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Volkelt-Brief 38/2017

Geschäfts­füh­rer und die lie­ben Behör­den: 11 Jah­re „AGG” – auch für vie­le Kol­le­gen ein Spiel mit eini­gen Unbe­kann­ten und mit hohem finan­zi­el­len Risi­ko + Gewusst wie: Anwalt­li­che Bera­tung schützt Geschäfts­füh­rer vor Pflicht­ver­let­zung + GmbH-GmbH-Steu­ern: „Schach­tel­stra­fe“ nicht zu bean­stan­den + Mit­ar­bei­ter: Wie Sie Kon­kur­renz-Tätig­kei­ten rich­tig unterbinden

BISS die Wirt­schaft-Sati­re

 

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Frei­burg, 22. Sep­tem­ber 2017

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

seit dem August 2006 – also vor 11 Jah­ren – ist das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz gel­ten­des Recht. Bis heu­te macht es in der Pra­xis Pro­ble­me. Für eini­gen Wir­bel sorg­te ein Urteil des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) zur Gel­tung des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes (AGG) auch für Geschäfts­füh­rer. Im ent­schie­de­nen Fall ging es um die Wei­ter­be­schäf­ti­gung des medi­zi­ni­schen Geschäfts­füh­rers einer Kli­nik-GmbH, der mit einem zeit­lich befris­te­ten Dienst­ver­trag ange­stellt war (BGH mit Urteil vom 23.4.2012, II ZR 163/10). Weil nicht er son­dern ein jün­ge­rer Kol­le­ge ein­ge­stellt wur­de, klag­te er auf Ver­stoß gegen dass AGG und Zah­lung einer Ent­schä­di­gung und bekam Recht.

Ach­tung: Die­se BGH-Ent­schei­dung hat zwar immer noch grund­sätz­li­che Bedeu­tung. Den­noch han­delt es sich um eine sog. Ein­zel­fall­ent­schei­dung. Die Rechts­grund­sät­ze (Anspruch auf Ent­schä­di­gung) gel­ten nur unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen. Jeder Ein­zel­fall kann vor Gericht anders aus­ge­hen. Als Geschäfts­füh­rer sind Sie nicht gut bera­ten, wenn Sie sich ein­fach auf die Anwend­bar­keit des AGG ver­las­sen und ggf. auf eine Ent­schä­di­gung pokern wol­len. Was müs­sen Sie dazu in der Geschäfts­füh­rungs-Pra­xis beachten?

 

Für welche Geschäftsführer gilt die BGH-Rechtsprechung zum AGG?

Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer: Hier gibt es in der Regel kei­ne Pro­ble­me. Der Anstel­lungs­ver­trag ist in der Regel nicht befris­tet (wie im Urteils­fall) son­dern auf Dau­er aus­ge­legt, so dass der Fall einer Ver­trags­ver­län­ge­rung in der Pra­xis kei­ne Rol­le spielt. Ledig­lich der älte­re Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer, der einen Nach­fol­ger ein­ar­bei­ten will, muss im Aus­wahl­ver­fah­ren dar­auf ach­ten, dass es zu kei­nem Ver­stoß gegen das AGG kommt. Typi­sche Feh­ler in der ableh­nen­den Begrün­dung: „Eine Frau hat­ten wir noch nie“ oder „Der Bewer­ber ist zu jung“.

Geschäfts­füh­rer mit einer Mini-Betei­li­gung an der GmbH: Wird dem Geschäfts­füh­rer mit der Bestel­lung eine Mini-Betei­li­gung ange­bo­ten und zugleich der Anstel­lungs­ver­trag befris­tet (z. B. 3 oder 5 Jah­re), greift die neue Recht­spre­chung bei der Ver­trags­ver­län­ge­rung. Wer­den hier bei einer Nicht-Wei­ter­be­schäf­ti­gung Grün­de offen­sicht­lich, die gegen das AGG ver­sto­ßen, ent­steht ein Anspruch auf Ent­schä­di­gung. Bei einem unbe­fris­te­ten Anstel­lungs­ver­trag besteht in der Regel kein Hand­lungs­be­darf (sie­he oben).

