Kategorien
Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 37/2016

Volkelt-FB-01Betriebs­prü­fung: Die Crux mit der ver­deck­ten Gewinn­aus­schüt­tung + Neue Urtei­le: Beschluss­fas­sung in der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung + Füh­rungs­tech­ni­ken: Eine Schwä­che weni­ger ist eine Stär­ke mehr + GmbH-Recht: Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer muss Über­be­zah­lung zurück­er­stat­ten + GmbH-Steu­er: Geschäfts­füh­rer darf Polit-Pro­mis, Pres­se und Ver­bands-Men­schen zum Geburts­tag ein­la­den + BISS

 

 

 

Der Vol­kelt-Brief 37/2016 > Down­load als PDF - lesen im „Print”

Frei­burg 9. Sep­tem­ber 2016

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

ob Geschäfts­füh­rer-Gehalt, Zins­zah­lun­gen in ver­bun­de­nen Unter­neh­men oder unzu­läs­si­ge Vor­tei­le für die Fami­li­en-Mit­glie­der: Fast bei jeder Betriebs­prü­fung in einer GmbH unter­stellt der Steu­er­prü­fer eine ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tung (vGA). Da geht es um Begrif­fe wie „Ange­mes­sen­heit“ oder „Ver­gleich mit einem frem­den Drit­ten“ – Begrif­fe, die nicht wirk­lich nach Objek­ti­vi­tät und Mess­bar­keit klin­gen. Die Crux für den betrof­fe­nen Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer: Hat das Finanz­amt einen ent­spre­chen­den Steu­er­be­scheid erlas­sen und den Ein­spruch – trotz schlüs­si­ger Begrün­dung – abge­lehnt, müs­sen Sie vor das Finanz­ge­richt. Das ist auf­wän­dig, kos­tet Geld und sehr, sehr viel Zeit.

Offi­zi­el­le Zah­len dar­über, wie hoch das Steu­er­auf­kom­men aus vGA ist, gibt es nicht. Wer davon betrof­fen ist, weiß aber, dass er dann für jeden Euro ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tung zusätz­lich 15 % Kör­per­schaft­steu­er, 5 % dar­auf als Soli­da­ri­täts­zu­schlag und je nach Heb­satz Gewer­be­steu­er zah­len muss. Weil die Ver­fah­ren vor den Finanz­ge­rich­ten bis zu 2 und mehr Jah­ren dau­ern, emp­fiehlt der Steu­er­be­ra­ter nur im glas­kla­ren Fall einer feh­ler­haf­ten Aus­le­gung der Finanz­be­hör­den den Gang vor ein Finanz­ge­richt. Dabei gilt: Je grö­ßer der Betrag ist, um den es geht, umso ernst­haf­ter muss geprüft wer­den, ob auch ein Risi­ko­pro­zess in Fra­ge kommt. Die Ent­schei­dung dar­über müs­sen Sie aller­dings – wie so vie­le ande­re Ent­schei­dun­gen auch – ganz allei­ne tref­fen. Das ist das Rest­ri­si­ko jeder vGA.

Spek­ta­ku­lär war z. B. der Fall Würth aus dem Jahr 2008. Hier ging es um ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tun­gen aus unzu­läs­sig nied­ri­gen inner­be­trieb­li­chen Ver­rech­nungs­prei­sen und Steu­er-Nach­zah­lun­gen in Mil­lio­nen­hö­he – bei durch­aus unkla­rer Rechts­la­ge. Zunächst ver­such­te der Unter­neh­mer Druck gegen die Finanz­be­hör­den auf­zu­bau­en, indem er die Ver­le­gung eines Bil­dungs­zen­trums von Deutsch­land in die Schweiz androh­te. Schluss­end­lich muss­te er den­noch zäh­ne­knir­schend bei­geben und zahl­te. Ins­ge­samt einen zwei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­trag plus fast 3,5 Mio. EUR Stra­fe. Dazu der Unter­neh­mer Rein­hold Würth im Rück­blick: „Mir war die Zeit zu scha­de, jede Woche zwei­mal auf dem Finanz­ge­richt zu hocken und das Zeug durch­zu­kar­ten. Ganz zu schwei­gen von der Zeit, die auch im Unter­neh­men auf ein sol­ches Ver­fah­ren ver­wen­det wür­de statt auf das Geschäft“.

