Themen heute: Unternehmen brauchen keine Steuererleichterungen – wir brauchen planbare Rahmenbedingungen + Geschäftsführer kann ab sofort Prozesskosten von der Steuer absetzen + „Aus” für ELENA – Doppelbelastung bleibt + Geschäftsführer muss Entmachtung nicht hinnehmen + Bundesrat plant Verschärfung gegen Schwarzarbeit – mit Kolateral-Effekten für alle Unternehmen + BISS …
29. KW 2011
Freitag, 22.7.2011
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
die meisten Unternehmer, mit denen ich in den letzten Tagen über die Steuerpläne der Bundesregierung gesprochen habe, sehen darin keine wirklich ernst zu nehmenden Vorschläge. Das ist nicht gut. Für unternehmerische Perspektiven sind planbare Rahmenbedingungen das A und O. Zwar sprudeln derzeit die Steuereinnahmen. Doch wie schnell vermeintlich zuverlässige Prognosen Makulatur sein können, haben Unternehmer in den Krisenjahren 2008/2009 selbst in den eigenen Kassen zu spüren bekommen.
Viel wichtiger als eine Absenkung der Steuersätze ist für die Unternehmen ein spürbarer Abbau des bürokratischen Aufwands. Das betrifft z. B. die immer komplizierter werdenden Vorschriften zur Gewinnermittlung, Prüfung und Offenlegung und die damit verbundenen zum Teil exorbitanten Beraterkosten. Selbst kleinere und mittelgroße Unternehmen müssen dafür Jahr für Jahr immer mehr auf den Tisch legen. Welche Kosten da z. B. im nächsten Jahr auf Ihre GmbH zukommen werden, entnehmen Sie dem Bilanzposten Rückstellung für Abschluss und Prüfung aus dem Jahresabschluss 2010, der für die meisten GmbHs ja bereits vorliegt.
Wie schwer sich die verantwortlichen Politiker mit diesen Fragen in der Praxis tun, verdeutlichen die jüngsten Entwicklungen:
- Der Bundesrat hat das Steuervereinfachungsgesetz in der vorliegenden Fassung abgelehnt. Vor Herbst 2011 wird es voraussichtlich nicht zu einem Kompromiss kommen. Zudem steht zu befürchten, dass die wenigen Bürokratie bremsenden Ansätze völlig gestrichen werden (elektronische Rechnungsstellung).
- Zum anderen ist hier auf die Doppelbelastung der Unternehmen durch das aufwendige ELENA-Meldewesen für Löhne und Beiträge der Sozialversicherung hinzuweisen, das jetzt aber so schnell wie möglich beendet werden soll (vgl. dazu unten).
Immer mehr Unternehmen haben auch Probleme mit der Zuverlässigkeit von Steuerbescheiden. Nach unseren Informationen erhalten immer mehr Unternehmen fast schon regelmäßig falsche Steuerbescheide, gegen die sie dann aufwendig und mit zusätzlich abgerechneten Beraterstunden vorgehen müssen. Welche Ausmaße diese Form der Bürokratie in der Praxis hat, lässt sich nur schwer schätzen, da es keine offiziellen Erhebungen gibt und jeder Unternehmer hier auf sich selbst gestellt ist. Die Zwischenbilanz der Bundesregierung kann so gesehen nicht besonders ausfallen. Kein Wunder, dass die Umfragewerte für alle politischen Akteure dort sind, wo sie sind.
Mit besten Grüßen Ihr Lothar Volkelt
Dipl. Volkswirt
Herausgeber + Chefredakteur der Volkelt-Brief
NEU: Prozesskosten gegen die GmbH und gegen Gesellschafter mindern die Steuer
Die Kehrtwendung des Bundesfinanzhofs in Sachen Gerichts- und Prozesskosten konnten Sie bereits der Tagespresse entnehmen. Dieses Urteil hat auch für viele Geschäftsführer Bedeutung, z. B. im Zusammenhang mit Schadensersatzprozessen gegen einen alten Arbeitgeber oder bei Auseinandersetzungen mit streitbaren Mit-Gesellschaftern der GmbH. Der BFH stellt klar, dass die Kosten für Prozesse vor den Zivilgerichten grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung steuerlich berücksichtigt werden müssen. Einzige Voraussetzung: Der Prozess hat – von vorneherein – eine gewisse Erfolgsaussicht. Die Münchner Richter wollen damit unterbinden, dass wegen „Allem und Jedem“ prozessiert wird (BFH, Urteil vom 12.5.2011, VI R 42/10).
Hintergrund: Damit ändert der BFH seine bisherige Auffassung um 180 Grad. Nach Insider-Einschätzungen liegt das daran, dass der Fall jetzt vor dem VI. Senat verhandelt wurde. Für uns Steuerzahler ist das ein klarer Beleg dafür, wie unberechenbar viele Steuervorschriften sind und wie wichtig es ist, solche Steuernormen regelmäßig durch die Finanzgerichte überprüfen zu lassen.
