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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 31/2011

BFH ermög­licht Euro­pa-Organ­schaft – mit tol­len Steu­er­mög­lich­kei­ten + ACHTUNG vGA: Finanz­amt darf Geschäfts­füh­rer-Gehäl­ter zusam­men­rech­nen + FA: Gehalts­ver­ein­ba­rung muss durch­ge­führt wer­den wie ver­ein­bart – sonst gibt es kei­nen Betriebs­aus­ga­ben­ab­zug + Mit­ar­bei­ter dür­fen Fir­ma „anschwär­zen” + Adres­sen­än­de­rung: Geschäfts­füh­rer ist zustän­dig – auch wenn der Insol­venz­ver­wal­ter das Sagen hat + BISS …

The­men heu­te: klei­ne „Sen­sa­ti­on” – BFH ermög­licht Euro­pa-Organ­schaft – mit tol­len Steu­er­mög­lich­kei­ten + ACHTUNG vGA: Finanz­amt darf Geschäfts­füh­rer-Gehäl­ter zusam­men­rech­nen + FA: Gehalts­ver­ein­ba­rung muss durch­ge­führt wer­den wie ver­ein­bart – sonst gibt es kei­nen Betriebs­aus­ga­ben­ab­zug + Mit­ar­bei­ter dür­fen Fir­ma „anschwär­zen” + Adres­sen­än­de­rung: Geschäfts­füh­rer ist zustän­dig – auch wenn der Insol­venz­ver­wal­ter das Sagen hat + BISS

 

 

31. KW 2011
Frei­tag, 5.8.2011

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

was die Poli­tik nicht schafft, wird jetzt von den deut­schen Finanz­ge­rich­ten vor­wärts getrie­ben: ein ein­heit­li­cher Besteue­rungs-Raum für euro­päi­sche Unter­neh­men. Hin­ter­grund: Der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) hat jetzt in 2 Urtei­len die euro­päi­sche Organ­schaft zuge­las­sen. Damit wird es für Unter­neh­men bes­ser mög­lich, Ver­lus­te und Gewin­ne steu­erneu­tral in Euro­pa zu ver­rech­nen. Bis­her erken­nen die deut­schen Steu­er­be­hör­den eine Organ­schaft mit Steu­er­wir­kung nur an, soweit die­se in Deutsch­land besteht (BFH, Urtei­le vom 9.2.2011, I R 54 und 55/10). Damit ist ein Anfang gemacht. In den Urtei­len ging es zwar um eine gewer­be­steu­er­li­che Organ­schaft für den Besteue­rungs­zeit­raum 1999. Unter­des­sen hat das BMF aber per Erlass schon ein­ge­räumt, dass eine Organ­schaft zwi­schen einem im Aus­land gegrün­de­ten und im Inland täti­gen Unter­neh­men zuläs­sig ist (BMF-Schrei­ben vom 29.3.2011, IV B 5 – S 1341/09/10004).

Für die Pra­xis: U. E. steht damit schon in naher Zukunft einer Gestal­tung mit trans­na­tio­na­len Ergeb­nis­ab­füh­rungs­ver­trä­gen zwi­schen den Unter­neh­men nichts mehr im Wege. Ihr Steu­er­be­ra­ter ist gefordert.

BFH-aktuell: FA darf Geschäftsführer-Gehälter zusammenrechnen

Wir berich­ten immer wie­der über ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tun­gen (vGA) bei Geschäfts­füh­rer-Gehäl­tern. Jetzt hat der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) einen Fall ent­schie­den, bei dem die nächs­te Gene­ra­ti­on die Geschäf­te über­nom­men hat­te. Kon­kret: In einem Spe­di­ti­ons­un­ter­neh­men hat­ten nach dem Aus­schei­den des Seni­ors die 4 Kin­der ver­schie­de­ne Geschäfts­füh­rungs-Res­sorts über­nom­men. Jeder der neu­en Geschäfts­füh­rer erhielt in den Geschäfts­jah­ren 1997 bis 2000 ein Gehalt von rund 85.000 € – was für einen Geschäfts­füh­rer nicht wirk­lich viel ist.

Das Finanz­amt rech­ne­te so: Die 4 Geschäfts­füh­rer-Gehäl­ter wur­den zusam­men­ge­rech­net auf ins­ge­samt 340.000 €. Anschlie­ßend wur­de der Bran­chen­ver­gleich durch­ge­führt. Dabei stell­te das FA fest, dass in einem ver­gleich­ba­ren Unter­neh­men mit nur 2 Geschäfts­füh­rern rund 20.000 € weni­ger bezahlt wer­den. Ent­spre­chend geän­der­te Steu­er­be­schei­de wur­den erlas­sen. Die Kla­ge dage­gen bliebt erfolg­los (BFH, Beschluss vom 9.2.2011, I B 111/10).

