Schlechte Aussichten: Stillstand an der Unternehmens-Steuerfront + Sanierung/Beteiligung: Neue Möglichkeiten bei der Verlustverrechnung + Geschäftsführer-Gehalt: Neue Rechtslage für die Gehaltskürzung + Beschlussfassung: Versammlungsleiter darf nicht einfach abbrechen + Grunderwerbsteuer: Aus für Share deal + Pflichtveröffentlichung: Wiederholungstäter müssen mehr zahlen + BISS …
Der Volkelt-Brief 42/2016 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg 14. Oktober 2016
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
wenn im nächsten Jahr eine neue Bundesregierung gewählt wird, müssen sich die beiden großen Parteien auch an ihren Leistungen in Sachen Besteuerung der Unternehmen messen lassen. Fazit aus Unternehmersicht: Da hat sich in den letzten 8 Jahren nicht viel getan. Der Verwaltungsaufwand zur Ermittlung der Steuerdaten ist enorm. Es gibt viele verdeckte Steuererhöhungen (zusätzliche Sachverhalte, Gewerbesteuer). Die Finanzbehörden nutzen Lücken und Unschärfen in gesetzlichen Vorschriften zu ihren Gunsten, die dann im aufwendigen und kostspieligen Auseinandersetzungen geklärt werden müssen (innerbetriebliche Verrechnungspreise, Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung). Auch die Reform der Erbschaftsteuer für Unternehmen ist eher ein schwerfälliges Bürokratiemonster mit viel Beratungsaufwand und wenig Steuereffekt geworden.
In der Politik hat man sich daran gewöhnt, dass die Steuern sprudeln. Dabei ist das Ende des gegenwärtigen Konjunkturbooms lediglich eine Frage der Zeit. Einen Plan B für diesen Fall hatten und haben die Politiker nicht in den Taschen. Erfahrungsgemäß kommen dann Steuer- und Abgabenerhöhungen, um den Staatshaushalt zu sanieren und die Sozialkassen zu retten. Die jetzt angekündigten Steuererleichterungen insbesondere für Familien mit Kindern sind allemal eine Randnotiz und Wahlkampfvorlage.
Sanierung/Beteiligung: Neue Möglichkeiten bei der Verlustverrechnung
Das Bundeskabinett hat das Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften verabschiedet und ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Erfreulich: Damit wird es zusätzliche Möglichkeiten der Verlustverrechnung bei der Veräußerung von Unternehmen geben. Nach der jetzigen Regelung gehen nicht genutzte Verluste ganz oder teilweise verloren, wenn mehr 25 % eines Unternehmens übertragen bzw. erworben werden (§ 8c KStG, qualifizierter Anteilseignerwechsel bzw. Konzernklausel). In der Praxis führte das oft dazu, dass Unternehmensbeteiligungen nach steuerlichen, nicht aber nach wirtschaftlichen und/oder wettbewerblichen Gesichtspunkten eingegangen wurden. Deswegen sollen neue Möglichkeiten eingeräumt werden, mit denen Verlustvorträge wirtschaftlich besser genutzt werden können.
Bleibt der Geschäftsbetrieb des übernommenen Unternehmens erhalten und ist sichergestellt, dass der Verlustvortrag nicht zur Gewinnminderung in anderen Konzernbereichen eingesetzt wird, soll die volle Verlustverrechnung wieder möglich sein (geplant als § 8 d KStG). Auch dann, wenn ein sog. qualifizierter Anteilseignerwechsel stattfindet, also mehr als 25 % eines Unternehmens erworben werden. Diese Möglichkeit wird auf Antrag gewährt. Es ist also davon auszugehen, dass die Finanzbehörden jeden Einzelfall prüfen werden – auch, ob die Verlustverrechnung korrekt durchgeführt wird.
Geschäftsführer-Gehalt: Neue Rechtslage für die Gehaltskürzung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zur Zwangskürzung von Vorstands-Gehältern in der wirtschaftlichen Krise des Unternehmens Stellung genommen. Danach gilt: „Das Recht zur Herabsetzung der Bezüge ist ein einseitiges Gestaltungsrecht der AG, das durch eine Gestaltungserklärung ausgeübt wird, die der Aufsichtsrat in Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied abgibt. Eine Verschlechterung der Lage der Gesellschaft tritt jedenfalls dann ein, wenn die Gesellschaft insolvenzreif wird“ (BGH, Urteil vom 27.10.2015, II ZR 296/14). Grundlage für diese rechtliche Beurteilung sind die Vorschriften des Aktiengesetzes (hier: § 87 AktG). Danach hat der Aufsichtsrat das Recht bzw. sogar die Verpflichtung, das Gehalt des Vorstands zu kürzen, wenn dass aus dem Interesse des Unternehmens notwendig ist – z. B. im Falle einer Insolvenz oder sogar bereits bei einer drohenden Insolvenz.
