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Volkelt-Brief 32/2016

Volkelt-FB-01Inne­hal­ten: Über den Zusam­men­hang von Angst und Geschäft + Steu­ern: Umsatz­steu­er auf Finanz-Trans­ak­tio­nen dau­ert + Nach­ge­tre­ten: Der Neue sucht nach Feh­lern sei­nes Vor­gän­gers + Ent­sen­de-Richt­li­nie: Bil­lig-Job­ber vor end­gül­ti­gem Aus + Mit­ar­bei­ter: EU will Dress-Code-Beschrän­kun­gen + Kon­zer­ne: BFH prüft Regeln zur Organ­schaft + GmbH-Recht: Nächs­te Run­de im Fall Tön­nies + Geschäfts­füh­rer unter­wegs: Maß­nah­men gegen ein Fahr­ver­bot + BISS

 

 

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Frei­burg 5. August 2016

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

die vie­len Live-Berich­te der letz­ten Wochen über Gewalt-Exzes­se in TV, Face­book, Twit­ter und auf den Smart­phones sind zwar durch­aus infor­ma­tiv. Auf der ande­ren Sei­te wecken und ver­viel­fäl­ti­gen sie bei vie­len Men­schen Ängs­te. Wel­che Aus­wir­kun­gen das auf die Geschäf­te haben wird, dar­über lässt sich der­zeit nur spe­ku­lie­ren. In der Rei­se­bran­che spe­ku­liert man z. B. mit dem schnel­len Ver­ges­sen der Kun­den nach dem Mot­to: Preis schlägt Angst. Wer ein rich­ti­ges Schnäpp­chen machen kann, lässt sich das nicht ent­ge­hen. Ob die­se Rech­nung auf­geht, sei erst ein­mal dahin gestellt.

Aus ande­ren Bran­chen weiß man, dass man mit der Angst gut ver­die­nen kann: Mit der Angst vor Krank­hei­ten (Imp­fen, The­ra­pien, Gen­tests), mit der Angst vor Ein­bre­chern (Über­wa­chungs­tech­nik, bruch-siche­re Fens­ter), mit der Angst vor Risi­ken und Unfäl­len (Ver­si­che­run­gen) oder vor einer all­ge­mein unge­wis­sen Zukunft (Vor­sor­ge­leis­tun­gen, gesun­de Ernäh­rung). Kri­ti­ker gehen davon aus, dass seit 2001 von den 4 Bio. Dol­lar Gesamt­aus­ga­ben der US-Regie­rung gegen den Ter­ror ein gro­ßer Teil direkt oder indi­rekt in die ame­ri­ka­ni­sche Sicher­heits­bran­che geflos­sen ist. Da wur­de in vie­len Unter­neh­men (Waf­fen, Aus­rüs­ter, IT auch: Trai­ner, Psy­cho­lo­gen usw.) rich­tig gut verdient.

Bis­lang wur­den im Umfeld von Anschlä­gen ledig­lich punk­tu­el­le und kurz­fris­ti­ge wirt­schaft­li­che Aus­fäl­le aus­ge­macht. Im Gro­ßen herrscht die Ein­stel­lung vor, dass die Bür­ger ihre Ver­hal­tens­wei­sen nicht ändern wer­den. Exper­ten gehen – nahe lie­gend – davon aus, dass auch in Deutsch­land die Sicher­heits-Bran­che (Secu­ri­ty, Apps, Spray, lizenz­freie Waf­fen) mit­tel­fris­tig von die­sen Ent­wick­lun­gen pro­fi­tie­ren wird. Auch wenn die Wahr­schein­lich­kei­ten, in eine sol­che Situa­ti­on zu gera­ten, ver­schwin­dend gering sind. Schon US-Prä­si­dent Frank­lin Roo­se­velt for­mu­lier­te bereits 1933: „Es gibt nichts zu fürch­ten als die Furcht“.

Umsatzsteuer auf Finanz-Transaktionen dauert

Wenn Sie als Geschäfts­füh­rer Rück­la­gen der GmbH oder Ihr pri­vat Ange­spar­tes auf den Finanz­märk­ten Gewinn brin­gend anle­gen wol­len, müs­sen Sie auch in den nächs­ten Jah­ren nicht befürch­ten, dass Sie beim Kauf oder Ver­kauf Trans­ak­ti­ons­steu­er (GTT) zah­len müs­sen. Laut Finanz­mi­nis­ter Schäub­le wird Deutsch­land einer sol­chen Besteue­rung nur zustim­men, wenn eine sol­che Rege­lung auf der Grund­la­ge einer G20-Ver­stän­di­gung kommt. Bis­her war noch nicht ein­mal eine Ver­stän­di­gung im G7-Kreis mög­lich und auch in der EU sind unter­des­sen nur noch 9 Mit­glieds-Staa­ten Steu­er-Befür­wor­ter. Die EU-Kom­mis­si­on will eine Trans­ak­ti­ons­steu­er von 0,1 % auf den Han­del mit Akti­en und Anlei­hen und von 0,01 % auf Finanz­pro­duk­te erhe­ben, die auf Wert­pa­pie­ren auf­bau­en (Deri­va­te).

