geschäfts­füh­rer nicht anzu­wen­den“ (BGH, Urteil vom 8.11.2016, II ZR 304/15). Im Klar­text: Der abbe­ru­fe­ne aber noch ein­ge­tra­ge­ne Geschäfts­füh­rer hat kein Recht auf Ein­be­ru­fung der Gesellschafterversammlung.

In der Pra­xis bedeu­tet das, dass der abbe­ru­fe­ne Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer eine Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung nur ein­be­ru­fen kann, wenn er zumin­dest 10 % der GmbH-Antei­le hält und der/die Geschäfts­füh­rer sei­nem Ein­be­ru­fungs­ver­lan­gen nicht nach­kom­men. ACHTUNG: Der Gesell­schaf­ter und ehe­ma­li­ge Geschäfts­füh­rer muss also zunächst den ein­ge­tra­ge­nen und ord­nungs­ge­mäß beru­fe­nen Geschäfts­füh­rer auf­for­dern, die Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung ein­zu­be­ru­fen (§ 50 Abs. 3 GmbH-Gesetz) – schrift­lich und unter Ver­weis auf die vor­ge­se­he­ne Tages­ord­nungs­punk­te. Und zwar unter einer ange­mes­se­nen Frist­set­zung und zusätz­lich unter Beach­tung der Ein­be­ru­fungs­frist (1 Woche + Zustel­lung). Lehnt der Geschäfts­füh­rer das Ein­be­ru­fungs­ver­lan­gen ab oder reagiert er nicht, kön­nen Sie das gericht­lich per Einst­wei­li­ger Anord­nung durchsetzen.

GF-Altersversorgung: Obergrenze für Pensionsrückstellungen

Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gen vor allem klei­ne­rer GmbHs nut­zen die Pen­si­ons­rück­stel­lung in ers­ter Linie dazu, den Gewinn der GmbH zu drü­cken. Für ihre Alters­ver­sor­gung set­zen Sie aber eher auf Immo­bi­li­en, pri­va­te Ver­mö­gens­bil­dung oder eine pri­va­te Ren­te. ACHTUNG: Wer den­noch auf die Pen­si­ons­zu­sa­ge setzt, muss auf­pas­sen. Im Ein­stieg zur Bun­des­tags­wahl hat sich die SPD-Frak­ti­on die Gehäl­ter und Boni/Tantiemen (vgl. Nr. 1/2017) und die Abfin­dun­gen und Pen­sio­nen von Vor­stän­den und Geschäfts­füh­rern vor­ge­nom­men (Quel­le: u. a. Han­dels­blatt vom 14.12.2016). Dabei setzt die SPD auf das Steu­er­recht. Mit der Fol­ge, dass die steu­er­recht­li­chen Vor­schrif­ten dann für alle Unter­neh­mens­lei­ter gel­ten müs­sen (Zur SPD Posi­ti­on bei der letz­ten Bun­des­tags­wahl 2013).

Für Ver­sor­gungs­an­sprü­che von Geschäfts­füh­rern heißt es dann: „Ver­sor­gungs­zu­sa­gen sol­len künf­tig über die Ren­ten­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge hin­aus nicht län­ger steu­er­lich abzugs­fä­hig sein“. Im Klar­text: Kön­nen Sie als der Geschäfts­füh­rer bis­her bis zu 60% Ihrer Aktiv­be­zü­ge über die Pen­si­ons­zu­sa­ge steu­er­lich als Gewinn min­dern­de Rück­stel­lung anrech­nen, bestimmt dann das gesetz­li­che Ren­ten­ni­veau die Höhe Ihrer Pen­si­ons­rück­stel­lung (der­zeit: über 76.200 €/Jahr).