Neue Urteile: Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung

Der über­wie­gen­de Teil der GmbH-Geschäfts­füh­rer ist zugleich auch Gesell­schaf­ter ihrer GmbH. Im Grund­satz sind die Rech­te und Pflich­ten der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung und die Vor­aus­set­zun­gen für eine ord­nungs­ge­mä­ße Beschluss­fas­sung im GmbH-Gesetz recht klar vor­ge­ge­ben. In der Pra­xis gibt es immer wie­der neue Rechts­fra­gen. Hier eine Zusam­men­fas­sung der wich­tigs­ten neue­ren und rechts­kräf­ti­gen Urtei­le dazu, die Sie ken­nen müssen:

Zustel­lung der Ein­la­dung: Ein Geschäfts­füh­rer kann die Ein­la­dung von Gesell­schaf­tern zur Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung jeden­falls dann nicht wirk­sam durch Ersatz­zu­stel­lung unter einer Adres­se bewir­ken, von der er posi­tiv weiß, dass die Gesell­schaf­ter dort nicht woh­nen, und wenn ihm die Gesell­schaf­ter mit­ge­teilt haben, wie er sie errei­chen kann (OLG Cel­le, Urteil vom 24.9.2013, 9 U 69/13).

Im Urteils­fall wuss­te der Geschäfts­füh­rer, der die Ersatz­zu­stel­lung ver­an­lass­te, dass der Gesell­schaf­ter nicht unter der ange­ge­be­nen Adres­se zu errei­chen war. Zugleich hat­ten ihm ande­re Mit-Gesell­schaf­ter die kor­rek­te Adres­se mit­ge­teilt. In die­sem Fall ist der Geschäfts­füh­rer ver­pflich­tet, die Ein­la­dung zur Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung an die ihm genann­te Adres­se zu ver­schic­ken. Und zwar unter Wah­rung der Frist und Nen­nung der Tages­ord­nung. Geht es um eine weit rei­chen­de Beschluss­fas­sung, soll­ten sich recht­lich uner­fah­re­ne Geschäfts­füh­rer streng an die im Gesetz vor­ge­ge­be­nen Form­vor­schrif­ten hal­ten bzw. bei Unklar­hei­ten einen Anwalt ein­schal­ten, um Form­feh­ler zu ver­mei­den. Sonst muss eine neue Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung ein­be­ru­fen werden.

 

Ort der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung: Gesell­schaf­ter­be­schlüs­se, die in den Räu­men eines ver­fein­de­ten Gesell­schaf­ters gefasst wer­den, sind in der Regel anfecht­bar, wer­den aber wirk­sam, wenn ein bestimm­tes Beschluss­ergeb­nis fest­ge­stellt und eine frist­ge­rech­te Anfech­tung nicht erfolgt ist (BGH, Urteil vom 24.3.2016, IX ZB 32/15).

 

Das ist sicher­lich schon ein Extrem­fall. Der Ehe­mann der ein­la­den­den Gesell­schaf­te­rin hat­te ange­droht, der zer­strit­te­nen Mit-Gesell­schaf­te­rin Haus­ver­bot für sei­ne Räum­lich­kei­ten zu ertei­len, in denen die GmbH einen Büro­raum ange­mie­tet hat­te. Vor­sicht: Dann reicht es nicht, ein­fach fern­zu­blei­ben. Sie müs­sen die in Ihrer Abwe­sen­heit gefass­ten Beschlüs­se anfechten.

 

Zustim­mungs­pflicht des Gesell­schaf­ters (I): Auf­grund der Treue­pflicht muss der Gesell­schaf­ter einer Maß­nah­me zustim­men, wenn sie zur Erhal­tung wesent­li­cher Wer­te der GmbH oder zur Ver­mei­dung erheb­li­cher Ver­lus­te, die die GmbH erlei­den könn­te, objek­tiv unab­weis­bar erfor­der­lich ist und den Gesell­schaf­tern unter Berück­sich­ti­gung ihrer eige­nen schutz­wür­di­gen Belan­ge zumut­bar ist, also wenn der Gesell­schafts­zweck und das Inter­es­se der Gesell­schaft gera­de die­se Maß­nah­me zwin­gend gebie­ten (BGH, Urteil vom 12.4.2016, II ZR 275/14).

