Themen heute: Drohungen, Einschüchterungen – wie weit Finanzbeamte gehen + Haftung: Geschäftsführer haftet für Verstöße gegen die Legalitätspflicht + Verlustabzug: Was bedeuten die neuen BMF-Vorschriften für Ihre GmbH? + Geschäftsführer-Pflichtversicherung: Geschäftsführer kommen immer schwerer raus + Wirtschaftsrecht: GmbH/UG hat Anspruch auf kostenlosen Eintrag ins Telefonbuch/Telefonbuch.de + Steuergestaltung: Keine doppelte Erstattung von Kapitalertragsteuer + Mietrecht: Gewerberaum-Vermieter darf Nebenkostenvorauszahlung erhöhen+ Steuer: Bundesverfassungsgericht prüft AdV auf die Zinsschranke + BISS …
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Nr. 18/2014
Freiburg, 2.5.2014
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
wie es im Umgang zwischen den Finanzbehörden und Unternehmern bestellt ist, offenbart eine Initiative des Wirtschaftsverbandes industrieller Unternehmen Baden (WVIB). Es geht darum, wie die deutschen Behörden ausländische Niederlassungen behandeln und was für ein Umgangston die Behördenvertreter dabei auflegen. Der WVIB hat es geschafft, die Parteien an den Tisch zu bringen und über Verbesserungen und vertrauensbildende Maßnahmen zu verhandeln. Eines der Ergebnisse der Gespräche: „Man verpflichtet sich, auf Vorwürfe, Unterstellungen und Drohungen zu verzichten“. Das geht in Richtung Finanzbehörden und um die Steuerpraxis, wonach Auslandsniederlassungen lediglich eine Gewinnmarge von 5 % des Umsatzes zugebilligt wird – ganz unabhängig von den tatsächlichen Begebenheiten. Bereits im Vorfeld berichteten viele betroffene Unternehmer von Basar-Situationen und um Kuhhandel mit Finanzgerichtsprozessen, die die Unternehmen mit jahrelangen Unsicherheiten belasten.
Fazit: Die Gespräche zwischen den badischen Unternehmern und der Oberfinanzdirektion Karlsruhe werden fortgesetzt. Über die Ergebnisse wird der Finanzminister – und hoffentlich auch alle davon betroffenen Unternehmen und die Öffentlichkeit – informiert.
Für die Praxis: Hintergrund der Auseinandersetzung ist die Praxis der Finanzbehörden, die Geschäfte von Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften im Ausland nach den Vorschriften für innerbetriebliche Verrechnungspreise und (in Zukunft) nach der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung steuerlich zu erfassen und zu bewerten. Beide BMF-Vorgaben sind behördliche Umsetzungen, die mit dem Außensteuerrecht – also der Besteuerung Auslandsgeschäften inländischer Unternehmen– nicht im Einklang stehen und sich nicht auf klare Rechtsvorschriften berufen, sondern verwaltungsinterne Umsetzungen „im kaum kontrollierbaren, rechtsfreien Raum“ sind. Damit ist es den Unternehmen auch nur schwer möglich, sich dagegen gerichtlich zu wehren.
Geschäftsführer haftet für Verstöße gegen die Legalitätspflicht
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Erfolg deutscher Unternehmen im internationalen Geschäft auch darauf beruht, dass man sich den landestypischen Gepflogenheiten angepasst hat. So sind Bakschisch und kleine Aufmerksamkeiten keine Erfindung der Neuzeit und selbst in einer ganzen Reihe von Ländern der EU verbreitet Phänomene. Ein Richtung weisendes Urteil zur Haftung der Geschäftsleitung zu diesem Themenkomplex kommt jetzt vom LG München.
Hintergrund: Mit allen Siemens-Mitarbeitern, die in das System der schwarzen Kassen und Korruptionszahlungen im Fernost-Geschäft verwickelt waren, wurden außergerichtliche Vergleiche vereinbart. Nur der Fall eines Vorstands-Mitglieds wurde gerichtlich entschieden. Dazu das LG München: „Der Angeklagte wird in vollem Umfang zum Schadensersatz gegenüber der Siemens AG verurteilt“ (15 Mio. EUR für Anwalts- und Gerichtskosten). Die im Urteil genannten Rechtsgrundsätze gelten auch für alle GmbH-Geschäftsführer (LG München, Urteil vom 10.12.2013, 5 HK O 1387/10).