Fremd-Geschäfts­füh­rer: Geschäfts­füh­rer ohne Betei­li­gung an der GmbH wer­den regel­mä­ßig – bis auf Aus­nah­men – nur befris­tet ange­stellt. Das betrifft vor allem Geschäfts­füh­rer in öffent­lich-recht­li­chen Betrie­ben (Ver­kehr, Ener­gie, Gesund­heit, Ent­sor­gung usw.) oder gemein­nüt­zi­gen Orga­ni­sa­tio­nen. Es ver­wun­dert also nicht, dass der Urteils­fall in einer ver­wal­tungs­ge­präg­ten Bran­che (Gesund­heit) ange­sie­delt ist. In typi­schen Wett­be­werbs-Unter­neh­men kann man im All­ge­mei­nen von einer pro­fes­sio­nel­le­ren und dis­kre­te­ren Abwick­lung eines ver­gleich­ba­ren Vor­gangs aus­ge­hen. Da es in die­sen Bran­chen nur sel­ten kla­re Leis­tungs­vor­ga­ben gibt, stei­gen mit die­sem Urteil die Chan­cen des Geschäfts­füh­rers auf Ver­län­ge­rung sei­nes Ver­tra­ges, solan­ge er sich nichts zu schul­den kom­men lässt. Die geleis­te­te Amts­zeit ist das bes­te Bewer­bungs­ar­gu­ment für die Ver­trags­ver­län­ge­rung. Fremd-Geschäfts­füh­rer pro­fi­tie­ren also von die­sem Urteil am meisten.

Was können Sie als Geschäftsführer tun, um Ihre Position zu sichern?

Neue Chan­cen eröff­nen sich für Geschäfts­füh­rer bei einem Wech­sel des Arbeit­ge­bers bzw. bei einer erst­ma­li­gen Bewer­bung um eine Geschäfts­füh­rer-Posi­ti­on. Haben Sie den Ein­druck, dass die Grün­de für Ihre Ableh­nung in einem Ver­stoß gegen die all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­grund­sät­ze lie­gen, haben Sie gute Chan­ce auf eine Ent­schä­di­gung zu kla­gen (§ 15 Abs. 2 AGG). Das ist immer dann der Fall, wenn Sie wegen Ihres Alters, Ihres Geschlechts, Ihrer Her­kunft oder Ihrer Religion/Weltanschauung, einer Behin­de­rung oder wegen sexu­el­ler Iden­ti­tät benach­tei­ligt wer­den. Das gilt für die Ein­la­dung zum Bewer­bungs­ge­spräch und für die Aus­wahl nach der Bewer­ber­run­de. Macht der neue Arbeit­ge­ber GmbH den Feh­ler, sol­che Grün­de für die Ableh­nung zu nen­nen und kön­nen Sie das doku­men­tie­ren, haben Sie bes­te Chan­ce auf die Ent­schä­di­gung. ind Sie ein­ge­stellt, ist die bes­te Absi­che­rung der unbe­fris­te­te Arbeits­ver­trag. Noch bes­ser ist es, wenn eine Kün­di­gung nur aus wich­ti­gem Grund mög­lich ist. Kommt es dann zu Dif­fe­ren­zen, wird das in der Regel für den Arbeit­ge­ber GmbH sehr teu­er (pro Tätig­keits­jahr ein Net­to­mo­nats­ver­dienst bzw. nach Ver­ein­ba­rung im Anstel­lungs­ver­trag in Höhe der dort bezif­fer­ten Abfindung).

Was können GmbH-Gesellschafter tun, um Entschädigungsansprüche eines Geschäftsführers abzuwehren?

Das Urteil hat selbst­ver­ständ­lich auch Kon­se­quen­zen für alle Gesell­schaf­ter (-Geschäfts­füh­rer), die neue Kol­le­gen ins Geschäfts­füh­rungs-Gre­mi­um beru­fen oder in Toch­ter­ge­sell­schaf­ten (GmbH & Co. KG, Unter­neh­mens­ver­bund) Geschäfts­füh­rer ein­stel­len. Machen Sie hier Feh­ler im Ein­stel­lungs­ver­fah­ren oder bei einer Ver­trags­ver­län­ge­rung kann das für die GmbH teu­er wer­den. Wie kön­nen sich GmbH-Gesell­schaf­ter schützen?

Aus­schrei­bung und im Bewer­bungs­ver­fah­ren: Hier sind die übli­chen Vor­keh­run­gen zu tref­fen, wie geschlechts- und alters­neu­tra­le Aus­schrei­bung usw. Geben Sie aus­schließ­lich sach­li­che Kri­te­ri­en vor. Im Ein­stel­lungs­ver­fah­ren uner­fah­re­ne Gesell­schaf­ter soll­ten sich hier von einem Fach­an­walt für Arbeits­recht bzw. einem ver­sier­ten Per­so­nal­be­ra­ter beglei­ten las­sen. Beson­de­re Vor­sicht ist bei der For­mu­lie­rung von Ableh­nungs­grün­den gebo­ten. Im Zwei­fel geht auch das nur mit Fachberatung.