Achtung: Aus einer Randnotiz im Urteil ergibt sich, dass diese Grundsätze nicht für den Geschäftsführer einer GmbH gelten. Der BGH stellt dazu ausdrücklich fest: „Zwischen dem Vorstand einer AG und dem Geschäftsführer einer GmbH muss differenziert werden“. Auch in der Fachliteratur gibt es unterdessen vermehrt Stimmen, nach denen eine Gehaltskürzung für den GmbH-Geschäftsführer nur mit der Zustimmung des Geschäftsführers möglich ist (z. B. im Wege einer Änderungskündigung). Laut OLG Düsseldorf gibt es auch keinen Erstattungsanspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer. Wörtlich heißt es im Urteil: „Solange die Zahlung auf dem Geschäftsführeranstellungsvertrag beruht, angemessen ist und auch bei einem Fremdgeschäftsführer üblich wäre, stellt die Gehaltszahlung keine verbotene Rückzahlung an den Gesellschafter dar“. Begründung: Der Zahlung steht eine entsprechende Gegenleistung gegenüber. Die Leistung erfolgt ausschließlich auf der Grundlage des Geschäftsführeranstellungsvertrags und nicht auf der Grundlage des Gesellschaftsverhältnisses. Ob bei der GmbH im Zeitpunkt der Zahlung eine Unterbilanz vorliegt oder nicht, ist ohne Bedeutung (OLG Düsseldorf, Urteil vom 2.12.2011, I‑16 U 19/10).
Beschlussfassung: Versammlungsleiter darf nicht einfach abbrechen
„Darf unser Gesellschafter-Geschäftsführer als Versammlungsleiter der Gesellschafterversammlung die Sitzung einfach abbrechen?“, so die Anfrage eines Kollegen, der eine strenge und autoritäre Leitung bemängelt. In der Praxis ist das ein Problem, dass oft in Familien-GmbHs mit mehreren Gesellschafter vorkommt, die wenig geschäftliche bzw. juristische Erfahrungen haben.
Die Rechtslage: NEIN. Wörtlich heißt es dazu in einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg: „Der Versammlungsleiter einer GmbH-Gesellschafterversammlung hat nicht die Kompetenz, die Versammlung abzubrechen. Ein kompetenzwidriger Abbruch führt nicht zur Beendigung der Versammlung“ (OLG Hamburg, Urteil vom 22.1.2016, 11 U 287/14). Fatale Folge: Verlässt einer der Gesellschafter aufgrund des Abbruchs der Veranstaltung durch den Versammlungsleiter (eventuell: durch einen der Gesellschafter-Geschäftsführer), sind die danach gefassten Beschlüsse u. U. trotzdem wirksam – d. h. sie können nicht aufgrund eines vermeintlichen Formfehlers angefochten werden. Zum Beispiel dann, wenn einer der Geschäftsführer auf der dann fortgesetzten Versammlung abberufen wird und der Gesellschafter oder der abberufene Gesellschafter-Geschäftsführer sein Stimmrecht nicht ausübt, weil er nicht mehr anwesend ist.
Grunderwerbsteuer: Aus für Share deal
Die Finanzminister der Länder haben sich darauf verständigt, zahlreiche Ausnahmeregelungen für Unternehmen bei der Befreiung von der Grunderwerbsteuer abzuschaffen. Das betrifft z. B. auch den sog. Share-Deal – danach ist die Übertragung von Immobilien im Rahmen einer Unternehmensveräußerung grunderwerbsteuerfrei, wenn lediglich 95 % der Anteile übertragen werden. Dieses Steuerprivileg soll ersatzlos gestrichen werden (Finanzminister der Länder).
Pflichtveröffentlichung: Wiederholungstäter müssen mehr zahlen
Nach einem neuesten Beschluss des Oberlandesgerichts Köln ist das Bundesamt für Justiz (BfJ) berechtigt, ein erhöhtes Bußgeld anzusetzen, wenn die GmbH/der Geschäftsführer bereits öfter mit Verstößen gegen die Veröffentlichungsvorschriften aufgefallen ist (OLG Köln, Beschluss vom 20.7.2016, 28 Wx 9/16).
Mit besten Grüßen
Lothar Volkelt
Herausgeber + Chefredakteur