Man kann nach jet­zi­gem Ver­hand­lungs­stand davon aus­ge­hen, dass kei­ner der betei­lig­ten Staa­ten ein ernst­haf­tes Inter­es­se dar­an hat, eine Trans­ak­ti­ons­steu­er ein­zu­füh­ren. Ändern kann sich die Lage aller­dings nach der nächs­ten Bun­des­tags­wahl. Hier hat sich die SPD bereits posi­tio­niert und man kann sich eine sol­che Besteue­rung auch ledig­lich nur für Deutsch­land durch­aus vor­stel­len. Auch GRÜNE und LINKE dürf­ten das ähn­lich sehen. Für vie­le mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men wür­de das zusätz­lich zu erheb­li­chen Mehr­kos­ten für die Absi­che­run­gen von Devi­sen oder von Rohstoffpreis­risiken führen.

Nachgetreten: Der Neue sucht nach Fehlern seines Vorgängers

Beim Wech­sel der Geschäfts­füh­rung häu­fen sich die Fäl­le, in denen die neu­en Geschäfts­füh­rer ver­su­chen, der aus­ge­schie­de­nen Geschäfts­füh­rung Feh­ler nach­zu­wei­sen und Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen gegen die­se durch­zu­set­zen. Wie kann sich der aus­ge­schie­de­ne Geschäfts­füh­rer gegen unbe­rech­tig­te For­de­run­gen weh­ren? Dreh- und Angel­punkt der recht­lichen Aus­ein­an­der­set­zung ist dann die Ent­las­tung. Wur­de der Geschäfts­füh­rer Jahr für Jahr von den Gesell­schaf­tern ent­las­tet, ist eine Inan­spruch­nah­me in der Regel nur mög­lich, wenn „Ansprü­che zum Zeit­punkt der Ent­las­tung nicht bekannt waren“. Das ist aller­dings kaum oder nur sehr schwer nach­zu­wei­sen. Um­gekehrt gilt: Der aus­ge­schie­de­ne Geschäfts­füh­rer muss die Ent­las­tung nach­wei­sen kön­nen. Er ist also gut bera­ten, die­sen Vor­gang jähr­lich zu doku­men­tie­ren (Pro­to­kol­le der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung bzw. die Mit­tei­lung darüber).

Wich­tig: Der Geschäfts­füh­rer soll­te die­se Unter­la­gen in Kopie in sei­nen Pri­vat­räu­men auf­be­wah­ren, damit er – z. B. im Fal­le einer außer­or­dent­li­chen Kün­di­gung mit Haus­ver­bot – den­noch Bewei­se vor­le­gen kann, also nicht „beweis­los“ agie­ren muss. Das gilt auch für alle geschäft­li­chen Vor­gän­ge, die der Geschäfts­füh­rer nur mit Zustim­mung der Gesell­schaf­ter aus­füh­ren durfte.

Der neue Geschäfts­füh­rer kann sogar dann auf Feh­ler­su­che in Sachen Geschäfts­führung sei­nes Vor­gän­ger-Kol­le­gen gehen, wenn die Gesell­schaf­ter selbst sol­che Ansprü­che gar nicht haben und auch nicht durch­set­zen wol­len. Der neue Geschäfts­füh­rer han­delt dann als Ver­tre­ter und im Inter­es­se der GmbH, die durch ver­mu­te­te oder unter­stell­te Fehl-Hand­lun­gen der vor­he­ri­gen Geschäfts­füh­rung geschä­digt wurde.