Müs­sen die Gesell­schaf­ter einen Beschluss gegen den Wil­len eines Gesell­schafters durch­set­zen, ist dies ohne gut­ach­ter­li­che Stel­lung­nah­me (etwa den Steu­er­be­ra­ter oder Wirt­schafts­prü­fer) kaum zu errei­chen. Das ist z. B. dann ange­ra­ten, wenn die GmbH ohne Beschluss­maß­nah­men in eine Insol­venz­si­tua­ti­on gera­ten wür­de (Zustim­mung zu einer Kapi­tal­erhö­hung). Wol­len die Gesell­schaf­ter ledig­lich eine Maß­nah­me beschlie­ßen, die z. B. zur Erhö­hung der EK-Ren­di­te führt, dürf­te das nicht genü­gen, um den Gesell­schaf­ter zur Zustim­mung zu einer sol­chen Ent­schei­dung gericht­lich zu zwingen.

 

Zustim­mungs­pflicht des Gesell­schaf­ters (II): Die Rege­lung in der Sat­zung der GmbH, wonach die Geschäfts­füh­rer für den Abschluss ein­zel­ner Rechts­ge­schäf­te die Zustim­mung aller Gesell­schaf­ter ein­zu­ho­len haben, ist dahin aus­zu­le­gen, dass jedem Gesell­schaf­ter ein indi­vi­du­el­les Son­der­recht auf Zustim­mung ein­ge­räumt wird. Dies gilt auch für Beschlüs­se zur Ände­rung die­ser Klau­sel (OLG Hamm, Urteil vom 21.12.2015, I‑8 U 67/15).

Ist das so ver­ein­bart, genügt für die Beschluss­fas­sung kein Mehr­heits­be­schluss und auch kei­ne qua­li­fi­zier­te Mehr­heit (3/4 – Mehr­heit). Not­wen­dig ist dann die aus­drück­li­che Zustim­mung jedes ein­zel­nen Gesell­schaf­ters. Bereits eine Stimm­ent­hal­tung genügt dann, um eine zustim­mungs­pflich­ti­ge Ent­schei­dung zu blockieren.

 

Stimm­rechts­aus­schluss des Gesell­schaf­ters: Ein Gesell­schaf­ter darf bei einer Beschluss­fas­sung, wel­che die Vor­nah­me eines Rechts­ge­schäfts ihm gegen­über betrifft, nicht mit­stim­men. Die Vor­schrift des GmbH-Geset­zes (§ 47 Abs. 4 GmbHG: Stimm­recht des Gesell­schaf­ters in Sachen Rechts­geschäfte in eige­ner Sache) ist ent­spre­chend anzu­wen­den, wenn der Gesell­schaf­ter der GmbH zugleich zu 50 % Gesell­schaf­ter der Ver­trags­part­ne­rin und auch deren allei­ni­ger Geschäfts­füh­rer ist (KG Ber­lin, Urteil vom 8.5.2014, 12 U 22/13).

Pro­ble­ma­tisch ist das, wenn ein Gesell­schaf­ter in meh­re­ren ver­bun­de­nen Gesell­schaf­ten (Toch­ter- und Enkel­ge­sell­schaf­ten) enga­giert ist und die Gesell­schaf­ten in enger wirt­schaft­li­cher Bezie­hung ste­hen, so dass regel­mä­ßig Ver­trä­ge mit­ein­an­der abge­schlos­sen wer­den. Im Zwei­fel soll­ten Sie prü­fen, ob ein Stimm­rechts­ver­bot besteht. Dann ist sicher­ge­stellt, dass es nicht zu einer Anfech­tung der Beschluss­fas­sung mit Fol­gen für die Ver­trags­ab­wick­lung kom­men kann.

Führungstechniken: Eine Schwäche weniger ist eine Stärke mehr

Ken­nen Sie das „Ich-Prin­zip“? Dabei han­delt es sich nicht um eine neue Form von Über­le­gen­heits-Stra­te­gie oder ego­is­ti­scher Selbst­ver­wirk­li­chung. Viel­mehr ist das die Ein­sicht, dass die Fir­ma, so wie sie dasteht, Ihr Schaf­fens­werk ist. Sie sind es, der die Fir­ma gestal­tet, prägt und nach vor­ne ent­wi­ckelt. Zu die­ser Ich-Ver­ant­wort­lich­keit gehört auch die Erkennt­nis, dass der Mensch Stär­ken und Schwä­chen hat. Auch Sie – ohne Ihnen zu nahe tre­ten zu wol­len. Oft ist es bes­ser, eine Schwä­che zu besei­ti­gen als sich auf sei­nen Stär­ken aus­zu­ru­hen. Bei­spiel: Die meis­ten Füh­rungs­kräf­te gehen davon aus, dass sie ihre Mit­ar­bei­ter aus­ge­zeich­net füh­ren. Und dass, obwohl sie sich noch nie­mals sys­te­ma­tisch mit den The­men Füh­rungs­tech­nik, Moti­va­ti­on, Mit­ar­bei­ter­ge­spräch und Kon­flikt-Manage­ment beschäf­tigt haben.

