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Volkelt-Brief 21/2016

Volkelt-FB-01Ver­triebs­ab­spra­chen: Kar­tell­be­hör­den inter­es­sie­ren sich für klei­ne­re Unter­neh­men + Exper­ten­rat: Kei­ne Bera­tung ohne Refe­ren­zen-Test + Som­mer­pla­nung 2016: EM, Olym­pia­de und Urlaubs­zeit Ter­min­sa­che: Jah­res­ab­schluss 2015 für kleins­te und klei­ne GmbH/UG + Arbeits­recht: Betriebs­be­ding­te Kün­di­gung nur gegen Nach­weis + Geld: D&O‑Versicherung zahlt Scha­den der Mut­ter­ge­sell­schaft +  Gute Idee: Mit­ar­bei­ter wer­ben Mit­ar­bei­ter + BISS

 

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Frei­burg 20. Mai 2016

Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,

schon wie­der haben die Kar­tell­be­hör­den Stra­fen von 242 Mio. EUR gegen die Lebens­mit­tel-Grö­ßen ver­hängt. Auch klei­ne­re Unter­neh­men gera­ten immer mehr ins Visier der Kar­tell­wäch­ter (vgl. Nr. 38/2015). In die­sem Zusam­men­hang soll­ten Sie ein Urteil des BGH zur Zuläs­sig­keit von Kar­tell­ver­fah­ren ken­nen. Da heißt es wört­lich: „Ein Ein­schrei­ten der Kar­tell­be­hör­den wegen Preis­ma­ni­pu­la­tio­nen ist bereits dann mög­lich, wenn in einem mono­po­lis­ti­schen Markt die Preis­ab­wei­chung gegen­über ver­gleich­ba­ren Kon­kur­renz­un­ter­neh­men 3 % beträgt“ (Urteil vom 14.7.2015, KVR 77/13). Unklar bleibt, wann es sich um ein regio­na­les Mono­pol han­delt und Sie den „Markt beherr­schen“. Dann kön­nen Ihnen die Landeskartell­behörden auf die Fin­ger schau­en und Ihre Prei­se nachkalkulieren.

Die Kar­tell­be­hör­den haben in 2014 Stra­fen über 1 Mrd. EUR ver­hängt. In Baden-Wür­t­tem­berg haben die Kar­tell­be­hör­den nach den Was­ser­wer­ken jetzt auch die Gas­ver­sor­gung im regio­na­len Markt im Visier. Damit ist der Anfang auf den regio­na­len Märk­ten gemacht. Neh­men Sie an Bran­chen­tref­fen teil, beach­ten Sie die Teil­neh­mer­lis­te (Kron­zeu­gen­re­ge­lung für Whist­le­b­lower) und ach­ten Sie dar­auf, dass ver­trau­li­che Infor­ma­tio­nen (Ver­trieb­li­ches) nicht im Pro­to­koll stehen.

Expertenrat: Keine Beratung ohne Referenzen-Test

Ob Digi­ta­li­sie­rung, Pro­dukt­haf­tung oder Ener­gie­be­ra­tung: Als Geschäfts­füh­rer müs­sen Sie sich stän­dig neu­en Her­aus­for­de­run­gen stel­len. Oft geht das nicht ohne exter­ne Bera­tung. Wich­tig: Kei­ne Bera­tung ohne Refe­ren­zen. Oft wird aber dar­auf ver­zich­tet, die Refe­ren­zen zu prü­fen und abzu­si­chern. Oder man begnügt sich damit, die – im Inter­net oder in der Eigen­dar­stel­lung – genann­ten Refe­ren­zen zur Kennt­nis zu neh­men. Erfah­re­ne Kol­le­gen geben sich damit nicht zufrie­den. Sie tes­ten zumin­dest stich­pro­ben­ar­tig die Refe­ren­zen. Bewährt hat sich fol­gen­des Vorgehen:

  • Wer im Refe­renz-Unter­neh­men hat­te per­sön­li­chen Kon­takt mit dem Experten?
  • Gab es wei­te­re Per­so­nen, die im Auf­trag des Exper­ten bera­tend tätig waren (u. U. mit Funk­ti­on und Namen)?
  • Wel­che Pro­jek­te wur­den kon­kret abgewickelt?
  • Wur­de die Vor­ge­hens­wei­se vor­ab gründ­lich erläu­tert und auch so eingehalten?
  • Gab es prak­ti­sche Lösun­gen, die in den All­tags-Betrieb über­nom­men wurden?
  • Gab es eine Nach­schau, wur­de nachgebessert?
  • Ent­sprach die Rech­nung dem Angebot?
Je mehr Refe­ren­zen Sie abfra­gen, umso deut­li­cher wird sich ein voll­stän­di­ges Bild des­sen erge­ben, was der Exper­te zu leis­ten in der Lage ist. Je zurück­hal­ten­der sich das ange­frag­te Unter­neh­men bzw. des­sen Ver­tre­ter geben, umso eher ist zu ver­mu­ten, dass die Zusam­men­ar­beit mit dem Exper­ten nicht pro­blem­los ver­lau­fen ist. Äußern sich alle ange­frag­ten Refe­ren­zen zurück­hal­tend bis bedeckt, ist Skep­sis ange­bracht. Kann der Exper­te einem Berufs- oder Bran­chen­ver­band zuge­ord­net wer­den (Steu­er- oder Wirt­schafts­prü­fer, Anwalt, Unter­neh­mens­be­ra­ter usw.), soll­ten Sie beim Ver­band nach Refe­ren­zen anfragen.

Sommerplanung 2016: EM, Olympiade und Urlaubszeit

Noch sind es rund 3 Wochen bis zum Start der Fuß­ball-Euro­pa­meis­ter­­schaft 2016 (10.6.2016 bis 10.7.2016). Die ech­ten Fans haben bereits Urlaub ein­ge­reicht. Erfah­rungs­ge­mäß las­sen sich auch die ver­blie­be­nen Mit­ar­bei­ter von der Eupho­rie anste­cken, so dass Sie gut dar­an tun, dar­auf hin­zu­wei­sen, wel­che Regeln in Ihrem Betrieb gel­ten. Die Spie­le fin­den am Nach­mit­tag (15 Uhr), am spä­ten Nach­mit­tag (18 Uhr) oder abends (21 Uhr) statt. Betrie­be mit Schicht­ar­beit sind beson­ders betrof­fen. Wie lösen Sie Ziel­kon­flik­te für den Betrieb und den Fuß­ball-Fan? Gleich im Anschluss fin­den die Olym­pi­schen Spie­le in Bra­si­li­en statt (5.8.2016 bis 21.8.2016). Hier eini­ge Hinweise:

  Die Rechts­la­ge Prak­ti­sche Umsetzung
Fern­se­hen Arbeit­neh­mer dür­fen ohne Erlaub­nis des Arbeit­ge­bers in der Regel wäh­rend der Arbeits­zeit kei­ne EM-Spie­le im Fern­se­hen ver­fol­gen. Denn wer Fern­se­hen schaut, wird durch den opti­schen Reiz so stark abge­lenkt, dass er sich nicht mehr auf sei­ne Tätig­keit kon­zen­trie­ren kann. Eine Aus­nah­me kann für Arbeit­neh­mer gel­ten, bei denen auch vor der EM am Arbeits­platz ein Fern­se­her ein­ge­schal­tet ist. Dann ist davon aus­zu­ge­hen, dass das Fern­se­hen auch wäh­rend der Welt­meis­ter­schaft erlaubt ist. Der Arbeit­ge­ber darf aller­dings zu den Fuß­ball-Über­tra­gun­gen „nein“ sagen. Wer aus beruf­li­chen Grün­den wäh­rend der Arbeits­zeit die Nach­rich­ten ver­fol­gen muss, darf nicht zu den EM-Spie­len umschalten.
Radio Beim Radio­hö­ren ist je nach Tätig­keit vor­stell­bar, dass man einer­seits zuhö­ren und ande­rer­seits wei­ter­ar­bei­ten kann. Des­halb hat das BAG (Beschluss vom 14.1.1986) ent­schie­den, dass Radio­hö­ren am Arbeits­platz erlaubt ist, vor­aus­ge­setzt, der Arbeit­neh­mer erle­digt sei­ne Auf­ga­ben kon­zen­triert, zügig und feh­ler­frei, und stört mit den Radio­ge­räu­schen weder Kol­le­gen noch Kunden. Der Arbeit­ge­ber kann das Radio­hö­ren den­noch ver­bie­ten. Er muss aller­dings das Mit­be­stim­mungs­recht des Betriebs­rats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG beach­ten, denn die Fra­ge, ob im Betrieb wäh­rend der Arbeits­zeit Radio gehört wer­den darf, betrifft die Ord­nung des Betrie­bes und das Ver­hal­ten der Arbeit­neh­mer im Betrieb. Ein ohne Zustim­mung des Betriebs­rats aus­ge­spro­che­nes Ver­bot ist unwirksam.
Inter­net Die pri­va­te Inter­net-Nut­zung am Arbeits­platz stellt nach der Recht­spre­chung des BAG eine Ver­let­zung arbeits­ver­trag­li­cher Pflich­ten dar – ins­be­son­de­re, wenn Sie Ihren Arbeit­neh­mer die pri­va­te Nut­zung aus­drück­lich unter­sagt haben. U. E. soll­ten Sie davon nicht abwei­chen. Aber wenn Ihr Mit­ar­bei­ter nur den „Zwi­schen­stand einer Begeg­nung“ wis­sen will, soll­ten Sie (groß­zü­gig) bei­de Augen zudrücken.
Arbeits­zeit Es gel­ten die übli­chen Urlaubs­ver­pflich­tun­gen – also nur mit Geneh­mi­gung und betrieb­li­cher Abstim­mung. Ist ein Kol­le­ge am fol­gen­den Tag krank, soll­ten Sie genau­er hin­schau­en und sofort anspre­chen, dass Sie im Wie­der­ho­lungs­fall nicht taten­los zuschau­en werden. Glei­ten, Abbau von Über­stun­den, Schicht­tausch mit weni­ger Fuß­ball-inter­es­sier­ten Kol­le­gen, Nacharbeiten

Terminsache: Jahresabschluss 2015 für kleinste und kleine GmbH/UG

Laut Han­dels­ge­setz­buch (§ 264 Abs. 1 Satz HGB) müs­sen klei­ne GmbH den Jah­res­ab­schluss für das abge­lau­fe­ne Geschäfts­jahr 2015 bis zum 30.6. des Fol­ge­jah­res – also bis Ende des nächs­ten Monats – auf­stel­len. Bei abwei­chen­dem Geschäfts­jahr muss der Jah­res­ab­schluss spä­tes­tens 6 Mona­te nach Ende des Geschäfts­jah­res vor­lie­gen (§ 267 Abs. 1 Satz 4 HGB). Als Geschäfts­füh­rer sind Sie ver­ant­wort­lich dafür, dass die­se Frist ein­ge­hal­ten wird. In der Pra­xis ertei­len die meis­ten Geschäfts­füh­rer dem Steu­er­be­ra­ter den Auf­trag, den Jah­res­ab­schluss zu erstel­len. Das sind für die klei­ne GmbH: Gewinn- und Ver­lust­rech­nung, Bilanz und die Erläu­te­run­gen zur Bilanz. Als Geschäfts­füh­rer müs­sen Sie orga­ni­sa­to­ri­sche Vor­keh­run­gen dafür tref­fen, dass die Unter­la­gen voll­stän­dig sind, sach­lich rich­tig erstellt, frist­ge­recht vor­ge­legt, kor­rekt „ver­ab­schie­det“ und ver­öf­fent­licht werden.