Entsende-Richtlinie: Billig-Jobber vor endgültigem Aus

Die EU-Kom­mis­si­on macht jetzt Druck in Sachen Ent­sen­de-Richt­li­nie. In Brüs­sel will man so ein wei­te­res Auf­bre­chen der Inter­es­sen-Gegen­sät­zen der Ost/­West-EU-Län­der ver­hin­dern und schnells­tens ein­heit­li­che Vor­schrif­ten schaf­fen (vgl. Nr. 12/2016). Danach ist vorgesehen:

  • Künf­tig müs­sen sämt­li­che Ent­loh­nungs­vor­schrif­ten, die im All­ge­mei­nen bei loka­len Arbeit­neh­mern gel­ten, auch auf ent­sand­te Arbeit­neh­mer ange­wandt werden.
  • Dabei umfasst die Ent­loh­nung nicht nur die Min­dest­lohn­sät­ze, son­dern auch Prä­mi­en, Zula­gen und Über­stun­den­ver­gü­tun­gen.
  • Die Mit­glied­staa­ten wer­den ver­pflich­tet, die ver­schie­de­nen Bestand­tei­le anzu­ge­ben, aus denen sich die Ent­loh­nung in ihrem Hoheits­ge­biet zusammensetzt.
  • In Geset­zen oder all­ge­mein­ver­bind­li­chen Tarif­ver­trä­gen fest­ge­leg­te Vor­schrif­ten müs­sen in allen Wirt­schafts­zwei­gen auf ent­sand­te Arbeit­neh­mer ange­wandt werden.
  • Außer­dem haben die Mit­glied­staa­ten die Mög­lich­keit vor­zu­se­hen, dass Unter­auf­trag­neh­mer ihren Arbeit­neh­mern das glei­che Ent­gelt zah­len müs­sen wie der Hauptauftragnehmer.
  • Für natio­na­le und grenz­über­schrei­tend täti­ge Unter­auf­trag­neh­mer müs­sen die glei­chen Regeln gel­ten. Damit soll sicher­gestellt wer­den, dass auf Arbeit­neh­mer, die von im Aus­land nie­der­ge­las­se­nen Leih­ar­beits­un­ter­neh­men ent­sandt wer­den, die im Auf­nah­me­land gel­ten­den natio­na­len Leiharbeits­vorschriften ange­wandt werden.
  • Beträgt die Dau­er der Ent­sen­dung mehr als 24 Mona­te, so müs­sen die arbeits­recht­li­chen Vor­schrif­ten des Auf­nah­me­mit­glied­staa­tes (z. B. Kün­di­gungs­schutz, Arbeits­zeit­ge­setz) ange­wandt wer­den, wenn das für den ent­sand­ten Arbeit­neh­mer güns­ti­ger ist.
  • Nach 2 Jah­ren wer­den zusätz­lich auch Sozi­al­bei­trä­ge fällig.
Vie­le klei­ne­re inlän­di­sche GmbHs – ins­be­son­de­re aus den Berei­chen Bau, Bau­ne­ben­hand­werk – haben auf die­se Gesetz­ge­bung schon lan­ge gewar­tet. Sie haben bereits seit Jah­ren an­haltende und zuneh­men­de Wett­be­werbs­pro­ble­me mit ost­eu­ro­päi­schen Kon­kur­renz­fir­men und selbst­stän­di­gen Sub­un­ter­neh­men. Öffent­li­che Auf­trag­ge­ber ver­ge­ben Auf­trä­ge (fast) nur noch nach dem günstig­sten Ange­bot. Vie­le Unter­neh­men haben sich unter­des­sen aus die­sem Geschäft ver­ab­schie­det. U. U. gelingt es hier, unter den neu­en Rah­men­be­din­gun­gen Markt­an­tei­le zurück zu gewin­nen. Mit einer Umset­zung der Richt­li­nie dürf­te aller­dings vor 2018 nicht zu rech­nen sein.

Mitarbeiter: EU will keine Dress-Code-Beschränkungen

Laut EuGH-Gene­ral­an­walt­schaft soll ein Arbeit­ge­ber auch dann kein Kopf­tuch­ver­bot (Dress-Code) aus­spre­chen dür­fen, wenn die Mit­ar­bei­te­rin in Berei­chen mit über­wie­gen­dem Kun­den­kon­takt beschäf­tigt wird (Schluss­an­trag in der Rechts­sa­che C‑188/15).