Die Rechtslage: Als Geschäftsführer können Sie vom Unternehmen immer dann persönlich in die Haftung genommen werden, wenn Sie zulassen, dass gegen Recht und Gesetz verstoßen wird (Legalitätspflicht). Danach haftet der Geschäftsführer auch, wenn er solche Verstöße duldet – also davon weiß und nichts dagegen unternimmt. Und auch dann, wenn er es unterlässt in seinem Unternehmen ein sog. Compliance-System einzurichten, mit dem Verstöße vorbeugend erkannt, systematisch aufgedeckt bzw. unterbunden werden können. Insofern gelten die Vorgaben aus dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) ausdrücklich auch für die GmbH und ihren Geschäftsführer (vgl. BT-Drucksache 13/9712, Seite 15). Der im Prozess unterlegene Geschäftsleiter wird das Urteil so nicht hinnehmen und hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Dieses Verfahren ist nun anhängig vor dem Oberlandesgericht (OLG) München unter dem Aktenzeichen 7 U 113/14. Über den Ausgang des Verfahrens halten wir Sie auf dem Laufenden.
Für die Praxis: In kleineren Unternehmen (weniger als 3 bis 4 Organisationsebenen) muss kein Compliance-System eingerichtet und auch kein Compliance-Beauftragter benannt werden. Hier genügt es, wenn Sie die Mitarbeiter regelmäßig darauf hinweisen, dass sie sich grundsätzlich an gesetzliche Vorschriften halten müssen und über Verstöße die Geschäftsführung informieren müssen. Entlastend für den Geschäftsführer ist es auch, wenn die Arbeitnehmer auf diese Pflichten in ihren Arbeitsverträgen ausdrücklich hingewiesen werden.
Verlustabzug: Was bedeuten die neuen BMF-Vorschriften für GmbHs?
Mit Datum vom 17.4.2014 hat das Bundesfinanzministerium (BMF) den Entwurf eines BMF-Schreibens zu § 8 c Körperschaftsteuergesetz (KStG) vorgelegt. Dabei geht es um die Neuregelung des Verlustabzugs beim Erwerb von Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften. Dabei geht es auch um den sog. Mantelkauf. Also den Erwerb eines stillgelegten Unternehmens, deren Verlustvortrag genutzt werden soll. Außerdem geht es um den Beteiligungserwerb innerhalb eines Konzern mit Betriebsübernahme, Sanierung und Firmenfortführung. Problem: Die Verlustübernahme in Sanierungsfällen bleibt an die sehr strengen Bedingungen geknüpft (Übernahme von Personal, Lohnsumme).
Achtung: Beteiligen Sie sich zu 25 % und mehr an einem wirtschaftlich angeschlagenem Unternehmen wertet die Finanzverwaltung das als Kapitalerhöhung mit den damit verbundenen steuerlichen Folgen. Zusätzlicher Effekt: Nach der neuen Vorschrift fällt auch eine solche Kapitalerhöhung unter den Anwendungsbereich des § 8c KStG. Im Klartext: Ein bestehender Verlustvortrag entfällt. Eine Verrechnung mit zukünftigen Gewinnen ist nicht möglich (so gemäß Randziffer 9 des Entwurfs des BMF-Schreibens zur „Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften nach § 8c KStG“).
Für die Praxis: Viele – auch kleinere – GmbHs haben sich in der Vergangenheit an einer (stillgelegten) Kapitalgesellschaft mit Verlustvortrag beteiligt, um so ihre Gewinne zu verrechnen und damit Steuern einzusparen. Nach den neuen Vorschriften wird dies deutlich erschwert. Im vorliegenden BMF-Schreiben werden zahlreiche Einzelfälle aufgelistet, nach denen eine Verlustverrechnung in Zukunft nicht mehr möglich ist. Das BMF-Schreiben wurde jetzt den Verbänden und Institutionen zur Stellungnahme zugeleitet. Eine Umsetzung ist noch für 2014 zu erwarten.
Pflichtversicherung: Geschäftsführer kommen immer schwerer raus
Jetzt wurde vor dem Sozialgericht Dortmund ein Fall behandelt, bei dem der Gesellschafter-Geschäftsführer mit 49,71 % an der GmbH beteiligt war und für Änderungen des Gesellschaftsertrages eine ¾‑Mehrheit vereinbart war Dazu das Sozialgericht in erster Instanz: „Der Geschäftsführer verfügt weder über eine Kapitalbeteiligung von 50% oder mehr noch ist ihm eine umfassende Sperrminorität eingeräumt worden“ (SG Dortmund, Urteil vom 21.3.2014, S 34 R 580/13).
In den letzten Jahren hat sich die Einstellung der Deutschen Rentenversicherung gegenüber Gesellschafter-Geschäftsführern schleichend geändert. Während man vor einigen Jahren Gesellschafter-Geschäftsführer eher außen vor halten wolle, kämpft die Pflichtversicherung unterdessen um jedes Mitglied. Für Gesellschafter-Geschäftsführer bedeutet das: Laut Gesetz ist der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer freigestellte (SGB IV § 7). Kriterium ist die 50 % – Marge. Alle anderen Fälle stehen zur Disposition und werden von der DR erst einmal für die Pflichtversicherung vereinnahmt. Im Zweifel sollten Sie Ihren Fall von einem versierte Rentenberater oder einem Anwalt Spezialgebiet Sozialversicherungsrecht prüfen lassen.