Für die Praxis: Gerade für GmbH-Geschäftsführer bedeutet das Urteil u. U. eine große finanzielle Entlastung. Als Verantwortlicher im Unternehmen ist das Prozessrisiko aufgrund seiner exponierten Stellung im Geschäftsleben und in der Öffentlichkeit hoch. Viele Prozesse müssen „privat“ geführt werden, z. B. die strittigen Auseinandersetzungen mit Mit-Gesellschaftern oder – für Fremd-Geschäftsführer – zur Abwehr von Schadensersatzansprüchen. Allerdings wird es für die neue Rechtslage keine Rückwirkung geben. Für Kosten, die in der Vergangenheit aus solchen Prozessen entstanden sind, wird es keine Steuerminderung geben.
„Aus“ für ELENA – Unternehmen bleiben vorerst doppelt belastet
Das umstrittene Melde-System ELENA wird weder in der geplanten Form noch zum geplanten Termin (1.1.2013) kommen wird. Hintergrund: Per gemeinsamer Presseerklärung haben das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekannt gegeben, dass das ELENA-Verfahren eingestellt wird. Zuvor hatte das Bundesarbeitsministerium hat einen Termin vor dem Bundesverfassungsgericht zur Stellungnahme in Sachen datenschutzrechtlicher Bedenken nicht wahrgenommen und damit signalisiert, dass das Ministerium kein größeres Interesse an der Durchsetzung dieses Gesetzes mehr hat.
Für alle Unternehmen, die Mitarbeiter beschäftigen, wird sich aber an der bürokratischen Mehrbelastung durch die Doppelmeldungen vorerst nichts ändern (vgl. dazu Volkelt-Brief Nr. 4/2011) und zwar solange das Verfahren noch nicht offiziell gestoppt ist bzw. die dazu notwendigen Ausführungsbestimmungen fest stehen. Die beteiligten Ministerien sichern aber zu, dass die bisher über ELENA eingesammelten Daten der Arbeitnehmer vollständig gelöscht werden. Dazu wird das Bundeswirtschaftsministerien schnellstmöglich einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Die Bundesregierung plant dafür ein neues Meldeverfahren einführen, bei dem die bisher getätigten Investitionen der Wirtschaft berücksichtigt werden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird dazu ein Konzept erarbeiten, dass die bestehende Infrastruktur des ELENA-Verfahrens und das erworbene Know-how für ein einfacheres Meldeverfahren in der Sozialversicherung genutzt werden.
Geschäftsführer muss Entmachtung nicht hinnehmen
Anfang vom Ende: Der Geschäftsführer der GmbH wird per Beschluss der Gesellschafter degradiert. Entweder, indem ihm ein zusätzlicher Geschäftsführer zur Seite gestellt wird und er damit in seinen Kompetenzen beschnitten wird. Das kann aber auch eine Änderung der Vertretungsbefugnis sein. Wird z. B. für die Zeichnung von Verträgen zusätzlich die Unterschrift des Prokuristen verlangt, muss das in den meisten Fällen als überdeutliches Zeichen von Misstrauen gewertet werden. Für den Geschäftsführer bedeutet das: Welche Rechte habe ich und wie kann ich mich gegen eine solche Entmachtung wehren?
Die Rechtslage: Grundsätzlich ist die GmbH an die Rechte und Pflichten aus dem Anstellungsvertrag gebunden. Eine Änderung ist hier in der Regel nur „aus wichtigem Grund“ möglich. Etwas anderes gilt für die Organstellung. So können die Gesellschafter eine Änderung der Vertretungsregel beschließen – und zwar rechtsverbindlich. Dennoch muss der Geschäftsführer seiner Entmachtung nicht tatenlos zusehen. Er hat zumindest das Recht, seinen Anstellungsvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen (so z. B. OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.3.2011, 7 U 81/10). Kündigen kann der Geschäftsführer demnach,
- wenn seine Vertretungsmacht grundlos beschränkt wird,
- wenn er von seiner Organstellung grundlos abberufen wird oder
- wenn es nachträglich zu Beschränkungen im Kernbereich seiner Geschäftsführungsbefugnis kommt.
Für die Praxs: Der entmachtete Geschäftsführer sollte neben der außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages prüfen, ob er zusätzlich Schadensersatzforderungen gegen die GmbH durchsetzen kann. Selbst wenn ein gewisses Prozessrisiko besteht und damit zusätzliche Kosten auf den Geschäftsführer zukommen können, besteht die Möglichkeit, sämtliche Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen von der Steuer abzusetzen.
Behörden sollen noch mehr Kompetenzen für Betriebsprüfungen bekommen: Der Bundesrat hat einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Schwarzarbeit vorgelegt (Entwurf vom 8.7.2011). Vorgesehen ist z. B.: Die Befugnisse zum Betreten von Geschäftsräumen und Grundstücken des Arbeitgebers werden ausgeweitet; eine Wiedereinführung der Vorschriften gegen die unlautere Werbung für handwerkliche Dienst- oder Werkleistungen unter Einführung eines Bußgeldes bis 5.000 €; bei anonymen Werbemaßnahmen in Zeitungen unter Chiffre müssen die Verlage die Adressen des Auftraggebers herausgeben; die Ausweismitführungspflicht wird in bestimmten Branchen auch auf alle Leiharbeitnehmer ausgedehnt; für Betriebe des Personenbeförderungsgewerbes wird es besondere Bestimmungen geben.
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