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Volkelt-Briefe

TÜV/Silikon: Was ist eine Zertifizierung noch wert?

Nach dem Frei­spruch des TÜV in Sachen Pro­dukt­haf­tung vor dem fran­zö­si­schen Beru­fungs­ge­richt stel­len sich nicht nur vie­le Ver­brau­cher die grund­sätz­li­che Fra­ge nach der Aus­sa­ge­kraft von Zer­ti­fi­zie­rungs­ver­fah­ren (vgl. Nr. 14/2014). Kri­tik: Man ver­zich­tet auf kon­kre­te Vor-Ort-Kon­trol­len und Stich­pro­ben. Statt­des­sen setzt man auf die Prü­fung von Ver­fah­ren und auf Gut­ach­ten (Prü­fung nach Papier­form). Auch vie­le Unter­neh­men ste­hen damit vor der Fra­ge, ob sie sich die auf­wen­di­ge Zer­ti­fi­zie­rung über­haupt noch leis­ten sol­len, wenn es kei­ne tat­säch­li­chen Kon­trol­len gibt und dem Ver­brau­cher kein wirk­li­ches Garan­tie­ver­spre­chen gege­ben wer­den kann. Vie­le klei­ne­re Unter­nehmen tun sich ohne­hin schwer mit den jähr­lich wie­der­keh­ren­de Zer­ti­fi­zie­rungs­ver­fah­ren und den damit ver­bun­de­nen (erheb­li­chen) Kosten. …

Unab­hän­gig von der Ent­schei­dung der fran­zö­si­schen Gerich­te steht das Zer­ti­fi­zie­rungs­ver­fah­ren auch in Deutsch­land und in der EU am Schei­de­weg. Das OLG Zwei­brü­cken hat­te zunächst im Fall einer Scha­dens­er­satz­kla­ge um 40.000 € gegen den TÜV-Rhein­land ent­schei­den: „Es gibt kei­ne Bewei­se dafür, dass der TÜV sei­ne Prüf­pflich­ten ver­letzt hat. Die Orga­ni­sa­ti­on habe nur das Qua­li­täts­si­che­rungs­sys­tem des Her­stel­lers über­prü­fen müs­sen, nicht die Beschaf­fen­heit und Qua­li­tät der her­ge­stell­ten Pro­duk­te“. Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) hat­te im dage­gen ein­ge­lei­te­ten Revi­si­ons­ver­fah­ren nicht ent­schie­den, son­dern die­se Rechts­fra­ge dem Euro­päi­schen Gerichts­hof (EuGH) zur abschlie­ßen­den Beur­tei­lung vor­ge­legt (Beschluss vom 9.4.2015, VII ZR 36/14). Danach wird der EuGH prü­fen: Ist es Zweck und Inten­ti­on der ent­spre­chen­den EU-Richt­li­nie, dass die mit dem Audit des Qua­li­täts­si­che­rungs­sys­tems, der Prü­fung der Pro­dukt­aus­le­gung und der Über­wa­chung beauf­trag­te benann­te Stel­le (hier: TÜV Rhein­land) bei Medi­zin­pro­duk­ten zum Schutz der Pati­en­ten tätig wird und des­halb bei schuld­haf­ter Pflicht­ver­let­zung den betrof­fe­nen Pati­en­ten unmit­tel­bar und unein­ge­schränkt haf­ten kann?

Im Klar­text: Der BGH will also wis­sen, wel­che Haf­tung des Zer­ti­fi­zie­rers gege­ben ist – und zwar auch in sol­chen Fäl­len, in denen kei­ne kon­kre­ten Pro­dukt­kon­trol­len vor­ge­nom­men wer­den. Außer­dem wird zu prü­fen sein, ob eine feh­len­de Kon­trol­le als „schuld­haf­te Pflicht­ver­let­zung“ ein­zu­stu­fen ist.

Unter­des­sen hat sich um die Zer­ti­fi­zie­rungs­ver­fah­ren eine Zer­ti­fi­zie­rungs­bran­che ent­wi­ckelt, die ihre (wirt­schaft­li­chen) Inter­es­sen in die lau­fen­den Ver­fah­ren mit Sicher­heit ein­brin­gen wird. Man darf gespannt sein, ob und wie die Juris­ten die offe­nen Haftungs­fragen beant­wor­ten wer­den. Unab­hän­gig davon: Im Zer­ti­fi­zie­rungs­ver­fah­ren gibt es kei­ne strik­te Tren­nung zwi­schen kos­ten­pflich­ti­ger Bera­tung und Zer­ti­fi­zie­rungs­stel­le. Hier bleibt abzu­war­ten, ob der Gesetz­ge­ber in Zukunft eine Tren­nung vor­ge­ben wird.

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