Zuvor hat­te auch das Bun­des­ar­beits­ge­richt ent­schie­den, dass die Reli­gi­ons­frei­heit höher ein­zu­stu­fen ist als das Inter­es­se des Arbeit­ge­bers, aus wirt­schaft­li­chen Grün­den einen bestimm­ten Dress-Code vor­zu­schrei­ben (vgl. BAG, Urteil vom 10.10.2002, 2 AZR 472/01). Nur im Aus­nah­me­fall ist das mög­lich (z. B. eine kon­fes­sio­nel­le Ein­rich­tung). Begrün­dung der EU-Ver­tre­ter: Auch ein völ­lig neu­tra­ler Dress­code kann zumin­dest eine mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung dar­stel­len. Die­se sei nur gerecht­fer­tigt, wenn sie in ange­mes­se­nem Ver­hält­nis zur Ver­fol­gung eines recht­mä­ßi­gen Zwecks ste­he, wozu auch die geschäft­li­chen Inter­es­sen des Arbeit­ge­bers gehör­ten. Ach­tung: Selbst wenn eine Mus­li­ma im Vor­stel­lungs­ge­spräch kein Kopf­tuch trägt, ist das kei­ne Garan­tie dafür, dass sie sich nicht spä­ter doch auf ihr Kopf­tuch­ge­bot beru­fen kann.

Konzerne: BFH prüft Regeln zur Organschaft

Nach deut­schem Recht kann eine Organ­schaft mit steu­er­li­cher Wir­kung (USt, KSt, GewSt) nur zwi­schen Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten nicht aber zwi­schen Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten begrün­det wer­den. Der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) lässt jetzt prü­fen, inwie­weit die­se deut­schen Vor­ga­ben mit euro­päi­schem Gemein­schafts­recht zu ver­ein­ba­ren sind (BFH, Beschlüs­se vom 11.12.2013, XI R 17/11 und 38/12).

U.U. ergibt sich dar­aus sogar ein Wahl­recht für deut­schen „Organ­schaf­ten“. Je nach Aus­gang des Ver­fah­rens vor dem EuGH wäre es dann mög­lich, sich wahl­wei­se auf das deut­sche Recht oder – im Best­fall – auf das güns­ti­ge­re Uni­ons­recht zu berufen.

GmbH-Recht: Nächste Runde im Fall Tönnies

Wie schlech­tes Nach­fol­ge-Manage­ment aus­sieht belegt der andau­ern­de Rechts­streit inner­halb der Fami­lie Tön­nies um die Nach­fol­ge in der gleich­na­mi­gen Unter­neh­mens­grup­pe (vgl. Nr. 24/2015). Bis­lang letz­tes Kapi­tel: Das OLG Hamm hat die Abbe­ru­fung von zwei von einem der Fami­li­en­stäm­me ein­ge­setz­ten Geschäfts­füh­rern für rechts­wid­rig erklärt und damit die Vor­in­stanz bestä­tigt (OLG Hamm, Urteil vom 25.7.2016, 8 U 160/15 und 161/15).

Im Ver­fah­ren geht es nach wie vor um die Aus­übung der Stimm­rech­te durch die Gesell­schaf­ter. Eine der Fami­li­en-Par­tei­en beruft sich auf ein münd­li­ches Ver­mächt­nis des Fir­men­grün­ders zur Über­nah­me der Stimm-Mehr­heit. Vor Gericht konn­ten sie das aller­dings nicht durch­setzen. Der Streit dürf­te in die nächs­te Run­de gehen – vor den BGH.

Geschäftsführer unterwegs – Maßnahmen gegen ein Fahrverbot

Die Rück­nah­me eines Fahr­ver­bots nach einer gro­ben Pflicht­ver­let­zung mit Ver­weis auf das sog. Über­maß­ver­bot ist nicht schon dann gerecht­fer­tigt, wenn die beson­de­re Här­te mit erwar­te­ten erheb­li­chen Ertrags- oder Gewinn­ein­bu­ßen begrün­det wird, wenn nicht zugleich kon­kret auf­ge­zeigt ist, dass die­se mit einer dro­hen­den Exis­tenz­ge­fähr­dung ein­her­ge­hen. Nur dann ist das Gericht ver­pflich­tet, Behaup­tun­gen des Betrof­fe­nen im Rah­men sei­ner Amts­auf­klä­rungs­pflicht wei­ter nach­zu­ge­hen (OLG Bam­berg, Beschluss vom 28.12.2015, 3 Ss Owi 1450/15).

Dem­nach genügt es nicht, wenn Sie auf erheb­li­che Ertrags- und Gewinn­ein­bu­ßen ver­wei­sen, die für Sie bzw. Ihre GmbH mit dem Fahr­ver­bot ver­bun­den sind. Die Aus­wir­kun­gen müs­sen Ihre „Exis­tenz bedro­hen“ – das geht nur, indem Sie den Nach­weis erbrin­gen, dass Sie in der Fol­ge nicht mehr in der Lage sind, Ihre finan­zi­el­len Ver­pflich­tun­gen zur erfül­len und (geschäft­li­che und anschlie­ßend pri­va­te) Insol­venz droht.

 

Mit bes­ten Grüßen

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chefredakteur

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