Themen heute: Der Fall Demnig – was Unternehmer von Künstlern lernen können – wir brauchen einen Steuer-BLOG + Europa-GmbH (SPE): Ministerialbürokratie erweist Mittelstand einen Bärendienst + Achtung: Bei Zukauf von GmbH-Anteilen droht Grunderwerbsteuer – was tun? + Quellensteuer steigt auf 35% + Mitarbeiter müssen Deutsch können + BISS …
26. KW 2011
Freitag, 1.7.2011
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
immerhin: die Geschichte des mit dem Steuerwahn kämpfenden Kölner Künstlers Gunter Demnig hat es in die Medien geschafft. Viele Unternehmer, die sich mit ähnlichen Problemen herumärgern müssen, können ihren (manchmal täglichen) Fight mit den Finanzbehörden nur im stillen Kämmerlein austragen und müssen die Kosten dafür selbstverständlich selbst tragen.
Der Fall: Demnig verlegt sog. Stolpersteine, das sind Pflastersteine, die zum Gedenken an Verfolgte des Nazi-Terrors vor deren Häusern verlegt werden. Für die Umsätze aus dieser (künstlerischen) Tätigkeit zahlt der Künstler bisher 7 % Umsatzsteuer. Das örtliche Finanzamt unterstellte aber eine gewerbliche Tätigkeit und besteuerte nachträglich mit 19 %. Folge: Er sollte Steuern von rund 160.000 € nachzahlen und damit seine Ersparnisse fürs Alter in voller Höhe auflösen. Demnig schaltete die Medien. Die Kulturredaktion des WDR machte die Sache so öffentlich, dass sich der Finanzminister der Sache annahm. Offensichtlich witterte man in diesem Fall negative Wahlkampf-Munition. Demnig muss die Steuernachzahlung nicht leisten.
Eigentlich können Unternehmer davon nur lernen. Denn nicht wenige Unternehmen erhalten Tag für Tag Steuerbescheide, die nicht gerechtfertigt sind und gegen die der Unternehmer erst Geschütze auffahren muss, um sich dagegen zu wehren. Jüngstes Beispiel: Vom Konto eines Geschäftsführer-Kollegen wurden gleich reihenweise fünfstellige Beträge abgebucht. Bei der Prüfung des Vorgangs stellte der Steuerberater fest, dass es sich um fehlerhafte Abbuchungen für andere Steuernummer handelte. Die Zahlungen wurden zwar (einige Tage später) zurück abgewickelt. Auf den Überziehungszinsen und dem Steuerberater-Honorar blieb der Kollege sitzen. Die erstattet ihm niemand. Wir wissen: Das ist kein Einzelfall. Gibt es für solche Fälle eigentlich schon einen Internet-Blog? Na dann.
Europa-GmbH: Schneller geht es mit der „Limited“
Immer mehr Firmen arbeiten grenzüberschreitend in Europa. Auch immer mehr kleine und mittlere Firmen – insbesondere in grenznahen Regionen. Das sind Handwerker- oder Dienstleister-GmbHs, die die Erweiterung des Marktes nutzen möchten. Noch in der letzten Ausgabe des Volkelt-Briefs habe ich von den nächsten geplanten Schritten der EU bereichtet. Unterdessen gibt es aber enorme Widerstände gegen eine zügige Umsetzung der Planungen. Wer im Ausland tätig wird, muss derzeit einige Hindernisse in Kauf nehmen:
- Finanzielle Hindernisse: Benachteiligungen bei Ausschreibungen z. B. durch die Erbringung von zusätzlichen Sicherheiten,
- Arbeitsrechtliche Hindernisse: Unklare Vorgaben bei Lohnzahlungen (Mindestlöhne, Mitbestimmung),
- Steuerliche Hindernisse: Unklarheiten bei den Besteuerungshoheiten und ‑grundlagen (Verrechnungspreise, Ort der Leistungserbringung, Vorsteuerabzugsberechtigung usw.)
In absehbarer Zeit wird sich an diesen Problemen nicht viel ändern. Eben erst hat die EU-Kommission die Vorarbeiten für einheitliche Rahmenbedingungen ausgesetzt. Hintergrund: Mit der sog. Europa-GmbH (EPG) sollen laut EU klare Regelungen für europaweit tätige Unternehmen geschaffen werden. Und zwar für alle oben genannten Problembereiche.
Das Bundesarbeitsministerium will eine solche Lösung aber nur mittragen, wenn die deutsche Mitbestimmung in allen europäischen Ländern sichergestellt ist. Und zwar die Regeln, die für die Mitbestimmung in Unternehmen mit 500 und mehr Mitarbeitern gelten. Eine solche Regelung ist aber jetzt und wohl auch in Zukunft nicht durchzusetzen.
Folge: Bis dahin wird auch für alle kleineren und mittelgroßen Unternehmen eine transparente und einfache grenzüberschreitende Lösung nicht zustande kommen. Experten gehen unterdessen davon aus, dass es einheitliche gesellschafts- und steuerrechtliche Voraussetzungen für grenzüberschreitend tätige Unternehmen frühestens ab 2018 geben wird.