Der Ter­min 30.6.2016 gilt für kleins­te und klei­ne GmbHs und Unter­neh­mer­ge­sell­schaf­ten (UG). Die Kriterien: 

Kleins­te GmbH/UG Bilanz­sum­me bis 350.000 €
Umsatz­er­lö­se bis 700.000 €
Mit­ar­bei­ter bis 10
Klei­ne GmbH/UG Bilanz­sum­me 350.000 € bis 6.000.000 €
Umsatz­er­lö­se 700.000 € bis 12.000.000 €
Mit­ar­bei­ter 11 bis 50

Pra­xis ist, dass die ter­min­ge­rech­te „Auf­stel­lung“ von kei­ner Behör­de kon­trol­liert wird. Aber: Jeder Gesell­schaf­ter kann die Ein­hal­tung der Frist für die recht­zei­ti­ge Auf­stel­lung ver­lan­gen. Pro­ble­ma­tisch ist die ver­spä­te­te Auf­stel­lung auch dann, wenn die GmbH in wirt­schaft­li­che Schief­la­ge (z. B. eine bilan­zi­el­le Über­schul­dung) gera­ten ist – und Sie als Geschäfts­füh­rer das auf­grund der ver­spä­tet vor­ge­leg­ten Zah­len nicht oder zu spät bemer­ken. Das hat Haftungsfolgen.

Arbeitsrecht: Betriebsbedingte Kündigungen nur gegen Nachweis

Es genügt nicht, eine betriebs­be­ding­te Kün­di­gung mit Umstruk­tu­rie­run­gen zu begrün­den. Sie müs­sen das kon­kret bele­gen – z. B. durch Beschluss­pro­to­kol­le oder durch Maß­nah­men wie einen nach­weis­lich ver­än­der­ten Geschäfts­ab­lauf (ArbG Ber­lin, Urteil vom 24.3.2016, 28 Ca 283/16).

Das beklag­te Unter­neh­men (Unter­neh­mens­be­ra­tung) hat­te die Umstruk­tu­rie­rung ledig­lich vor­ge­tra­gen, konn­te das aber nicht bele­gen. Die Kün­di­gung ist unwirk­sam. Sie müs­sen dem Arbeits­ge­richt zumin­dest „Anschau­ungs­ma­te­ri­al“ vorlegen.

Geld: D&O‑Versicherung zahlt Schaden der Muttergesellschaft

Laut BGH kann der D&O‑Versicherer eine Scha­dens­be­glei­chung nicht mit dem Hin­weis abtun, dass die Mut­ter­ge­sell­schaft ihren Ver­lust aus der Fehl­ent­schei­dung des Geschäfts­füh­rers der Toch­ter­ge­sell­schaft aus­glei­chen will (BGH, Urteil vom 13.4.2016, IV ZR 304/13).

Die Ver­si­che­rung berief sich dar­auf, dass das Mut­ter­un­ter­neh­men kein entschädigungs­berechtigter „Drit­ter“ gemäß Poli­ce sei. Dazu der BGH: Die­ses Argu­ment greift nicht. Auch   die Mut­ter­ge­sell­schaft hat Ansprü­che gegen den D&O‑Versicherer des Tochterunternehmens.

Gute Idee: Mitarbeiter werben Mitarbeiter

Jede Drit­te Stel­le in mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men wird über per­sön­li­che Kon­tak­te der Mit­ar­bei­ter besetzt. In grö­ße­ren Unter­neh­men wird nur jede 10. Stel­le über Mit­ar­bei­ter-Kon­tak­te besetzt. Damit ist die direk­te Mit­ar­bei­ter-Akqui­se die zweit­stärks­te Kraft zur Rekru­tie­rung von Mit­ar­bei­tern, nach der Stel­len­aus­schrei­bung in der regio­na­len Pres­se, aber noch vor Social Media und Arbeits­agen­tu­ren. Vor­teil für das Unter­neh­men: Mit­ar­bei­ter emp­feh­len nur Per­so­nen, von denen sie etwas hal­ten (Insti­tut für Arbeits­markt- und Sozialforschung).

Unter­des­sen gibt es Soft­ware-Pro­gram­me (Talen­try, Eqi­pia, First­bird), die Mit­ar­bei­ter-Emp­feh­lun­gen ein­fach machen. Die Mit­ar­bei­ter kön­nen über XING oder Face­book Freun­de auf freie Stel­len hin­wei­sen. Vor­teil für den Mit­ar­bei­ter: Sein Arbeit­ge­ber weiß, von wem die Emp­feh­lung kommt. Bei einer erfolg­rei­chen Ein­stel­lung winkt dem Mit­ar­bei­ter eine Prämie.

 

Mit bes­ten Grüßen

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chefredakteur

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