8 Jahre Pflichtveröffentlichung: Noch viel mehr Bürokratie als befürchtet + Nachfolge: Was die Gesellschafter vom Fremd-Geschäftsführer erwarten + Einzelhandel-GmbHs: Geschäftsführer-Gehälter im Abwärts-Trend + TTIP: Investitionsgerichtsbarkeit statt unabhängiger Schiedsgerichte + Leiharbeit/Werkverträge: Verschlechterung für nicht Tarifgebundene + Geld/Finanzen: Erkenntnisse über Registrierkassen-Manipulationen + BISS …
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Freiburg 27. November 2015
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege
dass die Pflichtveröffentlichung für GmbHs zu einem Bürokratiemonster ohne wirklichen Erkenntnisgewinn werden würde, war Insidern bereits bei der Einführung zum 1.1.2008 klar. Auch wir haben an dieser Stelle regelmäßig auf die Schwächen und Ungereimtheiten hingewiesen (vgl. Nr. 13/2008 „GmbH-Publizität kostet die Unternehmen jährlich 300 Mio. EUR“). Jetzt liegen erstmals belastbare Zahlen dazu vor. Sie belegen, dass der Bürokratie-Effekt sogar noch stärker ist als von den größten Skeptikern befürchtet. Der Aufwand für die Behörden wurde im Gesetzentwurf noch auf „etwa 419.000 EUR“ geschätzt.
Tatsächlich wurden die Kapazitäten des zuständigen Bundesamtes für Justiz (BfJ) seit 2007 erheblich hochgefahren. Der Etat des BfJ stieg auf jährlich auf 40 Mio. EUR. 70 fest angestellte Mitarbeiter und zahlreiche Aushilfen kontrollieren die Umsetzung der Pflichtoffenlegung. Die Zahl der Ordnungsgeldverfahren stieg von 2010 mit 144.000 Verfahren, über 153.000 im Jahr 2013 auf 182.000 im letzten Jahr. Laut ursprünglicher Prognose war man von einer sinkenden Fallzahl ausgegangen. Das Volumen der seit 2007 festgesetzten Bußgelder beträgt 1,228 Mrd. EUR. Im Jahr 2008 wurden lediglich 73 Mio. Ordnungsgelder festgesetzt. 2014 waren es immerhin schon 186 Mio. EUR. Diese Zahlen hat der Düsseldorfer Rechtsanwalt Dr. Gregor Kuntze-Kaufhold recherchiert und jetzt veröffentlicht (Quelle: GmbH-Rundschau 2015, S. 1177 ff.).
Nachfolge: Was Gesellschafter vom Fremd-Geschäftsführer erwarten
Kleinere und mittelgroße Familien-GmbHs werden überwiegend von den Familien-Mitgliedern selbst geführt. Auch in der zweiten und dritten Generation. Wächst das Unternehmen stetig, wird das anders. Schon beim Übergang zur ersten Generation werden dann bereits oft Fremd-Geschäftsführer einbezogen (Change-Management).
Vorteil: Der Senior kann in Ruhe „loslassen“. Auch dann, wenn der Junior die Geschäfte noch nicht selbst vollständig übernehmen kann – sei es, weil er die notwendige Ausbildung nicht abgeschlossen hat oder weil ihm noch notwendige praktische Erfahrungen fehlen. Rund 60% der Unternehmen, die einen Fremd-Geschäftsführer (auf Zeit) eingestellt haben, haben damit gute Erfahrungen gemacht. Nur 4% geben an, mit dem Fremd-Geschäftsführer schlechte oder nicht so gute Erfahrungen gemacht zu haben (Quelle: INTES-Studie „Fremd-Management in Familien-Unternehmen“). Auf die Frage nach dem Anforderungsprofil, die der Fremd-Geschäftsführer mitbringen sollte, ergibt sich eine klare Prioritätenliste:
- am häufigsten genannt werden Fachkenntnisse und Fachkompetenz,
- erst an zweiter Stelle stehen die Branchenkenntnisse,
- als persönliche Eigenschaft ist Sozialkompetenz ausschlaggebend,
- aber auch ein hoher Grad an Loyalität und Integrität.
Sensibelster Punkt in der Zusammenarbeit zwischen Familien-Gesellschaftern und dem Fremd-Geschäftsführer ist und bleibt aber die „Chemie“. Für den Fremd-Geschäftsführer kommt es darauf an, sich gut auf die Interessenlage der Familien-Mitglieder einstellen zu können (z. B. kulturelle Interessen, Sponsoring, gesellschaftliches Engagement). Passt dieses Umfeld zur Persönlichkeit des Fremd-Geschäftsführers, stehen die Chancen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit gut.
Einzelhandel-GmbHs: Geschäftsführer-Gehälter im Abwärts-Trend
Die BBE-Media hat die neuesten Zahlen zur Geschäftsführer-Vergütung vorgelegt. Heute nehmen wir die Zahlen für Einzelhandels-GmbHs etwas genauer unter die Lupe. Im Vergleich zum Vorjahr fällt auf:
- Die Gehalts-Entwicklung stellt sich sehr unterschiedlich dar. Unseres Erachtens ist die laut BBE festgestellte breite Abwärtsentwicklung so nicht nachzuvollziehen. Wir gehen davon aus, dass sich bei einer kleinen Datenbasis bereits einige Abweichungen bei wenigen großen Firmen deutlich auf das Gesamtergebnis auswirken.