Sei­en Sie sicher: Mit Intui­ti­on kann man ganz schön dane­ben lie­gen. Nach dem „Ich-Prin­zip“ kön­nen nur Sie selbst wis­sen, wie es um Ihre Qua­li­fi­ka­ti­on in Sachen Füh­rung steht. Und nur Sie sind es, der dar­über ent­schei­den kann, ob Sie sich ein­mal eine qua­li­fi­zier­te Zusatz­aus­bil­dung in Sachen Per­so­nal­füh­rung geneh­mi­gen wol­len. Das gilt selbst­ver­ständ­lich auch für all die ande­ren Qua­li­fi­ka­tio­nen, die Sie als Geschäfts­füh­rer brau­chen. Und das ist gele­gent­lich – das wis­sen Sie selbst – ein Spiel mit (sehr) vie­len Unbekannten.

Laut offi­zi­el­ler Sta­tis­tik neh­men nur 7 % aller Mit­ar­bei­ter inkl. Füh­rungs­kräf­te die sog. indi­vi­du­el­le berufs­be­zo­ge­ne Wei­ter­bil­dung in Anspruch (Stu­die: Wei­ter­bil­dungs­ver­hal­ten in Deutsch­land). Das liegt dar­an, dass Füh­rungs­kräf­te und Geschäfts­füh­rer im All­tags­ge­schäft stark ein­ge­spannt sind und „kei­ne Zeit“ haben. Ins­be­son­de­re in klei­ne­ren Betrie­ben bleibt wenig Zeit für die Wei­ter­bil­dung (obwohl gera­de hier gro­ßer bedarf besteht). In Sozi­al- und Ver­wal­tungs­be­ru­fen fin­det viel Wei­ter­bil­dung statt. In der gewerb­li­chen Wirt­schaft wird die indi­vi­du­el­le beruf­li­che Wei­ter­bil­dung oft vernachlässigt.

Gesellschafter-Geschäftsführer muss Überbezahlung zurückerstatten

Wur­den dem Gesell­schaf­ter-Geschäfts­­­füh­rer höhe­re Beträ­ge als ver­ein­bart aus­ge­zahlt, muss er dafür Lohn­steu­er zah­len. So lan­ge, bis die er die zuviel erhal­te­nen Gel­der (Tan­tie­me und Urlaubs­geld) an die GmbH zurück­zahlt (BFH, Urteil vom 14.4.2016, VI R 13/14).

Das Finanz­amt kann das ganz ein­fach anhand der GmbH-Kon­ten nach­voll­zie­hen. Solan­ge es kei­ne Über­wei­sung und kein Ein­gang des Fehl­be­tra­ges gibt, ist das Finanz­amt berech­tigt, dafür Lohn­steu­er zu ver­la­gern bzw. durch­zu­set­zen. Sie sind also gut bera­ten, einen sol­chen Vor­gang nicht ledig­lich als Form­sa­che zu behandeln.

Geschäftsführer darf Polit-Promis, Presse und Verbands-Menschen zum Geburts­tag einladen

Der BFH hat jetzt fest­ge­stellt, wel­che Per­so­nen aus dem Umkreis des Ein­la­den­den zuge­las­sen sind, ohne dass eine pri­va­te Ver­an­las­sung vor­liegt. Wört­lich heißt es im Urteil: „So ist von Bedeu­tung, ob es sich bei den Gäs­ten um Kol­le­gen, Geschäfts­freun­de oder Mit­ar­bei­ter, um Ange­hö­ri­ge des öffent­li­chen Lebens, der Pres­se, um Ver­bands­ver­tre­ter oder um pri­va­te Bekann­te oder Ange­hö­ri­ge des Steu­er­pflich­ti­gen han­delt“ (BFH, Urteil vom 20.1.2016, VI R 24/15).

Aus Geschäfts­füh­rer-Per­spek­ti­ve inter­es­sant: Damit soll­te es – steue­run­schäd­lich –mög­lich sein, Ver­tre­ter des Öffent­li­chen Lebens, der Ver­bän­de und der Pres­se ein­zu­la­den, ohne dass das Finanz­amt allei­ne dar­aus schon eine pri­va­te Ver­an­las­sung der Geburts­tags­fei­er des Geschäfts­füh­rers unter­stel­len darf.

 

Mit bes­ten Grüßen

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chefredakteur

Schreibe einen Kommentar