Für die Praxis: Stellen Sie sich darauf ein, dass die Pflichtversicherung bei einer Änderung der Beteiligungsverhältnisse (z. B. Übertragung von Anteilen auf Kinder) sehr genau prüfen wird, ob Sie in den Kreis der Pflichtversicherten einbezogen werden können. Daran ändert nichts, wenn Sie von der zuständigen Stelle (KV) bereits als versicherungsfrei eingestuft wurden. Dies gilt nämlich nur, solange die Verhältnisse unverändert bestehen. Es kann also sogar sein, dass Sie bis zur Verjährungsgrenze (hier: 4 Jahre) rückwirkend neu eingestuft werden und zusätzlich Pflichtbeiträge abführen müssen.
Telefonbuch: GmbH/UG hat Anspruch auf kostenlosen Eintrag
Gewerbliche Anbieter – dazu gehören auf jeden Fall alle Unternehmen in der Rechtsform GmbH oder UG – haben Anspruch darauf, dass sie nicht nur mit ihrem Bürgerlichen Namen sondern auch mit Hinweis auf den Gewerbebetrieb kostenlos in das offizielle Telefonbuch bzw. in das Internet-Portal www.dasTelefonbuch.de eingetragen werden (BGH, Urteile vom 17.4.2014, III ZR 87/13 u. a.).
Für die Praxis: Gewerbetreibende haben gemäß § 45m Abs. 1 Satz 1 des Telemediengesetzes (TMG) Anspruch auf kostenlosen Eintrag unter ihrer Geschäftsbezeichnung. Das betrifft alle GmbHs/UGs, aber auch alle Selbständigen, die ein Gewerbe betreiben – unabhängig davon, ob Sie ins Handelsregister oder die Handwerksrolle eingetragen sind.
Steuergestaltung: Keine doppelte Erstattung von Kapitalertragsteuer
Zu Cum-Ex-Geschäften hat der BFH klargestellt, dass eine doppelte Rückzahlung von Kapitalertragsteuer bei Mehrfach-Geschäften durch die Finanzbehörden nicht rechtens ist. Der Verkauf unter Bedingungen (Rückkaufsoption ohne Wertverlust) führt nicht zu einem wirtschaftlichen Eigentum und berechtigt damit nicht zu einem Anspruch auf Rückzahlung der Kapitalertragsteuer (BFH, Urteil vom 17.4.2014, I R 2/12).
Für die Praxis: In diesem lang und mit Spannung erwarteten Urteil geht es um Spekulationsgeschäfte im zweistelligen Milliardenbereich. Da der BFH dieses Urteil aber unter engen Voraussetzungen gefällt hat, bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung im Grundsatz auf alle bzw. ähnlich gelagerten offenen Steuerfälle angewandet wird, oder ob im Einzelfall der weitere Klageweg für betroffene Steuerzahler eventuell noch zu einem anderen Ergebnis führt.
Gewerberaum-Vermieter darf Nebenkostenvorauszahlung erhöhen
Der Vermieter eines Gewerberaums darf die monatlichen Nebenkostenpauschale durch eine einseitige Erklärung erhöhen. Voraussetzung ist eine entsprechende Klausel im Mietvertrag. Diese Klausel ist zulässig und nicht zu beanstanden (BGH, Urteil vom 5.2.2014, XII ZR 65/13).
Für die Praxis: Bestehen Sie aber darauf, dass der Vermieter Ihnen diese einseitige Erklärung über die Erhöhung der monatlichen Nebenkosten ausdrücklich und in Textform vorlegt. Die Erhöhung der Nebenkosten auf dieser Grundlage ist aber kein Grund zur vorzeitigen Kündigung des zugrunde liegenden Mietvertrages.
Steuer: Bundesverfassungsgericht prüft AdV auf die Zinsschranke
Nach Vorlage des Bundesfinanzhofs (BFH) wird das Bundesverfassungsgericht erneut über die Auswirkungen der sog. Zinsschranke entscheiden (BFH, Beschluss vom 18.12.2013, I B 85/13 veröffentlicht am 16.4.2014).
Für die Praxis: Strittig ist, ob das Finanzamt wegen der eventuellen Verfassungswidrigkeit der Zinsschranke Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines darauf beruhenden Steuerbescheides gewähren muss. Der Bundesfinanzhof geht in seinem Beschluss bislang davon aus, dass AdV gewährt werden muss. Mit besten Grüßen Ihr
Lothar Volkelt
Dipl. Volkswirt, Chefrdakteur + Herausgeber Volkelt-Briefe