Fazit: Das Finanz­amt darf die Geschäfts­füh­rer-Gehäl­ter zusam­men­rech­nen. Es ist nicht ver­pflich­tet, nur den ein­zel­nen Geschäfts­füh­rer zu prü­fen und sich bei den Ver­gleichs­wer­ten an den offi­zi­el­len Gehalts­ver­glei­chen (z. B. BBE- Stu­die Geschäfts­füh­rer-Ver­gü­tun­gen) aus­zu­rich­ten. Damit macht das FA den Geschäfts­füh­rern einen Strich durch die Rech­nung, die davon pro­fi­tie­ren wol­len, dass in klei­ne­ren GmbH im Ver­hält­nis zum Umsatz rela­tiv mehr gezahlt wird als in grö­ße­ren Unternehmen. 

Für die Pra­xis: In den oben beschrie­be­nen Fäl­len (Über­nah­me der Geschäfts durch meh­re­re Geschäfts­füh­rer, Bestel­lung eines zusätz­li­chen Geschäfts­füh­rers) soll­ten Sie zusam­men mit dem Steu­er­be­ra­ter prü­fen, ob die Gesamt­aus­stat­tung der Geschäfts­füh­rer noch „ange­mes­sen“ ist. Beson­ders kri­tisch prü­fen die Finanz­äm­ter die GmbHs, die „in oder nahe der  Ver­lust­zo­ne ope­rie­ren“. Ver­wen­den Sie dazu die Ver­gleichs­zah­len aus den oben genann­ten Gehalts-Stu­di­en – die­se sind von den Finanz­ge­rich­ten als gut­ach­ter­li­che Grund­la­ge anerkannt.

ACHTUNG: Nichtauszahlung von Geschäftsführer-Gehalt kostet Strafsteuer

Wenn Ihre GmbH Ihr Gehalt nicht mehr zah­len kann, müs­sen Sie auf­pas­sen: Fan­gen Sie auf kei­nen Fall an zu impro­vi­sie­ren – z. B., indem Sie einen Fehl­be­trag mit der nächs­ten Über­wei­sung ein­fach aus­glei­chen. Es gilt: Sobald die GmbH nicht mehr in der Lage ist, die Ver­pflich­tun­gen aus dem Anstel­lungs­ver­trag tat­säch­lich zu leis­ten, wer­den Nach- oder Aus­gleichs­zah­lun­gen vom Finanz­amt als ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tung behan­delt und ent­spre­chend besteu­ert. U. U. auch noch Jah­re spä­ter, wenn bei einer Betriebs­prü­fung die Über­wei­sun­gen auf den Kon­to-Bele­gen geprüft werden.

Nach einem aktu­el­len Urteil des Finanz­ge­richts (FG) Mün­chen gilt das auch, wenn zu wenig gezahl­tes Gehalt am Ende des Geschäfts­jah­res auf ein Ver­rech­nungs­kon­to über­wei­sen wird (FG Mün­chen, Urteil vom 5.5.2011, 7 K 1349/09, in: GmbH-Rund­schau 15/2011, S. 839).

Für die Pra­xis: Ist abseh­bar, dass die GmbH die im Anstel­lungs­ver­trag ver­ein­bar­ten Zah­lun­gen an den Geschäfts­füh­rer nicht leis­ten kann, soll­ten Sie unbe­dingt eine sys­te­ma­ti­sche Lösung umset­zen – also nicht von Monat zu Monat wech­seln­de Über­wei­sun­gen durch­füh­ren. Bes­ser ist es, wenn Sie dass Gehalt auf einen Betrag kür­zen, von dem Sie sicher sein kön­nen, dass die GmbH die dazu not­wen­di­ge Liqui­di­tät dau­er­haft hat. Wich­tig: Pro­to­kol­lie­ren Sie dies als Gesell­schaf­ter­be­schluss (Stich­wort: Gehalts­ver­zicht). Noch bes­ser ist, wenn Sie die­sen Gehalts­ver­zicht mit einer sog. „Bes­se­rungs­op­ti­on“ ver­ein­ba­ren. Dann gilt: Geht es der GmbH wie­der bes­ser, dür­fen Sie das aus­ge­fal­le­ne Gehalt nach­zah­len – ohne, dass Sie steu­er­li­che Nach­tei­le haben.

Neues Wettbewerbsgesetz bringt noch mehr Kartellverfahren

Schon nach jet­zi­ger Rechts­la­ge sind die Kar­tell­ver­fah­ren recht­lich höchst umstrit­ten (vgl. zuletzt Vol­kelt-Brief Nr. 15/2011). Für die betrof­fe­nen Unter­neh­men kommt erschwe­rend hin­zu, dass die Staa­ten mit dem Instru­ment Kar­tell­stra­fe jähr­lich Mil­li­ar­den­be­trä­ge in die Haus­halts­kas­sen ver­ein­nah­men. Nach dem jetzt vom Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um vor­ge­schla­ge­nen Ver­fah­ren sol­len Kar­tell­ver­fah­ren noch leich­ter und sogar schon bei gerings­ten Ver­stö­ßen ein­ge­lei­tet wer­den kön­nen. Dazu wird das Ver­brau­cher­schutz­ge­setz geän­dert. Geplant ist, bei Kar­tel­len alle finan­zi­el­len Vor­tei­le abzu­schöp­fen, die der ein­zel­ne Ver­brau­cher wegen Gering­fü­gig­keit des Scha­dens nicht ein­kla­gen kann.