Das Sze­na­rio zur Begren­zung der Gehäl­ter von Unter­neh­mens­lei­tern, Vor­stän­den und Geschäfts­füh­rern nimmt damit Kon­tu­ren an. Eine sol­che Lösung ist für alle drei Par­tei­en einer mög­li­chen ROT/RO­T/­GRÜ­NEN-Koali­ti­on pro­gram­ma­ti­scher Inhalt einer Koali­ti­ons­ver­ein­ba­rung. Die Kol­le­gen in klei­ne­ren GmbHs wer­den unter den Zugriffs­gren­zen lie­gen. Für die Geschäfts­füh­rer in grö­ße­ren, gut ver­die­nen­den GmbHs wer­den die Maß­nah­men in der Sum­me zu einer erheb­li­chen Belastung.

Mehr Bürokratie: EU spekuliert auf die Körperschaftsteuer

Mit der Über­nah­me zusätz­li­cher Auf­ga­ben (Siche­rung der EU-Außen­gren­zen, Kos­ten der Migra­ti­on) und dem Aus­tritt Groß­bri­tan­ni­ens steht die EU unter Kos­ten­druck. Die Plä­ne für eigen­stän­di­ge Finan­zie­rungs­quel­len sind bereits aus­ge­ar­bei­tet (Quel­le: Mon­ti-Bericht). Ange­dacht sind: Eine Ban­ken­steu­er, eine CO2-Abga­be, eine Finanz­trans­ak­ti­on­steu­er oder eine Betei­li­gung an der Kör­per­schaft­steu­er. Die­se Opti­on soll zunächst auf gro­ße Unter­neh­men (Kon­zer­ne: Umsatz > 750 Mio. €) beschränkt werden.

Aller­dings ist davon aus­zu­ge­hen, dass der Euro­päi­sche Gerichts­hof (EuGH) das Gebot der Gleich­be­hand­lung in der Regel kon­se­quent anwen­det und eine Begrün­dung für eine aus­schließ­li­che Belas­tung grö­ße­rer Unter­neh­men ver­lan­gen wird. Das dürf­te nicht ein­fach sein, so dass auch eine Ein­be­zie­hung klei­ne­rer Unter­neh­men dann nicht aus­zu­schlie­ßen ist. Es dürf­te die Rech­nung dar­auf hin­aus lau­fen, dass es zu einer Lösung kom­men wird, bei der mit dem gerings­ten Wider­stand der Wäh­ler zu rech­nen ist – im schlech­tes­ten Fall ist das die Belas­tung der Unter­neh­men in der Rechts­form einer Kapi­tal­ge­sell­schaft (SE, AG, GmbH, UG).

Die EU-Mit­glieds­stat­ten wer­den nicht umhin kön­nen, neue Finan­zie­rungs­quel­len zu erschlie­ßen. Erfah­rungs­ge­mäß ist eine Umschich­tung von Öffent­li­chen Haus­hal­ten nur über die Zuwachs­ra­ten der Haus­halts­be­rei­che zu errei­chen und nicht mit Kür­zun­gen. Zur Bewäl­ti­gung der Flücht­lings­kri­se/­Tür­kei-Finan­zie­rung wer­den rund 10 Mrd. EUR angesetzt.

NEU: Besserer Neustart nach Scheidung und Privatinsolvenz

In einem Grund­satz­ur­teil hat der Bundes­gerichtshof (BGH) jetzt erst­mals und rechts­ver­bind­lich für zukünf­ti­ge Fäl­le fest­ge­stellt, dass die Ansprü­che des Geschäfts­füh­rers und Mehr­heits­ge­sell­schaf­ters auf fort­lau­fen­de Ruhe­geld­zah­lun­gen aus einem Pen­si­ons­fonds Arbeits­ein­kom­men sind und dem­nach nur nach den Bestim­mun­gen des § 850 Abs. 2 ZPO gepfän­det wer­den kön­nen (BGH, Urteil vom 16.11.2016, VII ZB 52/15).

Vor­teil für den Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer: Es gilt der Pfän­dungs­schutz für Arbeits­ein­kom­men. Laut BGH kommt es dabei nicht auf die Beteiligungs­höhe des Geschäfts­füh­rers an. Das gilt für den Fremd-Geschäfts­füh­rer genau­so wie für den beherr­schen­den Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer. Gestal­tungs­hin­weis: GmbH-Anteil für 0 EUR an einen Ver­trau­ten über­tra­gen, Gehalt für eine Zeit run­ter, Gewinn in Rück­la­gen ansparen.