- Nimmt man den (gewichteten) Einzelhandels-Durchschnitt gibt nur in der Gesamtsicht einen leichten Aufwärtstrend. Das Durchschnitts-Festgehalt sank aber 2015 im Durchschnitt von 71.000 € auf 85.000 €. Das ist eine Abweichung gegenüber 2014 um – 16,5 %.
- Auffällig: Die durchschnittlich im Einzelhandel gezahlte Tantieme stieg 2015 auf durchschnittlich 30.000 € (2014: 14.000 €) und damit gegenüber dem Vorjahr um satte 214 %. Damit gehört der Einzelhandel zu der Branche, in der mit Abstand der größte Teil des Geschäftsführer-Gehalts am Erfolg orientiert ausgezahlt wird.
Dennoch ergibt sich aus den BBE-Zahlen ein Trend für 2015: Gegenüber dem Vorjahr gibt es nur einen kleinen und kaum merklichen Aufwärtsstrend. Das Gesamt-Niveau bleibt zufrieden stellend bis gut. Das deckt sich auch mit unseren Erfahrungen und den Gesprächen mit den Kollegen. Hier die aktuellen Vergleichszahlen zur Gesamtvergütung der Geschäftsführer in einigen ausgewählten Einzelhandels-Bereichen:
Einzelhandel | Gehalt 2014/2015 | Gehalt 2013/2014 | Differenz |
Schuhe | 158.000 € | 153.000 € | + 3,2 % |
Lebensmittel/Reformhäuser | 155.000 € | 172.000 € | - 9,9 % |
Sport-/Spielwaren | 150.000 € | 168.000 € | - 10,8 % |
Bekleidung/Lederwaren | 141.000 € | 136.000 € | + 3,6 % |
Möbel/Küchen | 133.000 € | 126.000 € | + 5,5 % |
Heimwerker/Gartencenter | 125.000 € | 129.000 € | - 3,2 % |
Online-Handel | 123.000 € | 119.000 € | + 3,3 % |
Kfz-Handel | 116.000 € | 115.000 € | + 0,8 % |
Raumausstattung/Wohntextilien | 116.000 € | 142.000 € | - 18,4 % |
Elektro-/Unterhaltungselektronik | 113.000 € | 117.000 € | - 3,5 % |
Sonstiger Einzelhandel | 101.000 € | 100.000 € | + 1,0 % |
Beträge auf volle Tausend gerundet. Quellen: BBE Media Gehaltsumfrage 2014/2015, eigene Analysen
TTIP: Investitionsgerichtsbarkeit statt unabhängiger Schiedsgerichte
Größter Knackpunkt der bisherigen Verhandlungen um ein transatlantisches Handelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union ist die Investitionssicherheit. Konkret geht es hier um die Schlichtung bzw. die zuständige Gerichtsbarkeit. Die USA pochen hier auf kurze Wege und bevorzugen das in den USA praktizierte Modell der unabhängigen Schiedsgerichte. Ein solches Modell ist aber am Widerstand einiger europäischer Staaten wohl nicht durchzusetzen.
Jetzt hat die EU-Kommission einen Vermittlungsvorschlag unterbreitet. Danach soll eine neue staatliche Investitionsgerichtsbarkeit geschaffen werden. Damit soll gewährleistet sein, dass das Gerichtsverfahren nicht nur unabhängig, sondern auch – wie von den Europäern gefordert – demokratisch legitimiert durchgeführt wird (Vorschlag der EU-Kommission zum Investitionsschutz vom 12.11.2015).
Leiharbeit/Werkverträge: Verschlechterung für nicht Tarifgebundene
Nach dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium (BMAS) zur Zukunft der Leiharbeit will Ministerin Andrea Nahles (SPD) Tarifgebundenheit von Unternehmen belohnen. Danach soll die Leiharbeit für nicht tarifgebundene Unternehmen auf 18 Monate beschränkt werden. Tarifgebundene Unternehmen können Leiharbeiter auch länger einstellen, ohne dass sie befürchten zu müssen, dass sie zusätzliche Abgaben bezahlen müssen und/oder strengere Regeln für den Kündigungsschutz gelten (Gesetz zu Werkverträgen und Leiharbeit).
Geld/Finanzen: Erkenntnisse über Registrierkassen-Manipulationen
Laut Bundesfinanzministerium gibt es aus den Betriebsprüfungen keine belastbaren Erkenntnisse über die Höhe der Steuerausfälle, die aufgrund von Manipulationen an Registrierkassen entstehen. Ebenso wenig gibt es Erkenntnisse über bestimmte Branchen, in denen bevorzugt manipuliert wird. Derzeit arbeitet das Bundesfinanzministerium gemeinsam mit den Ländern an den Vorgaben, die an manipulationssichere Kassensysteme (INSIKA) gestellt werden sollen. Ein Zeitfenster für die Umsetzung gibt es allerdings noch nicht (Heute im Bundestag Nr. 573).
Mit besten Grüßen Ihr
Lothar Volkelt
Herausgeber + Chefredakteur