Ver­trag­li­che Vor­keh­run­gen: Auf der siche­ren Sei­te sind Sie als GmbH-Gesell­schaf­ter, wenn sie den Geschäfts­füh­rer nur mit einem befris­te­ten Arbeits­ver­trag ein­stel­len und zugleich im Ver­trag fest­schrei­ben, dass die Stel­le nach Ablauf im übli­chen Aus­schrei­bungs­ver­fah­ren besetzt wird. Wich­tig ist, dass es kla­re Leis­tungs­vor­ga­ben für den Geschäfts­füh­rer gibt (vgl. dazu unten).

Zurück­hal­tung in der Öffent­lich­keit: Im Urteils­fall stol­per­te die GmbH über ihren aus­kunfts­freu­di­gen Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­den. Die­ser hat­te im Inter­view zwar nur indi­rekt auf das Alter des vor­ma­li­gen Geschäfts­füh­rers ver­wie­sen („wegen des Umbruchs im Gesund­heits­markt haben wir uns für einen Bewer­ber ent­schie­den, mit dem das Unter­neh­men lang­fris­tig im Wind ste­hen kann“). Für das Gericht genüg­te die­se Aus­sa­ge, um eine Alters­dis­kri­mi­nie­rung zu unter­stel­len. Die Bestel­lung eines Geschäfts­füh­rers darf in der PR immer nur mit einem auto­ri­sier­ten und ggf. von Fach­an­walt für Arbeits­recht geprüf­ten Text ver­öf­fent­licht werden.

GmbH-Gesell­schaf­ter, die einen neu­en Geschäfts­füh­rer suchen, soll­ten sich dar­auf ein­stel­len, dass abge­lehn­te Bewer­ber (even­tu­ell auch die nicht zum Bewe­bungs­ge­spräch ein­ge­la­de­nen) selbst Nuan­cen der öffent­li­chen Prä­sen­ta­ti­on des schluss­end­lich ein­ge­stell­ten Geschäfts­füh­rers mit Argus-Augen ver­fol­gen. Kleins­te Feh­ler kön­nen dann u. U. zur Durch­set­zung einer Ent­schä­di­gung genutzt wer­den. Z. B. dann, wenn sich einer der Bewer­ber benach­tei­ligt fühlt oder wenn emo­tio­nal etwas aus dem Ruder läuft (Aver­sio­nen, kon­trä­re Wer­te und Vorstellungen).

 

Über­sicht: Maß­nah­men nach dem AGG-Urteil des Bundesgerichtshofes

Betrifft Maß­nah­men
Stel­len­aus­schrei­bung und Bewerbungsverfahren Sie müs­sen die für ande­re Arbeit­neh­mer gel­ten­den Vor­schrif­ten im Ein­stel­lungs­ver­fah­ren beach­ten, auch die Vor­ga­ben aus dem AGG. GmbH-Gesell­schaf­ter mit wenig Erfah­rung sind gut bera­ten, sich im gesam­ten Ein­stel­lungspro­ce­de­re pro­fes­sio­nell bera­ten und beglei­ten zu lassen.
Siche­rung der Verschwiegenheitspflicht So kön­nen Sie z. B. in der Geschäfts­ord­nung der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung aus­drück­lich fest­le­gen, dass sämt­li­che Inhal­te der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung und zu allen Gegen­stän­den, die GmbH- und Geschäfts­füh­rungs­an­ge­le­gen­hei­ten betref­fen, der Ver­schwie­gen­heits­pflicht unter­lie­gen und Ver­stö­ße dage­gen Scha­dens­er­satz­an­sprü­che aus­lö­sen. Fehlt eine Geschäfts­ord­nung oder lässt sich die­se sich nicht mehr nach­träg­lich per Gesell­schaf­ter­be­schluss durch­set­zen, soll­te dies durch einen aus­drück­li­chen Gesell­schaf­ter­be­schluss (hier: im Zusam­men­hang mit der Bestel­lung des Geschäfts­füh­rers) ver­bind­lich beschlos­sen werden.
Vor­ga­be von kla­ren         Leistungskriterien Umsatz- oder Gew­inn­tan­tie­men sind Bestand­teil des Anstel­lungs­ver­tra­ges. Die Ziel­ver­ein­ba­run­gen zu ande­ren betriebs­wirt­schaft­li­chen Erfolgs­fak­to­ren kön­nen außer­ver­trag­lich ent­we­der als Pro­to­koll zum Ein­stel­lungs­ge­spräch oder als Anla­ge schrift­lich fixiert wer­den. Alle Ziel­grö­ßen müs­sen ent­spre­chend im Con­trol­ling abge­bil­det wer­den und regel­mä­ßi­ger TOP der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung zum Jah­res­ab­schluss bzw. zur Ent­las­tung des Geschäfts­füh­rers sein.