Für die Praxis: Bis dahin müssen grenzüberschreitend tätige Unternehmen mit dem bisher üblichen bürokratischen Aufwand leben. Bisher ist es den Vertretern der Wirtschaft wie z. B. dem BDI nicht gelungen, über die CDU Einfluss auf das Bundesarbeitsministerium zu nehmen, um deren kompromisslose Haltung in Sachen Mitbestimmung zu lockern. Aus BDI-Kreisen heißt es dazu: „Andere Rechtsformen wie die englische Limited dürften wieder attraktiver werden“. Für kurz- und mittelfristige Aktivitäten im europäischen Ausland sollte diese Alternative also geprüft werden – allerdings auf jeden Fall mit kompetenter anwaltlicher Beratung.
Grunderwerbsteuer bei Erwerb von weiteren GmbH-Geschäftsanteilen
Muss eine GmbH Grunderwerbsteuer infolge des Erwerbs oder der Vereinigung von Geschäftsanteilen zahlen, dann kann die Grunderwerbsteuer sofort und in voller Höhe von den Betriebsausgaben der GmbH abgezogen werden. Damit darf das Finanzamt diese Kosten nicht erst nachträglich bei der Ermittlung der Anschaffungskosten der Beteiligung berücksichtigen (BFH, Urteil vom 20.4.2011, I R 2/10).
Für die Praxis: GmbH-Gesellschafter, die Geschäftsanteile erwerben, müssen anhand der Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes (hier: § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, hier: Vereinigung von 95 % der Anteile) prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Steuerpflicht bei der Übertragung von Grundstücken besteht. Das betrifft z. B. die Übertragung von Anteilen an Immobiliengesellschaften, aber u. U., auch die Übertragung von Anteilen innerhalb einer Betriebsaufspaltung. In diesen Fällen sollten Sie bei der Übertragung der Anteile unbedingt vorher ein Steuergutachten einholen bzw. den Sachverhalt per verbindlicher Auskunft vorab klären lassen.
Quellensteuer steigt auf 35%
Zum 1.7.2011 steigt die sog. Quellensteuer in Ländern ohne automatische Kontrollmitteilung von 20 auf 35 %. Das sind alle Anlagen mit Zinseinkünften in Liechtenstein, Luxemburg, Österreich und der Schweiz.
Für die Praxis: Zur Vermeidung der Quellensteuer kann der Inhaber des Kontos der Auslandsbank erlauben, entsprechende Kontrollmitteilungen an die deutschen Steuerbehörden zu versenden. Das kommt dann in Frage, wenn die Kapitalerträge in der Vergangenheit korrekt angegeben und die Zinsen regelmäßig versteuert wurden.
Neues BMF-Schreiben für Betriebsaufspaltungen
Mit Schreiben vom 8.11.2011 stellt das Bundesfinanzministerium klar, wann bei einer Betriebsaufspaltung das Teileinkünfteverfahren für die Besteuerung der Einkünfte der Besitzgesellschaft angewandt wird. Danach gilt: Nur wenn zwischen der Besitzgesellschaft und der Betriebs-GmbH nach üblichen Sätzen abgerechnet wird und entsprechende schriftliche Verträge vorliegen, sind nur 60 % der Gewinnausschüttungen steuerpflichtig (BMF-Schreiben vom 4.11.2011, IV 6 C – S 2128/07/10001).
Für die Praxis: Das ist immer dann vorteilhaft, solange keine ins Gewicht fallenden Aufwendungen bei der Ermittlung der Gewinnausschüttung berücksichtigt werden können. Ist das der Fall, müssen Sie genau rechnen: Sie können dann nämlich auch nur 60 % der Aufwendungen (z. B. der AfA) steuerlich geltend machen. Wichtig: Prüfen Sie, ob die Vereinbarungen zwischen den Gesellschaften korrekt, schriftlich und wie üblich abgeschlossen und tatsächlich so durchgeführt werden. Schon kleine Abweichungen (z. B. Aussetzung von Zahlungen) können hier steuerliche Nachteile bringen.
Pflicht zur Teilnahme an Deutschkurs verstößt nicht gegen das AGG
Verpflichtet der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zur Teilnahme an einem Deutschkurs, um arbeitsnotwendige Sprachkenntnisse zu erwerben, liegt darin kein Verstoß gegen das Gesetz zur Gleichbehandlung von Arbeitnehmern vor (BAG, Urteil vom 22.6.2011, 8 AZR 48/10).
Für die Praxis: Der Arbeitgeber wollte, dass eine bereits seit längerem beschäftigte Arbeitskraft auf eigene Kosten und außerhalb der Arbeitszeit einen Deutschkurs absolviert. Das verweigerte der Arbeitnehmer. Gegen die darauf erfolgte Abmahnung klagte der Arbeitnehmer wegen Verstoßes gegen das AGG. Aber: Die Abmahnung ist rechtens und der Arbeitgeber musste die zusätzlich geforderten 15.000 € nicht zahlen – und zwar in allen Instanzen.
Mit besten Grüßen
Ihr Lothar Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur der Volkelt-Brief