Steuer privat: Geld zurück vom FA gibt es erst ab Mai

Die Finanz­äm­ter wer­den die ESt-Steu­er­erklä­run­gen 2016 erst ab März 2017 bear­bei­ten. Je nach Bear­bei­tungs­dau­er kön­nen Sie also frü­hes­tens im Mai 2017 mit einer Rück­zah­lung rech­nen. Dazu gibt es Zah­len: Im Jahr 2015 betrug die Bear­bei­tungs­zeit durch die Finanz­be­hör­den im bun­des­wei­ten Durch­schnitt 53 Tage. Die längs­te Bear­bei­tungs­zeit hat­ten die Finanz­be­hör­den in Bre­men. Hier konn­te es schon ein­mal bis zu 80 Tagen bis zur Rück­zah­lung dau­ern.. Am schnells­ten war das Finanz­amt Bie­le­feld-Außen­stadt (28 Tage) (Quel­le: z. B. Finanz­mi­nis­te­ri­um Meck­len­burg-Vor­pom­mern).

Soll­te das Finanz­amt Rück­fra­gen zu Ihrer Steu­er­erklä­rung haben, fah­ren Sie am bes­ten, wenn Sie den/die zustän­di­ge Sachbearbeiter/in sofort tele­fo­nisch kon­tak­tie­ren. Ver­su­chen Sie freund­lich zu blei­ben, ohne in der Sache vor­ei­lig nach­zu­ge­ben. In der Regel führt das zu einer (noch) zügi­ge­ren Bear­bei­tung, wenn die Akte ohne­hin schon im Bearbeitungs­modus ist.

Steuer NEU: Rückstellung für Steuerschulden 

Eine Organ­ge­sell­schaft darf für eine Inan­spruch­nah­me für Steu­er­for­de­run­gen des Finanz­amts gegen den Organ­trä­ger in der Bilanz eine ent­spre­chen­de Rück­stel­lung aus­wei­sen. Vor­aus­set­zung: Das Finanz­amt hat gegen­über der Organ­ge­sell­schaft eine ent­spre­chen­de Haf­tungs­in­an­spruch­nah­me ange­kün­digt (Finanz­ge­richt Müns­ter, Urteil vom 4.8.2016, 9 K 3999/13 K, G).

Nur wenn eine kon­kre­te Inan­spruch­nah­me für Steu­er­schul­den vor­liegt und die­se aus­rei­chend recht­lich begrün­det ist, darf eine sol­che Rück­stel­lung gebil­det wer­den und muss vom Finanz­amt so aner­kannt wer­den. Ent­fällt die Haf­tungs­grund­la­ge muss die Rück­stel­lung zum nächst mög­li­chen Ter­min Gewinn erhö­hend auf­ge­löst wer­den. Akten­zei­chen des dazu anhän­gi­gen BFH-Ver­fah­rens: I R 78/16.

GmbH-Recht: Verpflichtung zur Mitarbeit in der GmbH

Eine Klau­sel im Gesell­schafts­ver­trag, die den Gesell­schaf­ter zur akti­ven Mit­ar­beit in der GmbH ver­pflich­tet, ist grund­sätz­lich zuläs­sig und wirk­sam. Unwirk­sam ist eine sol­che Klau­sel aller­dings dann, wenn der Aus­schluss sogar mög­lich ist, wenn die Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses strit­tig ist (OLG Mün­chen, Urteil vom 5.10.2016, 7 U 3036/15).

Aller­dings erwar­ten die Rich­ter des OLG Mün­chen, dass es eine gewis­se Wahr­schein­lich­keit dafür gibt, dass die Kün­di­gung unzu­läs­sig aus­ge­spro­chen wur­de und eine Wie­der­auf­nah­me der Tätig­keit durch den Gesell­schaf­ter in der (zer­strit­te­nen) GmbH noch rea­lis­tisch ist.

 

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Geschäftsführer-Fachinformationsdienst

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