 

GmbH-Steuern: „Schachtelstrafe“ nicht zu beanstanden

Ist eine deut­sche GmbH zu mehr als 10 % an einer fran­zö­si­schen Toch­ter­ge­sell­schaft betei­ligt und sind die von die­ser aus­ge­schüt­te­ten Divi­den­den steu­er­frei, so wird die Hin­zu­rech­nung von 5 % der Divi­den­den („Schach­tel­stra­fe“) auch nicht durch die Steu­er­frei­stel­lung der Divi­den­den nach Art. 20 DBA-Frank­reich aus­ge­schlos­sen (FG Mün­chen, Urteil v. 13.3.2017, 7 K 59/14).

Nach § 8b Abs. 5 KStG sind 5 % der Divi­den­de­aus­schüt­tung vom Betriebs­aus­ga­ben­ab­zug ausgeschlossen.

 

Gewusst wie: Anwaltliche Beratung schützt Geschäftsführer vor Pflichtverletzung

Über­weist der Geschäfts­füh­rer auf anwalt­li­chen Rat hin die abzu­füh­ren­de Lohn­steu­er auf ein dafür ein­ge­rich­te­tes Treu­hand­kon­to, ist er aus der Haf­tung für nicht abge­führ­te Lohn­steu­er. Auf die­sen Rat darf er sich ver­las­sen (FG Müns­ter, Urteil v. 23.6.2017, 3 K 1537/14 L).

 Der Geschäfts­füh­rer war ein­ge­setzt zur Insol­venz in Eigen­ver­wal­tung. Dazu das FG Müns­ter: „Die Anfor­de­run­gen an einen Geschäfts­füh­rer, der zwar kauf­män­nisch gut aus­ge­bil­det und sanie­rungs­er­fah­ren, aber kein Jurist ist (.….….….……) , sind damit über­spannt“. Fazit: Im Zwei­fel soll­ten Sie sich immer vom Anwalt bera­ten las­sen, die Bera­tungs­er­geb­nis­se pro­to­kol­lie­ren und exakt danach handeln.

 

Mitarbeiter: Wie Sie Konkurrenz-Tätigkeiten unterbinden

Ein Wett­be­werbs­ver­bot (hier: über 3 Mona­te) mit einem Arbeit­neh­mer ist nur wirk­sam ver­ein­bart, wenn damit ein berech­tig­tes Geschäfts­in­ter­es­se gesi­chert wer­den soll. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) liegt ein berech­tig­tes Geschäfts­in­ter­es­se des Arbeit­ge­bers aber nur dann vor, wenn das Wett­be­werbs­ver­bot ent­we­der dem Schutz von Betriebs­ge­heim­nis­sen dient oder den Ein­bruch in den Kun­den­kreis ver­hin­dern soll. Das Inter­es­se, allein die Kon­kur­renz ein­zu­schrän­ken, reicht dage­gen nicht aus (ArbG Solin­gen, Urteil v. 20.6.2017, 3 Ca 153/17).

Das Gericht stellt auch klar, dass ein ledig­lich über 3 Mona­te ver­ein­bar­tes Wett­be­werbs­ver­bot weni­ger dem Schutz des Geschäfts­in­ter­es­ses dient, son­dern eher dazu geeig­net ist, dem Arbeit­neh­mer den Arbeits­platz­wech­sel zu erschwe­ren. Bes­ser ist es, wenn Sie ein län­ge­res Ver­bot (min­des­tens 6 Mona­te) und eine ver­bind­li­che Karenz­ent­schä­di­gung ver­ein­ba­ren, sich dafür aber einen Rück­tritt vorbehalten.

 

Eine infor­ma­ti­ve Lek­tü­re wünscht

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Geschäftsführer-Fachinformationsdienst

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