Bei­spiel: Laut Kar­tell­be­hör­den scha­de­ten die Abspra­chen der Kaf­fee­pro­du­zen­ten in Euro­pa den ein­zel­nen Ver­brau­chen pro Kauf nur um weni­ge Cent. Ins­ge­samt ergab sich aber ein Scha­den in zwei­stel­li­ger Mil­lio­nen­hö­he. Die­ser kann nach den neu­en Bestim­mun­gen von den Kar­tell­be­hör­den auf Kla­ge des Ver­brau­cher­schutz­ver­ban­des „abge­schöpft“ werden.

Für die Pra­xis: Nach dem Gesetz­ent­wurf (9. Novel­le zum GWG) wird es für Unter­neh­men aber auch zu Ver­bes­se­run­gen kom­men. So wer­den die stren­gen deut­schen Vor­schrif­ten für Fusio­nen an die wei­che­ren euro­päi­schen Stan­dards ange­gli­chen. Damit wird das Ver­fah­ren zur Geneh­mi­gung von euro­pa­wei­ten Fusio­nen deut­lich vereinfacht.

Zu viel geprüft …

Bei Anmel­dung einer GmbH/UG darf das Regis­ter­ge­richt nur prü­fen, ob die Min­destein­zah­lung von den Gesell­schaf­tern geleis­tet wur­de. Selbst wenn im Gesell­schafts­ver­trag eine höhe­re Stamm­ein­la­ge von den Gesell­schaf­tern bar und in vol­ler Höhe zu erbrin­gen ist, recht­fer­tigt das nicht eine Ableh­nung der Ein­tra­gung durch das Regis­ter­ge­richt (OLG Stutt­gart, Beschluss vom 13.7.2011, 8 W 252/11).

Für die Pra­xis: Ver­ein­ba­ren die Gesell­schaf­ter bei der Grün­dung, dass die Stamm­ein­la­gen sofort und in vol­ler Höhe ein­ge­zahlt wer­den, soll­ten Sie dafür sor­gen, dass das so ein­ge­hal­ten wird. Damit spa­ren Sie sich spä­te­re Kon­flik­te, z. B. wenn sich ein Gesell­schaf­ter wei­gert, die Ein­la­ge nach­träg­lich zu erbringen.

Überziehen der Pausenzeiten kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen

Aller­dings muss das Ver­ge­hen „erheb­lich“ sein. Das ist z. B. der Fall, wenn der Arbeit­neh­mer die Pau­sen­zei­ten falsch doku­men­tiert und durch das Über­schrei­ten der Pau­sen­zei­ten ein Sicher­heits­ri­si­ko auf­tritt (Lan­des­ar­beits­ge­richt Hes­sen, Urteil vom 24.11.2010, 8 Sa 492/10).

Für die Pra­xis: Im kon­kre­ten Fall ging es um einen Flug­lot­sen. Nach der Pau­sen­re­ge­lung stan­den dem Arbeit­neh­mer 2 Stun­den Pau­se zu. Die Über­schrei­tung der Pau­sen (nach Video­auf­zeich­nung) lag zwi­schen 20 – 45 Minu­ten. Fol­ge der Pau­sen-Ver­län­ge­rung war, dass die vor­ge­schrie­be­ne Min­dest­be­set­zung der Flug­zen­tra­le mit 2 Flug­lot­sen nicht ein­ge­hal­ten wur­de. Die außer­or­dent­li­che Kün­di­gung erfolgt zu Recht.

Geschäftsführer bleibt zuständig …

Ändert sich die Geschäfts­an­schrift der GmbH – auch z. B. im Zusam­men­hang mit einem Insol­venz­ver­fah­ren – ist der Geschäfts­füh­rer für die Mel­dung die­ser Ände­rung an das Han­dels­re­gis­ter ver­ant­wort­lich. Das bedeu­tet auch, dass das dazu durch­ge­führ­te Zwangs­geld­ver­fah­ren wegen Unter­las­sung gegen den Geschäfts­füh­rer per­sön­lich gerich­tet ist (OLG Ham­burg, Urteil vom 27.1.2011, 11 W 4/11, in GmbH-Rund­schau 15/2011, S. 828).

Für die Pra­xis: Auf­pas­sen muss der Geschäfts­füh­rer, wenn für die GmbH ein Insol­venz­ver­wal­ter ein­ge­setzt wird und die­ser einen Umzug der GmbH ver­an­lasst. Auch in die­ser Situa­ti­on blei­ben Sie für die kor­rek­te Mel­dung der neu­en Geschäfts­adres­se zuständig.

Viel Erfolg wünscht Ihr Lothar Volkelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur der Volkelt-Brief 

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